Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
[1.] Informationen über geheime Machenschaften des Kg. von Frankreich gegen den Ks. und seine möglichen Pläne zur Einnahme Veronas; [2.] Weisung des Ks. an seine Räte, Vorkehrungen gegen diese Absichten zu treffen; [3.] Einbeziehung Bf. Georgs in die Maßnahmen zum Schutz Veronas; [4.] Veränderung der Reisepläne des Ks., sein derzeitiger Aufenthalt in Regensburg, geplante Weiterreise zum Augsburger Reichstag; [5.] Bevorstehende Beratungen in Sterzing; [6.] Fortbestehende Hoffnung auf einen Friedensschluß mit Venedig.
Fragenstein, 29. Januar 1512
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 26 (alt 20) 1512 Jan., fol. 79a-80a, Konz.
[1.] Gruß. In diser stund hat mir ksl. Mt. durch maister Hansen Renner eilends in mein hand schreiben lassen [Schreiben liegt nicht vor], das ir Mt. von irer tochter, frau Margarethe, gleuplich schriften und anzeigen hab, wie der Kg. von Frankrich durch sein parlament zu Paris allerlay neurungen gegen den Niderlanden mit processen und in ander weg furneme und darzu bey Cleve und Gülch haimlichen practicire und suechen laß, sich zu ime zu verpinden. Verrer so hab die englisch potschaft ksl. Mt. anzaigt, wie der Kg. von Schotten aus zutuen und bewegnus des Kg. von Frankrich den Kg. von England angegriffen hab und den krieg wider ine treibt. Und dieweil nu die ksl. Mt. in der handlung des fridens stee, seie zu besorgen, das der Kg. von Frankrich solh handlung suech, damit ksl. Mt. und ir anhang dester mer zu schaffen hetten und sein Mt. an derselben handlung des fridens gehindert wurde. Es mocht auch zu besorgen sein, das derselb Kg. von Frankrich umb arkwons oder suspicion willen, so er numals zu ksl. Mt. tregt, oder wann der frid käm oder villeicht ksl. Mt. ander handlungen wider Frankrich begegnete, die stat Bern [= Verona] durch sein volk einnemen lassen mocht, mit merern worten.
[2.] Auf solhs so sei ksl. Mt. ernstlicher bevelh, sopald der von Gurg, H. Michel von Wolkenstain, H. Pauls von Liechtenstein und ich geen Sterzingen komen, das ich inen solh vorgemelt maynung sol in großer gehaim anzaigen, damit sy der handlung wissen haben, und davon reden und ratslagen, ob der Kg. von Frankrich ainicherlay practiken im synn hett und sonderlichen wider Bern, wie man dasselb furkomen, auch Bern und sonderlichen die slösser und porten versehen und darnach eur Gn. dasselb in grosser gehaim auch zu berichten mit etwas ainer ernstlichen maynung, damit ye ksl. Mt. an Bern kain schad beschehe, und das doch solhe fursehung mit solher furbetrachtung und dermassen beschehe, damit die Franzosen kain verdachtlichait oder mistrauen, den man deshalben zu inen hat, vermerken, mit etwas weiterm oder ferrerm anzaigen, wiewol das alles die substanz obemelts brifs ist.
[3.] Nu ist nit minder, mein H. von Gurg, H. Michel und Pauls sein auf dem landtag gen Sterzingen verordent und H. Pauls am vergangen montag [26.1.12] und der von Gurg an gestern, mitboch [28.1.12], irm schreiben nach, mir getan [liegt nicht vor], zu Augspurg auszogen. So glaub ich, H. Michel mug nu zumal auf dem weg gen Sterzing sein. Ich acht aber darfur, das sy vor kunftigen mitwochen [4.2.12] allererst gen Sterzing zusamenkomen und von dem vor angezeigten handl reden mugen. Dieweil aber die händl nit pitt [= Verzögerung] erleiden mugen oder wellen und eur Gn. pisher bemelter stat Bern halben und auch sonst vil vleiss, mue und arbait gehebt hat, sich auch auf die und dergleichen practiken versteet, auch darinnen erkundigung mer dann ander tun mag, so hab ich solhs eur Gn. in grosser gehaim nit wellen verhalten, und bedeucht mich guet sein, das eur ftl. Gn. dannocht bey den haubtleuten zu Bern allen vleiss und denselben bevelh tet, die geslosser und porten dannocht wol zu verwaren und ir guet aufsehen zu haben, doch in kain weg kain suspicion der Franzosen halben zu machen. Desgleichen, das eur Gn. dannocht in gehaim gute erfarung tet oder kuntschaft machet, ob die Franzosen etwas handleten, practicierten oder wie sy sich hielten, wie dann eur Gn. das durch geschickt und vertreulich personen wol weiss dannen zu richten. Und ob eur Gn. etwas begegente, ließ mich eur Gn. gen Sterzing wissen. Sopald dann die obemelten Hh. zusamenkomen, so will ich inen die handlung anzaigen und von stund an, was geratslagt wirdet, eur Gn. nit verhalten.
[4.] Eur Gn. waiss, das ksl. Mt. des willens gewesen ist, auf liechtmessen [2.2.12] yetzo auf den landtag gen Graz personlichen zu ziehen, als ich warlichen selbst auch nit anderst gewist hab. So hat sich doch ir Mt. ains andern bedacht und ist ir Mt. von Wels aus auf Braunau am Ynn zogen und hat das regiment von Wels, auch ander räte auf den landtag gen Grez verordent. Und als mir gleuplich von irer Mt. und auch von andern von hof geschrieben wirdet, so zeucht ir Mt. auf Regenspurg und Nurmberg zue. Da sol Hg. Fridrich von Saxen, Kf., zu irer Mt. komen und von dannen sollen sy ziehen gen Augspurg auf den reichstag. Und als ich mich versich, so ist ir Mt. auf heut, dato [29.1.12], zu Regenspurg. Was mir weiter furfalt, will ich eur Gn. auch berichten.
[5.] Der Andreas de Burgo ist von ksl. Mt. widerumb abgefertigt und soll all tag gen Innsprugg komen. Der Rigault, franzosischer orator, ist auch widerumb zu Innsprugg und der von Gurg und die vorangezeigten Hh. mit ime. Sollen verrer in den sachen zu Sterzingen handlen. Da wirdet man sehen oder dest bass abnemen mugen, was hinder dem Kg. von Frankreich steet. Der aragonesisch orator [Pietro de Urrea] sol auch dahin komen.
[6.] Mir ist noch weiter nichts von Rom komen dann allain, das mir Jacobus Banissius bey der post, so mir von ksl. Mt. komen ist, schreibt, das noch weiter brief, dann ich eur Gn. jüngst geschickt hab, von Rom und Venedig kommen seien und der aller er mir ain extract schicken wolle, und es seie die handlung noch hoffenlichen. So mir solhs zukumbt, will ich eur Gn. deshalben auch berichten. Und tue mich damit eur Gn. bevelhen. Datum Fragenstain am 29. tag January Ao. 12.