Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Anschlag des Konstanzer Reichstags für den Unterhalt des Reichskammergerichts; [2.] Dessen unzureichender Ertrag im ersten Jahr; [3.] Städte als Hauptträger der Unterhaltskosten des Reichskammergerichts; [4.] Zusätzliche finanzielle Belastung der Städte durch fiskalische Angelegenheiten; [5.] Einforderung von Strafzahlungen der Städte am Beispiel von Nürnberg; [6.] Der Fall Augsburg; [7.] Strenges Vorgehen des Reichskammergerichts gegen Städte am Beispiel von Ulm; [8.] Verpflichtung zur Zahlung der halben Gerichtsstrafen an den Fiskal; [9.] Zahlungsaufforderungen an Städte auf der Grundlage eines inexistenten Anschlags des Reichstags 1500; [10.] Belastung von Stadtbewohnern durch Gebühren für erledigte Gerichtsurteile; [11.] Frage nach Aufgaben und Tätigkeit des Fiskals; [12.] Agieren des Reichskammerrichters und der Beisitzer zum eigenen Vorteil.

[Worms, 23. Februar 1510]1

Augsburg, StadtA, Literalien 1510, o. Fol., Orig. Pap. m. S. (adressiert an Dr. jur. Konrad Peutinger in Augsburg in sein aigen hand).

[1.] Anfenklich so haben die stend des Reichs auf gehalten reichstag zu Costenz ein anschlag gemeinlich auf all stend des Reichs zu underhaltung des camergerichts2 und den dermassen gemacht, so er von allen stenden (als den geschechen solt) gefiel, das der fur das erst jar (aus ursachen, im abschid gemelts reichstags begriffen)3 auf 12 000 fl. reichen würd, und nach laut desselben abschids ferer geordent, wie es nach ausgank des ersten jars gehalten solt werden.4

[2.] Nun ist solicher anschlag des ersten jars ausgeschriben, auch des andern und dits dritten jars widerumb auf ein yeglichen als des ersten jars on einich minderung durch camerrichter, beysitzer und die zuverordenten gesetzt worden. Das nun solicher anschlag des andern, auch tritten jars wider so hoch als des ersten aufgelegt, ist die ursach, das etlich vil Ff., Gff., Hh. und weyt gesessen stet den irs teyls nit entricht noch solichs ton wollen haben, also das von der bezalung der gehorsamen (das sein am meysten die stet, auch prelaten und ander des punds) zusampt der canzley- und fiscalischen gefellen das camergericht des jars hart und nit wol underhalten hat mugen werden. Wa aber des ersten jars genzliche bezalung geschechen, so were so vil zusampt der canzley- und fiscalischen gefellen uberbeliben, das man des andern jars nit den halben anschlag, auch yetzt des tritten jars gar nachent gar keynen aufsetzen het bedurfen, dann mit 8000 fl. und etwas minders, so der beysitzer uber den camerrichter 10 und gleich 2 Gff. darunder seyn, mag man des jars das camergericht, darzu des fiscals [Dr. Christoph Müller] lon und der canzley underhaltung fur all ding wol belonen.

[3.] Dieweyl aber die stet mer dann ander (das man dan waist) zu tringen seyen, auch getrungen und beswert werden, so hat man den anschlag das ander und trit jar wider so hoch aufgesetzt und wierdet die ander 3 kunftige jar, wa es anderst die stet tun wollen (damit man, so die andern nit bezalen, von den stetten das bekumen mug), auch dermassen beschechen und also daraus volgen, das gemainlich allein die stet bisher das camergericht underhalten haben und noch tun würden. Ob aber das leidlich oder zu tun sey, das einer das alles oder den merer teyl bezalen sol, darumb, das ein anderer, der es auch schuldig ist, nichts gibt, mag leichtlich zu bedenken und erstlich nit ein geringe beschwerung sein.

[4.] Und solichs mocht dester ehe (damit das camergericht gehalten würde) zu gedulden sein, wa nit ander beschwerungen daraus volgten. Aber wer der ende ist [= sich am Reichskammergericht aufhält], der befindt, sicht und merkt, das den stetten durch mangerley furdrung und zuschieben und dennocht derjen, den es nit gezimpt, am meysten beschwerungen doselbs zugefugt werden in vil weg, als nemlich mit etlichen fiscalischen sachen, die man furzunemen solicitiert, wie man das nun ein ursach erdenken mag. Und wierdet dennocht in denselben sachen fast schnel geeylt, darin zu handeln ganz kurze zeit, nemlich nun 14 tag und mindere, in der einer seiner partey underricht nit albeg gehaben mag, gesetzt und also einer zu handlen dermassen getrungen, das er nit wol seiner partey notturft einfueren kan noch mag. So understet sich auch der fiscal, was man in sachen wider in schriftlich einlegt, alspald auf dasselb muntlich zu beschliessen und also die sach zu kürzen, damit der ander dester minder zu der gegenwer kumen mug, vermeinend, dieweyl die gefel der fiscalischen sachen camerrichter und beysitzern zugehen, das er sich (er handle, wie er woll) leychtlich keiner nachteyligen urteyl versech kind.

[5.] So vleyst man sich auch und arbeyt darauf nit wenig, wie man die stet der penlichen mandata halber, die wider sy ye zu zeiten und auch nit nach gewonlicher form ausgien (als ob sy denselben ungehorsam sein solten und doch nit seyen, auch zu zeyten dagegen mer dann uberflussig entschuldigung haben), penfellig erkennen und darnach mit andern schweren processen der acht zu einbringung solicher pen ferer noten und tringen mug. Und was under anderm in solichem fal einem ersamen rat der stat Nürnberg von wegen irer schultheis und richter, auch sunst den iren begegne und in was sorgfeltiger beschwernus uber gnugsam, rechtmessig anzaigen und entschuldigung, wo das nit furkomen wierdet, dieselben sten oder noch sten miessen, des hat ein ersamer rat zu Nurnberg guten bericht und wissen. Und wo man in dem zusechen, auch solichem nit begegnen noch das furkumen solt, so ist besorglich, wa es wider die Hh. zu Nürnberg yetzt geschech, das solichs vil mer andern steten hinfur (die des widerstands nit mochten sein) begegnen würde.

[6.] Was auch einem ersamen rat der stat Augspurg uber das, so die reychsversamlung auf jüngstgehaltem reychstag zu Wurms5 beschlossen, auch der hochwirdigest F., mein gnst. H. von Menz, an das camergericht deshalber beschryben hat [Schreiben liegt nicht vor], begegnen und dem zuwider gehandelt werden will, das haben gemelte mein Hh. zu Augspurg auch guten underricht [vgl. Nr. 306]. Dergleychen mainungen mochtn anderer stet halber auch etlich fel und stuck anzaigt werden.

[7.] Wa auch einer herkumpt und uber die stet zu clagen hat, daraus man verhoffen mag, etwas penfelligs oder straflichs zu erlangen, dem wierdet nit ungern zugehort und etwas erkent uber der stet wissenlich freyheyten, wie dann einem ersamen rat der stat Ulm neulich auch begegnet ist. Aber so stet wider ander etwas zu tun haben oder urteyl erlangen, so wierdet mit der execution etwas lanksamer gehandelt.

[8.] Es ist auch wider der ksl. und kgl. freyhaiten, auch des camergerichts alten geprauch neulicher tag am camergericht furgenomen und in der canzley bescheyden, das in den penlichen gepotsbriefen, mandaten, inhibitionen und compulsorialen der halb teyl der pen nit der partey, sunder der ganz teyl dem fiscal zugeaygnet sol werden. Und habn doch die parteyen, die solich mandata oder gepotsbrief aufbringen, so den nit volg geschicht, allein nachteyl daraus und dennocht also durch solich furnemen nach der pen kain macht zu clagen.

[9.] So ist auf jüngstgehaltem reichstag zu Wurms ain abschid des camergerichts halber gemacht,6 dabey die stet nit mer dann den statschreyber zu Wurms [Adam von Schwechenheim] gehabt. Darin dann etwas verporgens allain auf etlich zettel, so Johann Storch, der doch solichs nit gewalt gehabt, ubergeben hat, gestelt ist. Und under anderm darin furgenomen worden, einzuvordern oder einzubringen ein anschlag, der auf dem reychstag zu Augspurg des 1500. jars zu underhaltung des camergerichts gemacht sol sein. Darauf dann yetzt hie zu Wurms vil stend gerechtvertiget und mit urteyl getrungen werden, denselben zu bezalen, unangesehen, das solichs widersprochen und anzaigt worden ist, das in des Augspurgerischn reychstags abschid von solichm anschlag ganz nichts, sunder das widerspil erfunden wierdet, nemlich, das dozumal das camergericht von des Reichs hilf durch das verordent regiment, so zu Nürnberg gewesen ist, besoldet solt werden.7

[10.] So werden auch etwan vil leit und am meystn in stetten, von den man zu bekumen weist, so vor zeiten und jaren am camergericht sachen gehabt, die entlich ausgericht oder sunst verlegen oder aber vertragen worden seyen, mit gepotsbriefen ietzt bey disem camergericht zu losung der urteylbrief gemanet und damit nit wenig beschwert, dieweyl doch solichs andern, under der costen die canzley des camergerichts dozumal underhalten worden ist, pillicher zustund.

[11.] Wa man auch dem articul, in des Reychs abschid zu Costenz des ksl. fiscals halber gesetzt,8 nachgien und vervolgen wolt, so miest eines andern fiscals halber aus vil ursachen fursechung geschechen und demselben nachgedacht werden. Der fiscal handelt auch wenig ausserhalb des, was er vom gericht geheyssen wirdet, also das im das gericht gemeinclich sein sachn ubt, dieweyl inen, auch ime das, so seinethalber erlangt wierdet, zustet, daruber sy dan darnach selbs urteylen.

[12.] Solichs alles entspringt am maistn aus dem, das camerrichter und beysitzern vom anschlag, auch den pen- und fiscalischen, auch der canzley gefellen belonung sol geschechen, und das sy darüber und also in iren aygen sachen auch inen zu nutz oder nachteyl sprechen und selbs richter sein sollen.9 Es sey gleich einer Johannes Baptista, so mag vermut werden, das einer im selbs nichts gern absprech [vgl. Luk 3, 11-14]. Und wa das camergericht hinfur dermassen und mit solicher form underhalten und nit anderst geordent, auch solichs nit furkomen sol werden, ist zu besorgen, das es nimermer recht ton und des soliticierens, auch nachtrachtens, sunderlich wider die stet, wie man von den etwas tringen mocht, so vil werd, das solichs nit zu gedulden sey.10

Anmerkungen

1
 Vgl. Rehlingers Schreiben an Augsburg von diesem Tag, Nr. 306.
2
Heil, Reichstagsakten 9, Nr. 272.
3
  Ebd., Nr. 268 [22.].
4
  Ebd., Nr. 268 [23.].
5
 Im Jahr 1509.
6
Heil, Reichstagsakten 10, Nr. 303.
7
 In den Abschied des Reichstags zu Augsburg inserierte Reichskammergerichtsordnung vom 10. September 1500. Druck: Schmauss-Senckenberg, Sammlung, S. 68 Art. I.
8
Heil, Reichstagsakten 9, Nr. 268 [21.].
9
 Widerspruch zum römischen Rechtsgrundsatz: Nemo iudex in sua causa.
10
In den Kontext städtischer Beschwerden über das Reichskammergericht auf dem Reichstag 1510 gehört auch folgender Eintrag im Frankfurter Ratschlagungsprotokoll unter dem Datum feria sexta post judica [22.3.10]: Als die stet niemant am camergericht haben, mit etlichen von steten zu reden. Frankfurt, IfStG, Ratschlagungsprotokoll 1499-1510, fol. 130b.