Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Unwahrhaftigkeit der Behauptungen Karls von Egmont; [2.] Richtigstellung der behaupteten Gründe für die Gefangennahme Adolfs von Egmont; [3.] Bruch eines Vertrags und verschiedener Versprechen durch Karl; [4.] Dessen unziemliches Verhalten auf dem Wormser Reichstag 1495, Bruch des Friedens von Tiel und der Liga von Cambrai; diverse Gewaltakte durch Karl; [5.] Dessen enge Verbindungen zum Kg. von Frankreich, allgemeine Verlogenheit seiner Aussagen; [6.] Wahre Hintergründe des Todes Adolfs von Egmont; [7.] Interessen des Kg. von Frankreich im Zusammenhang mit Geldern, seine Ambitionen auf die Kaiserkrone und das Papsttum; [8.] Aufforderung an die Reichsstände, Karls Schreiben unbeantwortet zu lassen.

[Trier, Mitte April – Mitte Mai 1512]1

Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 241a-245b, Kop. (Gegenzeichnung: Kirchmüller).

[1.] Wiewol auf die lügenhaftige und unzimlich geschrift, so H. Carl von Egmond, der sich nennt von Geldern, ytzo cleglich Kff., Ff. und stenden des hl. Reichs, hie zu Trier versamelt, geschriben hat [liegt nicht vor], nit not were, grund der sachen anzuzaigen, dann meniglich waist, das es alles erdicht ding ist, nichtdestminder, damit die stende des Reichs ksl. Mt. unschuld und grund und die warhait der sachen auch wissen, so hat es die gestalt, wie hernachvolgt:

[2.] Anfenglich so waist meniglich wol, was eere und gehorsam der gemelt von Geldern, auch sein vater [Adolf] und andre seine vordern dem hl. Reich getan und erzaigt haben. Dann als derselb von Geldern in seiner schrift meldet, sein vater solle gefangen worden sein wider gelauben und geschrift, das ist nit also und wirdet sich dermassen nymermer erfinden. Aber war ist, das er gefangen ist gewesen aus bevelh unsers Allerhlst. Vaters, des Babst [Paul II.], aus ursachen, das er wider Got und unsern hl. glauben seinen vater und weylend Arnolden von Egmund gefangen und sonst in vil weg unredlichen wider denselbn seinen vater gehandelt hat.

[3.] Auch so ist war, das ksl. Mt., unser allergnst. H., durch furpit und ersuechen des prinzen von Orangen [= Gf. Jean de Châlon, Prinz von Oranien] und anderer Ff. und Hh. ain frid mit H. Karlen in der stat Ravenstain machen hat lassen.2 Dardurch der gemelt H. Karl sich ganz verpunden hat, vor Kff. und Ff. umb all sein ansprach, vordrung und gerechtigkait, so er zu dem land zu Geldern zu haben vermaint, urtail und recht zu nemen und zu geben. Er hat auch gelobt und zugesagt, der urtail und dem rechten volziehung zu tuen und das zu halten. Und zu ainer sicherhait sollte er gesetzt haben in weylend EB Hermans von Coln handen etlich stett und slösser des Hgt. Geldern. Aber pald darnach on alle reden und wider alle pillichait ist [er] haimlich von ksl. Mt. weggezogen in das land von Geldern und hielt weder fryden, glauben, verpuntnus noch zusagen, sonder fieng von stund wider alle vertreg den krieg widerumb von neuem an.

Item in kurzem darnach hat er seine diener auf den reichstag gen Wormbs geschickt, mer zu verachtung und spot der ksl. Mt., auch der Kff., Ff. und stende des Reichs dann zu eere und gehorsamkait, wie dann meniglich wol wissen ist gewesen. Dardurch dann ksl. Mt. und die stende dieselben seine diener in kainerlay weise haben wellen emphahen oder verhören und haben sy unverhört wider hinweggeschickt.3

Darnach hat der von Geldern durch sein und ander seiner gutn freund diemuetig pitt und ersuechen aber ainen andern neuen tractat mit der gemeltn ksl. Mt. und weylend Kg. Philipsen von Castilien löblicher gedechtnus zu Thil [= Tiel] gemacht4 und daselbs under anderm gelobt und zugesagt, dem gedachten Kg. Philipsen zu dienen und mit ime in Hyspanien zu ziehen, und ain merkliche grose suma gelts von kgl. wird von Castilien als pis in acht- oder zehentausent fl., nemlich am parem gelt, silbergeschier und seydengewand, darauf eingenomen, damit er sich zu solhem zug rusten und schicken wolt. Aber sopald er das gelt empfangen hat, ist er von stund wider in das Gelderland gezogen. Und als er ersuecht und ermant ist worden von gedachtem Kg. von Castilien, laut seiner gelübd mit ime in Hyspanien zu ziehen, hat er sich krank gemacht und hat nit wellen ziehen. Und sopald derselbig Kg. von Castilien aus seinen landen gezogen ist gewesen, hat der von Geldern von stund wider seine eere und phlicht die stett Grol [= Groenlo], Lochm [= Lochem] und Dysburg haimlichen und verreterlichen eingenomen und damit den friden und vertrag aber geprochen.

Darnach ist wider von neuem ain frid und vertrag in der stat Camereck5 gemacht zwischn der ksl. Mt. an ainem und dem Kg. von Frankreich am andern tail. Darinnen der von Geldern begriffen ist gewest von wegen des gemelten Kg. von Frankreich. Und hat gelobt und gesworn, denselbn vertrag, sovil er ine beruer, ganz zu underhaltn. Sopald aber die ksl. Mt. aus den Niderlanden gezogen ist, hat der von Geldern denselb friden und vertrag, zu Camerick gemacht, auch nit wellen underhalten kainswegs. Und wiewol mein gnst. frau, frau Margretn, Ehg.in zu Osterreich etc., als regierende in den Niderlanden von wegen ksl. Mt., ires H. und vaters, ungern in den krieg komen ist wider den von Geldern und allen vleiß ankert hat und mit dem von Geldern manich mal durch eerlich und treffenlich personen lassen handlen, communiciern und versuechen, das er den gemelten friden underhalten wolt, nichtdestminder hat er das auch nit wellen tun, sonder uber und wider den gemeltn friden bey der stat Cöln ain großtail frumer und erber kaufleut, die aus den Niderlanden in die Frankforter meß ziehen haben wellen, fahen lassen, die gefuert in die stat Geldern und daselbs geschetzt umb ain grosse summa gelts und sonst jemerlich und uncristenlich peinigen und tractiern lassen.

[4.] Item so hat er noch daruber die stett und sloß Hattem, Harderwick und Pomel [= Zaltbommel] dem von Horen [= Hoorn] in einem halben bestant auch heimlichen und verreterlichen durch seine leut und diener lassen einnemen.

Darzue ist er mit denen von Utricht angespannen und verpunden wider die ksl. Mt. und seiner Mt. Niderland, die stat Ysslstain belegert, auch sonst die land von Holand, Braband und die undersassen beraubt, gefangen, geplündert, verprent, geprandschatzt und beschedigt, mer dann umb ain milion goldes seyder des gemelten tractats von Camerich und noch ye lenger ye mer und täglichen tuet.

[5.] Es ist auch ainem yeden offenlich bekannt, wie er sein lebtag dem hl. Reiche und der teu[t]schn nation nie günstlich noch gehorsam gewesen ist, dann zu ainem warzaichen ist er alweg verpundn gewesen mit den Franzosen und dem Kg. von Frankreich das land von Geldern verkauft und ubergeben, wo er on manlich erben sterbe, damit der gemelt Kg. destpas möchte das röm. Reich an sich ziechen und Kff., Ff. und ganze teu[t]sche land überwinden und zwingen. Dardurch mag man des von Geldern unredlich, unwarhaft und unzimlich fursatz, klag und schrift erkennen, ungezweiflt, Kff., Ff. und die stende seyen des ganz wol underricht und sollen solh valscher brief und geschrift des von Geldern nit achten noch sich in kainerlay weise daran kern. Er ist auch aller lugen und trügerey voll, als in seinem ytzigen brief clerlichen verstanden wirdet, der nichts dann lügen inhaltet, dann er hat nie kainen vertrag, ayd noch gelubt gehalten, sonder die alzeit verprochen.

[6.] Und als derselb von Geldern anzaigt, das sein vater in der ksl. Mt. dienst erslagen und er gefangen sey worden, darauf ist ksl. Mt. antwort, sein vater sey aus etlicher meutmacher [= Meuterer] im Niderland practica aus gefengknus gelassen worden und zu der von Gent hauptman gemacht, das sy ime sollten rügken haltn, damit, so die ksl. Mt., als die zeit Ehg. zu Osterreich, zu land keme, frau Maria [Hg.in von Burgund] ime das land solt ubergeben. Also nachdem er kain kriegsman was, het er sein start nit wol besetzt. Dardurch ward er von den veinden da erslagen, die doch nicht von im wissten zu sagen. Dann seiner fengknus halben hat ksl. Mt., fur ine zu geben, hunderttausend niderlendisch fl. geboten, dieweil er in irer Mt. dinst gefangen ward. Die Franzosn wollten in aber nit ledig geben, bis sy mit ime die verreterey mit dem land von Geldern volbringen mochten, als dann beschehen ist.

[7.] Er hat auch solich land Geldern underwürfig gemacht der cron zu Frankreich. Dann dieselb cron hat die ksl. Mt. und Kg. Philipsen seligen dreymal eyd, brief und sigl geprochen von wegen des lands zu Geldern, so sy gesehen haben, das der von Geldern sich hat muessen ergeben zu gnaden der ksl. Mt. und Kg. Philipsen. Und hat auch haimlich und offenlich gar vil malen hunderttausent cronen darauf gelegt und sich zwaymalen mit heerscraft understanden, Carln von Egmond, den man nennt von Geldern, zu retten. Dabey Kff., Ff. und die stende wol versteen mögen, das die cron von Frankreich solhs nit tuet aus lieb, die sy zu demselben von Egmond tregt, der ir nie guts getan hat. Der Kg. von Frankreich darr [= traut sich] in auch offenbar nit anders nennen als seinen diener. Aber wie er ain diener ist, mag ain yeder erkennen, dann er ain armbs, elends, verdorben land hat. So mag auch ksl. Mt. mit Osterreich, Burgundi und den zugewachsen Kgrr. Hyspanien und andern irer ksl. Mt. frundn der cron Frankreich mer trost tun dann ain solichs verderbts land. Aber das beschicht alles wider ksl. Mt. und derselben sun als Hg. zu Osterreich-Burgundi, die dem hl. Reich so hoch verwandt und ainstails underworfen sein, angesehen, das dieselb cron Frankreich lang jar her, als meniglich waist, irer grossen macht nach ableibigkeit der ksl. Mt. nach der ksl. cron und dem Reinstraum, welhe baide ander zeit der cron Frankreich underworfen gewesen sein, trachten wirdet, als auch solhs ytzt der Babst, Kg. von Aragoni und Engelland offenbar von dem Kg. von Frankreich ausgeben, das er ytz bey leben der ksl. Mt. nach dem Babstumb und der ksl. cron drachten welle, als sy auch aus derselben und umb ander ursach willen, mit ime zu kriegen, furgenomen haben und darumb auch ytz gegen ime in krieg steen. Aber ksl. Mt. zeicht den Kg. von Frankreich solhs noch nit, sonder wirdet solhs Kff., Ff. und stenden angezaigt, wiewol sy die sachen vor alle wol wissen, allain, das sy des auf ain neus wider bedenken und zu herzen nemen und sein Mt. und das hl. Reich in dem und anderm nit verlassen, auch disen geldrischn falschen, lügenhaftign brief nach dem rechten text versteen. H. Carl von Egmond, wie ainstails oben angezaigt, ist drymalen zu ainem [Verräter] etc. an ksl. Mt. worden und an weyland Kg. Philipsen von Castilien loblicher gedechtnus. Es were ime ain gut spil, das er zum vierden mal an dem Reich zu ainem etc. würde, damit er dardurch ainen friden erlangen möchte. Darvor der bös ine und die seinen, wie man dieselben seine verwantn in der welt erkennen mag, behuetn soll.

[8.] Die ksl. Mt. ist auch ganz un[d] deutlich nit der maynung, das gemeltem H. Carln von Egmond, den man nennt von Geldern, ainich antwort gegeben werde[n] solle, dann er ist nit wirdig, das er der frumen Kff. und Ff. brief und sigl ansehen soll.

Anmerkungen

1
 Terminus ante quem ist die Abreise Ks. Maximilians aus Trier am 17. Mai.
2
 Gemeint ist der am 18. August 1494 auf Schloß Ravenstein bei Grave geschlossene Vergleich zwischen Kg. Maximilian und Karl von Egmont, der den Kff. die Klärung der Rechtsfrage bzgl. des Hgt. Geldern übertrug. Wiesflecker, Regesten 1, Nr. 950. Die entsprechende Entscheidung der Kff. ebd., Nr. 932. Vgl. dazu Böck, Geldern, S. 600.
3
 Zu den Verhandlungen der Gesandten Karls von Egmont auf dem Wormser Reichstag 1495 vgl. Angermeier, Reichstagsakten, Nr. 1093, 1096, 1100, 1102f., 1737f.; Böck, Geldern, S. 600-603.
4
 Vom 18. Juli 1505. Druck: Molinet, Chroniques, S. 556-560 (frz.). Vgl. dazu Böck, Geldern, S. 613.
5
 Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508. Zu Bedeutung des Vertrags aus geldrischer Sicht vgl. Böck, Geldern, S. 617f.; Struick, Gelre, S. 135f.