Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld
Der Regensburger Kurfürstentag des Jahres 1575 war ein sogenannter „wählender Kurfürstentag“. Wie unauflöslich die vivente Imperatore stattfindende Wahl des Römischen Königs und späteren Kaisers Rudolf II. (1576-1612) mit zentralen Themenfeldern und Problemkonstellationen der Reichsgeschichte der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verknüpft war, dokumentiert der vorliegende Band. Eindrucksvoll macht er deutlich, wie richtig die Entscheidung der Historischen Kommission für die neu gegründete Abteilung der „Reichsversammlungen“ im Jahr 1986 war, die Reichsgeschichte der Jahre 1556 bis 1662 nicht ausschließlich als Reichstagsgeschichte zu konzipieren und zu edieren. So durchzieht der auch auf dem Regensburger Kurfürstentag ausgefochtene Konflikt um die kirchenrechtlichen Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens wie ein roter Faden die Geschichte der Reichstage seit 1556. Konfliktlinien und -konstellationen des Kurfürstentages, wie sie nun dank der bereits vorliegenden Editionen im Detail nachvollzogen werden können, werden nur vor diesem Hintergrund verständlich. Und auch die Art und Weise, wie auf dem nächsten Reichstag um die Declaratio und die Aufhebung des geistlichen Vorbehalts gerungen wurde, erschließt sich nur, wenn man um den Konflikt weiß, der 1575 darüber ausgefochten wurde, ob die Declaratio zu einem Bestandteil der Wahlkapitulation werden solle oder nicht. Die die politische Kultur (nicht nur) des frühneuzeitlichen Reiches kennzeichnende Kunst, Fundamentaldissens in der Schwebe zu lassen, bewährte sich 1575 einmal mehr. Problemlos verständigten sich Kaiser Maximilian II. und die Kurfürsten, für Februar 1576 einen Reichstag einzuberufen.
Und so stellt der vorliegende Band auch ein Kapitel zur (langen) Vorgeschichte des Regensburger Reichstags von 1576 dar, an dessen Edition nun intensiv gearbeitet wird, womit die Reichsversammlungen der ferdinandeischen und maximilianeischen Zeit in absehbarer Zukunft vollständig vorliegen werden. Gerade die Zusammenschau dieser Bände mit den Editionen, die die Reichsversammlungen der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. dokumentieren - derzeit befindet sich der Regensburger Reichstag von 1594 in Arbeit -, wird uns ein vertiefteres Verständnis einer Schlüsselphase der Reichsgeschichte ermöglichen. Sie wird es erlauben, die alte, aber immer noch nicht beendete Debatte, warum es zunehmend weniger gelang, die Friedensordnung von 1555 aufrecht zu erhalten, auf erweiterter Quellenbasis fundierter zu führen.
Auch dieser Band folgt den Editionsrichtlinien der Reihe, kann jedoch auf Regestierungen und Kürzungen weitestgehend verzichten, die in anderen Bänden dem begrenzten Buchumfang geschuldet sind. Überdies ist es möglich gewesen, die symbolisch-zeremonielle Dimension des Beratungsgeschehens wesentlich umfangreicher als in anderen Bänden der Reihe zu dokumentieren.
Der frühere Abteilungsleiter, Maximilian Lanzinner, hat diesen Band initiiert und sein Entstehen bis zu seiner schweren Erkrankung begleitet. Im März 2014 übertrug mir die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Abteilungsleitung. Nur weil mich Maximilian Lanzinner im Herbst 2013 persönlich gebeten hat, seine Nachfolge anzutreten, habe ich es gewagt, die Wahl anzunehmen und in die großen Fußstapfen meines Vorgängers zu treten. Mehr als zehn Jahre, von 2003 bis Januar 2014, hatte Maximilian Lanzinner seine außerordentlich erfolgreiche Abteilungsleitung inne. Er brachte diesen Band auf den Weg, betreute die Edition von fünf Reichsversammlungen, die in sechs Teilbänden erschienen sind, und seiner Weitsicht ist es auch zu verdanken, dass seit 2014 der erste Band der „Deutschen Reichstagsakten“, der Regensburger Reichstag von 1556/57, digital verfügbar ist. Nicht nur ich, sondern alle, die mit ihm als Abteilungsleiter zusammenarbeiten durften, vermissen ihn schmerzlich, nicht nur als wissenschaftlichen Ratgeber.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat durch eine Sachkostenbeihilfe die Edition dieses Bandes ermöglicht, wofür herzlicher Dank gesagt sei. Dank aber auch an alle, die zum Entstehen des Bandes das ihre beigetragen haben. An erster Stelle zu nennen ist die Bandbearbeiterin, Dr. Christiane Neerfeld, die, trotz des Wechsels in der Abteilungsleitung, die Edition fristgerecht zum Ende der Projektlaufzeit vorgelegt hat. Als profunder Kenner der Materie und erfahrener Editor unterstützte uns jederzeit mit Rat und Tat Dr. Josef Leeb. Auch hierfür ganz herzlichen Dank! Matthias Reinert, M.A. betreute mit Geduld und Umsicht die edv-technische Seite der Publikation. Vielen Dank an alle für die stets angenehme und zielführende Zusammenarbeit! Für die rasche Drucklegung ist dem Oldenbourg-Verlag zu danken und für administrative Unterstützung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Historischen Kommission. Die Edition wird im Druck und online erscheinen.
Graz, im Juli 2015 Gabriele Haug-Moritz