Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Teilnehmer; [2.] Konflikt zwischen Abtei und Stadt St. Gallen; [3.] Verhandlungen der Tagsatzung mit französischen Gesandten; [4.] Beschwerde der Drei Bünde gegen Uri, Schwyz und Unterwalden; [5.] Bitte Rottweils um Berücksichtigung für das eidgenössische Romzugskontingent; [6.] Geldforderung Hans von Baldeggs; Interzession der Tagsatzung für Heinrich Einfaltig; [7.] Vortrag von Gesandten Kg. Maximilians an die Eidgenossen: Entgegnung auf die Vorwürfe der französischen Gesandten.
Zürich, nach dem 8. Juni 1507 (angefangen zinstags nach corporis Christi).
Zürich, StA, B VIII 84, fol. 139–139’, 135, nach 139’, 135’-138’ (Reinkonz., in falscher Reihenfolge abgelegt) = Textvorlage A. Bern, StA, A IV 10, pag. 172–176 (Kop., Datumverm.) = B. Luzern, StA, AKT A 1 F 1, Schachtel 53 Fasz. Maximilian I., unfol. (Kop., Datumverm.) = C. Solothurn, StA , Eidgenössische Abschiede 1507–1510, AG 1,5, pag. 103–110 (Kop., Datumverm.) = D. Basel, StA, Eidgenossenschaft E 1, fol. 151–153’ (Kop., Datumverm.) = E. Schaffhausen, StA, Tagsatzung 1507, unfol. (Kop.). Glarus, LA, Z IV 3.2, zu Stück-Nr. 42 (Kop., nur Pkt. 4 und 5; falsche Ablage).
Regest/Druck unter Übertragung in das Neuhochdeutsche: Eidgenössische Abschiede III/2, Nr. 277, S. 378–381.
[1.]
[2.]
[3.] Der Kg. von Frankreich hat den Bf. von Rieux, H. von Roquebertin und zwei Drr. entsandt.4 Diese bedankten sich für die jüngst zugeschickten eidgenössischen Söldner und lobten sie für ihren Dienst. Ferner bestritten die Gesandten den Vorwurf, daß der frz. Kg. beabsichtige, sich der Kaiserkrone zu bemächtigen. /135 [!]/ Sie erinnerten an das vor Jahren durch den Kardinal von Rouen dem röm. Kg. übermittelte Bündnisangebot, daran, wie das Bündnis zustandegekommen sei und daß der röm. Kg. ein Abkommen gegen die Eidgenossen vorgeschlagen habe. Kg. Philipp von Kastilien habe das Heiratsabkommen zwischen seinem Sohn [Karl] und der Tochter des frz. Kg. [Claudia] als erster gebrochen, als er um eine Tochter des englischen Kg. geworben habe.5 Der röm. Kg. wolle während des Romzugs das Hm. Mailand erobern, das der frz. Kg. als sein mütterliches Erbe mit Waffengewalt verteidigen werde. Der Kg. beantrage zu diesem Zweck, gemäß ihrem Bündnis die Anwerbung von Söldnern zu bewilligen. Wenngleich der Vertrag erst in zwanzig Monaten ablaufe, bitte er außerdem schon jetzt um Verhandlungen über dessen Fortsetzung.
Die eidgenössischen Gesandten antworteten darauf, daß sie diesbezüglich nicht instruiert seien, über das französische Anliegen jedoch an ihre Obrigkeiten berichten würden. Über die Entscheidung der einzelnen Orte würden die französischen Gesandten auf einen künftigen Tag informiertb. Diese wurden außerdem davor gewarnt, ungeachtet dieses Bescheids und ohne Bewilligung der Orte Knechte anzuwerben.
/nach 139’ [!]/ Die französischen Gesandten beteuerten daraufhin erneut, daß der röm. Kg. ihrem Herrn mit dem Romzug Unrecht zufügen und das Hm. Mailand erobern wolle. Dagegen werde sich der frz. Kg. zur Wehr setzen. Die Gesandten baten noch einmal um Bewilligung der Knechte und legten den beiderseitigen Nutzen des Bündnisses zwischen Frankreich und den Eidgenossen dar, mit beschliessung, wo angezöigt untruw furnemen mit dem Hm. Meyland wurd understanden, das der Kg. damit gegen uns sin ere bewart haben woll. Sie hätten keinen Befehl, ohne Zustimmung der Obrigkeiten Knechte anzuwerben. Sollten sie dem Werbungsverbot zuwiderhandeln, seien sie der Bestrafung durch die Eidgenossen verfallen.
[4.] /135’ [!]/ [Beschwerde der Drei Bünde gegen Uri, Schwyz und Unterwalden]6.
[5.] Die Gesandtschaft Rottweils bat, die Stadt im Falle einer Übereinkunft der Eidgenossen mit dem röm. Kg. und den Reichsständen beim bevorstehenden Romzug zu berücksichtigen und im eidgenössischen Kontingent mitziehen zu lassen.7
Sie erhielten zur Antwort, daß man Rottweil in diesem Fall mit 50 Knechten veranschlagen und diesen Trupp den übrigen zugewandten Orten zuordnen werde; die Stadt solle im übrigen für die Bestellung von zwei oder drei Doppelsöldnern Sorge tragen – diewyl doch ir pundnus nochmals gegen uns nit verschynen sye. c–Doch wo röm. kgl. Mt. inen fur sy selbs ouch knecht uflegen wurde, so setze man inen solichs heym, ob sy dz erliden mogent oder nit–.
[6.] [Geldforderung Hans von Baldeggs8; d–Interzession der Tagsatzung für Heinrich Einfaltig in Basel– 9].
[7.] /136’/ e–Es weisd ouch jeder botf, wie die röm. kungischen under andern gescheften angezogen habent, wie sy furkomen, dz die franzosisch botschaft röm. kgl. Mt. vor uns merklich und hoch vertrag und verunglimpfe mit etwas erdichten und ungegrundten furgebringen, darin sy us schuldiger pflicht geursacht wurden, sovil sy des furkomen were, röm. kgl. Mt. zu verantwurten und zu entschuldigen. Und namlich, so werent sy bericht, daz die Franzosen uns furgehalten habent, dz röm. kgl. Mt. an irn Kg. zu Frankrich sollt gefordert haben, sich mit im wider uns Eidgnossen zu verbinden, als die verstentniß zwuschen inen beiden Kgg. nuwlich zu Hagnow durch den cardinal von Ruan [George d’Amboise] beredt worden were. Das sich mit warheit niemer erfinden möcht. Aber das sy die warheit sagten, so wer solichs durch den frankrichischen Kg. an röm. kgl. Mt. zum dickern mal begert und in sonderheit siner Mt. durch den Franzosen zwo gmeinden als hasser gmeins adels furgeschlagen worden; das werent wir Eidgenossen und die Venediger, wider die er sich mit im sollt verpinden und verhelfen im als rechten liebhaber des adels, die zu underdruckung zu bringen. Das hab aber kgl. Mt., als die allweg sonder gn. willen zur Eidgnoschaft getragen hab und noch trage und, ob Gott woll, furo ewiglich tragen werde, im nye wollen gehellen, sonder allweg anzeigt solhen gn. willen, so sin kgl. Mt. zu gmeyner Eidgnoschaft trüge.
Und als sy bericht syent, so habent sy gesagt, das sin Mt. und dero sun, wylant loblicher gedechtnis, Kg. Philipsen zu Castilien, dz sy söllent den hyrat, der zwuschent desselben Kg. Philipsen sun [Karl] und des Kg. von Frankrich dochter [Claudia] verfangen were, am ersten prochen und abgesagt haben mit dem, dz derselb Kg. Philips an den Kg. von Engelland umb sin dochter geworben habe. Darin sich die Franzosen aber irer listigkeit gebruchen. Dann kuntlich syg, das daz parlament in Frankrich irem Kg. furgehalten habent, das /137/ dz Hm. Meyland, ouch Britanien und ander Hftt. mer von der kron Frankrich fallen, wo sin dochter Kg. Philipsen sun oder einem andern F. usserhalb Frankrich vermehelt wurde, und us der ursach irn Kg. bewegt, ouch im deßhalb angelegen, sin dochter dem Delphin [Franz von Orléans] zu vermeheln, umb das die gedachten Hmm. und ander Hftt. und landschaften, so sin dochter mocht geerbt haben, nit von der kron Frankrich koment, das also beschehen. Dabi ze merken syg, wer den hyrat gehalten habe oder nit. Es syg ouch nit on, Kg. Philips were bi dem Kg. von Engelland in werbung gewesen, aber anderer sachen halb, dann dz er sinem sun desselben Kg. dochter verhiraten wöllt.
So habent die Franzosischen ouch vor uns furgeben, das dz Hm. Meyland irem Kg. us muterlichem erbrecht zustand.10 Dz offenlich wider die warheit, dann meniglichem zu wussen syg und lig ouch am tag, das lehen von dem Hl. Rich dem mansnamen und nit wiplichen personen nachfallent und das desselben Kg. von Frankrich mutervater11, Hg. Philips [Visconti], der ein rechter Hg. zu Meyland gewesen, von zit gescheiden, do sye solich Hm. dem Rich heymgefallen und demnach durch Hg. Ludwigen [Sforza], so noch in Frankrich gefangen gehalten werde, versehen, aber durch wylant Ks. Fridrichen, loblicher gedechtnis, nye gelihen worden. Und als der jetzig Kg. zu Frankrich denselben Hg. Ludwigen jetz am letsten gefangen und dz Hm. in sinen gwalt bracht, do hab derselb Kg. zu Frankrich den cardinal von Ruan obgenannt zu kgl. Mt. gesandt, mit beger, im das Hm. Meyland zu lehen zu verlihen, dwil doch ein hyrat zwuschen Kg. Philipsen sun und sins Kg. zu Frankrich dochter [Claudia] beredt und gemacht were, /137’/ damit solich Hm. Meyland, desglich andre Hmm., Hftt. und landschaften, so desselben Kg. zu Frankrich dochter erarbt, zu siner Mt. enkeln handen fielent und denen blibent. Uf dasselb zusagen hab röm. kgl. Mt. solich lyhung ton und mit lutern furworten, ob der hyrat zwuschen sinen enkeln und des frankrichischen Kg. dochter nit furgang haben wurd, dz solich lyhung kein chraft haben söllt.12 Deßhalb solich lehenschaft, alsbald der Kg. von Frankrich sin dochter dem Delphin, als oben angezeigt, geben und verhyrat hab, chraftloß, hin, tod und ab geweßen syg. Es hab sich der Kg. von Frankrich durch sin eigen botschaften, so er zu im nachmals in die Styrmarkt geschickt gehept habe, selbs bekannt, das die lehenschaft des Hm. halb uß, hin und ab syg und er deßhalb kein gerechtigkeit me da hett, undg durch dieselb botschaft begert, im solich Hm. von nuwen dingen ze lihen. Das hab aber röm. kgl. Mt. nit wollen tun.
Sodann zum letsten söllent ouch, als sy furkomen syg, die Franzosen, sich vor uns boten beswert haben an dem, das sich röm. kgl. Mt. so mechtiglich ruste zum romzug, und anzeigt haben, dz ir Kg. im wöll zu solher wird verhelfen, wo er acht hininzuge, als dann ir kgl. Mt. herr und vater Ks. Fridrich selig, loblicher gedechtnis, geton habe, und deßhalb bassieren und furdern. Darzu sagent sy, wo diser zit sich die welschen land in einem solhen fridsamen und rüwigen stand und wesen als zu Ks. Fridrichs ziten hielten, stunde daruf, kgl. Mt. bedörfte solichs rustens ouch nit. Aber man wuß und syg die warheit, das der frankrichisch Kg. in welschen landen in den Fmm., Hftt. und landschaften so wyt umb sich gessen hab, dz sin Mt. sich on ein gwalt hinin nit lassen möge. So wer es ouch spottlich, sollt einer, der ein hopt und obrister der ganzen cristenheit were, von einem mindern gleit und bass nemen. Darumb sy /138/ vermeinten, röm. kgl. Mt. in obangezeigten der Franzosen furgeben, sovil sy des furkomen und inen wussen were, not gewesen sin zu verantwurten, damit die warheit an tag keme.
Und begerten daruf an uns boten, worin die Franzosen röm. kgl. Mt. ferrer verunglympft hetten oder furrer verunglimpfen wurden, inen das anzuzeigen. So wolten sy von ir Mt. wegen gepurlich verantwurtung tun und allweg mit der warheit–e.
Die eidgenössischen Gesandten verwiesen daraufhin auf eine frühere Erklärung, wir lassend solichs alles ein red sin. Da ihnen aber soviel daran gelegen sei und sie auch Befehl Kg. Maximilians hätten, würden sie eine Bestimmung in den Tagsatzungsabschied aufnehmen, wonach im Falle weiterer Vorwürfe von französischer Seite der röm. Kg. informiert und dessen Gegendarstellung angehört werden solle.