Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Supplikation der Hh. von der Leiter an die Reichsstände in Sachen Exekution der Acht gegen Verona und Vicenza; [2.] Gegensupplikationen der Rstt.; [3] Argumente des Innsbrucker Regiments gegen die Rechtmäßigkeit der von den Hh. von der Leiter behaupteten Ansprüche auf Verona und Vicenza, Betonung der Rechte von Ks. und Reich auf beide Städte; [4.] Suspension der erlangten Acht gegen Verona und Vicenza; [5.] Vorgesehene Erwähnung dieser Entscheidung im Reichsabschied.

[Augsburg, kurz vor 22. Mai 1510]1

Augsburg, StadtA, Literalien 1509 Fasz. „Herren von der Leiter 1509-1511“, o. Fol., Kop. (mit einigen kleineren Korrekturen von anderer Hand).

[1.] Als die edlen Johanns der elder und Johanns der junger, Hh. von der Layter, gebrüder, an die stende des Reichs auf disen gehalten reichstag supplicirt haben, daz auf ir erlangt aucht, aberaucht und executorial, die stet Bern [= Verona] und Vicenz betreffend, die Venediger und derselben verwandten nit vergleitet werden noch inen ainich beylegung beschehen solt, und nachmalen denselben stenden ferer müntlich lassen anbringen, wo irer vorigen supplication nit verfolg geschehen und auch yemand, mit den Venedigern gewerb, hantierung oder gemainschaft zu haben, gestatet oder darzu verglaytet werden solten, würde ir notturft erfordern, sich selbs auf bemelt ire executorial zu handhaben etc.

[2.] Dargegen vor denselben stenden durch unser und des hl. Reichs stedt in iren zwayen supplication[en] [liegen nicht vor] ursachen angezaigt, warumb sy und ander die stadt Venedig nit meyden konden noch solhs zu tun schuldig weren, wie uns dann solhs alles von den stenden ubergeben worden ist.

[3.] So haben uns daneben unser regiment zu Insprugk wider die von der Layter auch anbracht, das sy den von der Layter an Bern und Vicenz kainer gerechtigkait gestendig sein, dann ir vorfarn, die von der Layter, weren derselben sted als ir ksl. Mt. vorfaren, röm. Kss. und Kgg., und des hl. [Reichs] allein prefecten gewesen, und ob sy ainich gerechtigkait an denselben stedten gehabt, [wäre] die nit allein inen, sonder auch dem hl. Reich sambt den stedten verlorn. Damit dieselb ir gerechtigkait ir Mt. vorfarn und dem hl. Reich zu beswerlichen und verletzlichen nachtail genzlich verwirkt, auch sonst von wegen derselben stedt wider die röm. Kss. und Kgg. und das hl. Reich nicht ersitzen noch prescribiern mögen. Deshalbn die ksl. Mt. zu widerbringung und handhabung des hl. Reichs oberkait als ain Ehg. zu Österreich ob den 30 mal hunderttausend fl. rh. auf die sachen in Italien gelegt und bemelt stedt in ir Mt. oberkait, gewalt und poseß gebracht. On das die von der Layter die dermassen nie ingehabt, sonder allain in contumaciam wider den Hg. zu Venedig ain urtail erlangt hetten. Deshalben swer, unbillich, auch wider recht und unleidlich were, das solch urtail wider ir ksl. Mt., das hl. Reich, auch irer Mt. haus Österreich oberkait und gerechtigkait furtragen und wirken und darumb von meniglich die stadt Venedig und die strassen daselbshin vermiten beleiben solten, zudem, das solhs on rechtlich ervolgung irer Mt. erblanden an zollen, meuten und sonst irem camergut, auch allen werbenden der ende zu verletzlichen und unwiderbringlichen nachtail und schaden raichen würde. Darauf auch bemelts regiment, desgleichen die stedt umb ir yedes gepürend interesse, recht und gerechtigkait, notturft und gegenwer, ermelt oder noch hierin vorhabend, der sy sich auch nit begeben haben wollen, daz recht wol leyden mögen. Ksl. Mt. ist auch urpitig, ire und die obgemelten interesse, recht und gerechtigkait durch iren und des hl. Reichs fiscal [Dr. Christoph Müller] gegen den von der Layter in recht vertreten und verfechten zu lassen, zudem auch, daz ir Mt. mit den Venediger ain anstal [= Stillstand] erstlich auf anderhalb iar und nachvolgend auf gwaltig handlung und eintringen des Türken durch vermanen und bitten Bäpstlicher Hlkt. und des Kg. von Frankreich in craft ains guetlichen vertrags ain anstal auf fünf jar lang bewilliget, in dem die städt Bern und Vicenz nit anderst verlassen, dann daz ir Mt. irer gemelten interesse, vorderung und gerechtigkait gegen bayden egerurten stedten kainswegs sich begeben noch verzigen haben.

[4.] Auf solchs alles so hat ir Mt. als röm. Ks. aus obgemelten und andren beweglichen, rechtmessigen ursachen, auch aus rechter wissen und ir ksl. machtvolkomenhayt und irer Mt. ledigen ksl. gewalt und macht die bemelt der von der Layter acht, aberacht, executorial und proceß, so allein, wie obstat, in contumaciam erlangt sein, aufgeschoben, angestellt und suspendiert, auch gemaint, erkannt, declariert und gewollt, daz dieselb erlangt acht und aberacht, executorial und proceß als unwirklich und unkreftig die zeit des bemeltn gütlichen anstalls wider die Venediger und bis zu austrag obgemelter gepürender rechtvertigung wider ir Mt., des hl. Reichs stende, des sonder personen und sunst meniglich dem verwandt, durch die von der Layter, ire erben noch sunst yemand anderen von iren wegen nit geprucht, geubt noch gestattet werdn soll noch mug bey der acht und aberacht, auch ainer pen und straf hundert mark lötigs goldes, darin ain yeder, sooft er frefenlich herwider tut, gefallen sein sol, halb in ir Mt. camer und den andern halb tail den beschedigten unableßlich zu bezalen. Es sol auch allen obgemelten parteyen und sonst maniglich, hierin sein gepürend vordrung und interesse zu suchen und zu gebrauchen, wie recht ist, nit benomen sein.

[5.] Solichen abschaid ksl. Mt. und des Reichs stend den Hh. von der Layter auf ir anbringen anzaigen und geben wellen, auch daz der in den abschaid des Reichs gesetzt werde, damit sich meniglich darnach hab zu richten.2

Anmerkungen

1
 Wie aus Nr. 94 [16.] hervorgeht, legten die Herren von der Leiter ihre Supplikation den Reichsständen bereits am 14. März 1510 vor. Die ksl. Entscheidung darüber dürfte vor der Abfassung des Reichsabschieds vom 22. Mai (Nr. 125) gefallen sein, wie sich aus [5.] ergibt.
2
 Im Abschied des Augsburger Reichstags 1510 (Nr. 125) ist über diese Angelegenheit nichts ausgesagt.