Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Ursachen des Krieges gegen Venedig; [2.] Zustandekommen der Liga von Cambrai auf Drängen des Papstes, dessen Ausscheren aus dem Bündnis; [3.] Zustimmung des Ks. zu einer päpstlichen Vermittlungsinitiative; [4.] Deren Scheitern aufgrund des betrügerischen Verhaltens des Papstes; [5.] Mißbräuchliche Verwendung der für die Türkenabwehr gespendeten Gelder durch das Papsttum; [6.] Pflicht des Ks. als Schirmherr der Kirche zur Einberufung eines allgemeinen Konzils, dessen notwendige Durchsetzung mit Waffengewalt gegen den Widerstand des Papstes und Venedigs; [7.] Ungehorsam der Reichsstände gegenüber dem ksl. Aufgebot sowie unzureichende Zahlung des Augsburger Reichsanschlags, daraus resultierende negative Folgen für das Ansehen des Reiches; [8.] Notwendigkeit raschen Handelns, hemmende Wirkung eines Reichstags; [9.] Ersuchen um Zusendung von Geldbeträgen zur Truppenfinanzierung und damit zur Durchführung des geplanten Konzils, Ankündigung von Konsequenzen im Weigerungsfall.1

Weilheim, 20. Mai 1511

Orig. Druck m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: N. Ziegler; der Name des Empfängers ist jeweils handschriftlich in eine freigelassene Lücke eingefügt): Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, MüB 991, Prod. 19 (Präs.vermerk: Praesentiert meinem H. Bm. Sporer uf 6ta post exaudi 1511 [6.6.11]); Augsburg, StadtA, Literalien Personenselekt Kaiser Maximilian I. Fasz. IV, o. Fol. (an Augsburg); Druck: Goldast, Copeylicher Begriff 1, S. 233-235 (an Gelnhausen); Lünig, Reichs-Archiv 13, S. 811-813 (an Gelnhausen).

Teildruck: Angermeier, Regensburgische Chronik, S. 168 (an Regensburg).

Regest: Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 1053 (an Frankfurt).

[1.] Wir, Maximilian etc., embieten unsern und des Reichs lb. getreuen N. Bm. und rate der statt Nördlingen unser gnad und alles gut. Lb. getreuen, uns zweivelt nit, euch und meniglichem sey wissend, das die Venediger etlich hundert iar her der hl. cristenlichen kirchen und röm. Reiche, auch dem Kgr. Neapels und Hgt. Mailand merklich land und leut abgewendt und, als wir in kurzvergangner zeit, gen Rom zu ziehen und unser ksl. cron zu emphahen, fürgenomen, uns daran mutwilliglich verhindert. Dardurch wir ainen krieg gegen inen gefürt und, dieweyl wir darin von dem hl. Reiche mit stattlicher hilf verlassen wurden, einen bestand [= Waffenstillstand] ein anzal iar mit inen gemacht haben.

[2.] Wiewol nun nachmals vor ausgang desselben bestands unser Hl. Vater, Babst Julius der ander, solchen der Venediger gewaltigen abzug und verhinderung bedacht und aus bäbstlicher macht sy in den höchsten bann getan und denunciert und uns, auch den durchleuchtigen Kgg. zu Frankreich und Aragonia, unsern lb. bruedern, mit seiner Hlkt. in ein confederation und puntnus [= Liga von Cambrai] ze kumen und mit herescraft wider dieselben Venediger zu ziehen, bey sweren penen geboten und darauf wir vier, Babst und Kgg., samentlich einen offenbaren krieg angefangen und understanden, die gemelten unser abgedrungen land und leut widerumb zu erobern, als zum teil beschehen ist, ungezweyvelt, wo wir noch zumal einich austräglich hilf von dem hl. Reiche gehabt, wir hetten alles das, so demselben zugehört, wider darzuebracht. So hat doch darüber derselb Babst Julius, sobald er seinen willen mit dem, das der kirchen zugehört, erlangt, sein hilf von uns und andern seinen pundsverwandten abgekert und on unser aller wissen und willen die Venediger des pannes widerumb absolviert und entlediget und sich des nit settigen lassen, sunder darzue in der Venediger hilf begeben und unser helfer und anhenger, als den Hg. von Ferrar, den Gf. von Mirandula und ander des Reichs gelider und undertanen, mit hilf der Venediger gewaltiglichen überzogen, inen etlich sloß und stett abgedrungen und sich gegen uns und unsern pundsverwandten also widerwertig gehalten, das wir dazumal weyter gegen den Venedigern nichts handlen mügen und sy dardurch vil sloß und stett, die wir inngehebt, widerumb eingenomen haben.

[3.] Als aber Babst Julius in solchem unser und unser pundsverwandten unlust und beswerung gemerkt, hat er uns hoch ersucht und gebeten, im zu vergönnen, gütlich in der sachen zu tädingen. Das haben wir mitsambt unsern pundsverwandten zu vermeidung weyter verderbens und blutvergiessens zugelassen und deshalben unsern F., den Bf. von Gurk, und ander unser treffenlich räte, fünf von teutscher und sechs von welscher nation, zu im gesandt mit volmechtigem gewalt, ein entlich rachtung und friden mit den Venedigern umb den zweiten tail dess, so uns und dem Reiche in der berürten confederation und pundnus zugeteilt worden, anzunemen und zu besliessen, wiewol dasselb ganz ungepürlichen gewesen ist. Aber damit wir in aller gütigkeit und barmherzigkait gespürt und gefunden werden, so haben wir doch solchs nachgeben wellen.

[4.] Und so wir uns nu versehen hetten, das darin kein mangel erscheinen solt, berichten uns yetz dieselben unser räte, das Babst Julius den Venedigern mit herzen und gemüt wie vor genaigt und anhengig und durch sein blosse handlung und verachtlich mittel, die sich alle auf einen betrug und entlich dahyn lenden, das, so wir noch von den Venedigern innhaben, hernach auch zu verlieren, und die uns in keinen weg anzenemen gepürlich noch leidenlichen, die gütlicheit ganz zerslagen sey. Dabey ir und ein yeder verstendiger den grossen ungelauben und betrug, der uns und unsern pundsverwanten in solchem begegnet, und zu was verhinderung, smach und schaden das dem hl. Reiche und teutscher nation raichet, erkennen und ermessen mügen.

[5.] So ist auch offembar, das in dem bebstlichen gewalt und regiment, so allen cristglaubigen gut exempel und beyspil vortragen solt, merklich unordnung gehalten und der überflüssig schatz, so täglichs an gelt, den merern teil aus teutscher nation, an den bäbstlichen hof kumet, mer zu triumph und andern weltlichen sachen dann zu Gots dienst oder widerstand der ungelaubigen gebraucht und verswendt wirdet, als sich aus dem, das die Türggen und ander anfechter des creuz Cristi, unsers schöpfers und hailmachers, täglichs vil cristenlich land und leut in iren gewalt bringen, dem zu widerstand durch weilend unser vorfaren am reiche, Kgg. und Kss., merklich almusen und darzue vil land und leut, die iärlichen on alle oberkait ob 500 000 ducaten gült ertragen, den Bebsten gegonnt, zugelassen und gegeben und die sy auch selbs betruglicherweise an sich gezogen und bracht, dardurch wir und unser nachkomen als röm. Kgg. und Kss. auf disen tag nit ainen fl. gelts in Italien haben, laider offenbarlich erscheint und erfindet.2

[6.] Und so dann uns als röm. Kg. und erweltem röm. Ks., vogt und beschirmer der cristenlichen kirchen, in solich unordenlich wesen zu sehen und die eer und lob Gots, darauf dieselb cristenlich kirch gewidemt ist, auch behaltung und merung unsers hl. gelaubens und des röm. Reichs allezeit emsiglich zu betrachten und zu fürdern, gezimet und zusteet und die merklich notdurft erfordert, in gaistlichem und weltlichem stand loblich ordnung und wesen zu machen und aufzerichten, haben wir beslossen, ein gemain concilium und versamblung der ganzen cristenhait, on das nichts fruchtberlichs gehandelt werden mag, zu berufen und zu halten. Dieweil aber Babst Julius, villeicht aus sorgen, das mit willen nit zulassen, sonder zu verhinderung desselben guten werks den Venedigern für und für anhangen wirdet, so muß aus not das swert gegen im und denselben Venedigern gebraucht werden. Darzue die gemelten unser pundsverwandten mit aller macht geschickt und willig sein.

[7.] Nu haben wir vormals ernstlich gebotsbrief an euch und all ander stende des hl. Reichs ausgeen lassen, uns auf den ersten tag des nechstvergangen Aprilen mit aller macht in velde zuzeziehen [Nr. 734 [3.]]. Wo das beschehen [wäre], wäre uns und dem Reiche ein eerlicher friden erlangt. Aber uns ist darauf nit allain alle ungehorsame erzaigt, sonder auch die hilf, so uns auf dem nechstgehalten reichstag zu Augspurg zugesagt worden, den mindern teil und dannocht zu unzeiten geraicht. Aus dem wir, mit der streng dagegen zu handlen, wol ursach gehabt hetten, aber wir haben das, wie allwegen, aus miltem gemüt underlassen. Dardurch sein wir als ain regierer des Reichs, auch die ganz teutsch nation gegen freunden und veinden in ewig vercleynung gefallen und haben die sloß, stett und flecken, so wir vormals erobert, den merern teil wider verloren und die überigen mit unserm camergut und unser erblichn undertanen hilf swärlich underhalten gehabt und noch dermassen, das damit unser camergut und erblich undertanen merklich erschöpft und des lenger nit wol vermüglichen sein. Darumb wir in unserm herzen und gemüt gros beswerung tragen, das die teutsch nation und röm. Reiche iren eerlichen titel und gut geruch, so unser eltern mit irem swären blutvergiessen und adelichen taten erlangt haben, bey unsern zeiten verlieren und unser getreuer vleyß, müe und arbait mit darstreckung und verswendung unsers leibs und guts so gar verechtlichen angesehen und das auch von des Reichs gelidern und undertanen, wie bey andern nationen, nit bedacht werden soll, so es uns als irem herren glücklichen und wol zustünde, das inen solchs auch zu eer und nutz diente.

[8.] Darzu wisst ir, das die reichstäge in manigfaltigen guten sa[c]hen mer costen und versaumbnus dann fruchtberkait bracht haben und das sich entlich zu versehen und gewis ist, das der Babst, auch die Venediger und ir helfer ir macht, damit sy yetz ganz geschickt sein, wider uns, das hl. Reiche und unser pundsverwandten, das concilium zu verhüten und ir überig abgedrungen land widerumb zu erobern, auf disen tag brauchen werden. Deshalben die sach kainen verzug aines reichstags, den wir in craft des abschids zu Augspurg [Nr. 125 [14.]] zu halten willig gewesen weren, daran wir aber aus merklichen ursachen, die ir in unserm nächst ausschreiben [Nr. 754 [1.]] nach der leng vernomen habt, verhindert werden, gedulden noch erleiden kan und wir yetz mit unser selbs und unser erbland hilf in aigner person gestracks den veinden nähnen [= nähern] und zuziehen.

[9.] Demnach ermanen wir euch der phlicht und gehorsam, damit ir Got, unserm schöpfer, auch nachmals seinem hl. glauben und uns als desselben vogt, beschirmer und euerm rechten, natürlichen herrn, von den bayden ir seel, leben und herrschung habt, darzu aller der gnaden und guttaten, die euch von weilend unsern vorfarn, röm. Kss. und Kgg., uns und dem hl. Reiche ye beweist sein, bey privierung und entsetzung aller euer regalia, lehen, gnaden und freyhaiten und was ir von uns und dem hl. Reiche habt, darzu unser und des Reichs sweren ungnad und straf, von röm. ksl. macht ernstlich mit disem brief gebietend, und wellen, das ir das alles, wie vor geschriben steet, und sonderlich euer vorfaren lieb, gehorsam und getreue dienstperkait, die sy zu Got, dem hl. Reiche und teutscher nation getragen, dardurch sy euer und aller Teutschen gegenwürtigen eere und vermüglichait erlangt, desgleichen unser als euers regierers unerhörts darstrecken unsers leibs und guts, auch große gedult, die wir bisher in aller widerwertikait und ungehorsam, so uns täglichs begegnet ist, gelitten haben, bedenket und zu herzen nemet und nit in gedechtnus fasset die alt gewonhait der vil gehalten reichstäge versaumbnus und unerschießlicheit und darauf von stund an zu angesicht ditz briefs uns mit barem gelt, das sich sovil laufet, als ir uns, an leuten zuzuschicken und sechs monat lang in veld zu halten, auf das höchst vermügen hierin zu hilf und statten komet und mit andern unsern und des Reichs stetten, die zu nechst umb euch gelegen sein, dess veraynet und vertraget, das ir ain verstendige person nemet und uns also samentlich solch gelt und hilf bey demselben den nechsten in das velde sendet. Den wellen wir in rat und tat neben andern des Reichs steenden prauchen und von demselben euerm gelt das fußvolk, dess wir yetz ain merklich anzal an den veinden haben und täglichs mer bestellen, bezalen und underhalten, wo ir euch aber desselben mit andern euern nechstgelegnen stetten nit vergleichen möchtet, uns das berürt euer gelt in ander weg abermals von stund ins veld zuschicket und hierin auf niemands andern waigert, wartet noch verziehet und uns also mit rat und tat helfen solch obbestymbt götlich und loblich fürnemen, das gemain concilium aufzurichten und die, so sich dawidersetzen und das zu verhindern understeen wolten, zu strafen und zu gehorsam ze bringen. So sein wir zu Got ungezweyvelter hoffnung, mit derselben euer und ander unser gehorsamen stende und undertanen hilf, auch mit darstreckung unser selbs leibs und gut, soweit das noch geraichen mag, solch sachen zu gutem ende ze pringen, damit die hl. cristenlich kirch, das röm. Reiche und teutsche nation in gut, selig und loblich ordnung, frid und rue ewiglich bracht werde. Daran tuet ir zusambt dem lon und lob, so ir on zweyvel von Got und der welt darumb emphahen werdet, unser ernstlich maynung und danknem gefallen, das wir mit allen gnaden gegen euch erkennen und zu gutem nymer vergessen wellen. Dan solte uns hierin die natürlich gehorsam gewaigert und abgeslagen werden, köndet ir selbs ermessen, das uns, die angezaigt gedult verrer zu tragen, unleidenlich were. Wir wolten uns auch also in die sachen schicken, das uns hinfür dergleichen nit mer begegnen solt, das wir doch lieber vermeiden. Das wolten wir euch nit verhalten. Geben zu Weylhaim in Beyern vor dem gebürg am 20. tag des monets May nach Cristi geburt 1511, unserer reiche des röm. im 26. und des hungerischen im 22. jarn.

Anmerkungen

1
 Zur propagandistischen Zielsetzung dieses und anderer Mandate, die Ks. Maximilian im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Venedig seit Herbst 1510 ausgehen ließ, vgl. Diederichs, Kaiser Maximilian I., S. 56-62.
2
 Ähnliche Vorwürfe gegen das Papsttum hatte Ks. Maximilian bereits in seiner am 18. September 1510 in Überlingen erstellten Instruktion für seinen Sekretär Jakob Spiegel zu einer Werbung bei dem Humanisten Jakob Wimpfeling geäußert. Darin heißt es, er sei entschlossen, das Reich vom Joch der Kurie zu befreien und zu verhindern, daß weiterhin derart große Geldsummen aus dem Reich nach Rom transferiert würden wie bisher. Hierfür möge Wimpfeling Vorschläge unterbreiten. Druck: Knepper, Jakob Wimpfeling, Nr. 23. Wimpfeling erstellte daraufhin ein Gutachten mit insgesamt zehn Gravamina der deutschen Nation gegen die Kurie, das er dem Ks. am 1. November 1510 übersandte. Druck: Lünig, Reichs-Archiv 2, S. 299-302. Zum Ganzen vgl. Ulmann, Studie; Gebhardt, gravamina, S. 77-90; Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen, S. 121-133; Friess, Beziehungen, S. 294-306; Tewes, Kurie, S. 305-307.