Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld

Übergabe der ksl. Propositionen an die Kff. Audienz Pfgf. Georg Johanns I. von Pfalz-Veldenz bei den Kff. und Übergabe seiner Supplikation. Übergabe der Wahlkapitulation an Kg. Rudolf II. von Böhmen.

/170'/ (Vormittag, zwischen 8 und 9 Uhr) Rathaus. Kff. und Pfgf. Ludwig nach einer Audienz beim Ks.a; ab 9 Uhr auch Kg. Rudolf II. von Böhmen.

bHatt pfalzgraff Geörge Hanß etc. denselbigen1 seine beschwerungen von wegen der vielfaltigen durchzuge der krigsleute etc. und sonsten etc. geklaget und untter anderm umb czolßbegnadung gebeten, welche seine notturfft er weiter in eine schrifft2 verfasset und ubergeben–b .\

Darnach, ungeferlich umb 9 uhr, ist erzherzogk Rudolph, könig zu Ungern und Behemb etc., auch in churfursten rath kommen etc.3 Session: 1) Erstlich Pfalz zur rechten handt, nechst deme 2) der könig, darnach 3) Meinz, 4) Cöln, 5) Trier, 6) Sachssen und 7) Brandenburgk zuletztc.

Mainzer Kanzler: Nachdeme auf der ksl.Mt. gnedigsts begeren er, Meinz, alß erzcanzler die churfursten vermuge einer sonderlich churfurstlichen verein4 verschrieben und sich dahin freundlich verglichen, in der person alhier /171/ zu Regenspurgk zuerscheinen, wie sie auch mehrer theil zur stet und pfalzgraf Friedrich, churfurst, seine botschafft anher verordnet etc., und die ksl.Mt. neben andern des Reichs obligen den churfursten gnedigst proponiren lassen, von der kunfftigen administration des Reichs etc. zuhandeln und zuratschlagen etc., da denn die churfursten und pfalzische gesantten dahin geschlossen, auf der ksl.Mt. gnedigs begern und väterlichs wolmeinlichs bedencken, im nahmen Gottes zu der election und waal eines römischen königs und kunfftigen succedirenden keisers zuschreitten, wie sie auch solchs irer Mt. underthenigst hinwidderumb berichtet und ire Mt. sichs gar gnedigst gefallen lassen, so hette darauf Meinz nicht untterlassen, die churfursten, auch den könig zu Behemb etc. zur waal zuerfordern, wie auch die schrifftliche citationes5 inen uberreichet etc.6 Weil denn auch ein alt herkommen, das die churfursten sich vor der waal etc. einer capittulation zuvorgleichen, so hetten sie davon auch gerehdet und tractiret und eine nottell der capittulation, wie [sie] der kunfftige erwelete römische könig schweren und einen leiblichen eidt thun solte, begreiffen lassen7, welche der kgl.W. zu Behemb itzo auch solte uberreichet werden.

Darauf ist sie8 der kgl.W. uberantwortet worden etc.d

/171'/ Nach geschehenem beseittritt hatt die kgl.W. durch derselben behemischen canzler doctor Johann Hegemullern anzeigen lassen: Ire kgl.W. hetten gehöret, was derselben von den churfursten angezeigt etc.; wollen die schrifft (capittulation) freundlich annehmen, mit bitte, irer kgl.W. darzu zeit zugeben dieselbe zuubersehen. Alßdann zu der churfursten gelegenheit wollen ire kgl.W. sich widder gestellen und darauf geburliche und freundliche antwort thun, das sie freundlichs gefallen daran haben sollen.

eDarnach seindt die hern widderumb außm rath gezogen–e .\

Anmerkungen

a
 Ks.] Kurpfalz (fol. 53) differenzierter und zusätzlich: nachdem die Kff. am 23.10. die Aufforderung erhalten hatten, den Ks. aufzusuchen, sindt dieselben, auch pfälzischer stadhalter, montags, den 24. Octobris deß morgens umb acht uhrn zu ihrer Mt. geritten, unnd ihre Mt. derselben kfl.Gnn. 3 schriften [im Folgenden, Kurpfalz, fol. 64', ist von vier „Propositionen“ die Rede; vgl. Anm.q bei Nr. 14] belangendt das turckische krigswesen [Nr. 44], auch polnische beschwerden [!] [Nr. 47; die Proposition betrifft die polnische Königswahl] unnd florentinische handlungen [Nr. 50] ubergeben unnd die zuberhatschlagen begert. Eodem haben die Kff. zwen vom adel, pfaltzisch [= Eberhard Flach von Schwarzenberg; vgl. Press, Calvinismus, 257, Anm. 136] und mainzischen marschalck [= Philipp von Bicken], zu koniglicher Würde in Beheym geschickt unnd begeren laßen, dz sie zu inen uff das rahthauß kommen wolten. Laut einer Notiz aus den Akten Konrads von Pappenheim (StA Nürnberg, Hft. Pappenheim, REMANr. 103, unfol.Konz.) fand die Audienz beim Ks. um sieben Uhr morgens statt.
b
 Hatt ... ubergeben] Kurpfalz (fol. 54' f.) differenzierter und zusätzlich: Ist hertzog Georg Hanß pfaltzgraff bey der ksl.Mt. zu den Kff. kommen, denselben zwyschen den beiden fürsten von Pomern [= Hg. Barnim X. von Pommern] unnd der Lignitz [= Jungherzog Joachim Friedrich von Liegnitz-Brieg], so uff Brandenburg sonsten gewartet, auß deß ksl. losament biß zum rhathaus vorgeritten. Unnd nachdem ihre kfl.Gnn. seinen f.Gn. audientz bewilligt, sindt dieselben durch den meintzischen cantzler erfordert worden und haben sich uff einen stul gegen den Kff. uber, wie sonsten Trier gegen dem kayser uber zusitzen pflegt, uff der Kff. begern nieder gesetzt, angfangen, sich der gegonten audientz zubedancken unnd zuerindern, was er uff den frontiren, item ann durchzugen vor beschwernuß und schaden erlitten, wie er dan solches hiebevor in weytleuffiger schrifften deduciren laßen unnd den Kff. zugeschickt. Damit nun seine f.Gn. die Kff. mit lengerem müntlichen fürtrag nicht ufhielten, hetten sie ihre noturft in schriften verfaßt, ubergaben die Meintz, mit bitt, solche zuverlesen unnd dz alle Kff. die behertzigen wolten. Vgl. dazu den entsprechenden Eintrag im Diarium Sayn-Wittgensteins (nach Schneidt, Geschichte, 515).
1
= den Kff.
2
Nr. 69.
3
Zum geplanten Ablauf dieses Vorgangs vgl. das am 17.10.1575 verfasste Bedenken ksl. und kgl. Räte in HHStA Wien, RK, WuKA 4, fol. 248–260, hier 248' f. (Kop.; weitere Nachweise bei Nr. 36): Demnach sy[= die Räte] anfengclichs befinden, das bey jungstem khonigclichen wahltag zu Franckfurt vor dem electionstag die kgl. Wurde zu Behaim zu erwehlung eines romischen kunigs citiert und darauf durch die churfursten in iren rath ervordert und derselben des jhennigen, was bis daheero gehandlet, ungeverlich relation gethan, desgleichen auch die articul oder capitulation, darauf ein romischer khunig schweren soll, furgehalten worden, welches sonder zweivel yetzo auch also beschehen wurdt, so bedenckhen die räthe, ihr kgl. Würde mochten erstlich auf die denunciation (so durch ettliche maintzische räth beschiecht) anttwortten, sie hett die empfangen und wolte sich darauf aller gepur verhalten. Auf das erfordern aber mocht sie sambt ungeverlich zwaien rathen im churfursten rath erscheinen, daselbsten ihre session zwischen Maintz und Pfaltz, wie heerkommen, einnemmen und nach angehortter relation vorgangner handlung nach besichtigung der begriffnen capitulation aines kunfftigen romischen khunigs ungeverlich nachvolgende khurtze wortt durch ainen ihrer räth reden lassen: Das nemblich ihr kgl.W. aus beschechner relation vernommen, aus was ursachen ire kfl.Ll. hiehero zusammen kommen und was die ksl.Mt. von weegen konfftiger administration und versehung des Heiligen Reichs proponendo gesuecht und darauf berathschlagt worden. Welches alles, dieweil es sonder zweivel von der ksl.Mt. und ihr, der churfursten Ll., zu ehren, aufnemmen und wolfartt des Heiligen Reichs furgenommen und gemainet, liessen ihr kgl. Wurde ires thails ihr gantz freundtlich gefallen, und wüsten daran nichts zuverpessern, also auch die begriffne capitulation. Wo sy anderst dem jhennigen, so hiebevor in dergleichen fallen gepreuchig und bei nechster cronung beschehen, gemesß gestelt befunden, liessen es ihr kgl. Wurde bei demselben ires thails auch gern berhuen. Solte aber darinnen villeicht ettwas newes oder strittigs eingefuert oder begriffen sein, alsdann mochte ihr kgl.W. votiern lassen, das solches bis auf des new erwehlten beliebung und erclerung einzustollen, damit die wahlshandlung dardurch nit aufgehalten wurde.
c
 zuletzt]Kurpfalz (fol. 53') zusätzlich: unnd ist Trier nicht gegen uber ufm stul geseßen, sonder uff der banck an Coln, so selben tags den vorsitz hat, verplieben.
4
Bezug auf Abschnitt [6] des Kurvereins vom 18.3.1558: Leeb, RTARV 1558/59, Nr. 47 S. 454–465, hier 460 f.
5
Text des Exemplars für Kursachsen in Nr. 32.
6
Am Abend des 22.10.1575; vgl. Nr. 11 mit Anm. 15.
7
Zu den Beratungen über die Wahlkapitulation zwischen dem 14. und 18.10.1575 vgl. Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8.
8
= das Konzept der Wahlkapitulation (Nr. 35).
d
 etc.] Kurpfalz (fol. 53' f.) zusätzlich: Namen also ihre kgl.W. dieselbige, tratten damit sampt ihren rhäten, deren sie drey in der anzhal, nemlich hern Leonha[r]dt von Harrach, freyhern Dietherich Stein [= Adam von Dietrichstein] unnd Dr. Johan Hegenmüller, bey sich hetten, in die neben stuben und underretten sich mit denselben. Sinngemäß so auch in Kursachsen (fol. 46).
e
 Darnach ... gezogen] Kurpfalz (fol. 54) zusätzlich zum Verabschiedungszeremoniell: Hatt also der konig von Mainz erstlich, nachgehents von Cöln, Trier, Sachsen, Brandenburg und letzlich von pfälzischem statthalter erst mit bietung der handt den abschied genommen. Eß haben auch ihre kgl.W. gleichfalß erstlich dem mainzischen cantzler unnd furters allen rheten die handt geben, item und zum andern mahl bey der stuben thur den Kff. und pfälzischen stadhalter die hand gebotten unnd nicht gewolt, dz ihre kfl.Gnn. ihre kgl. Würde weyter gelaiten solten, sonder haben beyd, pfälzischer unnd mainzischer marschalck, so in geholt [vgl. oben Anm. a], wieder heim gefurt. Und ging man also von einander. Sagt der Kf. zu Mainz ahn, dz man a prandio umb 3 uhrn wieder uff dem hauß erscheinen solte. Die überlieferten Protokolle enthalten keine Hinweise auf eine Sitzung am Nachmittag des 24.10.1575.