Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld
Übergriffe Hg. Albrechts V. von Bayern auf ortenburgische Dienstleute und Besitzungen. Klage wegen Nichtbeachtung der RKG-Mandate und Verletzung des Religionsfriedens. An die Kff.
Supplikation an die Kff. (verlesen im KR [Sitzung der kfl. Räte] am Nachmittag des 28.10.15751), unterzeichnet von Gf. Joachim von Ortenburg; mit 3 Belegdokumenten2: Trotz des 1573 ergangenen RKG-Urteils, in dem die Reichsstandschaft des Gf. bestätigt wurde, haben die Übergriffe Hg. Albrechts V. von Bayern auf die ortenburgischen Besitzungen nicht nachgelassen, sondern zugenommen3. Er hat daher beim RKG geklagt, doch werden die zu seinen Gunsten ergangenen Mandate vom Hg. nach wie vor nicht beachtet. Stattdessen wurden zuletzt am 3.10.1575 Dienstleute und Bürger der ortenburgischen Hft. Mattighofen wegen des reformierten Bekenntnisses von bayerischen Truppen gefangen genommen und verschleppt. Der Hg. verstößt damit gegen die Bestimmungen des Religionsfriedens. Bitte an die Kff., sich für die Einhaltung der Reichskonstitutionen, insbesondere des Land- und Religionsfriedens einzusetzen und den Hg. von Bayern dazu anzuhalten, die RKG-Mandate zu befolgen, damit die gewaltsamen Übergriffe gegen die gfl. Untertanen und Besitzungen ein Ende haben. Der Status des Gf. als Reichsstand ist bestätigt worden, er hat seine damit verbundenen Pflichten stets erfüllt und beruft sich auf seinen Anspruch auf Einhaltung des Land-und Religionsfriedens und auf Schutz vor weiterer Bedrängung.
Beratung im KR (Sitzung der kfl. Räte) am Nachmittag des 28.10.15754: Hg. Albrecht V. von Bayern soll gehört werden. Der am RKG anhängige Rechtsstreit soll fortgeführt werden. Kommissarische Vermittlung durch den Ks.
Gegenbericht Hg. Albrechts V. von Bayern an den Ks. (präs. Regensburg, 29.10.1575), unterzeichnet von Hg. Albrecht5: Die gegen ihn vorgebrachten Beschwerden des Gf. von Ortenburg, dessen Reichsstandschaft bestritten wird, sind haltlos. Die Mandate des RKG sind in vielen Punkten zu kritisieren und beruhen auf bloßen Behauptungen des Gf., der Verstöße des Hg. gegen den Land- und Religionsfrieden nicht belegen kann. Vielmehr versucht Gf. Joachim, bayerische Untertanen vom katholischen Glauben abzubringen und verletzt damit den Religionsfrieden und den 1566 vom Kf. von Sachsen zwischen ihnen vermittelten Vertrag. Da die ortenburgischen Diener in der Hft. Mattighofen der Religionshoheit des Hg. von Bayern unterstehen, jedoch die verbindliche katholische Lehre nicht befolgen wollen, wurden sie zu Recht gefangen genommen. Der Gf. von Ortenburg ist für die Hft. Mattighofen und andere Güter, die nicht zur Gft. Ortenburg, sondern unmittelbar zu Bayern gehören, kein Reichsstand, sondern bayerischer Landsasse. Gemäß dem Religionsfrieden nimmt der Hg. von Bayern als Landesherr die Religionshoheit über Mattighofen für sich in Anspruch. Die mutmaßliche Reichsstandschaft des Gf. bezieht sich nur auf die Gft. Ortenburg, in der er residiert, und nicht auf seine Person; in Mattighofen und anderen Lehnsgütern ist er bayerischer Landsasse und hat keine reichsständischen Rechte, also auch kein Reformationsrecht; seine Bediensteten in diesen Gebieten sind für die Verwaltung der Güter zuständig und haben nicht den rechtlichen Status von „familiares“ oder „domestici“. Der Gf. gefährdet mit seinem Verhalten den Land- und Religionsfrieden im Reich. Bitte an den Ks., die Klagen des Gf. abzuweisen, ihn zum Gehorsam gegenüber seinem Landesherrn zu ermahnen und die RKG-Mandate zu kassieren, die gegen die Reichsordnung verstoßen.
Beratung und Beschluss im KR am Vormittag, Verlesung des Resolutionskonzepts am Nachmittag des 31.10.1575 (Sitzung der kfl. Räte)6. Dekret vom 31.10.15757: Bitte an den Ks., eine Kommission zum gütlichen Vergleich einzurichten und die Restitution der kürzlich eingezogenen Güter des Gf. anzuordnen, allerdings vorbehaltlich der am RKG anhängigen Prozesse.