Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Keine derzeitige Möglichkeit zur Einberufung des Generalkonzils. Bewilligung eines Kolloquiums auch durch die geistlichen Stände. Keine Einigung zu deren Bedingungen für das Kolloquium.

/114/ (Vormittag) Religionsausschuss. Mainzer Kanzler proponiert: Replik des Kgs. zum 1. HA (Religionsvergleich)1.

1. Umfrage. Kurtrier: Da Kg. in der Replik gegen das Votum der geistlichen Stände die Mehrheit für das Kolloquium unterstützt, wollen sie diesem auch numeher auf ratification sich anhengig machen. Doch das colloquium dermassen geschaffen, das es unverpuntlich, item das es kein decision auf ime trage und nichst darin determiniert, sonder das es ein vorberaitung zum concilio. Item das dem ordenlichen wege generalis concilii dardurch nichts benommen, /114’/ das es auch hern a–an eheren und pflichten verantwurtlich–a, und dan, das colloquenten nachmals irer collation relation thun und stendt alßdan ire notturfft daruf furzuwenden und uber alle articul gehort werden2.

Kurköln: Dweil sich konig resolviert auf den weg des colloquii, Trier auf ratification inen den gefallen lassen: Wiewol sie daruf nit abgefertigt, so wolten sie solchen weg colloquii gleicher gestalt auf ratification bewilligen, doch das es also angestelt werde, wie yetzt per Trier [votiert].

Kurpfalz3: Nachdem konig es darfur achtet, das zu dem concilio yetziger zeit nit zu komen, und derwegen achtet, den weg colloquii an die handt zu nemen, doch das es allein ein consultation sein solte, in massen resolution mitpringt4, so bedechten /115/ sie, wen colloquium also gestalt sein solte, das kein differentz darin und dan auch dem weg einer gemeiner Reichs versamblung. Ires erachtens aber solten zu verordnen sein presidenten, colloquenten, auditores und notarii wie hievorb, und das von dern ambt und de forma colloquii zu reden. Derhalb mochte man sich in specie vernemen lassen de forma colloquii. Hielten es auch für ein notturfft, das man nit also in genere von sachen rede, sonder in specie et articulatim.

Kursachsen: Vernehmen, dass Trier und Köln das Kolloquium jetzt billigen. /115’/ Das sie aber conditiones anhengken etc., repetendo: Weren sie in deme einig, das colloquium kein decision oder determination haben solte; solchs prechte auch mit das wortlin „unverpintlich“. Das auch dem concilio dardurch nichst benommen, were onnotig zu disputieren5, dan solchs für sich selbst ist, wen man in colloquio nit vergleichung treffe, das sachen ad concilium gelangt. Weren des puncten halben auch einig, und were solchs ires hern meinung auch. Item das solch colloquium solte an standt oder eheren unvergreifflichen sein, in deme verglichen sie sich auch. Were on vonnoten zu disputieren, dweil colloquium kein determination haben sollc , 6. Das dan letzlich solte relation von den colloquenten beschehen, in deme verglichen sie sich auch. Wen man nun ferner von presidenten, /116/ colloquenten und andern reden wolte, solten sie auch gehort werden.

Kurbrandenburg: Es stunde numeher zu reden von der zeit und personen des colloquii. Und truge resolution7 auf ime, das alßgleich colloquium solt furgenomen werden. Darunther sie hievor gehort, das sie nach wichtigkait der sachen erachten, das ein bekemelichere, fridliche zeit darzu zu bestimmen und noch ein zeitlangk einzustellen8, biß man ein gute, fridliche zeit etwo biß auf den herbstd haben mach. In mittelst hette man religion friden, der dan zur sicherhait genugsam.

Kurmainz: Auß der resolution befinden sie, das konig auf colloquium den beifal thut. Nun erachten sie nochmals, das concilium der ordenlich weg. Aber dweil konig erachtet, das zu eim concilio nit zu komen, so wusten sie colloquium auch nit zu verwidern, doch das man dardurch /116’/ sich des wegs concilii nit begebe und solch concilium ausschlisse; item das colloquium auch unverpuntlichen; item das es hern unverwißlich; item wes colloquiert, das solchs referiert werde, nachmals ferner ein yeder sich daruf haben vernemen zulassen. Mogen leiden, das man furter gradatim von zeit, malstat etc. rede.

Österreich: Da die Veranstaltung eines Konzils derzeit nicht möglich ist, so weren sie noch der meinung wie vor. Und liessen inen weg colloquii gefallen mit den condition, wie per Trier, Coln und Meintz gemeldet. Liessen inen auch gefallen, das gradatim de formalitate colloquii ratschlagt werde.

Bayern: /116’ f./ Haben schon zuvor votiert, /117/ das per colloquium nichst zu schliessen, sonder das die concordata wurden dem ordenlichen weg und approbation eins christlichen concilii underworffen; der meinung sie noch. Item quod fiat postea relatio statibus, placet. Item das colloquium hern unverwißlich, placet. Mochte weiters de tempore et formalitate colloquii geret werden.

Salzburg: Da derzeit zu einem concilio nit zu komen, so wolten sie sich auch auf colloquium vergleichen, doch salvis conditionibus wie per Trier, und dan, e–das es an religion unvergrifflich–e et quod sit preparation ad concilium etc. Da man ferner de qualitatibus colloquii reden wolte, daruf hetten sie auch befelch.

Pfalz-Zweibrücken: Wie Kurpfalz.

/117’/ Augsburg: Bewilligung des Kolloquiums aufgrund der Replik des Kgs., doch mit der condition, das colloquium unverpundtlich; item quod sit preparatio ad concilium; item quod nihil derogetur concilio et ecclesiae, sonder das diffinitio ad concilium gehorig und alhie nit meher gesche dan collatio; item das es den stenden irem standt und wesen nach verantwurtlich; item quod fiat relatio ad status, doch das die definitio dem ordenlichen wege nichst derogiere und ein yeder status sein notturfft bei eim yeden punct anzuzeigen. Und vergleicht sich sonderlich mit Bayern, das definitio nit anderst geschen solt dan per auctoritatem concilii und den ordenlichen weg und approbation.

/118/ Brandenburg-Ansbach: Wes fur conditionen dem colloquio angehengt, erachten sie, wurde erledigt, wen man de forma redete. Darumb zuvorderst yetztmals nit dahin sich zu astringieren.

Württemberg: Begrüßt die Zustimmung der geistlichen Stände zum Kolloquium. f–Befunde aber, das der haubtvergleichung nit geholffen per colloquium, wie konig solchs furschlegt–f , 9. Derhalb de formalibus in ordine et specie zu reden.

Hessen: Hielten darfur, das man sich leichtlich der angehengten conditionen colloquii zu vergleichen, und das numeher zureden de formalibus, loco et tempore und bevorabe, obe man die form voriger colloquien wolt halten cum emendatione der damals eingefallener verhinderungen oder aber, obe ein neu forma auf maß der kgl. resolution anzustellen.

/118’/ Prälaten: Wie Augspurg.

Wetterauer Gff.: Von den conditionen zu zeitlich, dißmals davon zu reden. Wurde in formalibus sich selbst resolvieren.

Stadt Straßburg: Dweil meher qualitates et requisita zu dem colloquio gehorig, weren die in ein ordnung zu stellen und von eim yeden stuck zu anderer stundt zureden.

Stadt Schwäbisch Gmünd: Erachtet es für ein meinung. Darumb vergleicht sich mit den hern.

Kurmainz: Einigung in weiterer Umfrage.

2. Umfrage. Kurtrier: /118’ f./ Übereinkunft, das Kolloquium vorzunehmen. Beharren auf den zuvor genannten Bedingungen.

/119/ Kurköln: Fordern Anschluss aller Ausschussmitglieder an die Bedingungen.

Kurpfalz: Weil meher qualitates zu dem colloquio gehorig, so weren sie deß bedenckens gewesen, das man gradatim procediert hette, dan man sich der qualitaten, die yetzo erregt, leichtlichen zu vergleichen. Aber wie dem allem, dweil sie nit genugsam auf die kgl. resolution instruiert, were disse consultation einzustellen biß zu andern tagen.

Kursachsen: Erachten, das die erregte qualitates die vornemeste stuck, darauf das gantz werck stunde. Derwegen sie sich auch daruf verglichen: Namblich 1) quod colloquium non habet decisionem, sonder das sich colloquenten freuntlich underreden. 2) /119’/ Das es unvergreifflich, hinge der ersten condition an. 3) Das dem concilio dardurch nichst begeben oder benommen sein solte, da wurde per aliquos angehengt, das colloquium der ordinariae potestati10 submittiert werden solte und allein ein preparation ad concilium sein solte. Uf solchen anhangk, da were derselbig der augspurgischen confession nachtheiligg, und wurde darumb ire notturfft sein, das sie auch ein anhangk theten, das durch diß colloquium sie nichst ordinariae potestati wolten eingeraumbt haben. Hielten es darumb darfur, das zu vermeidung solcher disputation in genere zupleiben, das colloquium solte unverpuntlich sein etc. Item das conditioniert wurdet, das den hern an standt und wesen etc. nit vergrifflich, weren sie einig. Aber wurde per aliquos angehengt, auch religionh unvergriffenlich. Solcher anhangk auch zu umbgeheni und es /120/ bei dem genere pleiben zu lassen, dan post relationem colloquentium hette ein yeder das sein darzu zureden vel per protestationes zu bestreiten etc. Mochten sachen eingestellt werden.

Kurbrandenburg: Wie Sachssen.

Kurmainz, Österreich, Bayern, Salzburg, Pfalz-Zweibrücken, Augsburg, Brandenburg-Ansbach, Württemberg: Vertagung der Beratung, da, so Kurmainz, Kurpfalz die sachen in fernern bedacht gezogen.

Hessen: Ebenso. Yedoch konte /120’/ man sich ires erachtens leichtlichen vergleichen, und mochten alle die conditiones in zwe comprehendiert werden: Erstlich das es ein unverpuntlich colloquium seye sine aliqua submissione. Solchs begriffe die drei erste punct und erregte qualiteten. 2) Das die collocution und handlung der colloquenten nachmals an die stendt zugelangen, begriffe die ubrige erregte qualitates.

Prälaten, Wetterauer Gff., Städte Straßburg und Schwäbisch Gmünd: Die sachen einzustellen.

Beschluss: Vertagung bis Samstag.

Fazit: /120’–121’/ Zwar würde das Generalkonzil das ordentliche Forum für die Verhandlungen zum Religionsvergleich darstellen. Da dessen Einberufung derzeit nicht möglich ist, wie auch Kg. in der Replik ausführt, einigt man sich auf das Kolloquium. Die geistlichen Stände setzen für das Kolloquium vier Bedingungen voraus. Da darüber noch keine Einigung möglich ist, wird die Beratung vertagt.

Anmerkungen

1
 Nr. 428. Referat obiger Beratung bei Bundschuh, Religionsgespräch, 207–209.
a–
 an ... verantwurtlich] Kurpfalz B (fol. 32’) eindeutig: an derselben tragenden ambten unnd digniteten unverletzlich unnd unverweißlich.
2
 Trier referiert hier die Bedingungen, wie sie in der Stellungnahme der geistlichen Stände zum Kolloquium enthalten sind (vgl. Nr. 460, fol. 14f.). Die Bedingungen auch bei Wolf, Geschichte, 48 f.; Heppe I, 138, Anm. 1; Bundschuh, Religionsgespräch, 207 f., Anm. 116.
3
 Vgl. zu den Voten der CA-Stände deren Vorberatung am 27. 12. 1556: Kurpfalz C, fol. 171’–175 [Nr. 369].
4
 Vgl. Nr. 428, fol. 8 [sunder allain inn massen ...].
b
 wie hievor] Kurpfalz B (fol. 33) deutlicher: gemäß der Gestaltung auf früheren Kolloquien.
5
 Differenzierter im Bericht der kursächsischen Gesandten an Kf. August vom 24. 1. 1557: /137/ Verstehen diese Bedingung nicht gnugsam, doch ist es des Kf.  meynung nicht, wan die vergleichung in religion sachen nicht konte getroffen [werden] durch colloquia und etwan zu eynem algemeinen, freyen, christlichen concilio, so unverdechtig anzustellen, das euer kfl. Gn. neben andern augspurgischen confession verwandten solches nicht eingehen woltten. [...] /137’/ Das man aber ein concilium disem colloquio anhengen solt, wehre nicht thunlich, hilten auch nicht, das es ihre meynung wehre. Dan do die sachen christlichen gemeynt und aus Gottes wort colloquirt wurde, so konte durch verleihung des heiligen geists durch ein colloquium die vergleichung wol getroffen werden, wan man die heilige schrift darinnen lies richter sein. Welchs in eynem concilio auch sein muste (HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 136–145’, hier 137 f. Or.; präs. Dresden, 29. 1.).
c
 soll] Kurpfalz B (fol. 33’) zusätzlich: sonder nur ein freundtlichs gesprech sein solt. Entsprechend wurde es auch iren digniteten unverletzlich sein.
6
 Im kursächsischen Bericht vom 24. 1. (wie Anm. 5, hier fol. 137’) zusätzlich: Deshalb ist diese Klausel ebenso wie die vorherige nicht notwendig.
7
 = die Replik des Kgs. [Nr. 428].
8
 Die Ablehnung der sofortigen Veranstaltung des Kolloquiums beim RT entsprach einer Absprache Kf. Joachims mit Kf. August von Sachsen, in der beide übereinkamen, für die alte form des colloquii mit gelerten, schidlichen theologen in gleicher anzal und dan presidenten und auditoren zu votieren (Weisung Kf. Augusts aus Lochau vom 15. 1. 1557: HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 82–85a, hier 82’ f. Konz.).
d
 auf den herbst] Kurpfalz B (fol. 33’) abweichend: auf kunfftig frueling. Kursachsen A (fol. 421’) wie Textvorlage.
e–
 das ... unvergrifflich] Kursachsen A (fol. 423) eindeutig: niemandt an stand, wirden, wissen und allem andern unverletzlichen.
f–
 Befunde ... furschlegt] Kurpfalz B (fol. 35’) deutlicher: Das aber ir Mt. die Reichs versamblung furgeschlagen: Were hievor erwogen, das dieselb eben so wenig fruchtbar als ein nationall concil. Derwegen ein gemain, unverbundtlich colloquium anzustellen.
9
 Vgl. oben, Anm. 4. Vgl. auch Anm.10 bei Nr. 370.
10
 = dem Papst.
g
 nachtheilig] Kurpfalz B (fol. 37) deutlicher und zusätzlich: können dies nit eingehn, dan dardurch wurde der babst allein decidirn; das die augspurgischen confessions verwandten nit gedulden noch bewilligen khondten, dan hievor gehort, das allein die heilig schrifft soll iudex sein und nit potestas ordinaria.
h
 religion] Kurpfalz B (fol. 37) deutlicher: ambten und tragenden digniteten.
i
 umbgehen] Kurpfalz B (fol. 37) zusätzlich: da es bedeutet, dass die Geistlichen nichts weichen noch ein freundtlich gespreche were.