Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Sicherung des Klosters Reichenau gegen die Eidgenossen; [2.] verbale und tätliche Übergriffe Straßburger Bürger gegen Angehörige des kgl. Gefolges; [3.] Überfälle von Raubrittern auf Bürger des Schwäbischen Bundes; [4.] aufrührerische Reden des Bürgers einer Bundesstadt; [5.] Ausstände an der Kölner Reichshilfe von 1505; [6.] Landshuter Erbfolgestreit zwischen Hg. Albrecht von Bayern und Pfgf. Friedrich; [7.] Maßnahmen zum Schutz der Gft. Burgund und der Mgft. Rötteln gegen die Franzosen; [8.] Frage der Lösung Kf. Philipps von der Pfalz aus der Reichsacht.

Entenburg, 10. Mai 1507.

München, HStA, KÄA 2017, fol. 350–354’ (Kop. mit imit. Vermm. prps./amdrp., Dorsalverm.: Copi der artikel, so die kgl. ret zu Uberlingen den stenden des Punds verantwurt haben.) = Textvorlage A. Memmingen, StdA, A Bd. 292, unfol. (Kop. mit imit. Vermm. prps./amdrp. und Gegenz. N. Ziegler) = B. München, HStA, KÄA 3136, fol. 146–148’ (unvollständige Kop.) = C. Stuttgart, HStA, H 53, Bü. 88, unfol. (Kop. mit imit. Vermm. prps./amdrp. und Gegenz. N. Ziegler; Provenienz Esslingen).

Regest: Klüpfel, Urkunden II, S. 2f.

Sie sollen folgendes mitteilen: Er hatte sich bereits auf die Abreise nach Überlingen vorbereitet, doch traf heute in wichtigen Angelegenheiten eine Gesandtschaft aus der Gft. Burgund ein1, die er so rasch wie möglich wieder abfertigen muß. Fordert, seine Ankunft in Überlingen abzuwarten. Um keine Zeit zu verlieren, sollen die Bundesräte inzwischen über folgende Punkte beraten: 1. Das Kloster Reichenau ist im Niedergang begriffen; es kann seinen eigenen Unterhalt nicht mehr finanzieren. Dies betrifft nicht nur das Hl. Reich, sondern auch die Nachbarn des Klosters, die zum größten Teil Bundesstände sind. Dennoch wies der Bund seine wiederholten Bitten um Hilfe2 unter Hinweis auf die Zuständigkeit des Reiches zurück. Falls die Reichenau in die Hände der Eidgenossen geraten würde, wäre dies jedoch von großem Nachteil auch für die Bundesstände. Die Kosten eines erneuten Krieges mit den Eidgenossen wären beträchtlich. Er bittet deshalb, die Sache noch einmal zu erörtern und eine Hilfe für die Befestigung und Besetzung der Reichenau zu bewilligen.

2. Etliche Straßburger vergingen sich während seines letzten Aufenthaltes in ihrer Stadt grundlos in Wort und Tat gegen Angehörige seines Gefolges und frevelten damit gegen ihn als ihren König, gegen das Hl. Reich und gegen den Rat der Stadt. Intrigen der Franzosen waren dafür verantwortlich. Wegen der Bundesmitgliedschaft Straßburgs will er nicht ohne die Zustimmung des Bundes vorgehen, zugleich erweist sich der Straßburger Magistrat in dieser Sache als nachlässig. Er bittet deshalb um Beratung über die Bestrafung der Übeltäter und die Nominierung von Kommissaren, die deren Vergehen gemeinsam mit dem Straßburger Magistrat ahnden sollen.

3. Er hat glaubwürdige Nachricht erhalten, daß Raubritter (hegkenreiter) von einem in dieser Region gelegenen Schloß aus Überfälle auf Untertanen des Bundes verüben. Die Zeugen wollen aber erst dann genauere Angaben machen, wenn die Bestrafung der Übeltäter gewährleistet ist. Fordert die Bundesräte zur Beratung über die Bestrafung der Reiter auf und bietet seine Beteiligung daran – auch über seinen Anteil an der Bundeshilfe hinaus – an.

4. Ein Bürger einer Bundesstadt äußerte in öffentlicher Runde, wenn die Bundesstädte mit den Eidgenossen einig würden, bräuchten sie sich um Papst und Kaiser nicht zu bekümmern, und sprach angeblich auch insgeheim mit einem Schweizer. Die Bundesgesandten sollen über die Bestrafung dieses Bürgers beraten.

5. Etliche Bundesstände haben die auf dem Kölner RT bewilligte Reichshilfe noch nicht bezahlt. Da er jedoch Truppen zu redtung der ksl. kron und der teuchsen [!] er und wirde besteldt haben, das auch ainß tails im anzug in Italia ist, sollen die kgl. Gesandten erneut die sofortige Erlegung des Hilfsgelds nach Ulm anmahnen, damit er diese Truppen nicht entlassen muß. Denn Genua ist verloren, die Stadt hat sich gleich am ersten Tag nach dem Aufmarsch seines Heeres dem frz. Kg. ergeben. Das ist beschechen durch bratica mit der gulden pichß, das heist verreterey mitsampt der vorcht und den parteyn. 

6. Hg. Albrecht von Bayern beschuldigt Pfgf. Friedrich der Mißachtung des Kölner Spruches [vom 30.7.1505] – was dieser bestreitet – und sieht sich deshalb nicht länger zu dessen Einhaltung verpflichtet. Gemäß dem von beiden Seiten angenommenen Spruch obliegt indessen ihm als röm. Kg. die Entscheidung darüber, ob dieser gebrochen wurde oder nicht. Darauf hat er Hg. Albrecht mehrfach hingewiesen. Er hat ihn auch zum RT nach Konstanz geladen, um an den Beratungen über die Angelegenheiten des Reiches teilzunehmen, und damit er, der Kg., in seiner Anwesenheit über den Streit entscheiden kann. Hg. Albrecht hat bislang hinhaltend reagiert3, weshalb er Gesandte zu ihm schicken wird. Der Hg. müßte seiner Aufforderung billigerweise Folge leisten, er kann nicht in seiner eigenen Angelegenheit als Richter auftreten. Die Bundesversammlung soll Hg. Albrecht auffordern, die kgl. Entscheidung abzuwarten und sich unverzüglich persönlich nach Konstanz zu begeben.

7. Die kgl. Räte sollen den Bundesgesandten außerdem eröffnen, nachdem ain hoffnung ist, das die Aidgnossen die iren von den Kg. von Frankreich abgeforderta werden, sey gewiß, das er ein anschlag machen und in seinem abzug, wa der Schweizer ainstails bey im beleiben, die Gft. Burgundi und Mgft. Rettel, ee und der Reichs tag zu Costenz ain grundliche endschaft gewin, uberfallen werd4, damit er sein pos, mutwillig furnemen wider uns volpringen mög. Wurde aber kain Aydgenoß bey im beleiben, so wurdet er auch weiter nichts handeln und widerumb haimziechen, aber wartend auf ein kunftigs. Dieweil aber die Gft. Burgundi der teuchsen [!] nacion anhengig, ist darauf unser begern, das die vom Bund ratschlagen und ordnung geben, darmit wir und sy als bundsgenossen nit ubereylt werden, bis so lang, das solichem durch das Hl. Reich, das laider auf bdise stund gar sorgfeltig steet, wie meniglich wais, und sonderlich die veind mer dan die fraind, zu rechter zeit widerstand beschechen mög. So wurdet an den burgundischen nit mangl sein, dem Hl. Reich und namlich den Retlischen hierin zu helfen.

Die kgl. Gesandten sollen über die Antwort der Bundesversammlung auf die vorgebrachten Artikel berichten und dann in Überlingen auf weitere Anweisungen warten. [Datum].

8. Die in Konstanz versammelten Reichsstände haben ihn um Abschluß eines Vertrages mit Kf. Philipp von der Pfalz gebeten, damit dieser aus der Acht gelöst wird. Er will dies nicht ohne Einwilligung des Bundes tun, da der Hg. von Württemberg und der Lgf. von Hessen als seine Verbündeten [im Landshuter Erbfolgekrieg] einen Ausgleich mit Pfalz abgelehnt haben. Da er jedoch geneigt ist, den Ständen in dieser Angelegenheit zu willfahren, sollen die kgl. Gesandten die Bundesversammlung um eine Stellungnahme bitten.

Anmerkungen

1
 Vgl. Nr. 665 [Pkt. 5].
2
 Die Innsbrucker Regierung hatte die Hauptleute des Schwäbischen Bundes am 14.2.1506 über eine schwere Erkrankung Abt Martins von Reichenau in Kenntnis gesetzt und in diesem Zusammenhang auf die Gefahr einer Übernahme des Stifts durch Dritte – gemeint waren die Eidgenossen – hingewiesen. Der Bund beauftragte daraufhin eine Kommission mit der Ausarbeitung von Vorschlägen zum Schutz der Reichenau (Kreutzer, Glanz, S. 343f.; Schmidt, Reichenau, S. 93). Abt Johannes von Salem übersandte der Stadt Überlingen am 14.9.1506 ein an den kgl. Bundeshauptmann Christoph Schenk von Limpurg, den Überlinger Altbürgermeister [und Schwäbischen Bundesrat] Adam Besserer sowie ihn selbst gerichtetes kgl. Schreiben in Sachen des Klosters Reichenau samt einem Beglaubigungsschreiben [für die drei Genannten] an die für den 21.9. (St. Matheus tag) nach Ulm anberaumte Versammlung des Benediktinerordens. Der Abt erklärte, wie auch Limpurg nicht dort erscheinen zu können, und bat, für die Abfertigung Besserers Sorge zu tragen (Or. m. S., uf exaltationem crucis; GLA Karlsruhe, 225/117, unfol.). Vgl. auch Nr. 513.
3
 Vgl. bes. Nrr. 17, 77, 79f., 82, 84.
a
 abgefordert] In B richtig: abfordern.
4
 Hintergrund war die vermeintliche Bedrohung der 1503 von Mgf. Christoph von Baden übernommenen Mgft. Rötteln-Sausenberg – wohl weniger durch die französische Verwandtschaft des konkurrierenden Anwärters Philipp von Hachberg-Sausenberg als durch die Eidgenossen selbst (vgl. Weisung Kg. Maximilians an Frh. Kaspar von Mörsberg vom 27.10.1503; Wiesflecker, Regesten IV/1, Nr. 17830, S. 346). Mgf. Christoph bat Anfang April 1505 auf einem Schwäbischen Bundestag in Augsburg um Unterstützung zur militärischen Sicherung der Mgft. Aus dem Bundesabschied geht allerdings nicht hervor, gegen wen diese Hilfe gerichtet war (Kop., suntag misericordia Domini [6.4.]1505; HStA München, KÄA 2013, fol. 143–146’, hier 143–143’; StdA Augsburg, Lit. 1505–1507, Fasz. [1] 1505. Bundes-Abschiede und Correspondenz, unfol.; GLA Karlsruhe, 225/1224, unfol. Regest: Klüpfel, Urkunden I, S. 536 [irrtümliche Datierung auf den 8.4.]).
b
–b dise ... bitten] Fehlt in C.