Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

Verhandlungen über die Zwangsanleihe; eventuelle Folgen für Nürnberg; Anweisungen für separate Verhandlungen mit Kg. Maximilian.

Nürnberg, 7. Januar 1508 (freitag nach epiphanie).

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Briefbücher 60, fol. 201’-205’ (Kop).

[1. Bitte um Einwilligung Kg. Maximilians zu einer Garantieerklärung Nürnbergs für italienische Kaufleute im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Romzug1].

[2.] [PS] Ihm ist bekannt, daß der Kg. von den Handelsgesellschaften in Augsburg, Nürnberg, Memmingen und Ravensburg eine beträchtliche Anleihe fordert und dies mit einer angeblichen Bewilligung der auf dem Konstanzer Reichstag versammelten Reichsstände, mit der Unterstellung der Gesellschaften unmittelbar unter den Kg. und mit den fehlenden Leistungen für das Reich bei gleichzeitiger Schädigung der anderen Kaufleute begründet. Zwei kgl. Gesandte richteten diese Forderung anfänglich nicht an die Nürnberger Kaufmannschaft allgemein, sondern mündlich nur an die Tucher, die Imhoff, die Hirschvogel und die Fütterer. Diese wiesen das Ansinnen des Kg. zurück. Dieser wandte sich deshalb im folgenden nicht mehr an einzelne Kaufleute, sondern generell an die Gesellschaften der vier Städte. Augsburg ersuchte nach Eingang der entsprechenden kgl. Schreiben [Nrr. 865, 866a, 866b] den Bundeshauptmann Dr. Matthäus Neithart um Einberufung eines Tages der Bundesstädte [Nr. 868]. Dort wurde beschlossen, eine Gesandtschaft zum Kg. zu schicken [Nr. 874], die – allerdings vergeblich – um Abstellung der Forderung bat. Die angekündigte weitere kgl. Gesandtschaft erhielt auf dem folgenden Bundestag einen entsprechenden ablehnenden Bescheid [Nr. 886] wie zuvor, woraufhin sie den Gesellschaften der vier Städte Zitationsmandate zu einem Fiskalprozeß vor dem kgl. Kammergericht [Nr. 884] zustellten. Die Städte nahmen die Zitation an und warteten auf den Prozeßbeginn. Mittlerweile lud der Kg. die Gesellschaften der vier Städte zu Verhandlungen mit Paul von Liechtenstein nach Augsburg ein, mit der Maßgabe, der Forderung nach einer Anleihe aufgrund eines Vorschlags Liechtensteins und nach ausreichender Bürgschaft zu willfahren. Nürnberg entsandte zuerst einen städtischen Diener [Karl Oertel] und dann den Ratsherrn Hieronymus Ebner zu den Verhandlungen mit Liechtenstein. Dieser schlug vor, zur Sicherstellung einer Anleihe von 80 000 fl. binnen Jahresfrist 20 000 Zentner Kupfer zu 4 fl. je Zentner und, falls die Summe damit nicht gedeckt sein sollte, zusätzlich eine entsprechende Menge Silber zu liefern. Die Städte und Handelsgesellschaften erbaten Bedenkzeit. Es wurde ein weiterer Tag der Schwäbischen Bundesstädte nach Ulm und anschließend ein Städtetag auf den 23. Januar (suntag [nach] Sebastiani) nach Speyer einberufen.

[3.] Für Nürnberg ist die Angelegenheit nachteiliger als für andere Städte, da hier im Gegensatz zu Augsburg oder Memmingen keine großen Handelsgesellschaften, sondern nur vergleichsweise kapitalschwache Famlienunternehmen ansässig sind, die auf eigene Rechnung und nicht mit Fremdkapital ihre Geschäfte betreiben. Anders als etwa die Augsburger Gesellschaften machen sie auch keine Geschäfte mit dem Kg. oder treiben Handel in den Erblanden. Überdies sind die Zeiten unruhig, Nürnberg wird von seinen Feinden bedrängt, die Kriminalität auf der Reichsstraße im Bereich der Stadt nimmt überhand. Diese Faktoren verursachen den Nürnberger Kaufleuten und Bürgern beträchtliche Einbußen. Die Stadt trug in den vergangenen Kriegen und im Dienst für Kg. und Reich erhebliche Lasten. Die Kosten mußten die Kaufleute wie andere Bürger auch in Form von Steuern und Abgaben mitbestreiten, weshalb der städtische Handel im Niedergang begriffen ist. Abgesehen davon erlitten die Kaufleute erhebliche Verluste an ihren Besitzungen in der Lombardei, in Lissabon, Frankreich, den Niederlanden und andernorts und mußten Schulden machen. Falls zusätzlich zu diesen Lasten noch die Anleihe kommt, steht zu befürchten, daß die Kaufleute ihre Geschäftssitze aus Nürnberg in ftl. Territorien verlegen. Die Folgen für die Stadt sind leicht zu ermessen. Ihr obliegt es, sich für ihre Kaufleute einzusetzen.

[4.] Ersuchen ihn, diesen Sachverhalt dem Kg. darzulegen – unter Ausschluß von anderen Angehörigen des Hofes, die der Stadt in dieser Angelegenheit eher schaden. Er soll den bisher erzeigten kostspieligen Gehorsam Nürnbergs gegen Kg. und Reich betonen, die negativen Folgen der Anleihe für die weitere Fähigkeit der Stadt zu Leistungen im Dienst für Kg. und Reich darlegen und um Verzicht auf seine Forderung gegenüber Nürnberg bitten. Falls der Kg. auf der Anleihe beharrt, würde sich dafür kein Nürnberger Kaufmann gewinnen lassen. Eher würden sie die Stadt verlassen und der Handel zugrundegehen.

[5.] Der Kg. hat gegenüber verschiedenen Nürnberger Ratsherren, darunter ihm selbst, seine besondere Verbundenheit mit ihrer Stadt bekundet.2 Mit dieser Angelegenheit entscheidet er über das Wohl und Wehe Nürnbergs. Er soll dem Kg. auch eröffnen, daß man bewußt vor dem Speyerer Städtetag, der voraussichtlich einen Beschluß gegen das Ansinnen des Kg. fassen wird, in dieser Angelegenheit vorstellig werden wollte, damit dieser keine Ungnade gegen Nürnberg faßt. Wo aber ir kgl. Mt. auß ainicher billichen ursach nit bewilligt were, unsere kaufleut allein von den anderen stetten offenlich zu sondern, wiewol es gegen den anderen auß allen erzelten ursachen ye nit gleich ist, das doch ir kgl. Mt. uns in gehaim vertrostung und verwenung tet, ob sich die unseren auf verrer irer kgl. Mt. handlung wurden enthalten, das ir kgl. Mt. uns oder den unseren darin mit ungnaden nit wolt gewarten. Bitten ihn, sich mit allem Nachdruck für die Interessen der Stadt einzusetzen.

Anmerkungen

1
 Entsprechendes Schreiben Nürnbergs an Kg. Maximilian vom 7.1.1508 (Kop., freytag nach dem hl. oberstag;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher 60, fol. 201–201’).
2
 Balthasar Wolf berichtete in einem vertraulichen Schreiben an Anton Tetzel über seine Verhandlungen mit Kg. Maximilian unter anderem wegen der Zwangsanleihe. Demnach hatte Kg. Maximilian Wolf gegenüber beteuert, am Wohlergehen Nürnbergs mehr als am Wohl jedes Kf. interessiert zu sein, und seine Freude über das Nürnberger Romzugskontingent bekundet. Auf den Hinweis Wolfs hin, daß die Prosperität der Stadt infolge der finanziellen Überbelastung durch den Landshuter Erbfolgekrieg und die Aufwendungen für das Reich gefährdet sei, hatte Maximilian vorgeschlagen, Frankfurt eine jährliche Messe zu nehmen und an Nürnberg zu übertragen oder der Stadt die Erhebung eines Zolls oder einer anderen Abgabe in den [während des Erbfolgekrieges] eroberten Gebieten zu gestatten. Der Nürnberger Magistrat erachtete den wirtschaftlichen Nutzen einer Messe jedoch als gering; eine weitere Belastung der Untertanen kam ebenfalls nicht in Betracht. Doch sollte Erasmus Topler mit Unterstützung Wolfs mit Kg. Maximilian über die Konfirmation der böhmischen Belehnung [vgl. Nr. 97, Anm. 2] und die Gewährung einiger, mit Hinblick auf nachbarliche Streitigkeiten nützlichen Privilegien [vgl. Nr. 97, Anm. 1] verhandeln (Hh. Ältere der Stadt Nürnberg an Erasmus Topler, Kop., donerstag nach innocentium 1508 [= 30.12.1507];StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher 60, fol. 180–181. Entsprechendes Antwortschreiben Tetzels an Wolf, Kop., donerstag nach innocentium 1508 [= 30.12.1507]; ebd., fol. 182’-183’). Eines der Privilegien betraf die ausschließliche jurisdiktionelle Zuständigkeit Nürnbergs für alle Handelsangelegenheiten. Gegenüber Zweifeln Toplers an der Zweckmäßigkeit dieses Privilegs machte der Nürnberger Rat geltend, daß es ein Argument gegen die von Kg. Maximilian behauptete direkte Zuständigkeit von Kg. und Reich für die Handelsgesellschaften darstellen würde (Nachschrift zu einer Weisung Nürnbergs an E. Topler, Kop., samstag, den tag der beschneidung Cristi [1.1.]1508; ebd., fol. 194–196).