Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1./3.] Aufforderung an Kg. Maximilian zum Bündnis mit Frankreich, Spanien und Venedig; [2./4.] Mißtrauen des röm. Kg. gegen Frankreich, Spanien und den Papst, Wunsch nach einem Bündnis mit Venedig, Option einer Verständigung Habsburgs mit Frankreich.

Straßburg, 31. März 1507.

Venedig, BM, Cod. marc. ital. VII/989 (= 9581), fol. 8–10 (ital. Kop.; Postverm.: Per eundem.1) = Textvorlage A. Venedig, BFQS, Cl. IV, Cod. V (= 769), fol. 79–80’ (ital. Kop.; Postverm. wie A) = B.

Referiert bei: Brunetti, Vigilia, S. 13f.

[1.] Bestätigt für den Abend des 28. März den Empfang seiner durch den Boten Martin Bestia zugestellten Weisung vom 13. März bezüglich der Verhandlungen über ein neues Bündnis.2 In einer Unterredung mit dem röm. Kg. am Nachmittag des 30. März beteuerte er die Treue Venedigs zu diesem und legte die Bemühungen der Signorie bei den Kgg. von Frankreich und Spanien um seinen Anschluß an das Bündnis und die günstige Reaktion der beiden Kgg. dar. Er forderte den röm. Kg. wortreich auf, sich auf dieses Unterfangen zur Erhaltung des Friedens in Italien und zur Erhöhung der christlichen Religion einzulassen.

[2.] Der röm. Kg. lobte in seiner wortreichen Antwort die Haltung Venedigs ihm gegenüber und die geschilderten Bemühungen der Signorie, bezweifelte aber die Aufrichtigkeit der beiden nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Kgg. in dieser Angelegenheit: Er wisse zuverlässig, daß der frz. Kg. ein Bündnis Venedigs mit ihm fürchte und alles daran setze, es nicht zustandekommen zu lassen. Inzwischen trachte der frz. Kg. danach, Genua zu unterwerfen und es durch die Errichtung einer Festung oberhalb des Hafens unter seine Kontrolle zu bringen, um darüber verfügen zu können wie über die übrigen Länder unter seiner Herrschaft. Was immer dieser Kg. vorschlage, jeder Verständige könne leicht den Zweck ermessen, vor allem mit Hinblick auf seine Absicht, Italien Stück für Stück zu unterwerfen und das Papsttum unter französische Kontrolle zu bringen3, wohinter der Kardinal von Rouen stehe. Und schließlich solle auch die Kaiserkrone usurpiert werden. Der Kg. von Aragon jedoch wolle sich so rasch wie möglich nach Spanien begeben, um die Regierung über die Königreiche seiner Enkel [Karl und Ferdinand] zu übernehmen und sich an seinen Feinden, den Freunden und loyalen Dienern seines verstorbenen Sohnes Kg. Philipp, zu rächen. Kg. Ferdinand bemühe sich um ein Bündnis mit Venedig, damit es während seiner Abwesenheit zum Schutz Neapels verpflichtet sei – und nicht etwa zum Wohl oder Vorteil der Signorie. Dieser Aspekt sei für diese beiden Kgg. irrelevant. Ihm dagegen sei immer das Wohl Italiens mehr am Herzen gelegen als das seiner eigenen Länder. Er habe die Reichsfürsten zusammenberufen, um sie über die französischen Machenschaften zu informieren. Sie sollten erkennen, daß das Reich nicht sicher und Italien nicht befriedet werden könne, solange die Franzosen dort seien. Er hoffe, bei den Fürsten jetzt mehr Glauben zu finden als zu Lebzeiten seines Sohnes Philipp und daß sie einsähen, daß ihn nicht Eigeninteressen oder Rachsucht trieben, sondern sein Wunsch nach Frieden in Italien und somit die Erhaltung des Reiches und schließlich des Hl. Stuhles, la qual dovemo deffensar totis viribus in non lassarla transferir in Franza. Gleiches müsse Venedig tun, nicht für irgendeinen Papst, sondern für den Hl. Stuhl. Für jemanden wie Papst Julius, der weder sein Freund sei noch der Venedigs, würde er keine drei Schritte tun. Er hoffe aber, mit der Unterstützung der Fürsten einige Vorkehrungen treffen zu können und diese Mißstände abzustellen. Und deswegen wolle er dieses Bündnis [mit Venedig]. Er wolle der Signorie keine nutzlose, weil offensichtliche Antwort geben, aber er, Querini, solle sie warnen, sich von den Worten der Kgg. von Frankreich und Spanien täuschen zu lassen.

Er, der röm. Kg., unternehme alles, um Kg. Ferdinand davon abzuhalten, gegen die Freunde und treuen Diener seines Sohnes Philipp vorzugehen. Auch wenn der spanische Kg. einige Granden für sich gewinnen könne, so wären dennoch Konflikte unvermeidlich, wenn dieser versuche, die Regierung zu übernehmen. Denn seine Tochter, die Kgin. [Johanna], die zuerst nicht habe glauben können, wie schlecht sich ihr Vater ihr und ihrem Mann [Kg. Philipp] gegenüber benommen habe, nun aber alles wisse, sei dafür nicht zu gewinnen. Sie habe sich nach Granada zurückgezogen, wo sie sich bei den Leichnamen (corpo) ihres Mannes und ihrer Mutter [Kgin. Isabella] aufhalte, und wolle die Regierungsgeschäfte Kastiliens weiterhin den Granden überlassen.

Falls er, der röm. Kg., dann alles versucht habe und dennoch erfolglos geblieben sei, so wisse er doch, daß ihm unter Verzicht auf sein geplantes Unternehmen in Italien immer noch ein gutes und ehrenvolles Abkommen mit Frankreich bleibe. Er könne sich dann, während die Ruhe und Sicherheit Kastiliens, Flanderns und aller seiner Länder wie der seiner Enkel garantiert seien, zurückziehen und die ihm verbleibenden Tage in Ruhe und im Dienst für Gott genießen – et non mi mover, se sentisse la ruina del mondo. Die unvergängliche Signorie (la signoria vostra che sempre vive) werde dann vielleicht bereuen, nicht auf ihn vertraut zu haben, und wolle auf ihn zurückgreifen, wenn dies nicht mehr möglich sei. Wenn sie aber die Absichten und Ziele Frankreichs und Spaniens auf der einen Seite und seine Aufrichtigkeit auf der anderen recht erwäge, werde sie zweifelsohne eine gute Entscheidung treffen.

[3.] Er legte dem Kg. daraufhin dar, daß sein Anschluß an das Bündnis ihm nur Ruhm und Ehre einbringen würde. Er könne dadurch alle seine Angelegenheiten nach jeder Seite hin absichern und das durchführen, was ihm zur Erhöhung des christlichen Glaubens aufgegeben sei. Die Signorie wünsche dieses Bündnis vor allem wegen des damit verbundenen Vorteils für den röm. Kg. und zu seiner Erhöhung.

[4.] Der röm. Kg. erwiderte, daß er die ernsthaften Bemühungen Venedigs um ihn erkenne und deshalb seine Geheimnisse offenbaren wolle: Er, Querini, solle nach Hause melden, daß er bereits in Bündnisverhandlungen mit Frankreich und Spanien stehe. Es wäre nichts leichter für ihn, als sich mit dem frz. Kg. einzulassen, der ihm einen Freibrief für alle seine Anliegen geben wolle; ebenso mit dem Kg. von Spanien, der nach Kastilien ziehen wolle, um sich an seinen, des röm. Kg., Freunden zu rächen, zum großen Schaden seines Hauses. Er verspreche, ihn über die weiteren Verhandlungen zu informieren, solange er die Hoffnung hege, daß Venedig ebensosehr sein Freund sei wie umgekehrt. Diese Mitteilungen sollten in Venedig streng vertraulich behandelt werden.

Anmerkungen

1
 Bezieht sich auf den Postvermerk in Nr. 31.
2
 Querini wurde darin angewiesen, gegenüber Kg. Maximilian dessen Ruhm und Ehre sowie das Wohlergehen, die Sicherheit und die Ausdehnung der Respublica Christiana als die beiden zentralen Anliegen venezianischer Politik zu definieren. Man habe deshalb bei den in Frankreich und Neapel geführten Bündnisverhandlungen – worüber gerade Berichte der Gesandten Venedigs eingegangen seien – auf der Miteinbeziehung des röm. Kg. insistiert, was die uneingeschränkte Zustimmung der Kgg. von Frankreich und Spanien gefunden habe. Venedig sei zuversichtlich, daß es zum Abschluß dieses Bündnisses zur Aufrechterhaltung des Friedens in der Christenheit und in der Folge zu einem Kreuzzug unter Führung Kg. Maximilians kommen werde. Querini sollte dies dem röm. Kg. darlegen und ihm aufzeigen, daß dies der einzig gangbare Weg zur Wahrnehmung seiner Interessen sei (Venedig an P. Pasqualigo und V. Querini bzw. an Querini allein, ital. Kop., 13.3.1507; BM Venedig, Senato, Deliberazioni (Secreta) 1507–1509 (reg. 41), fol. 18’-19). Aufgrund des inzwischen eingegangenen – nicht vorliegenden – Berichts Pasqualigos vom 28.2., in dem dieser das Ergebnis der gemäß Weisung vom 9.2. [Nr. 24] geführten Verhandlungen mitteilte, bekundeten Doge und Senat ihr Befremden über die Äußerungen Kg. Maximilians in bezug auf Kg. Ferdinand von Aragon, erklärten sich aber für weitere Vorschläge des röm. Kg. offen (ital. Kop., Verm. am Textende: De parte: 42. Volunt quod praesens materia differatur pro nunc. De parte: 118. De non: 3. Non synceri: 6; ebd., fol. 19–19’).
3
 Diesen Vorwurf erhob im März 1507 auch ein Gesandter Kg. Maximilians gegenüber Kg. Ludwig von Frankreich (Ulmann, Absichten, S. 6).