Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Entstehung eines Sessionskonflikts zwischen Gf. Wilhelm und Gf. Hermann auf dem gegenwärtigen Reichstag, fehlende Berechtigung der Sessionsansprüche Gf. Hermanns; [2.] Fakten zum Aufstieg und zu früheren Rangstreitigkeiten der beiden Linien des Hauses Henneberg; [3.] Bitte um Schutz vor den unberechtigten Ansprüchen Gf. Hermanns.

Augsburg, 12. März 1510

Kop.: Meiningen, StA, GHA, Sektion I Nr. 6464, fol. 3a-4b.

Konz.: Ebd., fol. 9a-12a.

[1.] Allerdurchleuchtigster, großmechtigster, unuberwintlichster Ks., allergnst. H., als euer ksl. Mt. mich uf disen reichstag here gein Augspurg gefordert, bin ich euer ksl. Mt. zu untertenigem gehorsam erschinen. Doruf mir angesagt, in die versamelunge des hl. Reichs zu komen, das ich auch geton habe. Nu ist mir der session halben durch den untererbmarschalg [Friedrich Baier] zu erkennen geben worden, als solte sich zwuschen meinem vettern, Gf. Herman von Hennenberg, und mir ein irrunge gehalten, des ich mich doch nicht versehen hette, und uf weiter mein ansuchen gesagt, das ich meine ursachen, derhalb mir die session vor gedachtem meinem vettern, Gf. Herman, gebüre, euer ksl. Mt. in schriften anzeigen solle. Und wiewol schwere ist, mir in dem stande, den meine voreltern seiligen vil lenger, den menschen gedechtnus reichen, uf mich bracht haben, irrunge machen zu lassen, dieweil meine voreltern und ich des von Gf. Herman und seinen voreltern alle zeit vertrag gehabt, dan zu der zeit, da weylent Bf. Bertholt seiliger zu Menz loblicher gedechtnus zu EB erwelet worden ist, 1 hat er seine linien wollen erhohen und seine brudere dahin gewisen, mir, ob sie mochten, gedachter session und vorganges irrung zu tunde. Dorbey er als ein mechtiger Kf. im Reiche sich unterstanden, sie gerne zu handhaben. Das aber gedachter Bf. Bertholt, sein bruder und itzo mein vetter, Gf. Herman, solichs ires furnemens weder fug, recht noch grund gehabt haben, ich auch ine bis uf heutigen tag nie gestanden. Demnach euer ksl. Mt. zu untertenigem gefallen will ich anzeigen, das mir von rechts, der billigkeit und aus altem herkomen dem gebrauch die session und vorgang vor gedachtem Gf. Herman gebürt, das ich auch derselben ksl. Mt. artikelsweys hiemit anzeige, wie hernachvolget, doch mit der protestation, das ich in diser meiner anzeigunge und handelunge nit weiter will gegangen haben, dan als vil die session betrifft. Was ich aber sunst von irrunge mit gedachtem meinem vettern, Gf. Herman, habe, das sol mir diser sachen und handelunge halben ane schaden und nachteil, auch damit nicht eingezogen sein.

[2.] Zum ersten, das weylent Ks. Ludwig hochloblicher gedechtnus ime jare, als man geschriben hat nach Cristi geburt a1380 [!] jare–a, mit einhelliger verwilligunge und rate der Ff. und stende des hl. Reichs meinen vorvater, weylent Gf. Bertholden [VII. von Henneberg], zu F. geschopft und gemacht hat, das ist ware.

Item das obgemelter Ks. gedachtem meinem vorvater und seinen erben alle freyheit und gerechtigkeit, der sich andere Ff. ime Reiche gebrauchen, gegeben hat, das ist ware.

Item das obgemelter röm. Ks. benanten Gf. Bertholt und seinen erben sunderlich den furstenstand mit aus- und eingehen, auch sunst allen gnaden und eren, wie andere seiner Mt. und des hl. Reichs Ff. begnadet sint, gegeben hat, das ist ware.

Item das gedachter röm. Ks. Ludwig uber solichs alles Gf. Berthold und seinen erben ein ksl. gulden bullen gegeben hat,2 das ist ware.

Item das nachvolgent andere röm. Kss. und Kgg. soliche erhohunge gedachter von Hennenberg zu ftl. stande bestetiget und becreftiget haben, das ist ware.

Item das sich obgedachter Gf. Bertholt, nachvolgent seine erben von obberurter zeit here 180 jare des furstenstandes gehalten und gebraucht haben, als ich mich des auch noch halte und gebrauche, das ist ware.

Item es ist one das, das Gf. Hermans, meines vettern, voreltern vor 40 jaren ungeverlich zu Ff. geschopft und gemacht worden sein.

Item es ist one das, das sich Gf. Herman oder sein voreltern des furstenstandes vor 40 jaren gebraucht haben.

Item es ist one das, das Gf. Hermans voreltern meinen voreltern vor der erwelunge Bf. Bertholts zu EB zu Menz je eintrage in der session oder vorgang getan haben. Das ist ware.3

Item es ist one das, das gedachter Bf. Bertholt vor 26 jaren zu EB zu Menz erwelet ist worden.

Item es ist kunt und offenbare, das ein gemeiner gebrauche in dem ganzen Reiche ist, so imants seinen fursten-, graven-, freyherrn- oder adelichen stand erhohet, das dannoch diegenigen, so vormals in demselben stand gewesen sein, die session und vorgang vor dem, so nachvolgent und sunderlich bey menschengedechtnus in denselben stand komen sein, gehabt haben, das ist ware.

Item das von allen und iglichen obgeschriben angezeigten artikeln ein gemein gerucht, geschrey und stymme sey, das ist ware.

[3.] Dem allen nach, dieweil meine voreltern vor 100 und vil jaren mere vor Gf. Hermans voreltern gefurst worden sint und sich des furstenstandes obgemelte zeit vor inen gebraucht haben, bauch mein vater seiliger [Gf. Wilhelm III. von Henneberg-Schleusingen], dem Got gnedig sey, solichen vorgang und session, wie von seinen eltern uf ine kommen, bis in seinen tode also vor Gf. Hermans voreltern, wiewol sy zum teyle der jare elter dan mein vater seilig gewesen sint, gehabt und behalten, ungezweivelt, euer ksl. Mt., auch vil Ff. und stenden des hl. Reichs wol wissent, demnach euer ksl. Mt. als meinen allergnst. H. unterteniglich bittende, mich nochmals bey solichem ufgeerbtem, billigem session, vorgange und gebrauche gnediglich bleiben lassen, darbey hanthaben, schutzen und schirmen, als euer ksl. Mt. gebürt. Vermeint dan mein vetter, Gf. Herman, das solichs unbillig geschee, so bit ich euer ksl. Mt. als meinen allergnst. H. und unser beder ordenlichen richter–b in ansehunge vorgemelter meiner artikel, die do war sint, itzo uf disem reichstag rechtlich, endelich und unverzogenlich darumb zu erkennen, das mir die session und vorgang vor obgedachtem Gf. Herman, meinem vettern, billig gebüre. Das will ich, wie vorgemeldet, willig, unterteniglich und gehorsamlich umb dieselben euer ksl. Mt. geflissen sein zu verdienen. Datum dinstags nach letare Ao. etc. decimo.c

Anmerkungen

1
 Die Wahl Gf. Bertholds von Henneberg-Römhild zum EB von Mainz erfolgte am 20. Mai 1484.
a
–a Im Konz.: 1330, des itzunt 180 jare sint.
2
 Ausgestellt in Trient am 1. Januar 1330. Druck: Schöppach, UB, Nr. 210.
3
 Im selben Faszikel befinden sich zwei Kopien von Schreiben Ks. Friedrichs III. Im ersten, ausgestellt in Wiener Neustadt am 26. Juni 1465, teilte der Ks. Gf. Georg von Henneberg-Römhild mit, seines Wissens seien die Vorfahren Gf. Wilhelms (III.) von Henneberg-Schleusingen von früheren röm. Kss. und Kgg. in den Fürstenstand erhoben und auch entsprechend als Ff. tituliert worden. Dennoch versuchten Gf. Georg und seine Söhne, den Gff. von Henneberg-Schleusingen an ihrem Rang Abbruch zu tun. Da dies der ksl. Obrigkeit zur Schmach gereiche, fordere er Gf. Georg und seine Söhne unter Androhung schwerer Ungnade auf, ihr bisheriges Verhalten gegenüber Gf. Wilhelm aufzugeben und diesem den ihm gebührenden Fürstentitel zu geben. Meiningen, StA, GHA Sektion I Nr. 6464, fol. 6b-7a, Kop. Regest: Holtz, Regesten, Nr. 256. Im zweiten Schreiben, ebenfalls ausgestellt in Wiener Neustadt am 27. Juni 1465, ersuchte der Ks. Bf. Johann von Würzburg, Gf. Georg von Henneberg-Römhild, der dem Vernehmen nach im Hst. Würzburg wohne und dem Bf. verwandt sei, zu veranlassen, Gf. Wilhelm von Henneberg-Schleusingen in seiner ftl. Ehre nicht länger zu beeinträchtigen. Ebd., fol. 6a, Kop. – Zu den Rangstreitigkeiten zwischen der Schleusinger und der Römhilder Linie des Hauses Henneberg gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts vgl. Czech, Legitimation, S. 215-217.
b
–b Im Konz. von zwei verschiedenen Händen korrigiert aus: ist an euer ksl. Mt. als mein allergnst. H. mein ganz untertenige bitt, euer ksl. Mt. wolle Gf. Herman, meinen vettern, ine der gute daran weisen, mich solicher session und furganges nicht zu verhindern. Das wil ich umb dieselben euer ksl. Mt. in aller untertenigkeit williglich und gehorsamlich verdienen und auch obgedachtem meinem vettern, Gf. Herman, desto lieber tun, was im zu gefallen komen mage. Wo aber mein vetter, Gf. Herman, je vermeint, die session und vorgang vor mir zu haben, so bin ich urbutig, dise meine artikel vermittelst des eydes fur geverde wider zu verantworten und repetiren. Und das gedachter mein vetter darzu gehalten werde, auf iglichen artikel in sunderheit bey gleichem eyde, wie sich in recht geburt, antwort zu geben, wes er derhalb glaube oder nicht glaube. Wes er dan darinnen also verneinet, das mir war zu machen geburt, bin ich urbutig, mit glaublichem schein anzuzeigen, doch mich zu uberflussiger beweisung nicht verbinden. Das ich hiemit offentlich bezeuge. Dweil dan dise vorgesatzte meine artikel die warheit sint, bitte ich euer ksl. Mt. als meinen allergnst. H. und unser beder ordenlichen richter.
c
 Vermerk nach dem Text von anderer Hand: An dinstage nach quasimodogeniti [3.4.10] hat ksl. Mt. meinem gn. H. seinen stant, vor Gf. Herman zu stehen, geben lassen. Vermerke im Konz. nach dem Text von anderer Hand: Ditz ist ausgangen, was unterstrichen, ist nit geschribenund Der lateynischen Ks. Ludewigs bullen hat mein gnst. H. ein abschrift zu Augspurg behalten.