Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage für den Vormittag: Würzburg, fol. 147–149’; für den Nachmittag: Österreich B, fol. 519’.

2. HA (Türkenhilfe): Erste Beratung im Ausschuss des FR. Bewilligung der kgl. Forderung von 16 Römermonaten. Festlegung der Legstätten und Zahlungstermine. Keine Einigung zum Erhebungsmodus: Matrikularanschlag und Umlegung auf die Untertanen oder Gemeiner Pfennig. 1. HA (Religionsvergleich): Replik des Kgs. Sonderverhandlungen des Kgs. mit den geistlichen Ständen.

/147/ (Vormittag) Ausschuss des FR zum 2. HA (Türkenhilfe) (Salzburg, Würzburg, Eichstätt, Straßburg, Bayern, Jülich, Pommern, Württemberg, Prälaten, schwäbische Gff.).

/147 f./ Salzburg proponiert: Gemäß Weisung des Ebf. sollen folgende Punkte beraten werden: 1) Höhe der Türkenhilfe. 2) Leistung mit Geld oder mit Truppen? 3) Erlegungstermin. 4) Fragliche Umlegung auf die Untertanen [und Erhebungsmodus]. 5) Legstätten. 6) Verwaltung der Steuer durch einen reichsständischen Pfennigmeister?

/147’/ Umfrage. Beschluss zu den Punkten 1) und 2), die zusammengefasst werden: Dass inn ansehung dises grausamen feindts und der eussersten noth, die nit allein die kgl. Mt. und dero erb konigreich und lannde alß ain glid, sonnder alle glider des Reichs beruren thett etc., der röm. kgl. Mt. die begert hilff der acht monaten uff den doppelten romerzug zu laisten und das die laistung solcher hilff nit mit volckh, sonnder mit gelt gescheen solte1.

/148/ Votum Würzburg: Haben solches austruckenlich nit bewilliget, sondern erklärt: Bf. erkennt die Unabdingbarkeit der Forderung des Kgs. aufgrund der Türkengefahr an, muss aber auf seine eigene Notlage wegen der allseits bekannten Verwüstung des Hst. durch Mgf. Albrecht Alkibiades verweisen2 , weshalb er das jhenig, wie hievor bescheen, bey weittem nit mer erstatten, sonder auch, wo seiner f. Gn. dergleichen noch ainmal begegnen solte, dem Reich gar kein hilff mer wurde laisten konnen. Darumb dann sein f. Gn. wol und genugsame ursachen hette, bey der kgl. Mt. underthenigst anzuhalten und zubitten, ire f. Gn. der Reichs hilff uff etlich jar lanng gnedigst zuerlassen. Nichts weniger aber, so hette sein f. Gn. iren gesandten disen bevelch gethan, sich dahin zuercleren, das sein f. Gn. alles das, so nach gelegenheit ires verderbten stiffts immer muglich, laisten und sich inn dem dermassen erzeigen wolten, daran sonder zweiffel die röm. kgl. Mt. ein gnedigists gefallenns haben wurden3.

/148’/ Beschluss zu 3) und 5): Erlegung der Steuer an zwei Terminen, nämlich Ostern und Pfingsten [1557]. Es werden sonderlichen von wegen der kraiß gelegenheitten vier Legstätten benannt: Frankfurt, Leipzig, Nürnberg, Regensburg.

4) Umlegung der Steuer auf die Untertanen? Umfrage. Ein Teil votiert, dass die Reichsstände die Hilfe zunächst aus ihren Kammergütern oder auf andere Weise aufbringen, aber die Möglichkeit haben, sie nachher nach eigener Entscheidung von den Untertanen (aber gleichwol, wie von etlichen gemelt, mer nitt4) widerumb zuerschatzen5. Dagegen votiert der andere Teil des Ausschusses, da man zu einer ersprießlichen, furtreglichen hilff, zu deren der allmechtig Gott seinen segen und gedeien, gluckh und wolfarth geben moge, kommen wolle, das dieselbigen durch erbare, christliche, gleichmessige weg gesuecht und angestellt werden. Nun kondte man aber nit befinden, so ein jeder stannd itzo sein hilff /149/ erlegen und dieselbigen hernach seins gefallens von den underthanen widerumb heraus zuschatzen macht haben solte, das ein solches ein gleichmessiger und christlicher weg sein oder der allmechtig Gott seinen segen und gnad darzu geben wurde, dann ein jeder stand kont und mochte durch solchen weg jedes malß wol dreymal sovil von seinen underthanen erschatzen, alß ime zuvor zur hilff wider den turcken zuerlegen geburt hette. So nun aus dissem werckh ein beharrlich hilff werden und volgen, wie es dann inn allweg dahin zurichten, und die underthane uff etliche jar nach einander also angelegt und geschetzt werden solten, hette meniglichen wol zuerachten und abzunemen, wie ungleich und beschwerlich dasselbig sein, und gewislich der almechtig Gott zu noch mererm zorn und straff wurde bewegt werden. Dweil dann dises ein gemeines werckh, das zuvorderts den heyligen namen und die ehr Gottes und die gantze gemeine christenheitt und also nitt allein den burger und baurn, sonder alle und jede, hohes und niders, geistlichs und weltlichs stanndts, die seien gleich sunsten exempt, privilegirt und gefreiet oder nitt, und also eines jeden selbst leib, leben, hab und gut, weib und kind, einen so wol alß den andern, betreffen thette, davon sich billich keiner absondern oder ausziehen, sonder gleiche burd und beschwerden aufgelegen und getragen /149’/ werden solten, so were kein christenlicherer, gottseliger, gleichmessiger und besserer weg, da mher gluckh, auch der segen und gnad Gottes bey sein konth, dann der weg des gemeinen pfennings: Dergestalt, das ein jeder stannd sein geburnus an itzbegerter und bewilligter hilff uff die bestimpte zwo fristen erlegen, und so der gemein pfenning auch also angestellt und eingebracht, das alßdann ein jeder stand deßen, so er an diser itzigen hilff erlegt, von solchem gemeynen pfenning widerumb solte betzalt und das uberig zu widerstannd des turcken gebraucht werden etc. Und ist daneben darfur gehalten worden, so man uff das hundert ein gulden schlagen und dasselbig ein jar einsamlen oder aber, so man uff das hundert gulden einen halben gulden schlagen und dasselb zwei oder drei jar einbringen, es wurde sovil ertragen und erraichen, das [man] die itz begert hilff, so sich uff 48 000 [!] zu roß und fues erstreckht, drey jar lanng volliglich erhalten und erstatten kondte etc. Da einige Ausschussmitglieder zum Gemeinen Pfennig keine Weisung haben, wird die Beratung bis Samstag vertagt.

/519’/ (Nachmittag, 2 Uhr) Kgl. Herberge. [Entsprechend Protokoll des Religionsausschusses, 99 f., und entsprechend Protokoll der Versammlungen der katholischen/geistlichen Stände, 100–103’6.]

Anmerkungen

1
 Die Württemberger Gesandten verwiesen im Votum der 1. Umfrage auf die Nutzlosigkeit einer Türkenhilfe, wenn sie nicht verharlichen und statlichen angericht werde. Sie plädierten deshalb nochmals für die von ihnen im Plenum des FR vorgebrachten Wege für die Erbringung einer beharrlichen Hilfe (vgl. Österreich B, fol. 516’–517’ [Nr. 160]). Bis dahin sollten dem Kg. die Ausstände am Reichsvorrat [1548] in Höhe von 500 000 fl. überlassen werden (Bericht Massenbach und Eislinger an Hg. Christoph vom 28. 12. 1556: Ernst IV, Nr. 198 S. 237–240, hier 239). Die Überlassung der Restanten am Reichsvorrat hatte der Hg. in der Weisung vom 12. 9. 1556 (Offenhausen) angeregt (ebd., Nr. 138 S. 155–157, Anm. 5).
2
 Bezugnahme auf die Verwüstungen im 2. Markgrafenkrieg. Vgl. zum Markgrafenkrieg im Hst. (1553/54): Sicken, Würzburg, 147–154: Der Konflikt habe das Hst. „finanziell und wirtschaftlich an den Rand des Ruins gebracht.“ Die Kriegskosten und –schäden beliefen sich insgesamt auf ca. 2,2 bis 3,5 Mill. fl. (ebd., 154). Ähnlich die Kalkulation (ca. 3,5 Mill. fl.) bei Bauer, Zobel, 503–507 (Berechnung der Kriegskosten; zum Markgrafenkrieg insgesamt: Ebd., 363–495; vgl. auch die Angaben bei Wendehorst, Bistum, 120). Im Hst. Bamberg betrugen die Kriegsschäden ca. 2 Mill. fl., dazu kamen Schulden von ca. 1 Mill. fl. Das Hst. stand damit „in unmittelbarer Nähe der Zahlungsunfähigkeit“ ( Zeissner, Hochstift, 156).
3
 Das Votum entsprach damit fast wörtlich der grundlegenden Weisung Bf. Melchiors zur Türkenhilfe vom 1. 9. 1556 (Würzburg): StA Würzburg, WRTA 39, fol. 351–354’, hier 353–354. Or.; präs. 5. 9.
4
 = nicht mehr als die Höhe des eigenen Anschlags.
5
 Laut Bericht der Württemberger Gesandten vom 28. 12. 1556 votierten für diesen Weg Salzburg, Bayern, Würzburg und Württemberg. Die übrigen Ausschussmitglieder plädierten für den Gemeinen Pfennig (wie Anm. 1, hier 239). Unabhängig von diesem Bericht regte Hg. Christoph in der Weisung vom 26. 12. (Stuttgart) als Alternativmodell an, die Reichssteuer nicht auf die Stände, sondern auf die Pfarreien zu veranschlagen: Das wa ein pfarr hundert comunicanden, aus iedem haus ein man gerechnet, hette, das solliche pfarr ein fuosgeenden kriegsman mit einem sold erhalten sollte, uf n. und n. jar, und wa die mer volk hette, das nach anzal der comunicanten oder hausgesessen sie contribuieren theten; erachten wir, das in dem reich ob den 40 000 man erlaufen wurde ( Ernst IV, Nr. 192 S. 231, Anm. 1). Der Vorschlag kam im FR nicht zur Sprache.
6
 Nr. 324, Nr. 393.