Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Bericht der Kurpfälzer Gesandten an Kf. Ottheinrich vom 14. 10. 15561.

Mehrheitliche Bereitschaft zur bedingten Aufnahme der Hauptverhandlungen trotz der offenen Freistellungsfrage. Keine Beschlussfassung zu den Hauptartikeln ohne deren Klärung.

/156’/ Verhandlungen der Kurpfälzer Räte mit den Gesandten von Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Pommern, Württemberg.

Kurpfalz: Die kgl. Kommissare haben sich in der gestrigen Replik zur Verhandlungsaufnahme2  den geistlichen Kff. sowie der Mehrheit des FR angeschlossen und die CA-Stände aufgefordert, ohne Verzögerung mit den Beratungen zum 1. HA (Religionsvergleich) und 2. HA (Türkenhilfe) zu beginnen. Sie haben für Kurpfalz wiederholt vorgebracht, das wir vor erorterung der freistellung uns in kein fernere tractation einlaßen solten. Darumb wir uns sovil mehr zu inen versehen, sie wurden also nachmaln neben uns uff solcher meinung bestendiglich verharren und vor vergleichung dieses punctens sich von uns nit absondern.

Kursachsen: Haben gleichwol befelch, die freistellung neben uns zusuchen. Das sie nun gethan3. Dweil es aber /157/ nit furtgeen wolte, hetten sie denen weitern befelch, erstlich deßwegen zu protestirn und hernacher in andern puncten und sonderlich der turckenhilff, doch onschließlich, furzuschreiten und der mit dem puncten der freistellung zugleich und keiner one den andern erortert werden, auch mitlerweil des andern teils gesandten sich der freistellung halb ferner resolution zuerholen anhalten und begern sollten, damit die sachen sovil destehr gefurdert.

Kurbrandenburg: Votum, das er den puncten der freistellung noch einmal zum fleissigsten suchen [wollte]. Wo der aber nit zuerhalten, hett er den befelch, in den andern puncten, doch onschließlich, und keiner one den andern erledigt werden solt, furzufaren.

Sachsen, Pommern: Entsprechend Kursachsen und Kurbrandenburg.

Brandenburg-Küstrin: Will nicht weniger als andere die freistellung suchen helffen; mit dem vermelden, das er kein außtrucklichen befelch hete, in den andern articln, da dieser nit folgen wolt, still zu steen4. Were doch mehrer resolution gewertig.

Württemberg: Sind beauftragt, nachmaln uf dem puncten der freistellung zu beharren und denen treiben zu helffen. Wie dan irenthalben sonder zweifl kein mangel sein wurdet5.

Anmerkungen

1
  HStA München, K. blau 107/3b, fol. 156’–158, hier 156’ f. (Konz.). Die Protokolle enthalten die Sitzung nicht.
2
 Nr. 425.
3
 Bezugnahme auf die von Kursachsen unterstützte Freistellungsforderung in der geteilten Resolution zur Verhandlungsaufnahme [Nr. 424].
4
 Die Kurpfälzer Gesandten folgerten im Bericht an den Kf. (obige Textvorlage, hier fol. 157’) aus der Beratung, dass die CA-Stände bei einem sicher zu erwartenden Beharren der katholischen Stände auf ihrer Position die Verhandlungsaufnahme zulassen würden. Sie wollten sich sodann weisungsgemäß verhalten (Weisung vom 12. 10.: Anm.2 bei Nr. 358) und darauf bestehen, dass die Hauptberatungen nur unverbindlich ohne Beschlussfassung geführt werden.
5
  Hg. Christoph von Württemberg hatte Massenbach und Eislinger am 8. 10. 1556 (Stuttgart) angewiesen, in der nächsten Versammlung der CA-Stände auf die Notwendigkeit des beharrlichen Widerstands gegen die Türken hinzuweisen (vgl. Österreich B, fol. 516’–517’ [Nr. 160]) ( Ernst IV, Nr. 157 S. 181–183, hier 181). Obwohl ihnen die Weisung am 14. 10. bereits vorlag, brachten die Gesandten sie weder in dieser noch in den folgenden Sitzungen der CA-Stände vor. Auch die Bitte Kf. Ottheinrichs (Schwäbisch Hall, 17. 10. 1556), gegen Kursachsen und Kurbrandenburg am Junktim festzuhalten, beantwortete Hg. Christoph mit dem Hinweis auf die drängende Türkengefahr, die von fast allen Ständen anerkannt werde, weshalb der Kf. isoliert nichtz fruchtbarlichs erhalten werde. Der Hg. befürwortete, wegen der Freistellung lediglich die Beschlussfassung zur Türkenhilfe zu konditionieren (Stuttgart, 25. 10. 1556: Ernst IV, Nrr. 164 f. S. 193–195; Zitat 194. Vgl.  Kurze, Kurfürst, 99, Anm. 31; Langensteiner, Land, 282).