Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Teilnehmer an der Tagsatzung; [2.] eidgenössische Angelegenheiten; [3.] Verhandlungen mit Gesandten Kg. Maximilians über die eidgenössische Truppenbewilligung für den Romzug; [4.] Erneuerung des Verbots zur Anwerbung von eidgenössischen Söldnern gegenüber den Gesandten Kg. Ludwigs von Frankreich; Aufforderung an die Orte Luzern, Zug und Glarus zur Befolgung dieses Beschlusses.

Zürich, 16. August 1507 (mentag nach Laurenti).

Zürich, StA, B VIII 84, fol. 128–129, 196–196’, 201–201’ (Kop.) = Textvorlage A. Bern, StA, A IV 10, pag. 208–211 (Kop., nur Pkt. 3/4) = B. Luzern, StA, AKT A 1 F 1, Schachtel 53, Fasz. Maximilian I., unfol. (Kop., nur Pkt. 3/4) = [C]. Solothurn, StA , Eidgenössische Abschiede 1507–1510, AG 1,5, pag. 125f., 99–102 (Kop., nur Pkt. 3/4 und Teile von Pkt. 2) = [D]. Schaffhausen, StA, Tagsatzung 1507, unfol. (Kop., nur Pkt. 3/4). Bern, StA, A V 1430, Nr. 38 (Kop., nur Pkt. 3/4).

Regest/Druck: Eidgenössische Abschiede III/2, Nr. 284, S. 389–391.

[1.] Teilnehmer: Zürich: Bürgermeister [Marx] Röist, Bürgermeister [Matthias] Wyss, Gerold Meyer von Knonau, Konrad von Kusen; Bern: Hans Rudolf von Scharnachtal, Ritter, Luzern: [nicht vertreten]; Uri: Vogt [Hans] Schüeli, Heinrich Göltschi; Schwyz: Meinrad Stadler, N. Marti; Unterwalden: Ammann [Andreas] zun Höfen, Ammann [Hans] Kretz; Zug: [nicht vertreten]; Glarus: [nicht vertreten]; Basel: Bürgermeister [Peter] Offenburg; Fribourg: Schultheiß Franz Arsent, Ritter, Niklaus Reiff; Solothurn: Schultheiß [Niklaus] Conrad, Benedikt Hugi d. J.; Schaffhausen: Bürgermeister [Hans] Trüllerei, Bürgermeister [Konrad] Barter.

[2.] [...]. Felix Grebel bat um Einsetzung als Hauptmann des Kontingents des Rheintals für den Fall, daß der Romzug stattfindet. Die [Vertreter der Landvogtei Rheintal] widersprachen und machten geltend, daß sie über die Offiziers- und anderen Kriegsämter selbst zu bestimmen hätten. Es wurde beschlossen, daß sich die Orte bis zur nächsten Tagsatzung entscheiden sollen, ob die Vögte solche Ämter wahrnehmen dürfen oder sich mit der Verwaltung ihrer Vogtei begnügen sollen. [...]. Jeder Bote kennt die seltsamen Reden, die wegen der umherziehenden Knechte geführt werden. Es ist zu besorgen, daß sie aufgewiegelt und dem frz. Kg. zugeführt werden. Die Folgen kann jedermann abschätzen. Jeder Ort soll ernste Gegenmaßnahmen ergreifen. Luzern, Zug und Glarus werden schriftlich dazu aufgefordert [Nr. 910]. Die frz. Gesandten wurden ernstlich ermahnt, weder selbst noch durch Dritte eidgenössische Knechte anzuwerben.

[3.] Die neun Orte Zürich, Bern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Basel, Fribourg, Solothurn und Schaffhausen haben dem röm. Kg. und den Ständen des Hl. Reichs 6000 Knechte für den Romzug zur Erlangung der Kaiserkrone zugesagt. Dieser Tag wurde vom röm. Kg. angesetzt, um abschließend die Einzelheiten zu regeln. Vor der Versammlung erschienen als kgl. Gesandte Degen Fuchs von Fuchsberg (Hauptmann zu Kufstein), Hans von Reichenburg (Hauptmann zu Rann), Jakob von Landau (Landvogt in Schwaben, Hauptmann zu Cilli), Hans von Königsegg (Vogt zu Feldkirch) und Dr. Hans Schad mit kgl. Kredenzschreiben und erklärten, warum der Kg. sie bisher aufgehalten habe und daß [auf dem Konstanzer RT] erst kürzlich der Abschied zwischen Kg. und Reichsständen ergangen sei. Der Kg. habe sie auf der Grundlage der Abschiede von Schaffhausen [Nr. 217], Konstanz [Nr. 229] und Zürich [Nrr. 234/246], laut derer die Eidgenossen die Stellung von Truppen für den Romzug bewilligt hätten, abgefertigt, um verbindliche Vereinbarungen über den Zeitpunkt des Abmarsches, die militärischen Ämter und andere Punkte zu treffen und verabredungsgemäß die entsprechenden, von kgl. Seite bereits besiegelten Verträge und sonstigen Schriftstücke zur Gegensiegelung an die Eidgenossen zu übergeben.

Die eidgenössischen Gesandten wiesen darauf hin, daß die von ihnen vertretenen Orte nach dem Züricher Tag erfahren hätten, daß der geplante kgl. Zug sich gegen den frz. Kg. richte, dem Mailand und andere Besitzungen abgenommen werden sollten. Der röm. Kg. und die Reichsstände hätten dies an den frz. Kg. geschrieben. Bei den Eidgenossen habe es bislang geheißen, der Zug gehe nach Rom zur Erlangung der Kaiserkrone. Etwas anderes müßten sie ablehnen. Die kgl. Gesandten wüßten, daß die Eidgenossen mit dem frz. Kg. verbündet seien und ihre Knechte nicht gegen diesen einsetzen könnten. Weder in Konstanz noch in Zürich sei ihnen zu verstehen gegeben worden, daß das Unternehmen gegen den frz. Kg. und Mailand gerichtet sei. Sie bäten um Aufschluß darüber. Erneuern im übrigen ihre Zusage, dem röm. Kg. beim Romzug zur Erlangung der Kaiserwürde zu helfen und ihm gegen diejenigen beizustehen, die ihn daran hindern wollten; doch dürfe sonst niemand dabei geschädigt werden.

Die kgl. Gesandten kritisierten die für den Kg., die Reichsstände und sie selbst unerwartete Wendung. Sie seien auch nicht anders instruiert, als die Einzelheiten zu regeln und die besagten Schriftstücke auszutauschen. Im übrigen wollten sie ihnen gerne näheren Aufschluß geben, soweit sie selbst über die Angelegenheit informiert seien: Das were, das röm. kgl. Mt. were sunders willens nit anderst dann gen Rom, ksl. kron zu erlangen; da were von alter harkomen, das ein röm. Ks. die ysiny oder steheli kron empfinge zu Meiland und im die porten abgebrochen, och pass durch die land, spiß und alle notturft umb das gelt gegeben worden. Und, als sy in Lamparten wißden, wie von alter harkomen were, in in aller gepure als sin vorfarenden Kss. empfahen solten, ob er dahin keme.1 Oba nun im jeman das sperren, als zwar sy nieman wißden, der wider disen romzug und die ksl. kron sin wolte dann allein der frankrichisch Kg., der ruste sich och merklich, bräche oder schlisse etliche dorfer und machte dann etlich vestinen, versehe sich och mit volk und gezug, des er nit bedorfte, wo er wider sy nit sin wolte. Und das röm. kgl. Mt. also verdingt konde hininziehen, konde sy nit, sunder wurde er hininziehen unverdingt [und] fry und erwarten, wer dawider tun welt, darzu solten wir als glider und verwanten des Richs billich helfen, als och wir hievor zugesagt hetten. Und als angezogen wurd ein geschrift, so dem Franzosen zugeschickt sin solt, desselben hetten sy nit wissen, aber sy hetten umb erfarung desselben geworben. Was bericht inen deßhalb komen wurd, wölten sy uns nit verhalten. Nun furen die Franzosen allenthalb in unsern landen und saytind iren bosen somen under uns mit gelt ußgen und iren erdichten, erlognen, falschen worten, dadurch sy uns mechten bewegen, disem erlichen zug wider ze sind. Sy stunden och nit ab, hetten ir hoptlut gesetzt, die knecht ufzewiglen und hinzufuren, als sy och wißden, das sy yetz etlich gelt ußgegeben hetten. Darumb were ir beger von röm. kgl. Mt. wegen, wir wolten bi unserm vorigen zusagen on endrung bliben, deßglich die Franzosen hintryben und bi uns bestellen und verkomen, das das hinloufen uf die franzosischen siten wurd abgestelt zum hochsten.

Die eidgenössischen Gesandten erneuerten bei den folgenden Verhandlungen ihre Hilfszusage, während die kgl. Vertreter noch einmal auf ihre Instruktion verwiesen. Die Eidgenossen beschlossen Berichterstattung an ihre Obrigkeiten. Um die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen, wurde ein erneuter Tag nach Zürich anberaumt. Die Gesandten sollten sich am Abend des 30. August (mentag nach St. Bartholomeustag) in ihren Herbergen einfinden.

[4.] Es ist och mit den Franzosen geredt zum treffenlichsten, das sy unser Eidgnosschaft knecht nit ufwiglen und hinfüren, och das nieman zu tun bevelhen und die unsern nit understanden, ungehorsam zu machen, wider disen zug und wider uns ze sind. Dann ob sy das täten, wurde es ein sach sin, so uns nit zu erdulden were und wider die kron Frankrich großlich sin mocht.

Die Tagsatzung forderte die Orte Luzern, Zug und Glarus schriftlich auf, daß sy den iren nit wöllen gestatten, sonder bi dem höchsten verpieten an er, lib und gut, das sy wider disen erlichen zug noch zum frankrichischen Kg. nit ziehen [Nr. 910]. Wir haben och in unser aller stetten und lendern berurter maß verpoten, und in etlichen orten under uns ist och das verschworen zu Gott und den heiligen.2  

Es wurde beschlossen, daß jeder Ort in Anbetracht der Wichtigkeit der Angelegenheit zwei Gesandte zur nächsten Tagsatzung abfertigen soll.

Anmerkungen

1
 Liechtenstein erklärte am 15.8. gegenüber dem venezianischen Gesandten Querini, daß der Kg. einen Angriff der Eidgenossen auf Mailand wünsche, der von 2000 Reitern unterstützt werden sollte, wovon 1500 bereits zur Verfügung stünden (Querini an den Dogen, ital. Kop., Augsburg, 16.8.1507; BM Venedig, Cod. marc. ital. VII/989 (= 9581), fol. 79–81, hier 80; BFQS Venedig, Cl. IV, Cod. V (= 769), fol. 148–150, hier 149). Konrad Peutinger referierte Querini aus einem Schreiben vom kgl. Hof, daß Kg. Maximilian in der Bodenseegegend die Resolution der in Zürich versammelten Eidgenossen erwarte. Luzern, das der Übereinkunft mit dem röm. Kg. nicht zugestimmt habe, sei ebenfalls in Verhandlungen eingetreten, um eine Einigung herbeizuführen. Es sei einverstanden, sich am Romzug zu beteiligen, lehne jedoch unter Hinweis auf den noch bestehenden Bündnisvertrag einen Krieg gegen Frankreich ab. Die übrigen Kantone hätten darauf hingewiesen, daß auch sie nicht beabsichtigten, das Bündnis mit Frankreich oder einem anderen Land zu brechen, sondern pflichtgemäß Kg. Maximilian – auf der gewünschten Route – zur Kaiserkrönung eskortieren wollten. Falls sich aber jemand während des Romzuges dem röm. Kg. gegenüber nicht gebührend verhalten würde, so würden sie im Interesse der Ehre und der Rechte des Reiches keine Rücksicht auf Bündnisverpflichtungen nehmen. Auf dieser Grundlage habe sich der Tag zu Zürich unter Einbeziehung Luzerns über die Besoldung der Hauptleute verständigt. Der röm. Kg. werde damit indessen nicht zufrieden sein, perché la intention sua non è altro in questa andata in Italia che de incoronarsi et restituir l’Imperio nela pristina dignità sua, castigando coloro che volesseno contra el dover usurpar le jurisdictione che anticamente fusseno stat[e] dela corona imperiale (Querini an den Dogen, ital. Kop., Augsburg, 20.8.1507, Postverm.: Per Martinum Bestiam, cursorem; BM Venedig, ebd., fol. 81–82’, hier 81’-82; BFQS Venedig, ebd., fol. 150’-151). Vgl. die zwischen Zuversicht und Resignation changierenden Äußerungen Kg. Maximilians gegenüber seiner Tochter Hgin. Margarethe von Anfang August (präs. 15.8.; Gachard, Collection, S. 478) sowie vom 18. und 29.8. (Le Glay, Correspondance I, Nr. 3, hier S. 7; Nr. 4, hier S. 9).
a
 Ob] In B, D: So. C wie A.
2
 Bern schärfte durch Ausschreiben vom 17.8. an Stadt- und Landgemeinden unter Hinweis auf die in Zürich bestätigte Zusage von neun Orten bezüglich der Erlangung der Kaiserkrone durch Kg. Maximilian noch einmal das Verbot an die Knechte ein, bis zu einer Entscheidung der Eidgenossen keinem der beiden Kgg. zuzulaufen. Die Aufwiegler sollten verhaftet werden. Man berate täglich mit anderen eidgenössischen Orten, wie der romzoig mit eren und also ze tund, damit solichs uns allenthalb unverwyßenlich sye. Falls die Adressaten keine ausreichenden Vorkehrungen träfen, die Knechte deshalb entgegen der Zusage an das Hl. Reich dem frz. Kg. zulaufen würden und Bern infolgedessen in einen tödlichen Krieg geraten würde, hätte dies für die Haltung Berns gegenüber den Adressaten Konsequenzen (Konz., zinstag nach assumptionis Marie; StA Bern, A III 14, fol. 309; Gagliardi, Anteil I, S. 676 Anm. 130).