Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

Widerlegung der Argumente Kg. Maximilians und Strategie für das kammergerichtliche Verfahren.

s.l., s.d., jedoch Frankfurt, zwischen dem 10. und 23. Januar 1508.

Frankfurt, ISG, Reichssachen II, Nr. 210, unfol. (Kop., Aufschr.: Die ratslagung uf den tag geyn Spier uf [Sonntag nach] Sebastiani [23.1.] Ao. XVCacht.).

Referiert bei Schmidt, Städtetag, S. 427.

[1.] N.1 strengt gegen etliche Handelsgesellschaften im Reich ein Verfahren am kgl. Kammergericht an und hat diesen deshalb eine kgl. Ladung [Nr. 884] verkünden lassen. Es wäre gut gewesen, wenn dieses Dokument für das Gutachten zur Verfügung gestanden hätte, da die Klageschrift darauf beruhen wird. So geht nur aus einem Schreiben [Nr. 888] hervor, daß N. die Gesellschaften vorgeladen hat, weil diese verpflichtet seien, dem röm. Kg.(seynen Gn.) eine Summe Geldes zu leihen. Dafür wird ein angeblicher Beschluß der in Konstanz versammelten Reichsstände geltend gemacht und behauptet, daß die Gesellschaften unmittelbar dem röm. Kg. unterstünden und nicht den Städten – die sich somit der Sache auch nicht annehmen dürften.

[2.] Den Gesellschaften ist zu raten, durch einen Protest die Zuständigkeit des kgl. Kammergerichts für diese Angelegenheit zu bestreiten und vorerst in Erfahrung zu bringen, wie der röm. Kg. die Klage begründet und ob die Gesellschaften gemeinschaftlich oder jede für sich verklagt werden. Nach Zustellung der Klageschrift sollten sie dilatorische Einrede erheben, unter Berufung auf das Gemeine Recht sowie die Wormser Ordnung und die auf den folgenden RTT verabschiedeten Reichskammergerichtsordnungen die Zuständigkeit des Kammergerichts in der ersten Instanz bestreiten und beantragen, dies unter Erstattung ihrer Kosten gerichtlich festzustellen.

[3.] Falls der Kläger in seiner Replik die unmittelbare Unterstellung der Handelsgesellschaften unter den röm. Kg. geltend macht, so ist dies in der Duplik zu bestreiten: Zwar träfe diese Behauptung etwa für die Universitäten und ähnliche Kollegien zu, nicht aber für die Gesellschaften. Diese unterstünden ihren Heimatstädten und deren Gerichten. Der Unterschied werde dadurch begründet, daß Universitäten der ausdrücklichen Genehmigung durch die Obrigkeit bedürften, aber die Gründung von Gesellschaften zum Zwecke des Handels gemäß dem Gemeinen Recht jedermann freigestellt sei. Auch gemäß dem ksl. Recht seien die Gesellschaften ihren Heimatstädten unterworfen. Überdies könne eine Geldanleihe nicht als fiskalische Angelegenheit bewertet werden.

Der Titel „De jure fisci“2 berücksichtigt keinen solchen Vorgang. Es steht deshalb zu erwarten, daß das Gericht auf fehlende Zuständigkeit erkennt. Es ist auch zu gleuben, wo der gerichtzwang dermassen mitsampt den freyheiten, so die stette irer burger halber haben, angesucht wurde, sie sollten hart mit rechte daselbst zu rechten gezwongen werden.

Falls die Kaufleute sich dennoch vor dem Kammergericht oder einer anderen Instanz rechtfertigen müssen, sollten sie in ihrer Erwiderung beantragen, die Klage unter Erstattung ihrer Kosten abzuweisen, doch sich zugleich weitere dilatorische Einreden vorbehalten.

[4.] Wird die Klage mit dem angeblichen Beschluß der in Konstanz versammelten Reichsstände begründet, sollten die Kaufleute die Existenz eines solchen Beschlusses bestreiten. Der Kg. hat den Ständen diesen Punkt zwar vorgebracht, doch wurde nichts bewilligt oder beschlossen. Im Reichsabschied – der alle Verhandlungen zusammenfaßt, bei denen den Ständen abschriftlich Dokumente zugingen – steht von dem angezogenen Beschluß nichts. Ein anderes Dokument als der Abschied wird indessen als Rechtsgrundlage nicht akzeptiert.

Falls die Gegenseite wider Erwarten einen solchen Entscheid außerhalb des Reichsabschieds nachweisen kann, sollten die Städte folgendermaßen argumentieren: 1. Der Entscheid ist gemäß dem ksl. Recht unzulässig, weil er in Abwesenheit der Parteien und ohne deren Anhörung erging. 2. Der Kg. hat keinen Vertrag geltend gemacht, aufgrund dessen die Kaufleute verpflichtet wären, ihm das Geld zu leihen. Eine andere Form der Verpflichtung besteht im bürgerlichen Recht nicht. 3. Auf Urteilen basierende Zwangsverkäufe hat es zu Zeiten gegeben, doch ist dies bei Anleihen nicht statthaft. Leihverträge basieren ihrer Natur nach und gemäß dem ksl. Recht auf dem freien Willen der Vertragspartner. 4. Der Zweck des Romzuges rechtfertigt die Zwangsanleihe ebenfalls nicht, da die Kaufleute wie andere Bürger bereits in ihren Heimatstädten dafür besteuert werden. Damit liegt eine unrechtmäßige Doppelbelastung vor. 5. Würde das Vorgehen des Kg. von Gerichts wegen gestattet, wäre dies ein Verstoß gegen die Freiheiten der Städte, der ihren Niedergang zur Folge hätte. 6. Ein solches Urteil wäre dahingehend auszulegen, daß der Kg. befugt ist, jedem Kaufmann seinen Willen aufzuzwingen und ihm sein Eigentum wegzunehmen – was offenkundig im Widerspruch zum Gemeinen Recht steht. Der Kg. ist zwar höchste Obrigkeit und oberster Gerichtsherr, doch besitzt er kein Recht am Eigentum der Menschen.

[5.] Die aufgeführten Argumente belegen, daß die Kaufleute nicht verpflichtet sind, die Anleihe zu gewähren. Da die Angelegenheit wichtig ist, sollten die Städte neben der rechtlichen Verteidigung den Kg. durch Gesandte über die Sachlage informieren und ihn – damit sie nicht anderweitig benachteiligt werden – bitten, gutwillig auf seine Forderung zu verzichten.

Anmerkungen

1
 = der kgl. Fiskal am Reichskammergericht Hieronymus von Croaria.
2
 CICivilis, Digesta 49,14 (Mommsen/Krueger, Corpus I, S. 879–884); Codex Iustinianus 10,1 (Krueger, Corpus II, S. 395f.).