Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Gegen das hessische Regiment und die Hgg. von Sachsen gerichtete Bestrebungen, den erkrankten Landgf. Wilhelm d. Ä. von Hessen außer Landes zu bringen; [2.] Versuche zur Aufrichtung eines zweiten Regiments; [3.] Vorschläge der sächsischen Hgg. und des Regiments zur Gestaltung der Zukunft Landgf. Wilhelms, deren Ablehnung; [4.] Vergebliches Engagement Hg. Heinrichs d. Ä. von Braunschweig-Wolfenbüttel für die Belange Landgf. Wilhelms; [5.] Bitte an den Ks., den Einflüsterungen der Berater Landgf. Wilhelms nicht stattzugeben, sondern an den Abschieden von Offenburg und Neustadt a. d. Aisch festzuhalten, Zusicherung einer angemessenen Versorgung des Landgf.; [6.] Weisung, sich auf keine anderen Vorschläge einzulassen und gegebenenfalls die Meinung der Hgg. von Sachsen einzuholen.

Kassel, 17. April 1512

Weimar, HStA, EGA, Reg. C Nr. 250, fol. 78a-81b, Konz.

Regest: Glagau, Hessische Landtagsakten, Nr. 58.

Instruction, was aHerman Schenk von Sweinsperg, ritter, unser mitregent,–a Herman von Reckerot, oberamptman der Nider-Gft. Katzenelpogen, Rudolf von Weiblingen, camermeister, und Johan Rietesel, secretarius, uf dem bestimbten tage montags nach misericordia domini [26.4.12] von wegen unser, lanthofmeisters und regenten des Ft. Hessen, bey röm. ksl. Mt. b, unserm allergnst. H., zu Trier–b werben sollen.1

[1.] Erstlich seiner ksl. Mt., unserm allergnst. H., unsern demütigen, undertenigen gehorsam und dinst anzuzeigen und nachvolgende, nachdem die röm. ksl. Mt. in unsers gn. H., Landgf. Wilhelms [d. Ä.], sache uns, dem regiment, uf bemelten tag furbescheiden, so hetten wir diese abfertigung unserm vorigen zuschreiben nach getan, der röm. ksl. Mt. ufs allerundertenigst zu berichten dergestalt:

Wiewol gedachter Landgf. Wilhelm von ksl. Mt. weilent dem durchleuchtigen, hochgebornen F. und H., H. Wilhelmen [d. M.], Landgf. zu Hessen etc. loblicher gedechtnus, jungst verfarn [= verstorben], in betrachtung, was nachteils und unguets dem Ft. Hessen aus gedachts Landgf. Wilhelms bloedigem wesen were zugefügt, in versorgung und verwarung bevolen wurden, auch darin mit seiner Mt. willen bis zu apsterben itztgemelts Landgf. Wilhelms behalten,c unbetracht, das nach abgange genants Landgf. Wilhelms beyden Ff. zu Hessen, so itzo am leben sein [Landgff. Wilhelm d. Ä. und Philipp], landen und leuten derselben zu guete durch gemeine lantschaft mit verwilligung der durchleuchtigsten, durchleuchtigen, hochgebornen Kff. und Ff., aller Hgg. zu Sachsen etc., der erbvormonder unser gnst. und gn. Hh., eintrechtiglich ein regiment gekorn, welchs beiden Ff. und gemeinem Ft. Hessen zum besten fursten solt, wie wir ouch bisher, Got hab lob, getan und hinfur mit hilfe Gots des almechtigen tun wollen, ouch des Landgf. Wilhelme [d. Ä.] d, seiner ftl. Gn. gemahel [Landgf.in Anna, geb. Hg.in von Braunschweig-Lüneburg] und kinder, wiewol man solchs derselben unser gn. frauen, dieweil ir Gn. genugsam verwidembt ist, nicht schuldig gewest,–d gein Spangenberg alles an gelde, profiande und was unser gn. frau an uns gesonnen, nach seiner ftl. Gn. notturft und gelegenheit zugeschickt und keinen mangel haben leiden lassen e, darzu ouch zu besserung seiner ftl. Gn. swachheit doctores der artznei und wes seinen ftl. Gn. zu geneß der gesontheit het mogen erspriessen, zugesatzt, darzu dan die gemelten unser gnst. und gn. Hh., die erbvormonder, ein sonderlich gefallen getragen–e, so hetten doch etliche understanden umb irs eigen nutzs willen und als inen ir beger, damit ein itzlicher seines gefallens ampte und seinen vorteil uberkommen mocht, nicht folgen wolt, Landgf. Wilhelm sambt seiner ftl. Gn. gemahel und kinder aus solcher versehong, darein er durch ksl. Mt. verordent, in frembde land und Ft. gefürt, seinen ftl. Gn. zu smehe, ouch dem Ft. Hessen zu schimpflichem nachteil, das denselben irer pflicht nach nicht geboert het.

[2.] Und damit die röm. ksl. Mt. versteen muge, das Landgf. Wilhelm, seiner ftl. Gn. gemahel oder kindern in solchem bewegen von gedachten erbvormondern, ouch uns nye kein ursache beweist sey, so sollen die geschickten mit aller undertenigkeit bitten, das die ksl. Mt. nachgehenkten bericht der sachen mit gnaden annemen und hoeren wolle, dermasse:

Waer sey es, als diejenigen, so Landgf. Wilhelm uf die bane, sich auslendisch ze machen, gericht, iren eigen nutzs und willen nicht han erlangen moegen, hetten sie anfenglich durch sich selbst und andere des Ft. Hessen misgonner bestanden, uber das zugelassen und bewilligte regiment, das sie selbst hetten kiesen helfen, noch eins ufzerichten und dabei mancherlei wege und praktiken geübt, der sie sich ouch noch bisher bei allen denen, die gemeltem Ft. widerwertig, geflissen, die beiden Ff., dem alten und jungen, unserm gnst. H. zu Hessen, landen und leuten des orts zu keinem nutzs erschossen, wue die furgengig und durch Got den almechtigen nicht mit milden gnaden darein gesehen were wurden.

[3.] Dan die gemelten erbvormonder sein zu Cassel personlich erschienen, ire treffliche rete [und] eine gute anzal vom regiment und gemeiner lantschaft zu Landgf. Wilhelm abgefertigt, seine ftl. Gn. ze bitten, sich sambt derselben gemahel und kindern zu iren kftl. und ftl. Gn. zu erheben, mit erbietong, das sich seine ftl. Gn. mit seiner ftl. Gn. gemahel und kindern gein Cassel, Martpurg oder wue es seinen ftl. Gn. im Ft. gefiele, begeben wolt. Were dan seine ftl. Gn. bloedigkeit halben vermuglich ze regirn, so solt seinen ftl. Gn. von den erbvormondern der gewalt eingereumet werden, darzu ouch das regiment irs bevels abtreten. Were aber seine ftl. Gn. zu regirung nicht vermuglich, so solt dannoch seine ftl. Gn. sambt derselben gemahel und kindern nach aller notturft an der hofhaltung, ouch mit ftl. lust, wan es seinen ftl. Gn. eben were, versehong und willen haben. fDarzu solten ouch Landgf. Wilhelms dochter, unser gn. freulein [Elisabeth], ftl. ausgesetzt und bestat werden.–f Das ist abir alles abegeslagen, und sein dieselben geschickten botschaft ongestume abgeweist wurden.

[4.] Dieweil abir der durchleuchtig, hochgeborne F. und H., H. Heinrich [d. Ä.], Hg. zu Braunszwig und Lüneburg, Landgf. Wilhelms gemahel leiplicher brueder, das widerwertige, arge gemuet Landgf. Wilhelms anleiter gemerkt, hat sich seine ftl. Gn. in handel gewirkt und selbst ermessen, das seiner ftl. Gn. swager, Landgf. Wilhelm, zu regiren ungeschickt, mit anzeigung, das seine ftl. Gn. nicht ze raten wissen, Landgf. Wilhelm mit landen oder leuten gewalten ze lassen, sonder alleine gebeten, zu statlicher underhaltong Landgf. Wilhelms ime guetlichs handels zu gestaten. Welcher ime nach seiner ftl. Gn. eigen gutdünken nachgelassen, und das seine ftl. Gn. fur gleich angesehen, ist von unsern gnst. und gn. Hh., den erbvormondern, bewilligt und deme nicht abgebrochen, sonder ein mehers zugesetzt.

Abir das gehoert erpieten der erbvormonder, des regiments, ouch der prelaten, ritterschaft und stete, item Hg. Heinrichs, unsers gn. H., treue und angewenter vleis sein unangenommen plieben und der erzelten misgönner der Ff. und irs Ft. Hessen furgefaster boeser wille habe kein ufhoern wollen nemen, wie bis daher gesehen sey.

[5.] Nachdem aber die röm. ksl. Mt., unser allergnst. H., sonder zweivel der sachen und des manichfeltigen argen willens hievor bericht entpfangen, ouch der geschicklicheit Landgf. Wilhelms wol wissens trage, so biten wir demütiglich mit aller undertenigkeit, ksl. Mt., unser allergnst. H., wolle dem boesen furnemen Landgf. Wilhelms anweiser nicht staet geben, sonder als ein fliessender bronne aller gerechtigkeit solchs abschieden und dem apscheide, so sein ksl. Mt. hievor zu Offenburg2 g, ouch jungst zur Neuenstat an der Eisch–g gedachtem Kf., Hg. zu Sachsen etc., unserm gnst. H., mitgeteilt [Nr. 1143 [6.]], vom gegenteil volziehong tun lassen. Wan das geschieht, so werde sein ksl. Mt. spüren und gleublich befinden, das Landgf. Wilhelm sambt seiner ftl. Gn. gemahel und kinder ftl. ehrlich und daran sein ksl. Mt. kein misfallen schepfen moeg versorgt und versehen werden sollen. Das erpoeten wir uns als die gehorsamen, mit aller undertenikeit umb die röm. ksl. Mt., unserm allergnst. H., zu verdienen.

[6.] Item ob daruber einicherlei angesinnen gescheen wurde, sich in handlung zu begeben, darin sol man nichts annemen, sonder sich vernemen lassen, das deshalb kein bevel sey, sondern were nochmals von den erbvormondern antwort warten, dan ir kftl. und ftl. Gn. hetten noch keinen gewalt oder bevel deshalb getan, wue aber weiter ungestüme anhalten gescheen wurde, eine gereume zeit ze bitten, das der handel muge hinder sich bracht werden, der erbvormonder bevel und willen darin zu erholen.

Zu urkunde ist dise instruction mit unsers regiments secret besiegelt und meiner, Ludwigs von Bomelburg [= Boyneburg], des lanthofmeisters, eigener hant unterschrieben zu Cassel sonnabents nach dem hl. ostertage Ao. etc. 12o.

Anmerkungen

a
–a Am Rand hinzugefügt.
b
–b Am Rand hinzugefügt.
1
 Das gleichfalls auf den 17. April 1512 (sonnabents nach ostern) datierte Kredenzschreiben für die Gesandten in Weimar, HStA, EGA, Reg. C Nr. 250, fol. 77a, Konz.
c
 Folgt gestrichen: so hetten doch etliche, die iren eigen nutz, zerstörung und verderben des Ft. Hessen gesucht.
d
–d Am Rand hinzugefügt.
e
–e Am Rand hinzugefügt.
f
–f Am Rand hinzugefügt.
2
 Vom 9. April 1511. Regest: Glagau, Landtagsakten, Nr. 51.
g
–g Am Rand hinzugefügt.