Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Unterrichtung Johann Storchs über das vorgesehene Treffen mit den Eidgenossen; [2.] Weiterleitung von Briefen an den Ks., Rat für diesen zu einer raschen Entscheidung betr. die Eidgenossen; [3.] Anweisung an die ksl. Gesandten zu den Eidgenossen, Erwägungen zum Verhältnis des Ks. zu den Eidgenossen und zum Kg. von Frankreich, Bitte um Bf. Matthäus’ Meinung hierzu; [4.] Wunsch nach Verbleib Johann Storchs; [5.] Übersendung eines ksl. Schreibens, Warten auf den Bescheid des Ks. in Sachen eidgenössische Tagsatzung; [6.] Stellungnahme Sernteins zu einer Denkschrift über das Verhältnis des Ks. zu den Eidgenossen; [7.] Schwere Erkrankung Gf. Eitelfriedrichs von Zollern; [8.] Unklarheit über die Bereitschaft der Reichsstände zu einer Verlegung des Reichstags; [9.] Übersendung eines Schreibens Jakob Villingers.

Trier, 11. Juni 1512

Innsbruck, TLA, I 44/20 II. Teil, fol. 152a-157b, Konz.

[1.] Hat Johann Storch über die geplante neuerliche Zusammenkunft mit den Eidgenossen informiert, doch hat dieser Zürich verlassen und ist nach Mainz geritten.

[2.] Von den Eidgenossen sind zwei weitere, in Zürich abgeschickte Briefe an den Ks. eingetroffen, der erst [Nr. 883], das die Aidgnossen ksl. Mt. auf die handlung hie ainen tag ansetzen gen Zürch, nemblichen auf eritag nach corporis Cristi schirst [15.6.12], den andern von der stat St. Gallen lautend [liegt nicht vor], wie ir das in den eingelegten copeien vernemen werdet. Solh schreiben, sonderlich die tagsatzung, haben der von Zollern und ich ubersehen, und dieweil wir seid der Aidgnossen abschaid nichts mit irer Mt. disputirt, darzu kain bevelh von irer Mt. gehabt, haben wir seiner Mt. solh brief eylunds zuegeschikt und ir Mt. die handlung verkundt. Und wiewol sein Mt. villeicht vermaint, das wir irer Mt. unsern ratslag und guetbedunken hierinnen zueschiken sollen, so haben wir doch irer Mt. so vil ursachen anzaigt und sonderlich, dieweil wir nit wissen, wie irer Mt. sachen bei Frankreich und an andern enden steen, aus den und andern ursachen ist uns unmuglichen und beswerlichen gewest, irer Mt. zu raten. Und dieweil irer Mt. villeicht solh handl bas dann wir wissen hat, haben wir irer Mt. solh sachen haimgestellt und wellen numals warten, wes sich ir Mt. daruber entsleusst. Haben aber auch irer Mt. geschrieben und gebeten, wes sich hierin ir Mt. entsliessen well, das ir Mt. dasselb furderlich tue, dann wir besorgen, sollt ir Mt. disen tag nit besuchen oder sich kainer antwort entsliessen, das die Aidgnossen desselben merklich beswerd haben würden, und irer Mt. angezaigt allerley geferlichait, so auf disem handel sey, aber zu raten ist uns zu beswerlich.

[3.] Aber nichtdestminder, dieweil der tagsbrief so kurz ankumbt und die zeit des tags kurz ist, so haben wir nichtdestminder Schenk Cristoffel von Limpurg, H. Hans Jacoben von Morsperg und H. Hansen von Landau mit allem vleys und ernst geschrieben, das sy auf negstkunftigen sontag [11.6.12] zu nacht gewislichen zu Blümberg sein und darnach gericht, fort auf den tag zu ziehen. Wir haben auch mit grosser mue 300 fl. rh. bey Hg. Ulrichen von Wirttenberg aufbracht den gedachten reten zu zerung. Mittler zeit versehen wir uns, das sich die ksl. Mt. entsliess und uns instruction und bevelch, was irer Mt. will oder gemüt hierinnen sey, zuschiken wird. Und so solhs kumbt, wollen der von Zollern und ich euch solhs auch verkunden, wiewol nutz und gut wer, das ir ksl. Mt. euch und den andern Hh., so bey euch sein, solhe handlung, dieselben zu beratslagen, auch zueschiken solt. Aber die zeit des angesetzten tags ist so kurz, das ich besorg, das eur ratslag so eylunds nicht zuekomen wird. Aber bedunkt euch und die andern Hh. etwas fruchtper, nutz oder guet sein, den reten auf solhem tag das zu verkünden, das stet zu eurem gefallen und entsluss. Ich bin warlich disem handel nit weis genug, und ist ain grosser, beswerlicher handel. Sol die ksl. Mt. auf die handlung, hie beschehen, nichts mit den Aidgnossen handlen, so besorg ich, als gut ytz sein, als pös werd sy herwiderumb. Und so sy kainen grund bey irer Mt. finden, stet wol darauf, das sy sich widerumb für Frankreich declarieren und das das spil über ksl. Mt. ausgee. Und in summa vil darvon zu schreiben, ir als der verstendig wißt das und merers, so daraus komen mag, zu bedenken. Sol sich dann die ksl. Mt. mit inen in handlung geben und Frankreich ganz erzürnen oder handlen, das irer Mt. zu nachtail kom, das wer auch nit guet. Und bedorfen warlich die handlungen gross furbedrachtung und weiser leut. Dann ich besorg, wo es fellt, so seys der garaus [= völliges Ende]. Ich möcht aber dannocht wol leiden, das ir ksl. Mt. ader mir dannocht eur guetbedunken anzaiget, dann ir wisst an zweifel nuzumal, wie all sachen bey Babst und bey Aragon und villeicht bey Frankreich auch steen. Darzue so acht ich genzlich, das die Aidgnossen den abschaid, der hie mit den iren gemacht ist, dem von Sachs und den iren, so im veld sein, noch nit anzaigt haben, und acht darfur, das die Aidgnossen, so dahaim sein, dem von Sachs und den andern die handlung und abschied hie erst ytzo anzaigen. Nu on zweifl so haben sich die Aidgnossen ytz auf dem tag zu Zürch dermaß underret, das sy wissen, wie sy sich gegen ksl. Mt. halten wollen. Dasselbig werden sy iren Aidgnossen im veld auch anzeigen. Und seit an zweifl, dieweil sy in irem schreiben anzeigen, das ksl. Mt. mit volkumener gwalt schiken sol, das sy auch mit volkumener gwalt erscheinen und werden hart darauf ligen, ytzo zu besliessen. Und besorg, das sy sich nit weiter werden lassen aufhalten. Dann die red, so der von Sachs gegen den Schelberg [= Dr. Schellenberger] getan hat, das die Aidgnossen nit uber zwen monat im veld beleiben, dem gib ich ganzen glauben und sonderlich, wo sy mit ksl. Mt. nichts neus besließen. [...]

[4.] Gestern, während der Abfassung dieses Briefes, ist Johann Storch wieder aus Mainz zurückgekommen. Auch wenn er nicht zum Tag mit den Eidgenossen gehen mag, so ist es doch gut, wenn er dauerhaft in Zürich bleibt. [...]

[5.] Weiter, als ich ob disem brief gesessen bin, ist mir ain post von ksl. Mt. komen und darbey vil briefe. Und schreibt mir Villinger und Gabriel [Vogt], ich soll solh eur paket auftun und dieselben briefe all lesen und euch alsdann widerumb zuschiken. Das hab ich also getan und find anfenglichen ainen brief, der da an euch und H. Paulsen laut, antreffend die Aidgnossen [wohl Nr. 881]. Daraus verstet ir, wie ir deshalben handlen solt. Nu ist mittler zeit, als derselb brief aus ist gangen, furgefallen der angesatzt tag gen Zürch. Deshalben ich nit waiß, ob die ksl. Mt. auf solhem schreiben beleiben wird oder ob ir Mt. ain ander maynung oder furslag furnemen wird, auf dem künftigen tag zu Zürch zu handlen. Aber sobald mir von ir Mt. antwort und beschaid kumbt, wil ich euch dasselbig eylends und on verziehen wissen lassen, damit ir euch in allen handlungen dest pas wißt darnach zu richten.

[6.] Und wil euch weiter nicht verhalten, nachdem der von Zollern und ich ksl. Mt. Dr. Schellenbergs briefe alzeit zuegeschikt und irer Mt. dorneben allain unser guetbedunken und kainen ratslag angezeigt, so schreibt Villinger und Gabriel mir doch allein ain langen brief [liegt nicht vor], des ich euch hiemit ain copi zuschik. Daraus verstet etlicher maß ksl. Mt. maynung. Und nemblich auf den artikel, [mit a] bezaichent, haben wir ksl. Mt. geschrieben [Schreiben liegt nicht vor], das wir besorgen, so dermaßen mit Pern [= Verona] gehandelt sey, das alsdann not werd sein, das sich die ksl. Mt. muß gegen dy Aidgnossen irs willens merken lassen. Aber wie, des haben wir irer Mt. kain maß gesetzt, sonder irer Mt. dasselbig haimgestellt. Auf solhen artikl findt ir nu, wie ir Mt. maint, iren grund gestellt zu haben auf zwen weeg, wie das der artikl vermag. Darbey findt ir auf demselben artikl, das in ir Mt. dagegen den pass gegont und den raisigen zeug und geschutz zu leihen bewilligt hat.

Darnach volgt ain artikl, mit b verzaichent. Verstet ir, wes maynung ir ksl. Mt. ist. Ob nu die Aidgnossen dise handlung dermaßen, sonderlich auf den abschaid hie, also verstanden haben, dasselbig waiss ich nit, sonderlich, dieweil sy ainen neuen tag angesetzt haben.

Weiter ain ander artikl mit c. Waiß ich auch nit, ob die Aidgnossen den handl dermaßen hie verstanden haben, dann mich bedunkt, es sey dem abschaid hie nit ganz gemeß. Und so ir ksl. Mt. iren grund nicht auf die Aidgnossen wil setzen, so bedunkt mich, es wer nit not gewest, so vil mit in zu handlen. Aber die sachen sind uber mein vernunft, dann ich waiß euch nicht sonders davon zu schreiben, anders dann das ich besorg, so ir Mt. den Aidgnossen dise maynung werd furslagen, sy sollten widerumb ain sprung zu den Franzosen tun. Und ich halt entlichen darfür, das sy nach laut des artikls d ksl. Mt. begern ganz nichts tun werden, weder mit Bern noch in ander weg, und werden ksl. Mt. irs pass nit vil danken und dem Kg. von Frankreich sagen, das ksl. Mt. sy mit grosser pet darzu bewegt hab, auf Pern zu ziehen und dasselb einzunemen, und wird nit ain klaine ursach sein, sy zusamenzujagen. Und ich besorg, man werd sich nit daran keren, die sach zu plumen, wie man woll.

Auf den artikl e acht ich darfür, das sy, die Aidgnossen, den tag darumb furgenomen haben. Und darumb so ist nit not, vil weiter von der sach zu schreiben, dann ich acht entlichen darfür, das wir die sach dermassen noch nit in der hand haben, dieselben all zu declarieren nach unserm gefallen. Gott geb uns aber die gnad, das und anders wol zu bedenken.

Auf den artikl f bedunkt mich, ir Mt. irt sich in solhem, was doch der Schellenberger den Aidgnossen, die zu Chur sein gewest, all die maynung Bern halben entdekt hat, ob er schon dem amann von Sweiz [Ulrich Kätzi] dieselb hie nit endekt. Wol ist zu bedenken, das der von Sachs und die haubtleut, so zu Chur gewesen sein, disen handel Bern halben nit verhalten haben. Und als ir Mt. setzt in denselben artikl, das nu zeit sei etc., waiß ich nit, ob gut sei, das ir allein auf dise schrift handlt, sonder zu erwarten, was weiter von ksl. Mt. hernachkombt, wie das der Gabriel im besluss seins schreibens anzeigt, ob villeicht ir Mt. etwas endern oder corrigiren wollt.

Auf den artikl g ist kein sonder antwort not, wiewol gut wer, die ding in ziffer [= Chiffre] zu schreiben.

Auf den artikl h bedunkt mich, es sei die sach noch etwas weit, wiewol die ksl. Mt. die sachen darauf stellt auf 7000 ducaten von den Venedigern und 3000 fl. von Castelalter [= Francesco di Castellalto]. Und darnach, was ir und H. Paul [von Liechtenstein] und regenten weiter furnemen solt, darauf waiß ich nit, was ir tun mugt ader werdet. Und zu underrichtung schik ich euch hiemit copeien, wie die ksl. Mt. dem Schellenberger, auch den knechten geschriben hat. [...]

Auf den artikl o lass ich euch wissen, das die ksl. Mt. vor 9 oder 10 tagen des Reichs antwort [Nr. 989/I] gehebt hat, aber noch bis auf dise stund auf alle schreiben, so der von Zollern und ich irer Mt. getan haben, noch nye kein antwort geben oder sich in nichte entslossen. Und ist der tag des kaufmansglaubens [= Vertrauen in einen rechtschaffenen Kaufmann] verschinen und ir Mt. nit komen, und sein warlich die stend ganz verdrosslich, und redt man dannocht vil von dem kaufmansglauben, das mir meins tails etwas wee tut. Wiewol warlich yederman mit gueten worten underhaltet, so besorg ich doch, wir konnens zum letsten nymer erhalten.

[7.] So ist der von Zoller laider in beswerlicher krankhait, und steen sein sachen misslich, Got verleih im gnad, und er ist ganz beswert und die doctores auch etwas zweiflich seiner krankhait halben. Aber wie es sich schikt, wil ich euch wissen lassen. Aber ich hab nichtdestminder euch im bevolhen, das er zu grossem dankt annymbt. Aber der augenspiegela halben hab ich im auch angezaigt; er hat desselben gütlich gelacht, es ist aber aller scherz bey im aus.

[8.] Und damit ir aber versteen mugt, was ksl. Mt. willen wer, den reichstag gein Collen zu verendern, hat mir der Villinger geschriben [Schreiben liegt nicht vor] laut eingeslossner copi, acht wol dorfür, aus ksl. bevelh. Aber ich hab mit dem von Zollern darvon geret, und hett ir Mt. solhs vor 15 oder 20 tagen begert, so wollten wir all stend sonder not gen Collen bracht haben. Aber ob gleichwol ytz ir Mt. bey den stenden solchs handlen würd lassen, waiß ich nit, ob sy das tun werden; das stet zum glük. Aber wie es sich deshalben schikt, wil ich euch nit verhalten. Die leut fahen vast an, stutzig werden.

[9.] Und als vor steet, das mir Villinger geschrieben hab vor seinem aufbruch zu Prüssl, schik ich euch desselben schreiben hiemit in copi. Und ist nit not euch, deshalben darauf zu schreiben, sonder ir vernembt hiemit die neu zeitung, wie es in dem Niderland stet. [...] Datum Trier, 11. Juny Ao. etc. 12.

Anmerkungen

a
 Korrigiert aus: augengleser.