Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Stellungnahme zu den Einzelpunkten im Bericht der Visitationskommission 1556. Sicherstellung der Teilnahme an Visitationen. Anstellung außerordentlicher Assessoren, Besetzung vakanter Assessorenstellen, Besoldungserhöhung für Assessoren. Mindeststreitwert bei Appellationen. Eid des RKG-Personals. Dienstgeld der Advokaten und Prokuratoren. Erläuterung der RKGO in Landfriedenssachen. Strafe beim Widerruf von Revisionen. Finanzierung des RKG. Supplikationen. Rechnungsberichte der Legstätten.

Entworfen von reichsstädtischen Rechtsgelehrten (als Ausschuss des SR)1. Im SR verlesen und gebilligt sowie im RR verlesen am 10. 3.2

HASt Köln, K+R 122, fol. 320–323’ (Kop. Dorsv.: Bedenckenn der erbarn frey- und Reichs stett von wegenn der camergerichts visitation.) = Textvorlage. ISG Frankfurt, RTA 70, fol. 278–281’ (Kop.) = B. HStA München, K. blau 107/2b, unfol. (Kop. Überschr.: Der erbarn stett bedencken uber die relation der camergerichts visitation, so mittwochs, den 10. Martii, in gmeiner Reichs versamblunge verlesen. No. 56.) = C. StadtA Esslingen, RTA 8, unfol. (Kop.). StA Nürnberg, NRTA 26, unfol. (Kop.). HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 57 Aug. Fol., fol. 544–547’ (Kop.).

/320/ Der erbarnn frey- unnd Reichs stett bedenckenn uber die relation3 der jungst anno 56 gehaltener visitation des ksl. camergerichts und wie derselben ordnung zu besserenn seynn mechte.

Ausbleiben des zur persönlichen Teilnahme verpflichteten Ebf. von Bremen sowie unterbliebene Abordnung außerordentlicher Visitatoren durch andere Stände4 : Es ist unabdingbar, das hinfuro solliche mengel furkhomen und dz die visitation vermog der ordnung statlicher geschehe, angesehen das an erhaltung der hogsten justitien im Reich fill gelegenn seynn will.

Erlassung dera camergerichts personen eidt halben zu dem actu visitationis5: Wirdt bedacht, das eß hinfuro, wie in der relation vermeldet, gehalten und sollichs in die camergerichts ordnung gepracht werden solle.

Die extraordinari beisitzer betreffendt: Wurdt nith fur unradtsam angesehenn, dweil der sachen und handlung am ksl. camergericht dießer zeit fil unnd heuffigb, das die hohe notturft erfordern wolle, nith /320’/ allayn die antzal, in der relation bestympt6, sonder zehen oder zwelff personen zu extraordinarien beisitzern zuverordnen und zuerhalten; das auch daneben die assessores7 auß bedachten und in der relation bemelten ursachen8, wo muglich, uf etlich jar zupleiben bestelt und angenommen werden solten. Und so derselben vacierende stett von den jenigen, so zu presentiren haben, in gepurlicher zeit nith ersetzt noch von dem camergericht ex offitio erfullet wurden, das alßdan die verordneten jerliche visitatorn mith geschickten, tauglichen personen solliche vacierennde stett erstatten und erfullen sollen; und in dem allem ein zeitlichs einsehens zuhaben.

Alß auch des camergerichts beisitzer umb erhohung irer jerlicher besoldung auf jungster visitation abermalß angehalten9: Solte den erbarn stetten auch nith entgegen seynn, daß ir jedem die besoldung ungeferlich mith hundert fl. gebessert wurd.

Aber von wegen verordnungc des camergerichts malstadt10, auch der beisitzer begerten ergetzlichait, seint die erbarn stett unbeschwert, sich mit den hohern stenden zuvergleichen. Halten eß aber darfur, so die besoldung berurter massen gebessert, so wurden sich desto mehr gelerter und verstendiger leuth an bemelt camergericht begeben, auch sie, die beisitzer, verhoffenlich der begerten ergetzligheit halben leichtlich zufrieden seyn.

Das aber hinfurter an dem ksl. camergericht khein /321/ appellation under drey hundert fl. haubtgelts werdt solte angenommen werden11, das wil bei den erbarn stetten ethwz bedencklich sein. Dan wie wissentlich, so seyen die undergericht hin und wieder im Reich nith allenthalben gleich besetzt, sonder konnen und mogen auch die mangel der personen und anderer ungelegenheit halben an vil orthen schwerlich erstatt werden. Zudem das den armen partheien zu fil malen an solcher summen, 100, 200 und 300 gulden belangend, al ir vermogen gelegen, auch meniglich bewust, wie gar onordenlich eß an fil orthen und gerichten zugeet und die partheien so gar ubermessich beschwert und one zweiffel noch mehr beschwerdt wurden, so die appellationes dießer massen solten restringirt werden. Ob wol die viele der sachen dem camergericht der muhe und arbeit mehr machen mochten, so seyen doch die camergerichts personen darumb bestelt, das jeder meniglich iustitia sol mitgetheilt werden. Und steht jedes malß dem richter temerarium appellantem nit alleyn in expensis litis, sonder auch vermog der ordnung zu straffen bevor12. Derhalb dan solch constitution den partheien zu mercklichen beschwerden fallen wurde, darumb wurdt fur radtsam und pesser bedacht, das eß nochmalß der appellation halben bei der althen constitution der 50 golt fl. 13 gelassen werden solte.

/321’/ SR billigt, dass der Zusatz zum Eid, den das RKG-Personal bei der Anstellung seit einigen Jahren leistet14 , in die RKGO aufgenommen wird.

/321’ f./ Stellungnahme des RKG zum Memoriale [1555], hier zum ersten Punkt, Dienstgeld der Advokaten und Prokuratoren15 : Da dieser Punkt im letzten Visitationsabschied geregelt wird16 , lässt man es dabei bewenden. In den übrigen Punkten schließt SR sich der Stellungnahme des RKG an.

/322/ SR befürwortet die im Bericht der Visitatoren angeregte Erläuterung der RKGO bezüglich der Klagen am RKG in Landfriedenssachen17.

Sovil aber die revision und sindicat sachen belangt, und das die jenigen, so der außgeschriebenen revision und sindicat renuntieren, pillig gestraft werden sollenn18: Wurdt darfur geacht, dweil solliche unpillige furgenommene diffamationes von denn partheien auß fursetzlichemd muthwillen beschehen, unde [!] eyn dapffere straff gegen solchen unpilligen diffamanten und renuntianten geordent werde. Wie hohe aber dieselbig straff moderiert werden solle, wollen die erbarn stett den hohern stenden hirinn nith furgreiffen.

Wie die underhaltung des camergerichts von gmeinen stenden mochte abgewendt werden19, darinn haben die erbarn stett noch zur zeitt nith bestendige weg und mittel zufinden wissen.

/322 f./ Bezüglich des kgl. Reskripts zur Landfriedenssache des Johann von Holte gegen den Hg. von Jülich belässt SR es beim Bescheid20 , die Entscheidung zur entsprechenden Supplikation auf dem RT 21  abzuwarten.

/322’/ Wegen der Beschwerden einiger Stände und Privatpersonen sollte das RKG der Mainzer Kanzlei einen Bericht übergeben22 . Da die Gravamina und der Bericht dem SR noch nicht vorliegen, ist keine Stellungnahme möglich.

Da die Supplikation des Frh. Johann Jakob von Königsegg um Entschädigung [als Assessor] für die Vertretung von Gff. und Hh. 23  ebenfalls noch nicht vorliegt, schließt sich SR darin den höheren Ständen an.

Zur Bitte der berittenen RKG-Boten um Besoldungserhöhung24  erachtet SR, wiewol ir supplication dießer zeit auch nith fur der handt, das dannocht dieselben potten in bedencken der theuren zeit und geschwynden leufft mith eyner liebung oder pesserung bedacht werden mochten. Doch wollen sie hirinn der hohern stend bedenckhenn /323/ nith furgreiffen, sonder sich mit denselbigen auch vergleichen.

Auch halten eß die erbarn stett fur eyne notturft, das, wief durch die kgl. commissarien und die herrn visitatores bedacht ist25, des ksl. camergerichts underhaltung gelts legstett jedes monats dem ksl. fiscall, welche stend und wie fill erlegt haben, berichten sollenn. Und das sollichs uf gegenwurtigem Reichs tag der legstett gesandten bevolhen werden solle.

In allen übrigen Punkten, die der Bericht der Visitatoren anspricht, lässt SR es dabei bewenden.

Anmerkungen

1
  Nürnberg, fol. 383’ f. [Nr. 310].
2
  Köln, fol. 44 (Billigung); fol. 44’ und Augsburg, fol. 137 (Verlesung im RR) [Nr. 311 mit Anm. a].
3
 = Bericht der Visitationskommission vom 21. 5. 1556 an Ks. Karl V. [Nr. 496].
4
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 2 (Ebf. von Bremen). Das Ausbleiben außerordentlicher Visitatoren zeigt die Gegenüberstellung der Regelung im RAb 1555 mit der Präsenzliste der Visitation (ebd., Anm. 4).
a
 der] In B: des. C wie Textvorlage.
5
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 3.
b
 heuffig] In B: hefftig. C wie Textvorlage.
6
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 9: Anregung, 8 außerordentliche Assessoren anzustellen.
7
 Gemeint: die „ordentlichen“, regulären Beisitzer. Vgl. auch Fassung in C: ordinarien assessores.
8
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 9.
9
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 10.
c
 verordnung] So auch in B. Dagegen wohl korrekt in C: veränderung.
10
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 11.
11
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 12.
12
  RKGO, 2. Teil, Tit. XXVIII, § 3 ( Laufs, RKGO, 205).
13
  RKGO, 2. Teil, Tit. XXVIII, § 4 ( Laufs, RKGO, 205 f.).
14
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 13.
15
 Vgl. zum Memoriale und zur Stellungnahme des RKG: Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 14.
16
 Der Visitationsabschied vom 18. 5. 1556 (vgl. Anm.2 bei Nr. 496) kritisierte, dass Prokuratoren und Advokaten die Parteien unter Androhung der Dienstaufkündigung mit jährlichen bzw. kontinuierlich eingeforderten Dienst- oder Wartgeldern belasteten und sie zu rechtswidrigen Verträgen zwangen. Er verbot diese Praxis und verwies auf die Taxe gemäß der RKGO (RKGO, 1. Teil, Tit. XLVI, §§ 1–4: Laufs, RKGO, 143). Dagegen verstoßende Verträge erklärte er für ungültig. Gegen diese Regelung handelnde Prokuratoren sollten je nach Bedeutung des Vergehens bestraft und gegebenenfalls vom RKG verwiesen werden.
17
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 15.
18
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 16.
d
 fursetzlichem] Fehlt in B. C wie Textvorlage.
e
 und] So auch in B. Dagegen in C: das.
19
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 17.
20
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 18.
21
 Vgl. die Supplikation: Nr. 542.
22
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 19.
23
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 20, sowie die Supplikation beim RT [Nr. 545].
24
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 20, sowie die Supplikation beim RT [Nr. 569].
f
 das, wie] In B: wie das. C wie Textvorlage.
25
 Vgl. den Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 25.