Textvorlage: Sachsen B, fol. 1–9’.
Beharren von Kurpfalz auf der Freistellung im Junktim mit der Türkenhilfe und der Verweigerung der Hauptverhandlungen vor deren Erörterung. Ablehnung durch Kursachsen und die Mehrheit: Relativierte Freistellungsforderung ohne Gefährdung des Religionsfriedens und ohne Beeinträchtigung der Hauptverhandlungen.
/1/ (Nachmittag, zwischen 2 und 3 Uhr) Kurpfälzer Herberge. Versammlung der CA-Stände
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(Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Pommern, Württemberg, Hessen2
), einberufen von den Kurpfälzer Gesandten.
Kurpfalz proponiert: Haben zur letzten Sitzung der CA-Stände inzwischen Weisung des Kf. erhalten3
: Kf. billigt die Vereinbarung festen Zusammenhalts und die vorrangige Beratung der Religionsfrage. Zur Freistellung hat Kf. fernner erwogenn, wie ein beschwerlicher punct solliches, unnd das eusserste vermogen /1’/ unnd allenn vleis darauff zuwendenn geneiget were, darmit der geendert, herauß gelassenn oder ercleret unnd nicht alleine den Reichs stenndenn, sonndern allenn frei gelassenn wurde one bevahrung, mackell unnd delict4. Jetzt seie occasio, [diese] zuerhaltenn, da mann sich zusamenn haltet etc.
Kf. befürwortet, vor erörterunge der freistellunge sonnst inn keine hanndelunge, auch nicht praeparative vonn der religion zutractirenn, sich eintzulassen, bis mann sehe, wa es darmit hinaus wolte5. Wurde die nun erhaltenn, so were es ein sehr gut christlich werck; wa nicht, dann fernner zuerwegenn unnd zusamenn zutragenn, was weiter zucausirenn unnd vortzuwendenn. Versehenn sich auch gnedigist, die gesanntenn herren wurden inenn solliches gefallenn lassenn unnd fur einen mann inn deme stehenn. Also dann were fernner darvon zutraciren, welcher gestalt die freistellunge vortzubrengenn unnd zuerhaltenn. Sie woltenn unns auch nicht bergenn, das ire kfl. Gn. entschlossenn, also darauff zubestehenn, unnd sie als die diener wusten darvon nicht /2/ zuweichenn oder sich inn eine hanndlunge furenn zulassenn, das gehe dann. Unnd wa wir es inn deme mit inenn nicht haltenn wurdenn, so muestenn sie alleine vorgehenn. Beteiligung der protestantischen Reichsstädte: Kf. wünscht zumindest deren spätere Zuziehung6
, darmit sie nicht abpracticiert wurdenn unnd, wann sie dieses berichtet, auch darob haltenn mochtenn etc.
1. Umfrage. Kursachsen: /2 f./ Haben ebenfalls Erklärung des Kf. erhalten und billigen demnach die Vereinbarung festen Zusammenhalts sowie die vorrangige Beratung der Religionsfrage. Freistellung: Verweisen wie in der letzten Sitzung nochmals ausführlich auf das Engagement des Kf. gegen den Geistlichen Vorbehalt auf dem RT 1555 und auf seine jetzige Bereitschaft, sich für die Freistellung einzusetzen. Kf. hat aber bereits vorbringen lassen,
/2’/ warumb der artickell nicht zuerwegenn, darmit dem wiedertheil nicht ein eingang gemachet zu irenn griffenn unnd dahin gebracht, da es der babst unnd sein anhangk gernne hin hetten7 oder uffs wenigste, das allerlei rede im Reich dardurch /3/ verursachet. Ire kfl. Gn. woltenn auch nachmals darbei thun alles, so mueglich unnd inn gewissenn voranntwortlich. Doch das dem friede kein loch gemachet noch zerruttet unnd annderer nottwendigenn punctenn beratschlagung derwegenn nicht hindan gesetzet noch unnderlassenn wurde8. Unnd ir gnedigster herr erachtet noch vor hochnottwendig, wol zuerwegenn, was allenthalbenn darauff stehet, unnd ob guet, vor aller hanndelung dessen artickels zuerwehnenn unnd mit beratschlagunge der turckennhulffe nicht alleine die anndere stende, sonndern auch kgl. Mt. uffhaltenn. Jedoch woltenn ire kfl. Gn. sich deß auch nicht irrenn lassenn, wann er alleine verhoffenlich zuerhaltenn9. Sie suchtenn darinnenn keinenn vortheil, wiewol sie auch stifft hettenn. Es hette sich aber derenn keiner als er10 so wenig angenommenn. Welches er obiter wolte angetzeiget habenn etc. Jedoch woltenn sie fernner anhorenn, was der pfeltzischenn unnd annderer gesanntenn bedencken inn deme were, wie der artickell antzustellenn. Ir gnedigster herr aber wolte die confession verwannte aber des sonnderlich gnedigst erinneret, verwarnet unnd darvon bedinget habenn, da es annders gerathenn unnd dem friede ein loch gemachet unnd annders ervolgen solte, das sie dartzu /3’/ keine ursach gegebenn, sonndern dessenn gegenn Gott unnd der welt entschuldiget sein unnd des die stennde vorwarnet woltenn habenn. Ire kfl. Gn. bedechtenn auch, das inn deme artickell unnd gewissenn beschwerlich were, das unnserer religion vorwandtenn frei stehenn unnd außtrucklich zugelassenn sein solte, zu denn papistenn zutrettenn11. Darumb zubedenckenn, ob es nicht dermassenn zuerhalten, das alleine jhenenn freistunde, zu unns zutrettenn12. Der stette halbenn werenn sie nachmals voriger meinunge.
Kurbrandenburg: Wiederholt ebenfalls sein Votum der letzten Sitzung. Hat speziell zur Freistellung noch keine Weisung, erwartet diese aber stündlich13. Das er aber fernner inn keines anndern artickels handlunge, /4/ ehe dann die freistellunge erhaldenn wurde, bewilligenn solte, das wuste er nicht zuthun, eher dann er solliches zuthun bevelich bekeme, aus nechst angetzeigtenn ursachenn unnd furnemlich, das es zuerhaltenn unmöglich. Unnd konnte die uffhebung oder enderung desselbigenn artickels one zerruttung der ganntzenn disposition vonn dem religion fridenn nicht geschehenn. Wann mann aber der pfeltzischenn mainunge einigk, alßdann were sich zuvorgleichenn, wann die freistellunge zuerwegenn, wie unnd ann wen es zugelangenn14. Beteiligung der Städte: Wie zuletzt, da es eine neuerung.
Sachsen (Schneidewein): Wiederholt ebenfalls das Votum der letzten Beratung. Stellt dabei fest, dass Kurpfalz jetzt eine addition unnd neuerunge [vorbringt], welche ich15 vorhin nicht so eigentlich vorstanden, als nemlich das auch ire kfl. Gn. vor erorterunge der freistellunge praeparative nicht woltenn de religione tractirenn lassenn, unnd dann bey denn sachssischenn churfurstischenn zweierlei neuerung, als die warnunge, unnd das die begebung zu [!] /4’/ jehnen theil betreffe16 etc., vermercket. Hat zu den Ergebnissen der letzten Sitzung noch keine Weisung der Hgg. erhalten, stellt aber fest, dass ein Schreiben Kf. Ottheinrichs an diese inhaltlich mit dem Votum der Kurpfälzer Gesandten übereinstimmt. Referiert die Antwort der Hgg. an den Kf.
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und fügt an, dies sei ein hochwichtiger unnd bedencklicher hanndel, zuvorderst meines bedenckens, da mann nicht alleine inn keine hanndelunge der türckenhulff, sonndern auch der religion halbenn, unnd darvon praeparative zu tractiren, sich nicht einlassenn wolte, furnemlich weil wir allenthalben /5/ vermerckt, vast inn beidenn rethenn der religion tractation erhaltenn unnd mann sich verglichenn, das die religion der erste punct der beratschlagunge sein solte. Hat dagegen zuletzt votiert, dass die Hgg. die parallele Vorlage von Religionsfrage und Türkenhilfe billigen18
. Will deshalb zunächst die Beratung abwarten und sich dann äußern. Beteiligung der Städte: Wie die Mehrheit.
Brandenburg-Küstrin: /5 f./ Ist beauftragt, sich in der Freistellung den anderen CA-Ständen anzuschließen, hat aber zur Kurpfälzer Forderung, die Hauptverhandlungen vor deren Erörterung zu verweigern, noch keine Weisung. Muss diese abwarten und will zunächst hören,
/5’/ wie, wann unnd ann wen der artickell zubringenn. Beteiligung der Städte: Wie die anderen.
Pommern: Verweist auf sein Votum in der letzten Sitzung und bekräftigt die Forderung, den Geistlichen Vorbehalt aufzuheben. Hat bereits vorgebracht, das der artickell zu gelegenner zeit zuerinnern, da er aber nicht zuerhaltenn, nicht so hefftig zustreitten were. Hielte nicht, das die vorsuchung gewisse gefahr der zerruttunge uff ime hette19. Stedte halbenn wie die anndere.
Württemberg: /5’ f./ Beharren wie in der letzten Sitzung auf der Freistellung und wiederholen die dort genannten Einforderungsstufen20.
/6/ Jetzt seie occasio, die freistellung ann die hannd zunehmenn unnd dahin zuvotirenn21. Beteiligung der Städte: Haben keine Weisung und wollen es beim bisherigen Verfahren belassen.
Hessen: Will vor dem Votum zur Sache seine speculation vermeldenn: Heute im furstenn raht hette er nicht ann dem wenigstenn noch geringstenn gespuret, da sie22 vormercket, das die religio der erste punct sein solte, das sie sich daruber gerumpffet23. Darumb derselbige punct besorglich nachgedenckenn geberenn wurde bei der kgl. Mt., als wolte mann keine oder nicht zu rechter zeitt hulffe thun. Da nun die freistellung hernacher vorbracht werdenn solte, were leichtlich zuerachtenn, was mehr vor ein ansehenn solliches habenn unnd wartzu es gereichenn moge. Haben bezüglich der Freistellung noch keine Weisung des Lgf. zu den Voten der letzten Sitzung, sind aber generell beauftragt, wann mit /6’/ gueter bescheidenheit, one zerruttung des fridens24 unnd hindansetzung annderer nottwendigenn artickell beratschlagung diese uffhebung oder vorenderunge des artickels zubefordernn unnd zuerhaltenn, das es guet were. Da es aber nicht dergestalt zuerhebenn unnd das kriegs volck25 nicht besoldet, sonndern schadenn erlittenn unnd verursacht wurde, dann hette ir herr dessenn artickels halbenn beschwerunge unnd konnte inenn nicht eingehenn26, dann sie sich einsmals aus dem fridenn nicht begebenn noch denselbigenn zerrutten lassenn wolte. Da aber die zerruttung unnd annder schade irem hernn unnd allenn anndernn daraus ervolgenn solte, so wolte er darob protestirt habenn unnd des frei stehenn unnd annderst nicht. Item da ob dem vertzug der hulffe unnd irer untzeittigkeitt inn Hungern schadenn geschehe, so were es vorweislich unnd nebenn allem sambt der unvorsichtigkeit, da der friede zerruttet, diesenn stendenn zugemessen werdenn etc. Der stette halbenn wie anndere zuvor etc.
2. Umfrage. Kurpfalz: /6’ f./ Stellen fest, dass trotz vereinzelter Einwände und Vorbehalte alle die Freistellung befördern wollen. Deshalb ist keine weitere interne Debatte erforderlich, da durch die Forderung /7/ der friede nicht zerruttet, dann darvon zu Augspurgk auch hefftig tractiret unnd dennocht der friede daruber nicht zuruttet worden. Zum anndernn were der friede inn der religion gewilliget. Zum dritten were der artickell vom religion fridenn abgesundert, unnd wurde darinnenn vonn deme, wie der friede erhaltenn, unnd nicht, wie er zerruttet werdenn mochte, tractirt. Zum vierttenn verbunde dieser artickell die stende nicht, weil sie nie darein bewilliget, sonndern außtrucklich dissentiret hettenn. Hindere die hulffe nicht: Wann mann sonnst lust dartzu hätt, konne mann wol helffenn. Wo wir nun mit haltenn wurdenn, mochte er [!] zuerhebenn sein; wa nicht, wurde weichmuetigkeitt gespuret. Es werde darinnenn nicht privatum commodum, sonndern die ehre Gottes unnd religio gesuchet. Woltenn derwegenn nochmals gebettenn habenn, cathagorice et absolute zu respondirenn, ob mann bei inenn stehenn wolte27, dann sie keinenn bevelich hettenn, es annders zumachenn. Da sie auch keinenn beistanndt hettenn, muestenn sie es alleine thun. Woltenn eher die hautt darann setzenn, dann sie one weitern bevelich es nicht anndernn konten. Betten, /7’/ sich nicht abtzusondernn, dann sie muestenn es doch alleine thun. So were der artickell je zum hochstenn beschwerlich, unchristlich, denn papistenn zum vorteil unnd diesenn stenden zur ungleicheit gesetzet. Heut were erhaltenn, das die religion der erste punct sein solte28; die freistellunge wurde wol hernacher gehenn etc.
Kursachsen: Verweisen auf die Unterstützung ihrer Einwände durch andere CA-Stände, namentlich Hessen, und beharren darauf, dass die Freistellung durchaus den Religionsfrieden und die Türkenhilfe gefährden könne. Falls die Forderung aber beschlossen wird, sind sie beauftragt, dem mit anhengig zusein, doch mit obberurtenn zweienn conditionen unnd protestation. Wollen anderen darin keine Vorgaben machen.
Kurbrandenburg: Wie in 1. Umfrage. Dem Kf. ist mehr dann annderenn daran gelegenn, doch seie er so fromme, wolle alles mit thun helffen, was mueglich unnd seinem bevelich nicht zuentgegen, /8/ unnd einsmals darauff votirenn helffenn, aber darnacher nicht weiter darauff dringenn etc.
Sachsen: War auf dem RT 1555 bei der Verabschiedung des Religionsfriedens nicht anwesend. Ungern wolte ich aber darbei sein, das ettwas beratschlaget, dardurch der friede zerruttet wurde. Dann was friede unnd unfriede thette, hette ich auch gesehenn unnd erfarenn. Verweist wie Hessen auf die Verhandlungen im FR an diesem Tag, wonach die bevorzugte Beratung der Religionsfrage vor einenn hofflichenn abschlag der hulffe geachtet wurde werdenn, was daraus erfolgenn mochte unnd euer f. Gnn.
29 ich dessen entschuldiget. Doch wolte ich habenndem bevelich nach vonn inenn ir bedenckenn unnd beschluß anhorenn unnd mich darinnen mit inenn vergleichen.
Brandenburg-Küstrin: Ist bereit, einen allgemeinen Beschluss zubefordernn helffenn, konnte aber keine vorschlege thun noch mit eingehenn, das nichts darnebenn tractirt werdenn solte.
/8’/ Pommern: Einvernehmen, das der artickell erreget wurde. Ob es aber sicher, stehe alleine uff der erfarung. Unnd wie vor etc.
Württemberg: Wollen Einzelheiten zum Vorbringen der Freistellungsforderung erst darlegen, wenn andere vor ihnen dies tun. Grundsätzlich: Sie hettenn etzliche ursachenn contrahiret, darumb der artickell zuerregenn.
Hessen: Wiederholen nochmals, dass der Lgf. wegen der Freistellung weder den Religionsfrieden gefährden noch die Türkenhilfe behindern will. Lgf. und sie, die Gesandten, wollen deshalb nicht verhaltenn, weil kgl. Mt. jetzt inn notenn steckenn, da ire kgl. Mt. die freistellunge, wie es auch gesuchet werdenn mochte, gleich bewilligte, das doch ksl. unnd kgl. Mtt. unnd anndere stende vorwendenn mochtenn, es were ein erdrenget ding, konnten es pflicht halbenn nicht voranntwurtenn noch darbei lassenn; unnd mochte doch zerruttung unnd enderunge vorursachenn. Da aber ausser gefare sichere mittel angetzeiget konnten werden, wolten sie die anhorenn30.
/9/ Kurpfalz abschließend: Es stunnde nicht uff einem herrnn, were auch nicht eines hernn werck. Es stunde darauff, das sie es muestenn suchenn, unnd jetzt alsbalde, auch one anndere31.