Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Teilnehmerliste; [2.] Beteiligung am Romzug Kg. Maximilians; [3.] Maßnahmen gegen das Reislaufen; [4.] Konflikt wegen des Schlosses Joux; [5.] Maßnahmen gegen französische Werber, Ausweisung der französischen Gesandtschaft.

Zürich, nach dem 13. Oktober 1507 (angefangen mitwoch vor Galli). 

Solothurn, StA , Eidgenössische Abschiede 1507–1510, AG 1,5, pag. 169–172 (Kop., Datumverm.) = B. Basel, StA, Eidgenossenschaft E 1, fol. 169’-171 (Kop., Datumverm.). Bern, StA, A IV 10, pag. 240–250 (Kop., Datumverm.). Luzern, StA, TA 4, fol. 300–301 (Kop., Datumverm.). Schaffhausen, StA, Tagsatzung 1507, unfol. (verletzte Kop.). Zürich, StA, B VIII 84, fol. 212–214’ (Kop.).

Regest: Eidgenössische Abschiede III/2, Nr. 290, S. 403f. = Textvorlage A.

[1.] Teilnehmer: Zürich: Bürgermeister [Marx] Röist, Bürgermeister [Matthias] Wyss, Gerold Meyer von Knonau, Jakob Hegnauer; Bern: Dr. Thüring Fricker, Venner Kaspar Wyler; Luzern: [nicht vertreten];Uri: Heinrich Göltschi; Schwyz: Ammann [Hans] Wagner; Unterwalden: Ammann [Andreas] zun Höfen, Arnold Winkelried; Zug: Heinrich Clausner (Cläusli); Glarus: Ulrich Landolt; Basel: Bürgermeister [Wilhelm] Zeigler; Fribourg: Pierre Tavernier; Solothurn: Benedikt Hugi d. J.; Schaffhausen: Bürgermeister [Konrad] Barter; Abt von St. Gallen: Landvogt [Johann] Schenkli; Stadt St. Gallen: Bürgermeister [Hans] Ab der Rüti, Balthasar Kapfmann; Appenzell: [Hans] Meggeli (Am Eggeli), Othmar Ronder.

[2.] [...]. Im Zusammenhang mit dem letzten Tagsatzungsabschied zu Zürich [Nr. 918] erklärten die sieben Orte Zürich, Bern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Basel und Schaffhausen1, bei der letzten Zusage zu bleiben und gemeinsam mit dem Abt von St. Gallen, der Stadt St. Gallen und dem Land Appenzell Gesandte zum röm. Kg. abzufertigen, um ihm diese Zusage noch einmal zu erläutern und ihn zu bitten, es dabei zu belassen. Die Gesandten wurden zur Anhörung etwaiger Gegenvorschläge auf Hintersichbringen bevollmächtigt. Dem röm. Kg. wurde angekündigt, daß die Gesandten am 24. Oktober (sonntag vor Simonis und Judä) in Konstanz eintreffen würden, um die Antwort der Eidgenossen zu überbringen; falls ihm dieser Termin nicht gelegen wäre, solle er Zürich zur Mitteilung an die übrigen Orte davon in Kenntnis setzen.2 

Luzern war nicht auf dem Tag vertreten, die Gesandten aus Zug und Glarus hatten keine Vollmacht, Fribourg und Solothurn wichen von der früheren Zusage ab und votierten für Neutralität.3 Der Abschied wird an Luzern geschickt mit der freundlichen Aufforderung, sich von den übrigen Eidgenossen nicht abzusondern, seine Gesandten mit den übrigen Orten gemeinsam zum röm. Kg. abzufertigen, insbesondere aber gemäß der auf dem letzten Tag gegebenen Zusage das Reislaufen von Luzerner Knechten zu unterbinden.4 Die Gesandten aus Zug, Glarus, Fribourg und Solothurn sollen im Namen der Tagsatzung ihre Magistrate bitten, diesem Abschied beizutreten, um nachteilige Folgen für sie und die Eidgenossenschaft zu vermeiden.5

[3.] Aufgrund von eingegangenen Meldungen wurde den Vögten zu Baden [Jakob Aberli], im Thurgau [Melchior zur Gilgen], in den freien Ämtern im Aargau, zu Rheineck [Felix Grebel] und zu Sargans [Hans Küng] ein weiteres Mal befohlen, Dienstverpflichtungen von Knechten für den frz. oder röm. Kg. streng zu verbieten. Insbesondere soll Luzern dies bei seinem Vogt zu Sargans verfügen. Jeder eidgenössische Ort ist gehalten, in seinem Gebiet das Reislaufen zu verbieten.6 Bern, Fribourg und Solothurn sollen dem Landvogt in der Waadt im Namen der Eidgenossenschaft befehlen, das Aufwiegeln von Knechten zu unterbinden.7 

[4.] [Konflikt wegen des Schlosses Joux].

[5.] Über Vorkehrungen bezüglich der im Lande befindlichen Anhörigen der Garde des frz. Kg., die allerlei Umtriebe veranstalten und vielleicht ihrem Kg. Knechte zuführen sollen, soll auf der nächsten Tagsatzung entschieden werden. Auch scheint es den Versammelten an der Zeit zu sein, die französischen Gesandten aus dem Land zu weisen, dwil si doch ander nütz dann alle widerwertikeit stiften, wie dann der nechst abscheid dz och anzöigt [Nr. 918, Pkt. 2]. [...].

Anmerkungen

1
 Zürich beschloß am 9.10. (St. Dyonisius tag), daß seine Gesandten auf der bisherigen Position und insbesondere auf der dem röm. Kg. auf dem Züricher Tag nach dem 10.8. (nechst nach Larency) gegebenen schriftlichen Antwort beharren sollten, bei der Durchführung des Romzuges zur Erlangung der Kaiserkrone zu helfen und ihn gegen etwaigen Widerstand zu unterstützen, doch sust niemand das sin nemen noch sust niemand beschädigen. Einer gemeinsamen Gesandtschaft zum röm. Kg. in dieser Angelegenheit, in der Hoffnung, daß dieser sich dann zufriedengebe, stimmte man zu (StA Zürich, B II 41, pag. 19; Gagliardi, Anteil I, S. 689 Anm. 141). Der Basler Magistrat betonte in seiner Instruktion zum Züricher Tag, daß man dieses Problem auf der Grundlage der in Zürich gegebenen Zusage mit Rücksicht auf das französische Bündnis und unter Abwägung der möglichen Konsequenzen sorgfältig erwogen und beraten habe. Man sei zu dem Ergebnis gelangt, es bei der Zusage der neun Orte zu lassen, mit den worten, ob jemand kgl. Mt. daran hindern oder siner Mt. das speren wurde, das die Eydgnoschaft siner kgl. Mt. dawider hilf und bystand tün wölle etc., aber daneben niemand das sin innemen noch beschedigen etc. Doch werde man sich der Mehrheit anschließen. Die dem röm. Kg. schriftlich zu gebende Zusage sollte zusätzlich mit einer Klausel versehen werden, daß dieser seine den Eidgenossen gemachten Zusicherungen ebenfalls einzuhalten habe (Kop., s.d., jedoch Basel, vor dem 12.10.1507; StA Basel, Eidgenossenschaft E 1, fol. 168’-169’).
2
 Liegt nicht vor. Vincenzo Querini erfuhr am 9.10. durch einen Verwandten des ferraresischen Gesandten [Antonio de’ Costabili] in Innsbruck von einem Bericht der Vertreter Kg. Maximilians auf dem eidgenössischen Tag, wonach neun Kantone erklärt hätten, sie wollten dem röm. Kg. auch gegen Frankreich folgen und würden Gesandte zu ihm schicken, um zu einem verbindlichen Abschluß zu kommen. Sie hätten als Zeichen ihres guten Willens die frz. Gesandten ausgewiesen und würden ohne Schutzbrief keinen Franzosen mehr im Land dulden (Querini an den Dogen, ital. Kop., Hall, 9.10.1507; BM Venedig, Cod. marc. ital. VII/989 (= 9581), fol. 116–117’, hier 117; BFQS Venedig, Cl. IV, Cod. V (= 769), fol. 176–177, hier 176’-177). Ein Diener Querinis informierte diesen, daß er selbst die 800 Mann gesehen habe, die der Graue Bund dem röm. Kg. versprochen habe und die auf Abruf bereitstünden. Er bestätigte auch aufgrund von in Zürich gesammelten Informationen, daß seines Wissens die neun Kantone tatsächlich bereit seien, Kg. Maximilian auch gegen Frankreich zu folgen (Querini an den Dogen, ital. Kop., Hall, 11.10.1507, Postverm.: Per Butistagnum; BM Venedig, ebd., fol. 117’-118’, hier 118–118’; BFQS Venedig, ebd., fol. 177–178, hier 177’-178). Vgl. den Bericht Querinis vom 20.10. [Nr. 923].
3
 Vgl. das Rechtfertigungsschreiben Fribourgs an Zürich vom 20.10.1507 (Druck: Gagliardi, Anteil I, S. 689 Anm. 141).
4
 Entsprechendes Schreiben der Tagsatzung an Luzern vom 15.10.1507 (Or., fritag vor St. Gallen tag; StA Luzern, TG 115, unfol.; Regest: Eidgenössische Abschiede III/2, S. 404 Anm. zu b).
5
 Solothurn informierte den Schultheiß Niclaus Conrad mit Schreiben vom 18.10. über den Züricher Abschied, den sie wie andere Orte vollziehen und von der gemachten Zusage nicht zurücktreten wollten, sondern uf anzöug unß lb. Eidgnossen von Zürich und Bern und andrer stillzusitzen sind beraten worden. Und aber sy nu doby sich hant lassen merken, dem abscheid und zusagen, zu Schaffhusen [Einfügung am Rand: und Zurich] beschechen, ze geleben, by demselben ir gewesen und unsers beschluß wol bericht, verstand wir doch nit anders, dann sy nochmaln kgl. Mt. des ze erinnern willen habent. Dwyl ir nu wissent, unser meynung nye gewesen sin, uns von inen ze zichen, so hant wir uch geordnet, mit inen den tag zu Costenz, uf kunftigen sunntag [24.10.] zu nacht an der herberg ze sind, ze suchen. Conrad sollte sich vor allem um die Ausfertigung der vom röm. Kg. zugesagten Privilegien bemühen und ansonsten die Interessen Solothurns wahren (Konz., lune nach Galli; StA Solothurn , Missivenbuch 1506–1510, AB 1,3, pag. 371). Der Kardinal von Rouen informierte am 20.10. den mantuanischen Gesandten Gian Stefano Rozone, daß vier eidgenössische Kantone erklärt hätten, volere essere in tutto con la maestà christianissima et contra ad chi la volesse offendere; una altra parte di loro gli haveano fatto intendere volere stare neutrali, l’altra parte havea fatto intendere al re de’ Romani che loro erano preparati per acompagnarlo a Roma, ma quando volesse fare guerra alla maestà christianissima et alli confederati suoy, loro non se intendeano volerlo sequire. Der Kardinal erklärte weiter, daß er nicht an einen Erfolg Kg. Maximilians glaube (ital. Or. Lyon, 20.10.1507; AS Mantua, A.G., E.XV.3, busta 631, fol. 74–74’).
6
 Ein entsprechendes Ausschreiben des Berner Magistrats an die Stadt- und Landgemeinden vom 18.10.1507 (Konz., mentag nach Galli; StA Bern, A III 14, fol. 327) wurde durch eine Warnung Bf. Matthäus’ von Sitten, der gemäß Tagsatzungsbeschluß seinen Untertanen das Reislaufen für Frankreich bereits verboten und entsprechend den Durchzug eidgenössischer Knechte durch sein Territorium untersagt hatte, vor der Anwerbung von Berner Knechten durch den frz. Gesandten Roquebertin veranlaßt (Kop. Naters, St. Galli [16.10.]1507; StA Luzern, AKT A 1 F 1, unfol.). Bern wies in seiner Antwort vom 19.10. auf seine Gegenmaßnahmen hin. Der Bf. sollte überdies – wie von diesem angekündigt – durch sein Territorium ziehende Söldner aus Bern festnehmen lassen (Kop., zinstag nach Galli; StA Bern, A III 14, fol. 328; Gagliardi, Anteil I, S. 690 Anm. 142). Luzern wurde aufgefordert, Roquebertin zur Einstellung der Anwerbungen, die im Widerspruch zum Züricher Abschied und zu den Zusagen der frz. Gesandten stünden, zu veranlassen (Or., zinstag nach Galli [19.10.]1507; StA Luzern, AKT A 1 F 1, Schachtel 27 A, Fasz. Frankreich, Kriege, Friedensschlüsse etc., 1500–1510, unfol. Kop.; StA Bern, A III 14, fol. 327’; Gagliardi, ebd.).
7
 Entwurf für das Schreiben an den Landvogt vom 26.10.1507 (Gagliardi, Anteil I, S. 689 Anm. 141).