Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Sachsen B, fol. 1–9’.

Beharren von Kurpfalz auf der Freistellung im Junktim mit der Türkenhilfe und der Verweigerung der Hauptverhandlungen vor deren Erörterung. Ablehnung durch Kursachsen und die Mehrheit: Relativierte Freistellungsforderung ohne Gefährdung des Religionsfriedens und ohne Beeinträchtigung der Hauptverhandlungen.

/1/ (Nachmittag, zwischen 2 und 3 Uhr) Kurpfälzer Herberge. Versammlung der CA-Stände 1  (Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Pommern, Württemberg, Hessen2 ), einberufen von den Kurpfälzer Gesandten.

Kurpfalz proponiert: Haben zur letzten Sitzung der CA-Stände inzwischen Weisung des Kf. erhalten3 : Kf. billigt die Vereinbarung festen Zusammenhalts und die vorrangige Beratung der Religionsfrage. Zur Freistellung hat Kf. fernner erwogenn, wie ein beschwerlicher punct solliches, unnd das eusserste vermogen /1’/ unnd allenn vleis darauff zuwendenn geneiget were, darmit der geendert, herauß gelassenn oder ercleret unnd nicht alleine den Reichs stenndenn, sonndern allenn frei gelassenn wurde one bevahrung, mackell unnd delict4. Jetzt seie occasio, [diese] zuerhaltenn, da mann sich zusamenn haltet etc. Kf. befürwortet, vor erörterunge der freistellunge sonnst inn keine hanndelunge, auch nicht praeparative vonn der religion zutractirenn, sich eintzulassen, bis mann sehe, wa es darmit hinaus wolte5. Wurde die nun erhaltenn, so were es ein sehr gut christlich werck; wa nicht, dann fernner zuerwegenn unnd zusamenn zutragenn, was weiter zucausirenn unnd vortzuwendenn. Versehenn sich auch gnedigist, die gesanntenn herren wurden inenn solliches gefallenn lassenn unnd fur einen mann inn deme stehenn. Also dann were fernner darvon zutraciren, welcher gestalt die freistellunge vortzubrengenn unnd zuerhaltenn. Sie woltenn unns auch nicht bergenn, das ire kfl. Gn. entschlossenn, also darauff zubestehenn, unnd sie als die diener wusten darvon nicht /2/ zuweichenn oder sich inn eine hanndlunge furenn zulassenn, das gehe dann. Unnd wa wir es inn deme mit inenn nicht haltenn wurdenn, so muestenn sie alleine vorgehenn. Beteiligung der protestantischen Reichsstädte: Kf. wünscht zumindest deren spätere Zuziehung6 , darmit sie nicht abpracticiert wurdenn unnd, wann sie dieses berichtet, auch darob haltenn mochtenn etc.

1. Umfrage. Kursachsen: /2 f./ Haben ebenfalls Erklärung des Kf. erhalten und billigen demnach die Vereinbarung festen Zusammenhalts sowie die vorrangige Beratung der Religionsfrage. Freistellung: Verweisen wie in der letzten Sitzung nochmals ausführlich auf das Engagement des Kf. gegen den Geistlichen Vorbehalt auf dem RT 1555 und auf seine jetzige Bereitschaft, sich für die Freistellung einzusetzen. Kf. hat aber bereits vorbringen lassen, /2’/ warumb der artickell nicht zuerwegenn, darmit dem wiedertheil nicht ein eingang gemachet zu irenn griffenn unnd dahin gebracht, da es der babst unnd sein anhangk gernne hin hetten7 oder uffs wenigste, das allerlei rede im Reich dardurch /3/ verursachet. Ire kfl. Gn. woltenn auch nachmals darbei thun alles, so mueglich unnd inn gewissenn voranntwortlich. Doch das dem friede kein loch gemachet noch zerruttet unnd annderer nottwendigenn punctenn beratschlagung derwegenn nicht hindan gesetzet noch unnderlassenn wurde8. Unnd ir gnedigster herr erachtet noch vor hochnottwendig, wol zuerwegenn, was allenthalbenn darauff stehet, unnd ob guet, vor aller hanndelung dessen artickels zuerwehnenn unnd mit beratschlagunge der turckennhulffe nicht alleine die anndere stende, sonndern auch kgl. Mt. uffhaltenn. Jedoch woltenn ire kfl. Gn. sich deß auch nicht irrenn lassenn, wann er alleine verhoffenlich zuerhaltenn9. Sie suchtenn darinnenn keinenn vortheil, wiewol sie auch stifft hettenn. Es hette sich aber derenn keiner als er10 so wenig angenommenn. Welches er obiter wolte angetzeiget habenn etc. Jedoch woltenn sie fernner anhorenn, was der pfeltzischenn unnd annderer gesanntenn bedencken inn deme were, wie der artickell antzustellenn. Ir gnedigster herr aber wolte die confession verwannte aber des sonnderlich gnedigst erinneret, verwarnet unnd darvon bedinget habenn, da es annders gerathenn unnd dem friede ein loch gemachet unnd annders ervolgen solte, das sie dartzu /3’/ keine ursach gegebenn, sonndern dessenn gegenn Gott unnd der welt entschuldiget sein unnd des die stennde vorwarnet woltenn habenn. Ire kfl. Gn. bedechtenn auch, das inn deme artickell unnd gewissenn beschwerlich were, das unnserer religion vorwandtenn frei stehenn unnd außtrucklich zugelassenn sein solte, zu denn papistenn zutrettenn11. Darumb zubedenckenn, ob es nicht dermassenn zuerhalten, das alleine jhenenn freistunde, zu unns zutrettenn12. Der stette halbenn werenn sie nachmals voriger meinunge.

Kurbrandenburg: Wiederholt ebenfalls sein Votum der letzten Sitzung. Hat speziell zur Freistellung noch keine Weisung, erwartet diese aber stündlich13. Das er aber fernner inn keines anndern artickels handlunge, /4/ ehe dann die freistellunge erhaldenn wurde, bewilligenn solte, das wuste er nicht zuthun, eher dann er solliches zuthun bevelich bekeme, aus nechst angetzeigtenn ursachenn unnd furnemlich, das es zuerhaltenn unmöglich. Unnd konnte die uffhebung oder enderung desselbigenn artickels one zerruttung der ganntzenn disposition vonn dem religion fridenn nicht geschehenn. Wann mann aber der pfeltzischenn mainunge einigk, alßdann were sich zuvorgleichenn, wann die freistellunge zuerwegenn, wie unnd ann wen es zugelangenn14. Beteiligung der Städte: Wie zuletzt, da es eine neuerung.

Sachsen (Schneidewein): Wiederholt ebenfalls das Votum der letzten Beratung. Stellt dabei fest, dass Kurpfalz jetzt eine addition unnd neuerunge [vorbringt], welche ich15 vorhin nicht so eigentlich vorstanden, als nemlich das auch ire kfl. Gn. vor erorterunge der freistellunge praeparative nicht woltenn de religione tractirenn lassenn, unnd dann bey denn sachssischenn churfurstischenn zweierlei neuerung, als die warnunge, unnd das die begebung zu [!] /4’/ jehnen theil betreffe16 etc., vermercket. Hat zu den Ergebnissen der letzten Sitzung noch keine Weisung der Hgg. erhalten, stellt aber fest, dass ein Schreiben Kf. Ottheinrichs an diese inhaltlich mit dem Votum der Kurpfälzer Gesandten übereinstimmt. Referiert die Antwort der Hgg. an den Kf. 17  und fügt an, dies sei ein hochwichtiger unnd bedencklicher hanndel, zuvorderst meines bedenckens, da mann nicht alleine inn keine hanndelunge der türckenhulff, sonndern auch der religion halbenn, unnd darvon praeparative zu tractiren, sich nicht einlassenn wolte, furnemlich weil wir allenthalben /5/ vermerckt, vast inn beidenn rethenn der religion tractation erhaltenn unnd mann sich verglichenn, das die religion der erste punct der beratschlagunge sein solte. Hat dagegen zuletzt votiert, dass die Hgg. die parallele Vorlage von Religionsfrage und Türkenhilfe billigen18 . Will deshalb zunächst die Beratung abwarten und sich dann äußern. Beteiligung der Städte: Wie die Mehrheit.

Brandenburg-Küstrin: /5 f./ Ist beauftragt, sich in der Freistellung den anderen CA-Ständen anzuschließen, hat aber zur Kurpfälzer Forderung, die Hauptverhandlungen vor deren Erörterung zu verweigern, noch keine Weisung. Muss diese abwarten und will zunächst hören, /5’/ wie, wann unnd ann wen der artickell zubringenn. Beteiligung der Städte: Wie die anderen.

Pommern: Verweist auf sein Votum in der letzten Sitzung und bekräftigt die Forderung, den Geistlichen Vorbehalt aufzuheben. Hat bereits vorgebracht, das der artickell zu gelegenner zeit zuerinnern, da er aber nicht zuerhaltenn, nicht so hefftig zustreitten were. Hielte nicht, das die vorsuchung gewisse gefahr der zerruttunge uff ime hette19. Stedte halbenn wie die anndere.

Württemberg: /5’ f./ Beharren wie in der letzten Sitzung auf der Freistellung und wiederholen die dort genannten Einforderungsstufen20. /6/ Jetzt seie occasio, die freistellung ann die hannd zunehmenn unnd dahin zuvotirenn21. Beteiligung der Städte: Haben keine Weisung und wollen es beim bisherigen Verfahren belassen.

Hessen: Will vor dem Votum zur Sache seine speculation vermeldenn: Heute im furstenn raht hette er nicht ann dem wenigstenn noch geringstenn gespuret, da sie22 vormercket, das die religio der erste punct sein solte, das sie sich daruber gerumpffet23. Darumb derselbige punct besorglich nachgedenckenn geberenn wurde bei der kgl. Mt., als wolte mann keine oder nicht zu rechter zeitt hulffe thun. Da nun die freistellung hernacher vorbracht werdenn solte, were leichtlich zuerachtenn, was mehr vor ein ansehenn solliches habenn unnd wartzu es gereichenn moge. Haben bezüglich der Freistellung noch keine Weisung des Lgf. zu den Voten der letzten Sitzung, sind aber generell beauftragt, wann mit /6’/ gueter bescheidenheit, one zerruttung des fridens24 unnd hindansetzung annderer nottwendigenn artickell beratschlagung diese uffhebung oder vorenderunge des artickels zubefordernn unnd zuerhaltenn, das es guet were. Da es aber nicht dergestalt zuerhebenn unnd das kriegs volck25 nicht besoldet, sonndern schadenn erlittenn unnd verursacht wurde, dann hette ir herr dessenn artickels halbenn beschwerunge unnd konnte inenn nicht eingehenn26, dann sie sich einsmals aus dem fridenn nicht begebenn noch denselbigenn zerrutten lassenn wolte. Da aber die zerruttung unnd annder schade irem hernn unnd allenn anndernn daraus ervolgenn solte, so wolte er darob protestirt habenn unnd des frei stehenn unnd annderst nicht. Item da ob dem vertzug der hulffe unnd irer untzeittigkeitt inn Hungern schadenn geschehe, so were es vorweislich unnd nebenn allem sambt der unvorsichtigkeit, da der friede zerruttet, diesenn stendenn zugemessen werdenn etc. Der stette halbenn wie anndere zuvor etc.

2. Umfrage. Kurpfalz: /6’ f./ Stellen fest, dass trotz vereinzelter Einwände und Vorbehalte alle die Freistellung befördern wollen. Deshalb ist keine weitere interne Debatte erforderlich, da durch die Forderung /7/ der friede nicht zerruttet, dann darvon zu Augspurgk auch hefftig tractiret unnd dennocht der friede daruber nicht zuruttet worden. Zum anndernn were der friede inn der religion gewilliget. Zum dritten were der artickell vom religion fridenn abgesundert, unnd wurde darinnenn vonn deme, wie der friede erhaltenn, unnd nicht, wie er zerruttet werdenn mochte, tractirt. Zum vierttenn verbunde dieser artickell die stende nicht, weil sie nie darein bewilliget, sonndern außtrucklich dissentiret hettenn. Hindere die hulffe nicht: Wann mann sonnst lust dartzu hätt, konne mann wol helffenn. Wo wir nun mit haltenn wurdenn, mochte er [!] zuerhebenn sein; wa nicht, wurde weichmuetigkeitt gespuret. Es werde darinnenn nicht privatum commodum, sonndern die ehre Gottes unnd religio gesuchet. Woltenn derwegenn nochmals gebettenn habenn, cathagorice et absolute zu respondirenn, ob mann bei inenn stehenn wolte27, dann sie keinenn bevelich hettenn, es annders zumachenn. Da sie auch keinenn beistanndt hettenn, muestenn sie es alleine thun. Woltenn eher die hautt darann setzenn, dann sie one weitern bevelich es nicht anndernn konten. Betten, /7’/ sich nicht abtzusondernn, dann sie muestenn es doch alleine thun. So were der artickell je zum hochstenn beschwerlich, unchristlich, denn papistenn zum vorteil unnd diesenn stenden zur ungleicheit gesetzet. Heut were erhaltenn, das die religion der erste punct sein solte28; die freistellunge wurde wol hernacher gehenn etc.

Kursachsen: Verweisen auf die Unterstützung ihrer Einwände durch andere CA-Stände, namentlich Hessen, und beharren darauf, dass die Freistellung durchaus den Religionsfrieden und die Türkenhilfe gefährden könne. Falls die Forderung aber beschlossen wird, sind sie beauftragt, dem mit anhengig zusein, doch mit obberurtenn zweienn conditionen unnd protestation. Wollen anderen darin keine Vorgaben machen.

Kurbrandenburg: Wie in 1. Umfrage. Dem Kf. ist mehr dann annderenn daran gelegenn, doch seie er so fromme, wolle alles mit thun helffen, was mueglich unnd seinem bevelich nicht zuentgegen, /8/ unnd einsmals darauff votirenn helffenn, aber darnacher nicht weiter darauff dringenn etc.

Sachsen: War auf dem RT 1555 bei der Verabschiedung des Religionsfriedens nicht anwesend. Ungern wolte ich aber darbei sein, das ettwas beratschlaget, dardurch der friede zerruttet wurde. Dann was friede unnd unfriede thette, hette ich auch gesehenn unnd erfarenn. Verweist wie Hessen auf die Verhandlungen im FR an diesem Tag, wonach die bevorzugte Beratung der Religionsfrage vor einenn hofflichenn abschlag der hulffe geachtet wurde werdenn, was daraus erfolgenn mochte unnd euer f. Gnn. 29 ich dessen entschuldiget. Doch wolte ich habenndem bevelich nach vonn inenn ir bedenckenn unnd beschluß anhorenn unnd mich darinnen mit inenn vergleichen.

Brandenburg-Küstrin: Ist bereit, einen allgemeinen Beschluss zubefordernn helffenn, konnte aber keine vorschlege thun noch mit eingehenn, das nichts darnebenn tractirt werdenn solte.

/8’/ Pommern: Einvernehmen, das der artickell erreget wurde. Ob es aber sicher, stehe alleine uff der erfarung. Unnd wie vor etc.

Württemberg: Wollen Einzelheiten zum Vorbringen der Freistellungsforderung erst darlegen, wenn andere vor ihnen dies tun. Grundsätzlich: Sie hettenn etzliche ursachenn contrahiret, darumb der artickell zuerregenn.

Hessen: Wiederholen nochmals, dass der Lgf. wegen der Freistellung weder den Religionsfrieden gefährden noch die Türkenhilfe behindern will. Lgf. und sie, die Gesandten, wollen deshalb nicht verhaltenn, weil kgl. Mt. jetzt inn notenn steckenn, da ire kgl. Mt. die freistellunge, wie es auch gesuchet werdenn mochte, gleich bewilligte, das doch ksl. unnd kgl. Mtt. unnd anndere stende vorwendenn mochtenn, es were ein erdrenget ding, konnten es pflicht halbenn nicht voranntwurtenn noch darbei lassenn; unnd mochte doch zerruttung unnd enderunge vorursachenn. Da aber ausser gefare sichere mittel angetzeiget konnten werden, wolten sie die anhorenn30.

/9/ Kurpfalz abschließend: Es stunnde nicht uff einem herrnn, were auch nicht eines hernn werck. Es stunde darauff, das sie es muestenn suchenn, unnd jetzt alsbalde, auch one anndere31.

Anmerkungen

1
 Verhandlungsreferat: Wolf, Geschichte, 30 f.; Westphal, Kampf, 48 f. Die übrigen Protokolle zeichnen die Sitzung nicht auf.
2
 Die Württemberger Gesandten Massenbach und Eislinger erwiderten im Bericht vom 26. 9. 1556 an Hg. Christoph dessen Forderung, mehr CA-Stände an den Sitzungen zu beteiligen, mit der Feststellung, dass viele Stände noch nicht vertreten seien und andere Gesandte wie jene Mecklenburgs, Brandenburg-Ansbachs und des Bf. [!] von Magdeburg keine Vollmacht für diese Verhandlungen hätten. Die Zuziehung der Jülicher Gesandten schien nicht ratsam, da deren /169/ bevelch unnsers vernemens sich uff Österreich lenndet und uff die kgl. Mt. was uffmerckens habenn, sich auch alles verdachts eüssern müessenn (HStA Stuttgart, A 262 Bü. 51, fol. 154–172’, hier 168’ f. Or.; präs. Stuttgart, 1. 10.).
3
 Heyles war im Anschluss an die CA-Sitzung am 4. 9. zu Kf. Ottheinrich nach Amberg gereist. Er kehrte am 20. 9. nach Regensburg zurück (Bericht der kursächsischen Gesandten vom 23. 9. 1556: HStA Dresden, Loc. 10192/4, fol. 197–202’, hier 197. Or.; präs. Dresden, 27. 9.). Die angesprochene Weisung an Heyles und Hegner (Amberg, 12. 9. 1556) bezieht sich auf den mündlichen Bericht Heyles’ über die Freistellungsverhandlungen. Der Kf. beharrte darauf, dass diese /51/ fur allen andern handlungen unnd one vermischung deroselben puncten furzunemmen, ohne sich wegen der Türkengefahr davon abbringen zu lassen, dann wir nicht /51’/ allein hierinn auff die gelegenheyt, sonnder viel mehr, was unß fur Gott und der wellt unsers gewissens halb verantwortlich sein will, sehen und schauen, also auch unnß davon, wir wollten dann Gottes ehr zu rugk stellen, leichtlich nicht wissen bewegen zelassen. Falls die CA-Stände mehrheitlich anders entschieden, sollten die Gesandten vorerst nicht von ihrer Linie abweichen (HStA München, K. blau 106/3, fol. 51–55’, hier 51 f. Or.; präs. 19. 9.).
4
 Anders im Bericht der kursächsischen Gesandten vom 27. 9. 1556 an Kf. August: Freistellung in dem Sinn, also das den geistlichen frey stunde, sich zu der augspurgischen confession oder zu den andern, nemlich zu den bepstlichen, zubegeben (HStA Dresden, Loc. 10192/4, fol. 304–317’, hier 305’. Or.; präs. o. O., 1. 10.).
5
 Nach Einschätzung der kursächsischen Gesandten würde es, falls Kurpfalz dies durchsetzen könnte, ein grosse weitleuftigkeit geben und andern nothwendigen dises reichstags puncten nicht wenig hindernus geben, und doch damit nichts ausgericht werden, sondern die sachen mochten endtlichen zu einer protestation kommen (Bericht vom 23. 9.: Wie Anm. 3, hier fol. 198). F. Kram sah die Ursache für das Beharren Ottheinrichs auf der rigiden Forderung mit dem Junktim darin, dass jha auch die hochnottwenndige turckenn hulff sonderlich der röm. kgl. Mt. zu vordriß desto mehr gehindert unnd marggraffen Albrechts etc. sache unnd anderer mehr leuth vorhaben gefördert werdenn möchte etc. (Bericht an Kf. August vom 24. 9. 1556: HStA Dresden, Loc. 10192/4, fol. 294–297’, hier 295’. Or.; präs. Dresden, 27. 9.). Später betonte Kram nochmals [vgl. Nr. 354, Anm.33], die Haltung Ottheinrichs missfalle selbst dessen Gesandten. H. Hegner sei deshalb nach der Sitzung am 24. 9. zum Kf. nach Amberg geritten, um vielleicht doch andere Weisung zur Freistellung zu erhalten (Bericht Kram an Kf. August vom 27. 9. 1556: Ebd., fol. 298–303’, hier 298’ f. Or.; präs. Dresden, 30. 9.). Vgl. Kurze, Kurfürst, 97, Anm. 26.
6
 Vgl. Weisung vom 12. 9. (wie Anm. 3, hier fol. 52 f.): Sollen die Beteiligung der Städte anstreben, die /52/ sich der augspurgischen confession warhafftigclich bis anhero anhengig gemacht und gehallten oder noch halten wurden. [...] /52’/ Dann es ye besser, sie bey unser religion zuerhallten, dann ursach zegeben, davon zutrachten. Neben dem wir guter hoffnung seind, sie auch der sachen nicht undhienstlich sein werden.
7
 Gemeint: Rücknahme des Religionsfriedens. Vgl. Anm.16 bei Nr. 354.
8
 Eindeutig im Württemberger Bericht vom 26. 9. (wie Anm. 2, hier fol. 163’): Dass weder der Religionsfrieden infrage gestellt noch die nottwenndig turckenhülff uffgehalten wurde.
9
  Kf. August hatte in der Weisung vom 11. 9. 1556 festgestellt, er halte die Durchsetzung der Freistellung für /167’/ ein ummuglich ding. Weiterführend schien lediglich die abgemilderte Form, wie Württemberg sie am 4. 9. als 3. Stufe angesprochen hatte [Kurpfalz C, fol. 153: Nr. 354] und die so umgesetzt werden könnte: /168/ Wann ein bischoff oder ander prelat zu unserer religion trete, das er gleichwol seiner bischtumb oder prelatur gentzlich nicht enttsetzt, sondern ob also dann ordentlicher weise durch die capitula ein coadjutor erwelet und dardurch oder sonst das welttliche regiment der stiffte zum theil oder gar inn andere wege versehen wurde, das nichts weniger der bischoff oder prelat, so zu unserer religion getrettenn, seinen bischofflichen städt, dignitet und underhalt habenn und behaltenn möchte. Die Gesandten brachten den Vorschlag im Votum nicht zur Sprache (HStA Dresden, Loc. 10192/4, fol. 167–169. Kop. Vgl. Wolf, Geschichte, 29 f.; Westphal, Kampf, 47).
10
 = Kf. August.
11
 Im Württemberger Bericht vom 26. 9. (wie Anm. 2, hier fol. 164 f.) als Zusatz: Dies wäre den sechssischenn lannden dermassen beschwerlich, das ir kfl. Gn. ires gewissens halbenn annderst nit inn die freistellung der geistlichenn bewilligen khünden, dann allein denn jhenigen geistlichen, die zu der christlichen religion unnd nit vicissim von derselben zu dem pfaffen hauffen und irer lehr tretten woltten, freigelassen wurde, /164’/ furnemlich inn betrachtung, das inn Sachsen noch vill geistlichen, prelatten unnd anndere für ire personen der christlichen lehr heimlichen zuwider, welchen dadurch wider das pabstumb annzurichten die hannd gebotten. Was zerruttung aber der jurisdiction unnd gefahrlichenn weiterung solches erregen wurde, hette meniglich zubedenncken. Befürworten zwar die Freistellung und wollen die Forderung unterstützen, doch inn allwege dem religion fridenn, auch turckennhülff one abbrüchlich oder verhinderlich.
12
 Vgl. dazu auch Kurmainz, pag. 106 [Nr. 15] mit Anm. 9.
13
 Vgl. die Weisung Kf. Joachims an A. Zoch vom 9. 9. 1556 (Grimnitz) für das Votum in Absprache mit Kursachsen: Voranstellung der Religionsfrage, Verhandlungen zum Religionsvergleich in einem Ausschuss, dort Votum für ein Kolloquium. Dabei sind bezüglich des Religionsfriedens stets /60/ nodturfftige vorbehaldt unnd protestationes zuthun, daß derselbe friedtstandt allenthalben solle bei krefften unnd wirden pleiben, unnd daß man sich anderer ge- /60’/ staldt in die berathschlagung nit wolle begeben noch einlassen. Zoch solle eine Türkenhilfe nit ehe schlieslich bewilligen, eß werde dan obgemeltem friedtstandt unnd dem passauischen abschiede [...] allenthalben nachgesetzt. Freistellung: Unterstützung einer Kurpfälzer Initiative in Absprache mit Kursachsen, jedoch nur so weit, dass damit der Religionsfrieden /60’/ nicht zeruttet, auch die turckenhulff alß ein nodtwendig christlich werck euerß teilß nit solte gehindert werden. /61/ Falls man den Geistlichen Vorbehalt im Junktim gleich mit gewaldt auß dem religion frieden zudringen sich unterstehen wolte, so mochten die geistlichen unnd ir hauf ursach nhemen, denselben religion frieden, wan ime in einem punct wider iren willen ein loch gemacht, gantz und gar zutzurrutten. Sollen an den Sitzungen der CA-Stände teilnehmen, sich aber derwegen von denen der alten religion im reichsrath nit abteilen (GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. B, fol. 60–61’. Kop.).
14
 Im Württemberger Bericht vom 26. 9. (wie Anm. 2, hier fol. 165) als Zusatz: Jedoch wie Kursachsen, dass dadurch dem Religionsfrieden kein gefahr unnd der türckennhülff khein verhinderung zugefuegt werde etc.
15
 = H. Schneidewein, Votant und Verfasser vorliegenden Protokolls.
16
 Gemeint: Freistellung nur einseitig als Möglichkeit des Glaubenswechsels katholischer Geistlicher.
17
 Schreiben Kf. Ottheinrichs vom 30. 7. 1556 und Antwort der Hgg. vom 21. 8. (Einleitung, Kap. 3.3, Anm.108). Schneidewein erhielt beide Schreiben zusammen mit der Weisung der Hgg. vom 4. 9. 1556 (Weimar) und dem Auftrag, die Freistellungsinitiative von Kurpfalz in der Form zu unterstützen, dass sie /321/ fuglich unnd glimpflich, auch zum undertenigsten vorgebracht werde. Doch ist hienebenn wol zubedenckenn, domit gleichwol zu gentzlicher umbstossung oder zum wenigsten zerruttunge des Reichs abschieds [Religionsfrieden] hiedurch noch sonstenn uff diesem teil nicht ursach gegebenn, dann der babst unndt /321’/ seine geistlichenn sollenn des abschids ubel zufridenn unndt zum hochstenn beschwert sein. Falls Kg. die Forderung ablehnt, ist zu antworten: Die CA-Stände würden die Türkenhilfe gern leisten, doch /322’/ wurde man diesenn teil nicht vordencken, dieselbige alsdann ann sich zuhaltenn unnd nicht zuthun, dieweil ihnen uf ihr undertenigsts unnd freuntlichs ersuchenn unndtt bitten in irenn obligendenn sachenn und beschwerunge keine /323/ erledigung widerfahrenn konthe (HStA Weimar, Reg. E Nr. 179, fol. 320–324’, hier 320’–323. Or.). In der Weisung vom 19. 9. (Heldburg) bekräftigten die Hgg. nochmals, Schneidewein solle zusammen mit Kurpfalz und anderen /294/ dich befleissigenn, [...] ob ir die andere confession verwannthe dohin auch vormugenn kontet, die Freistellung an den Kg. zu bringen (ebd., fol. 292–295a’, hier 292’, 294. Or.). Am 9. 10. (Römhild) beauftragten sie ihn, namentlich die kursächsischen Gesandten zum Anschluss an die Kurpfälzer zu bewegen (ebd., fol. 309–312a’, hier 310. Or.). Dagegen berichtete Schneidewein am 9. 10., Kurpfalz sei in der Aufrechterhaltung des Junktims von Freistellung und Verhandlungsaufnahme weitgehend isoliert, da Kursachsen im KR am 8. 10. erklärt habe, die Beratungen zur Türkenhilfe und zur Religion nicht zu behindern. Da andere dem folgen, wird auch er sich dieser Mehrheit anschließen müssen. Das Beharren auf dem Boykott würde nichts fruchten, /179/ weil sie alle duchaus der meiung sein ausserhalb der pfeltzischenn (ebd., Reg. E Nr. 180, fol. 178–179a’. Or.).
18
 Vgl. dazu Anm.12 bei Nr. 118.
19
 Im Württemberger Bericht vom 26. 9. (wie Anm. 2, hier fol. 166) als Zusatz: Bietet an, die Freistellung neben anndernn [...] inter votandum im FR anzusprechen.
20
 Vgl. Kurpfalz C, fol. 153 [Nr. 354].
21
 Im Württemberger Bericht vom 26. 9. (wie Anm. 2, hier fol. 166’) als Verdeutlichung: Haben wie Kurpfalz und Pommern kein bedencken, gleich jetzundt, ehe die religions sachen dem usschuß bevolhenn würde (dann hernacher dises halbenn nichts zuerhalten), inter votandum im FR die Freistellung anzuregen. Vgl. dazu die Weisung Hg. Christophs an seine Gesandten (Offenhausen, 12. 9. 1556): Hält das Engagement Kursachsens in der Freistellung nur für eine expiscatio anderer Stände, da die Einforderung beim RT 1555 nicht zuletzt an Kf. August gescheitert sei. Ohne Freistellung sei kein Frieden zu erwarten, da man sehe, was seidher in ainem jar fur mer misstrauen under den stenden dann schier zuvor gewest, worden. Hg. geht davon aus, dass bei geeigneter Anregung der Freistellung etliche gutherzige bischof von chur- und fursten auch mit zustimen werden. Dann warlich, wa wir solchen nit erhalten werden, so dörfen wir uns anders oder lengers friden nit zu inen versehen, dann wann inen die hand zu lang würdet, das sie in uns platzen werden und ir hail versuchen, werden wol ursach ab ainem zaun, wie man sagt, reissen, den religionfriden damit zu beclaiben. Daneben riet der Hg. an, weitere CA-Stände wie Mecklenburg, Braunschweig, Pfalz-Simmern, -Zweibrücken, Brandenburg-Ansbach, Baden (Karl), Anhalt und die Wetterauer Gff. in die Beratungen einzubeziehen, keinesfalls aber die Städte. Die hgl. sächsischen Gesandten könnten mit den Jülichern verhandeln, ob Hg. Wilhelm sich daran beteiligen wolle; versehen wir uns, es solte kainen bösen geben ( Ernst IV, Nr. 138 S. 155–157, Anm. 5).
22
 = die katholischen Stände, namentlich Österreich.
23
 Vgl. erläuternd den kursächsischen Bericht vom 27. 9. (wie Anm. 4, hier fol. 308’): Im FR habe Österreich gegen die Voranstellung der Religionsfrage eingewandt, die Türkenhilfe dulde keinen Aufschub. Geschähe dies, würde Kg. es volgendts fur keine erspriesliche hulff achten, und wurden ihre Mt. den vertzugk fast fur ein hofflich abschlagen halten.
24
  Lgf. Philipp hatte den Gesandten Kram und Lersner als Anlage zur Weisung vom 12. 9. 1556 (Elgershausen) seine Korrespondenz mit Kf. Ottheinrich zu dessen Freistellungsinitiative und mit Kf. August von Sachsen (Einleitung, Kap. 3.3) mit dem Befehl geschickt, sich entsprechend den Empfehlungen des Letzteren zu verhalten. Keineswegs sei ratsam, wegen der Freistellung eine Infragestellung des Religionsfriedens in Kauf zu nehmen (StA Marburg, Best. 3 Nr. 1248, fol. 131, 132’. Or.; präs. 23. 9.). Weisung vom 21. 9. 1556 (Spangenberg): Falls die Freistellung wider Erwarten erhalten werden kann, /135/ were sehr gut. Lgf. bewilligt demnach, dass man sie (sovern eß anderst die sachsischen churfurstliche gesandten unnd rethe mitt thun) vleissig antrage und suche, doch das der [...] religion fride nicht zerruttet noch, da solliche freystellung nicht erlangt, darumb der religion fride umbgestossen oder auffgehobenn werde (ebd., fol. 134–139’, hier 135. Or.; präs. 30. 9.).
25
 = in Ungarn.
26
 Vgl. die Versicherung Lgf. Philipps gegenüber Zasius, er habe seinen Gesandten zur Freistellung sollichen bevelch geben, das wir nicht zweifeln, die röm. kgl. Mt. und ir werden darab keinen ungefallen tragen, sondern damit wol zufrieden sein. Auch habe er sie beauftragt, die Türkenhilfe zubewilligen und die nicht auftzutziehenn (Spangenberg, 22. 10. 1556: HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 32–34’, hier 32. Or.; präs. 7. 11.). Vgl. Laubach, Reichspolitik, 194; Meusser, Kaiser, 161 f.
27
 Differenzierter im kursächsischen Bericht vom 27. 9. (wie Anm. 4, hier fol. 309): Fordert Erklärung, 1) ob die übrigen Delegierten zusammen mit Kurpfalz die Freistellung fordern wollen; 2) ob sie dies wie Kurpfalz als ersten Punkt vor allen anderen Artikeln vorbringen wollen; 3) ob sie vor deren Erledigung die Hauptverhandlungen aufnehmen wollen.
28
 Gemeint: In KR und FR. Vgl. Kurmainz, pag. 79–86 [Nr. 12], sowie oben, Anm. 23 (FR).
29
 = die Hgg. von Sachsen als Empfänger des Protokolls.
30
 Gemäß kursächsischem Bericht vom 27. 9. (wie Anm. 4, hier fol. 310 f.) fand noch eine 3. Umfrage statt, in der sie selbst zugestanden, die Freistellung grundsätzlich und vorrangig zu fordern, jedoch ablehnten, die Verhandlungsaufnahme zu den HAA zu verweigern. Der Gesandte der Hgg. von Sachsen hat sich /310’/ auch erbotten, anzuhangen. [...] Als wir aber darauff erinnert, das ehr es im fursten rath [aufgrund der Sessionsfolge] erstlichen erregen muste, do hatt er darauff geantwortet, das er es keinen bevelch, und [deshalb] bedencken hette. Wurde es aber von andern furbracht, so wolte er folgen. Und in summa: Es hat sich niemandts vernemen wollen lassen, das er es im fursten rath anbringen wolte; alleine haben sie sich alle anzuhangen erbotten etc.
31
 Der Württemberger Bericht vom 26. 9. resümiert, dass zwar alle die Freistellung allgemein befürworten, sie jedoch einzig von Kurpfalz mit ernnst verfochten werde, während die anderen bereit seien, sie zugunsten der Verhandlungsaufnahme zurückzustellen (wie Anm. 2, hier fol. 168 f.). Die Kurpfälzer Gesandten versuchten nachfolgend vergeblich, andere Deputierte in Einzelgesprächen zum Anschluss an ihre Konzeption zu bewegen. Lediglich die Württemberger waren auf ihrer Linie, hatten aber keine Vollmacht, im FR /146/ die ding aynig zu dreyben. Kurbrandenburg war zur Modifikation bereit, die Beratung zur Türkenhilfe vorerst unverbindlich zu führen, andere wollten sich der Mehrheit anschließen. Kursachsen und Hessen hatten keine Einwände gegen die Beratungsaufnahme, /146/ also das [...]auff diese leutt wenig zubauen ist. Kurpfalz werde künftig wohl /146’/ eynig stehen (Bericht an Kf. Ottheinrich vom 6. 10. 1556: HStA München, K. blau 107/3b, fol. 143–148, hier 145–146’. Konz.). In den Protokollen nicht erwähnt wird der an den folgenden Tagen erwogene Plan der CA-Stände, wegen der Freistellung eine Gesandtschaft zum Kg. nach Wien zu schicken. Laut Zasius, der davon am 30. 9. 1556 von seinem Informanten „Nicodemus“ [Kram] erfahren hatte, wurde das Vorhaben bis spätestens 6. 10. wegen des kursächsischen Widerstands aufgegeben (Berichte der kgl. Kommissare an Ferdinand I. vom 1. 10., 4. 10., 6. 10. 1556: HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 159–163’, hier 160 f.; fol. 174–176’, hier 174 f.; fol. 183–185’, hier 183. Orr. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 155).