Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Österreich B, fol. 417–421.

Geteilte Resolution zum Verhandlungsmodus beim 1. HA (Religionsvergleich) und zur Aufhebung des Geistlichen Vobehalts. Keine Festlegung bezüglich der Aufnahme der Hauptverhandlungen.

/417/ (Vormittag) fürstenrat. Österreicha  proponiert: Beratung der geteilten Voten vom Vortag.

Umfrage. Österreich: Da die andere Seite nicht zum Anschluss an die geistlichen Kff. und die Mehrheit des FR zu bewegen ist, muss man dem hergebrachten geprauch unnd gewönndlicher ordnung nach /417 f./ notgedrungen eine geteilte Resolution zunächst SR und anschließend den kgl. Kommissaren vorbringen. Formulierung der geteilten Resolution durch die Mainzer Kanzlei. Nach der Übergabe Aufnahme der Hauptverhandlungen zum 1. HA (Religionsvergleich) in einem Ausschuss und zum 2. HA (Türkenhilfe) in den Kurien, und zwar /417’/ on weitter verziehen unnd unerwartet der kgl. Mt. resolution über den eingefallnen incident articl1, alls durch welchen /418/ die sachen one das vil täg herumb unnützlich auffgehalltten und verzogen worden.

Dem schließen sich alle katholischen Ständeb , 2  an.

Die Gesandten der CA-Ständec  billigen das Referat der geteilten Resolution vor SR und die Übergabe an die kgl. Kommissare, lehnen aber die Festlegung ab, wessen sich nach verrichtung ermelltter relationen weitter zuverhalltten, sonnder darfür geachtet, solches wäre noch zu früee, das auch die churfürstlichen räth disen morgen nicht so weitt schreitten wurden.

/418 f./ Dies veranlasst den österreichischen Referenten zur Durchführung einer 2. Umfrage, um die CA-Stände zum Anschluss an die Mehrheit zu bewegen oder zumindest ihre weiteren Absichten in Erfahrung zu bringen.

/418’/ 2. Umfrage. Österreich: Erneute Argumentationd  für die Verhandlungsaufnahme nach Übergabe der Resolution, wobei die schädlicheitt deß verzugs etc. stattlich außgefüert wird3.

Bayern und Straßburg: Bringen als Vermittlungsvorschlag vor, die Hauptverhandlungen aufzunehmen, doch dasselb unvergrifflich unnd solcher gestalltt, daß durch solche berathschlagunng nichts schließlichs gehanndlt oder für beschlossen gehalltten werden solltt, biß der kgl. Mt. resolution über die erregte difficultet der absolut freystellung zuvor erlanngete.

Dennoch haben die CA-Ständef  khains weegs daran gewölltt, sich hierüber zuerclären, sonder darauff bestannden, das solcher erclärung noch nit vonnötten, daß sy es verner deliberieren woltten unnd für gewüß hielltten, der churfursten rath wurde auch nit weitter geschritten sein.

/419 f./ Kurfürstenrat und fürstenrat. [Entsprechend Protokoll des KR, 149–151.]

/419’/ (Nachmittag, 3 Uhr) /419’–420’/ Reichsrat. [Entsprechend Protokoll des KR, 151–159.]

/420’/ fürstenrat. g– Die katholischen Stände wünschen die sofortige Wendung an die kgl. Kommissare mit der geteilten Resolution –g.

/420’ f./ Dies ist anschließend gegenüber KR, der auf nochmaliger Beratung beharrt, nicht durchzusetzen.

Anmerkungen

a
 Österreich] Sachsen (fol. 174) differenzierter: Zasius für Österreich.
1
 = den Streit um den Geistlichen Vorbehalt.
b
 alle katholischen Stände] Sachsen (fol. 175 ff.) differenzierter mit Einzelvoten. /175/ Bayern: Entsprechend Österreich. Zusätzlich: Dass das Vorbringen der geteilten Resolution vor SR und kgl. Kommissaren der gestalt geschehe, als flosse es aus beidenn rethenn [KR und FR] her etc. /175’/ Salzburg: Wie Österreich und Bayern. Bamberg: Ebenso. Würzburg: Wie Österreich. Jülich: /175’, 177/ Bedauern die Übergabe geteilter Resolution. Fortsetzung der Hauptverhandlungen ist nur möglich, wenn /177/ das obstaculum mit der freistellunge removiert. Wenn nun der chur- unnd furstische rathe sich nicht inn deme konntenn selbst vergleichen, so woltenn sie durch die kgl. Mt. oder derselbigenn commissarienn inn vergleichung zubringenn sein. Eichstätt (Seld): Ist er kürzlich angekommen, votiert wie Österreich. Hat sich im Sessionsstreit mit Speyer unter Rechtsvorbehalt auf den eigenen Vorrang an diesem Tag geeinigt. /177’/ Speyer mit Worms: Sessionsvorbehalt wie Eichstätt. Zur Hauptsache wie Österreich, unnd das unvorgrifflich dieweil vonn anndern artickeln gehanndelt wurde. Straßburg mit Konstanz und Murbach: Zunächst Referat vor SR. Welches er zu bericht, wie es vor alters gehaltenn, angetzeiget wolte habenn. /177’ f./ Anschließend schriftliche Übergabe an die kgl. Kommissare mit Ausführung der beiderseitigen Argumente. Da die Weitergabe an den Kg. und das Abwarten von dessen Erklärung die Beratung zu lange aufhalten würde, sollten mittlerweile die Verhandlungen zur Türkenhilfe unverbindlich aufgenommen werden. /178’/ Regensburg: Würde zunächst, wie ohnehin schon beschlossen, dem 1. HA (Religionsvergleich) als principalenn abgeholffen, so were der freistellunge nicht not, noch fernner ettwas darvon als accessorie zuhanndlen. Da dieser Weg aber verweigert wird, ist die geteilte Resolution zu übergeben. Die folgenden katholischen Stände: Wie Österreich, Bayern und Straßburg.
2
 Der erstmals am FR teilnehmende Eichstätter Gesandte N. Seld versuchte den Sessionsstreit mit Speyer (Anm. b) vor der Sitzung gütlich mit W. Arzt (Speyer) zu regeln, um den Austrag im FR zu vermeiden, der vor den CA-Ständen odiosum und spötlich wäre. Da beide auf dem Vorrang beharrten, kam der Streit im FR zur Sprache, wenn auch in abgemilderter Form, wobei Arzt aber den älteren Protest wiederholte (Bericht Arzt an Bf. Rudolf vom 13. 10. 1556: GLA Karlsruhe, Abt. 78 Nr. 2222, fol. 165–167’. Or.; präs. Udenheim, 19. 10.).
c
 Gesandten der CA-Stände] Sachsen (fol. 175’ ff.) differenzierter mit Einzelvoten. /175’/ Sachsen mit Henneberg: Vortrag und Übergabe der geteilten Resolution. Unnd wann das verrichtet, dann ann mir [Schneidewein] weiter vermuege habenndenn bevelichs keine unbilliche verhinderunge sein zulassen etc. Brandenburg-Küstrin: Verhandlungsfortgang nach Übergabe der Resolution bedarf weiterer Beratung. /177’/ Pommern: Übergabe der geteilten Resolution. Württemberg: Referat der Resolution vor SR, Übergabe an die kgl. Kommissare, sodann Weitergabe an den Kg. /178’/ Hessen: Verweisen auf ihr Votum am Vortag.
d
 Erneute Argumentation] Sachsen (fol. 179) differenzierter: Kgl. Kommissare haben zur Freistellung keine Vollmacht, weshalb man die persönliche Erklärung des Kgs. abwarten muss. So wurde viel zeitt unnd kostenn vorgeblich verthan, wa so lanng solte mit aller hanndlunge stillgestandenn werdenn.
3
 Die kgl. Kommissare von Helfenstein und Zasius beklagten gegenüber Ferdinand I. am 9. 10. 1556 wie in fast allen Berichten in diesem Zeitraum den anhaltenden Verhandlungsaufschub durch die CA-Stände mit der Intention, den Kg. /198/ mitt der begerten hilff durch den fürsätzlichen auffzuge zu eludieren, sy haben gleich euer Mt. vertröst, was sy wöllenn. Dann es ist ye die warheit, das dergleichen verzüglicheit zuvor bey den reichssachen unnd sonnderlich bey so wichtigen reichssachenn so grob unnd mercklich nie gebraucht worden; wie sich auch die wenig der vorhanndigen allten reichshenndler aines solchen nicht gnugsam kunden oder mugen verwunnderen, zugeschweigen, dergleichen zuerinneren. Baldiges Kommen des Kgs. ist deshalb dringend notwendig (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 198–199’, hier 198 f. Or.).
e
 erlannget] Sachsen (fol. 180 ff.) differenzierter mit weiteren Voten katholischer Stände. /180/ Jülich: Ist zur Fortsetzung der Verhandlungen bereit. Votum Straßburg differenzierter: Zunächst Aufnahme der Beratung zur Türkenhilfe, die ohnehin nicht aus einem ermel zuschutten, /180 f./ sondern viel Zeit beansprucht. /180’/ So were auch der artickell vonn gemeinem friedenn auch noch nicht allenthalbenn so gar richtigk, sonnder hin unnd her noch allerlei impedimenta vorhandenn. Wie er dann vom reinischenn kreisse, das darinnen deßhalbenn, was deme abgangenn were, vor mengel wuste.
f
  CA-Stände] Sachsen (fol. 179 ff.) differenzierter mit Einzelvoten. /179 f./ Sachsen: Im Anschluss an die Übergabe der geteilten Resolution ist kein Aufschub zu erwarten, da der kgl. Kommissar [gemeint wohl von Helfenstein] wenn nicht zur Freistellung, so /179’/ doch uff denn vall, wann zweierlei meinnunge vorfielenn, one zweivel, wes er sich vorhaltenn solte, bevelich habenn oder one denselbigenn sich seines ambts unnd etwann mit behanndelunge eines oder des annderenn parts sich zuhaltenn unnd zugebrauchenn wissenn. /179’ f./ Brandenburg-Küstrin: Zunächst Übergabe der Resolution. Die Beratung des anschließenden Verfahrens ist wegen des Verhandlungsstands im KR noch verfrüht. /180 f./ Pommern, Hessen: Entsprechend Brandenburg-Küstrin. Württemberg: Wie in 1. Umfrage.
g–
 Die ... Resolution] Sachsen (fol. 183’) differenzierter: Österreich (Zasius) und andere katholische Stände stellen fest, dass SR ebenfalls befremdtlich were, die Religionsverhandlungen gegen den vorherigen Beschluss wegen der Freistellung zu verzögern. Können das Referat des SR nicht annders vorstehenn, dann das sie mit den geistlichenn churfurstischenn unnd dem mehrer im furstenn rathe ubereinstimmeten. Deshalb jetzt Wendung an die kgl. Kommissar. /183’ f./ Dagegen Votum von Sachsen, Brandenburg-Küstrin und Württemberg (Lersner für Hessen ist nicht anwesend, dessen gesell beruft sich auf das vorherige Votum): Beharren auf der Klärung der Freistellung als Vorbedingung für die Aufnahme der Religionsverhandlungen. Können das Referat des SR /184/ nicht darfur /184’/ ansehenn oder haltenn, das sie sich, wie angetzeiget, verglichen, sonndern hettenn austrucklich gesaget, sie werenn im processu indifferentes, unnd der punct der freistellunge were gleichwol wichtig. Jedoch Einvernehmen mit den katholischen Ständen, sich jetzt an die kgl. Kommissare zu wenden.