Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

Augsburg, 15. April 1510

Orig. Druck m. S. (ital.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Müller): Venedig, Archivio di Stato, Miscellanea atti diplomatici et privati, busta 49, Nr. 1601; Ebd., Miscellanea atti diversi manoscritti, busta 105b, 12 Exemplare.

Druck: Alberi, Relazioni, S. 61-65; Bonardi, Venezia, S. 138-141.

Kurzregest: Valentinelli, Regesta, Nr. 745.

Inhaltsangabe: Lutter, Propaganda, S. 244f.

Betont, daß es nicht sein Ziel ist, Herrschaften oder Signorien zu besetzen, denn jeder soll gemäß seinem Rang und Stand und nicht durch Tyrannen unterdrückt leben. In dieser Situation befinden sich jedoch die Väter des alten venezianischen Adels. Sie haben den Staat Venedig gegründet, vergrößert und bewahrt und werden nunmehr von einem jungen, neuen Adel unterdrückt, der die gesamte Regierung der Republik in der Hand hat. Dieses Unrecht hat ihn veranlaßt, einen gerechten Krieg gegen den Hochmut der gegenwärtigen Signorie zu führen. Deren Mitglieder waren in der Vergangenheit trotz freundschaftlicher Aufforderungen königlicher Gesandter und des Ersuchens von Kff. und Kardinälen nicht zu bewegen gewesen, sich mit ihrem bisherigen Status zu bescheiden und die Kirche, die Kurie und den Papst zu respektieren. Auch wollten sie ihre Privilegien, Ämter und sonstigen Ehren nicht mit den Angehörigen des alten Adels teilen, obwohl sie dazu wegen deren Verdiensten um die Republik eigentlich verpflichtet wären. Hinzu kommt, daß sie ihn am Empfang der Kaiserkrone gehindert haben, trotz der über 400 Jahre lang bestehenden freundschaftlichen Beziehungen des Hauses Österreich zu den Vätern der Republik Venedig, die auch er selbst im Andenken an seinen Vater Ks. Friedrich III. und an Ehg. Sigmund von Tirol immer gepflegt hat. Die Venezianer haben nicht nur seinen Krönungszug vereitelt, sondern auch Reichsbesitzungen und die ksl. Erbländer überfallen, obwohl er zu einem Waffenstillstand bereit gewesen ist. Aufgrund dessen hat er sich an den Papst gewandt, der daraufhin die Venezianer gebannt hat, und ihn ersucht, gemeinsam mit den Kgg. von Frankreich und Spanien gegen die Signorie vorzugehen. Hierzu hat er sich als Schirmherr der Kirche veranlaßt gesehen. Die früher dem Reich unterworfenen Städte Italiens haben sich ihm als ihrem legitimen Herrscher unterworfen und wurden in seinen Schutz genommen. Dennoch wurde der Krieg von den habgierigen Venezianern weiter fortgesetzt. In Anbetracht dessen hat er sich daher entschlossen, die Unterdrückten von ihren schlechten Regenten zu befreien und den guten, alten venezianischen Adel wieder zu seinem Recht zu verhelfen, auf daß sie wieder in Gleichheit und Frieden leben können. Wenn sich die Venezianer aus freien Stücken der tyrannischen Herrschaft der Signorie entziehen wollen, sollen sie sich zusammen mit ihrem alten Adel dem Reich unterstellen. Sie erhalten dann den gleichen Status und dieselben Freiheiten und Privilegien wie die anderen deutschen Rstt. Kraft dieses Schreibens verleiht er der Stadt, dem Volk, allen Bewohnern und dem alten Adel von Venedig die Vollmacht, selbst Regierende und Verwalter zu wählen sowie in Deutschland und darüber hinaus zu Land und zu Wasser freien Handel zu treiben. Versichert nochmals, daß die Republik Venedig die Privilegien einer Rst. erhalten, von allen ihr durch die Signorie auferlegten Verpflichtungen und Abgaben befreit und vor allem Übel bewahrt werden wird.1

Anmerkungen

1
 Laut Angabe Sanutos unter dem Datum 16. Juli 1511 wurden diverse Exemplare dieses ksl. Manifests an verschiedenen Orten in Venedig gefunden und beim Rat der Zehn abgeliefert, der daraufhin alle übrigen beschlagnahmen ließ. Wagner, Propaganda, S. 42. Zur antivenezianischen Propaganda Ks. Maximilians in den Jahren ab 1508 vgl. allgemein Wiesflecker, Kaiser Maximilian 5, S. 462-465.