Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

2. HA (Türkenhilfe): Resolution des SR. Einigung zwischen KR und FR sowie im RR: Bewilligung von zwölf Römermonaten. Protest der hessischen Gesandten.

/562/ (Vormittag) Reichsrat. Referat der geteilten Resolution von KR und FR zum 2. HA (Türkenhilfe) vor SR:

1) Grundsätzliche Bereitschaft zur Unterstützung des Kgs. Bezüglich der Höhe der Steuer weren zweierlei bedencken eingefallen. Und ermessen erstlich der churfursten rethe, das nach gelegenhait solche hilff also anzustellen, domit sie zu tragen und gelaistet werden mochte, und bedacht, das die 8 monat auf die einfache anschlege und dan noch halb mol sovil /563/ zubewilligen. Aber furstenrathe bedechte, das dem begern in der proposition also nachzugehen und 8 monat die gedopplete anschlege zubewilligen, in betrachtung, das des veheyandts1 macht groß und die anschleg unrichtig und fast der dritt thail abgehet. 2) Einvernehmen, die Hilfe mit Geld zu leisten. 3) Zahlungsziele: Ostern und Johannis. 4) Legstätten: Regensburg, Nürnberg, Frankfurt, Leipzig. 5) Umlegung der Steuer auf die Untertanen. /564/ 6) Fiskalische Prozesse gegen Säumige. 7) Bitte an den Kg., die Reichsritterschaft und die Hansestädte zur Hilfe heranzuziehen. [8] Bitte an den Kg., das Feldoberstenamt selbst zu übernehmen. Falls Kg. ablehnt, weitere Beratung dazu. /564 f./ [9] Wiederholung der Bitte an den Kg., den inneren Frieden im Reich zu sichern und die Beteiligung auswärtiger Potentaten an der Türkenabwehr anzustreben. /565/ [10] Bitte um Erklärung des Kgs., wes ire Mt. von wegen dero konigreich und lande zethun gewilt. Gleichwol wolte man nit verhalten, das etlicher churfursten notturfft erfordere, hieruber2 fernere befelch zuhaben. Derhalb sie auf ratification die relation nit wellen verhindern. Letzlichen were etlicher stendt halben, so hinder der kgl. Mt. begutet, bedacht, das vorbit zethun, auf das sie mit dopplen anlangen nit beschwert.

SR: Haben den 2. HA ebenfalls weiter beraten. /566/ Verlesen ihre [zweite] schriftliche Resolution3.

/567/ Kurfürstenrat. /567 f./ Umfrage zur Resolution des SR. Beschluss nach Votum Trier: /567/ Den stetten zu undersagen, ire bedencken nit in schrifften zu verlesen. Sovil anlangt den vorrathe: Were disse weitleufftigkait zuumbgehen4. Den dopleten anschlag auf 6 monat anlangendt: Were ein meinung mit dissem rathe. Furstenrathe zu ersuchen umb vergleichung. Der letzt punct hengkt dem obersten an; dißmols zuumbgehen. Sachsen und Mainz wollen später zum Bestand des Reichsvorrates [1548/51] beraten.

/568/ Kurfürstenrat und Fürstenrat. KR zur Resolution des SR: Haben nu etlich mol uff dissem Reichs tag gesehen, das sie5 ire bedencken in schrifften lesen, welchs ein neuerung. Derhalb inen freuntlichen anzuzeigen, sich hinfuro des prauchs zuhalten und muntlich ir bedencken anzuzaigen. Wes sie dan des vorraths halben vermeldet: Daruf befunden kfl. rethe, das zu Augspurg jungstlich bericht des fiscals einkomen, daselbst die sachen sollen bedacht werden. Dweil sie aber gleich in zeit des abschiedts furkomen, weren solche bericht alhero verschoben6. Dweil dan solchs /569/ ein sondere sache, were derhalb die alhie in ein neue tractation furzunemen und solch irrig ding nit in disse hilff zu ziehen. Die hilff anlangendt: Verstunden kfl. rethe, das stet sich mit inen verglichen, namblich mit bewilligung der gedopleten anlag auf 6 monat7. Und pitten demnach, furstenrathe wolle sich numeher mit inen vergleichen. Das aber reformierte anschlege von inen vermeldet: Liessen es die kfl. rethe bei gestrigem bedencken und irer anzeig pleiben. Die angezogne verordnung betreffendt, alß zu der beratschlagung des obersten gehorig, dohin auch zustellen.

FR zur Resolution des SR: Zum Reichsvorrat wie KR, doch soll noch auf dem RT dessen Ergänzung beraten werden. /570/ Der hilff halben pleiben sie bei vorigem bedencken, konig underschiedliche meinung furzupringen. Verstunden noch, das die hilff auf die moderierte anschleg gelaistet werden solten und anderer gestalt nit. Aber mochten leiden, das man in generalibus pleibe und den stetten diß declarierte. Letzt punct wie kfl. rethe, namblich das die angezogne verordnung zu dem stuck, den obersten belangendt, gehörig, welchs zu fernerer consultation auf der kgl. Mt. resolution zustellen. Ist also ein meinung.

Getrennte Unterredung des FR. Erneut Kurfürstenrat und Fürstenrat. Vortrag durch Zasius und Perbinger: Erstlichen, sovil der stet gesandten verlesene schrifft anlangt, das inen solchs zuundersagen: Were solchs ires erachtens nit unzeitig bedacht. Aber sie erinnerten sich, das in hochwichtigen sachen solchs hievor meher geschehen, bevorabe umb gleichmessigern behalts willen. Sie wusten dabeneben auch, das etwo die stett solche schrifftliche bedencken /571/ mit ubergeben wellen, aber solchs were nit von chur- und fursten rathe angenomen worden. Da nun solchs abermals von inen tentiert werden wolte, hette man es gleicher gestalt abzuschlagen. Also mochte man das verlesen dißmol in dissen hochwichtigen puncten, auch in betrachtung, das viel stet gesandten yetzt alhie8, hingehen lassen. Doch da es hernachmals in kleinen fellen abermals versucht werden wolte, das es inen alß dan zuundersagen.

Den puncten der hilff anlangendt, domit man zu einhelliger relation komen mochte, welchs sie ires thails gern befurdern wolten: So wolten sie auf solch mittel sich vergleichen, das der kgl. Mt. der gedopplet anschlag 6 monat angepotten werde, doch mit dem anhang, da ire Mt. ye damit nit ersettigt, das man sich disser oder auch anderer hilff halb vernemen lassen wolte. Sonst, ohne solchen anhangk, plieben sie auf vorigem bedencken.

KR a: Die kfl. rethe milterten den anhangk mit den worten: „verhoffentlichen ire Mt. werde mit solchem der stende anpieten benugig sein und es dabei wenden lassen.“

FR b  billigt dies. Doch wofer konig ferner ansuchen wurde, wollen sie ires vorigen bedenckens pleiben.

/572/ Reichsrat. Referat des gemeinsamen Beschlusses von KR und FR zur Resolution des SR: Zum Reichsvorrat lag dem RT 1555 ein Bericht vor, der an den nächsten RT prorogiert wurde; also das diß werck ein sonder handlung alhie bedurfftig, welche auch furgenomen werden soll. Dweil es dan ein sonder werck, domit dan weitleufftigkait und unrichtigkait in dissem neuen werck vermitten, so solte disse vorrathes handlung nit hierin gezogen werden, sonder fur sich zu tractieren. Die hilff anlangendt: Nachdem zweierlei bedencken furhin gewesen und befunden, das stet sich yetzt mit den churfursten vergleichen, domit man dan zu einhelliger relation für den konig komen moge, so solte dem /573/ konig solche hilff 6 monat gedopplet anzupieten sein, doch mit dem anhang, verhoffentlich konig werde domit dißmolß zufriden sein. Wie sie dan gemeldet von den reformierten anschlegen: Dweil zu Augspurg auch weitleufftige disputationes furgangen, das ein thail wellen auf den alten, der ander auf den moderierten anschlegen bestanden: Solche disputation zuvermeiden, were die hilff in genere auf des Reichs anschlege zubestimmen, wie zu Augspurg auch beschehen im abschiedt9. Wurde ein yeder zulaisten wissen, wes er schuldig. Ir letzt bedencken der verordnung halben: Hienge solchs dem werck des obersten an, dabei sie [es] dißmols noch liesen wenden.

SR: /573 f./ Belassen es beim gemeinsamen Beschluss zur Höhe der Bewilligung. Befürworten die spätere Beratung zum Reichsvorrat, der aber /574/ nit anderst, dan in des Reichs sachen gepraucht werde. Regen nochmals an, da das jenig, wes noch im vorrath furhanden, kgl. Mt. geraicht, es wurde dardurch sovil neben dissen sechss monat doppleter hilff gelaist werden, das die 8 monat und wie per konig begert, volkomenlich.

Damit Einigkeit bezüglich der weiteren Resolution [Duplik] der Reichsstände zum 2. HA, deren Konzept morgen verlesen werden soll.

/575/ Mainzer Kanzler verliest einen Protest der hessischen Gesandten10 : Lgf. kann die Türkensteuer nur billigen, falls sie nach dem moderierten Reichsanschlag erhoben wird. Zur eigenen Moderation hat Lgf. seine Beschwerden den ausschreibenden Ff. des Oberrheinischen Kreises vorgelegt. Verweist auf den Entzug der Gftt. und Hftt. Waldeck, Rietberg und Plesse. Bittet um Registrierung des Protests durch die Mainzer Kanzlei.

Anmerkungen

1
 = Feindes.
2
 Bezogen nicht auf die letztgenannte Bitte, sondern auf die gesamte Resolution zum 2. HA.
3
 Nr. 476.
4
  Kf. Ottheinrich von der Pfalz zeigte sich in der Weisung vom 29. 1. 1557 befremdet über das Vorbringen des Reichsvorrats im Zusammenhang mit der Türkensteuer, da er in der Proposition nicht angesprochen werde und da bekannt seit, dass der Vorrat und dessen Ergänzung /260/ am wenigsten zu des Reichs und gemeiner wolfart angelegt, sonder viel mehr zuwider guthertzige christen und die statt Magdenburg one eine erhebliche ursachen verwendt worden; ausserhalb was /160’/ etwo hernach auff die zu Franckfurt [1554] gepflegne handlungen den frenckischen pundts stenden davon furzuleihen bewilligt. Da daneben keinerlei Rechnungslegung zur Verwendung erfolgte, sollten sich seine Gesandten an keiner Debatte zum Reichsvorrat beteiligen (HStA München, K. blau 106/3, fol. 259–264, hier 260 f. Or.; präs. 8. 2.).
5
 = die Gesandten der Reichsstädte.
6
 Vgl. die neuerliche Eingabe des Fiskals an den RT 1556/57 unter Bezugnahme auf die Prorogation durch den RT 1555 [Nr. 541].
7
 Die Bewilligung von 6 doppelten Römermonaten entspricht ebenso 12 Römermonaten wie die vom KR beschlossene, 1½-fache Anlage auf 8 Monate.
8
 Vgl. die Besetzungsliste der aktuellen SR-Sitzung in Nr. 271.
a
  KR] Kursachsen (fol. 293’) zusätzlich vor dem Folgenden: Zunächst Kurfürstenrat. Umfrage mit Beschluss folgender Antwort an FR: Man lässt die schriftliche Resolution des SR in dieser wichtigen Frage hingehen [...], und es dohin zustellen, bis sie in einem geringerm werck mochten wider komen. Zum Anhang wie oben.
b
  FR] Kurpfalz (fol. 427) eindeutig: Für FR erscheinen Zasius und Perbinger im KR.
9
 RAb 1555, §§ 80, 83. Vgl. Anm.1 bei Nr. 64.
10
 Der Protest ist wörtlich in das Protokoll inseriert (Kurmainz, pag. 575). Daneben: StA Marburg, Best. 3 Nr. 1249, fol. 219 f. (Or. mit Bestätigung des Empfangs und der Verlesung am 8. 1.; eigenhd. unterzeichnet vom Mainzer Sekretär S. Bagen. Dorsv.: Recognition ubber die begerte moderation.). HHStA Wien, MEA Zollsachen 1 Fasz. 3, fol. 168, 169’ (Kop. Dorsv. Hd. Bagen: Protestation Hessen. Ratispone. Furpracht und verlesen in consilio imperiali 8. Januarii 1557. Von anderer Hd.: Moderierte anschleg.). Zur Übergabe des Protests an den Mainzer Kanzler unmittelbar zuvor am 8. 1. vgl. Hessen, fol. 100’: Übergabe deshalb, weil die worte „nach den anschlegen eins jeden stands etc.“ absolute stehen pleiben.