Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Stellungnahme der kgl. Kommissare zur Duplik bezüglich der Verhandlungsaufnahme. Koadjutorfehde in Livland: Beratungsauftrag des Kgs. an den RT. 1. HA (Religionsvergleich): Anzahl der Deputierten im Religionsausschuss.

/274/ (Vormittaga ) Kgl. Kommissare und reichsrat, einberufen auf Wunsch der kgl. Kommissare hin, für die Gf. Georg von Helfenstein und ein bayerischer Ratb  erscheinen. Helfenstein referiert: Die Kommissare haben die Duplik der Reichsstände1  [zur Verhandlungsaufnahme] gelesen. Und nachdem sie die also geschaffen befunden, das die keiner antwurt bedurfftig, so hetten sie die schrifft an kgl. Mt. gelangt; ungezweivelt, dieselbig werde solchs zu gnaden vermercken, das man procedieren wollen. Daruff dan auch ir gesinnen und begern, das man furfare.

/274 f./ Daneben hat Kg. sie schriftlich über den Konflikt zwischen dem Landmeister in Livland und dem Ebf. zu Riga unterrichtet2 . Kg. Ferdinand hat den Kg. von Polen und andere ersucht, in Livland gütlich zu vermitteln3 , befürchtet aber dennoch eine Ausweitung auf angrenzende Gebiete. Da der Konflikt zwischenzeitlich dem RT vorgebracht worden ist, hat Kg. sie, die Kommissare, beauftragt, die Reichsstände aufzufordern, /275/ solche sachen uff gepürliche mittel und weg, wie sie zu ruge zupringen, furdarlichen, doch das die andere hochwichtige puncten dardurch nit verhindert werden, furzunemen.

/276/ Antwort an die Kommissare: /276 f./ Die Reichsstände werden sich gemäß der Duplik zur Verhandlungsaufnahme verhalten. Sie danken dem Kg. für die Bemühungen, den Konflikt in Livland beizulegen, und bestätigen, dass auf dem RT Eingaben des Kf. von Brandenburg, des Landmeisters in Livland und des Hg. von Mecklenburg vorgelegt worden sind4 . Sagen Beratungen entsprechend der Bitte des Kgs. zu.

/277/ Die Kommissare wollen die Antwort dem Kg. mitteilenc.

/278/ (Nachmittag) Kurfürstenrat. Mainzer Kanzler proponiert: Beschluss des FR vom Vortag zur Besetzung des Religionsausschusses sowie Besetzung seitens des SR.

/278–281/ 1. Umfrage. Beschluss: Zwar verordnet FR mehr Personen als sonst gebräuchlich, da es sich aber um eine neuartige Ausschussbildung handelt, die auf dem Passauer Vertrag beruht, hat man keine Einwände, verbindet damit jedoch den Vorbehalt, dass diese Form für KR kein Präjudiz schafft.

Besetzung durch SR: Pfalz: Zwei Personen, /279/ eine der alten, eine der neuen religion. Brandenburg: SR ist /280/ in alleweg zuzelassen, zwo personen von beden religion zu ordnen, domit dem passauischen vertrag nachgesetzt. Mainz: Bisher ist es so gehalten worden, /281/ das nit meher dan ein stat geordnet. Aber dißfalß were inen nit viel moß zu geben, aber doch das darunther zu bedencken und wol zuzesehen, wes religion die stet sein wolten. Wen dan bederseitz der alten religion /282/ und augspurgischen confession ex professo sich dargeben, weren wol zwo personen zuzelassen. Aber da sie nur einer religion sein wolten, konten sie nit wol [mehr] dan ein person einer religion geben. Derhalb solche erclerung von stetten zuforderst zu suchen, wes religion die stet sein wellen. Dan bedencklich, wen die stet ex professo einer religion weren, das sie auß beden religionen ordnen solten. Dazu weitere Umfrage.

2. Umfrage. /282 f./ Einigkeit zur Besetzung des Ausschusses seitens FR.

Trier: Billigt für SR zwei Verordnete und ebenso die Nachfrage gemäß Votum Mainz.

/283/ Köln: SR ist anzuzeigen, das sie dem passauischen vertrag gemeß von bederseitz religionen ordnen. Wil man die erclerung von inen nemen, solt inen nit zuwider sein.

Pfalz: [...] Der stet halben unvonnoten, die declaration von inen zu nemen. Dan man wisse wol, welche stet der alten religion, welche auch einer andern religiond. Darumb es bei dem herkomen pleiben zulassen, das man anzaige, wes man im chur- und fursten rathe verglichen, und das sie auch 2 personen von beden religionen ordnen solten. Alßdan wurden sie sich /284/ selbst irer religion vernemen lassen. Und wover sie alle einer religion, so were alßdan ferner von sachen zureden, dan das uberstimmen nit gelten solle.

Sachsen: Wie Pfalz, dan es were ein dieffe frage, sie zu ercleren zu begern, wes religion ein yeder seye. Item hielten es auch darfur, das kein gewisse anzal den stetten zubestimmen, sonder sie erstlich ires bedenckens zuhoren.

Brandenburg: /284 f./ Wie Sachsen.

/285/ Mainz resümiert: Einvernehmen, dass aus KR alle Kff. und aus FR die Ff. von jeder Religion vier sowie Prälaten und Gff. je eine Person in den Ausschuss abordnen; doch mit dem anhangk, wie im passauischen vertrag gemeldt, das diesse verordnung in kunfftig nichst prejudicieren soll5, in deme weren sie auch mit einig. Wen nun disse relation geschehen /286/ und man sich verglichen, were den stetten relation zethun. Sie weren auch gar nit der meinung, das die stet außgeschlossen, und wellen auch nit streiten, wieviel personen sie benennen werden. Wellen auch nit urgieren, das die erclerung von inen zu begern, wes religion sie seyen, allain das man zu weiterer handlung ires beschehenes erregens eingedenck seye, domit nit hernachmals der verstandt, das die, so einer religion, zweyerlei religion personen ordnen, id quod esset absurdum.

Beschluss wie Mainzer Resümee.

Anmerkungen

a
 Vormittag] Kursachsen (fol. 137’) differenzierter: 8 Uhr.
b
 ein bayerischer Rat] Kurpfalz (fol. 328’) eindeutig: [Heinrich] von Haslang.
1
 Nr. 426.
2
 Ferdinand I. hatte seine Kommissare am 9. 8. 1556 (Wien) anhand der Schreiben Hg. Heinrichs von Braunschweig und einer Werbung des Gesandten des Landmeisters in Livland [Sieberg] über den Konflikt unterrichtet und sie zu einem Gutachten sowie zur Überlegung aufgefordert, ob und wie dies den Reichsständen vorgebracht werden sollte (HStA München, KÄA 3176, fol. 35–36’. Kop.). Die Kommissare von Waldburg und Zasius antworteten am 19. 8. 1556: Das Vorbringen vor den Ständen hat sich mit der Eingabe Kurbrandenburgs [Nr. 511] erledigt. Gutachterlich empfahlen sie, Kg. möge sich unparteiisch verhalten und eine unverfängliche Erklärung an die Reichsstände richten, damit die Türkenhilfe nicht behindert werde. Sie erläuterten dazu: Der Krieg werde vom Landmeister in Livland nicht gegen einen Reichsstand geführt, da der Ebf. von Riga dem Landmeister in weltlichen Belangen unterworfen sei und dieser selbst die Superiorität des Reichs nur in Landfriedenssachen anerkenne. Der Hg. von Preußen, eine der Kriegsparteien, habe sich vom Reich getrennt. Würde Kg. mit Mandaten eingreifen, beträfen diese nur den Landmeister und nicht die preußische Expedition gegen den Orden. Empfehlen 3 mögliche Wege: 1) Kg. kann eine Stellungnahme der Stände zur Beilegung des Konflikts anfordern. 2) Kg. kann den Ständen eine Mission ihrerseits zur Friedensvermittlung empfehlen, unterstützt von seinen Deputierten und von Gesandtschaften der Kgg. von Polen und Dänemark. 3) Kg. kann die Stellungnahme der Stände anfordern und dem das eigene Bedenken als Empfehlung beigeben (ebd., fol. 45–52’, hier 48–51’. Kop.). Nachdem Kg. in der Weisung vom 26. 9. [nicht überliefert] die Livlandfrage an die Stände gewiesen hatte, reagierte der Kurbrandenburger Verordnete Zoch gegenüber Zasius mit /192/ excandescentia und sehr aufgebracht wegen des geringen Einsatzes für das Haus Brandenburg mit der Forderung, Kg. solle ohne Mitwirkung des RT als das haubbt unnd inn crafft tragenden röm. khüniglichen ambbts eingreifen oder zumindest die Gesandten am RT zur sofortigen Beratung veranlassen. Die Kommissare baten deshalb im Bericht vom 8. 10. 1556, Ferdinand möge sie zu einem ihrer Vorschläge anweisen, um gegenüber Brandenburg die kgl. Initiative unter Beweis zu stellen (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 192–195’. Or.). Der Kg. forderte in der Weisung vom 21. 10. (Wien) zunächst eine Resolution der Reichsstände. Falls sie für eine Friedensgesandtschaft votierten, sollten die Kommissare dies unterstützen, die fragliche Reichszugehörigkeit aber nicht ansprechen, da der Ebf. von Riga und der Landmeister zweifelsfrei Reichsstände seien (ebd., fol. 304–306’. Konz. Hd. Kirchschlager). Den unmittelbaren Anlass für obigen Vortrag der Kommissare bildete eine Vorsprache erneut Zochs am 24. 11., in der er darum bat, die Reichsstände unverzüglich einzubinden, da Gefahr im Verzug sei (Bericht der kgl. Kommissare an Ferdinand I. vom 26. 11. 1556: Ebd., RK RTA 38, fol. 112–119’, hier 112’ f. Or.).
3
 Vgl. Anm.14 bei Nr. 43.
4
 Nrr. 511513. Vgl. dazu eine Notiz in Kurmainz, pag. 277: Während der Beratung der Antwort an die Kommissare teilt FR mit, dass die Gesandten Pommerns anbieten, einen Bericht zur Lage in Livland vorzulegen. Beschluss: Der Bericht [Nr. 514] soll bei Gelegenheit angehört werden.
c
 mitteilen] Kursachsen (fol. 139) zusätzlich: Kurfürstenrat. Mainz proponiert: Fortsetzung der gestrigen Beratung? /139 f./ Umfrage. Beschluss: Aufschub bis zum Nachmittag, 3 Uhr.
d
 religion] Kurpfalz (fol. 331) zusätzlich: dan Coln, Wormbs [!], Speir [!], Dinckelsphuel, Schwebischwerd der alten religion seien.
5
 Vgl. Anm.3 bei Nr. 11. Zum Präjudizvorbehalt bei der Ausschussbildung 1556/57 auch Schulze, Reich, 128.