Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Für die Bearbeitung und Präsentation des für den Regensburger Reichstag von 1541 erschlossenen Aktenmaterials gelten die unter Leitung von Heinrich Lutz bis zu seinem Tod 1986 erarbeiteten und vereinbarten, in Bd. X der Reichstagsakten Jüngere Reihe erläuterten Richtlinien1. Ihre spätere Modifikation, die vornehmlich darauf abzielte, den Arbeitsaufwand insgesamt und den Umfang der Bände zu reduzieren2, konnte nur noch teilweise berücksichtigt werden. So wurden die Recherchen zur Erschließung des Materials für den vorliegenden Band noch nach dem Vollständigkeitsprinzip durchgeführt. Dabei wurde auch die unmittelbare Vorgeschichte des Reichstages in Grundzügen dokumentiert, vor allem um die Differenzen in der Führung der protestantischen Partei und die von Bayern propagierte Konfrontationsstrategie auf altgläubiger Seite zu vergegenwärtigen. Auch wurde die erschlossene Korrespondenz weitgehend in die Edition, nicht zuletzt in den Anmerkungsapparat eingearbeitet, um die enorme konzeptionelle Bandbreite ständischer Reichstagspolitik zu belegen, die wie im Fall Nürnbergs im Wesentlichen auf die Förderung eigener partikularistischer Interessen konzentriert oder wie im Fall Frankfurts ungefähr zu gleichen Teilen sowohl partikular als auch allgemein religions- bzw. reichspolitisch motiviert sein konnte oder wie im Fall Kursachsens oder Bayerns mit einem pointierten religionspolitischen Profil massive machtpolitische Ambitionen verband. Die in ständischer Perspektive stark differierende Wertigkeit zentralen Handelns darf als prägnantes Merkmal der Reichstage unter Karl V. gelten. Darüber hinaus kommt der Korrespondenz aufgrund der unzulänglichen protokollarischen Überlieferung erhebliche Bedeutung für die Klärung sachlicher Zusammenhänge und die Rekonstruktion der Entscheidungsprozesse und der Arbeitsweise des Reichstages zu3. Diesem Befund ist editorisch durch eine entsprechend diffe renzierende, hinreichend breite Präsentation des ständischen Quellenmaterials angemessen Rechnung zu tragen.

Die stärkere editorische Berücksichtigung der Korrespondenz erscheint auch deshalb vertretbar, weil ein erheblicher Teil des religionspolitisch relevanten Aktenmaterials in der von Klaus Ganzer und Karl-Heinz Zur Mühlen betreuten Edition der Akten des Regensburger Religionskolloquiums bereits im Druck vorliegt und deshalb ausgespart werden kann4. Ähnliches gilt für das Wormser Kolloquium5, das als Vorlauf zum Regensburger Gespräch fungierte. Aufgenommen in den Band werden deshalb nur diejenigen die Religionspolitik tangierenden Stücke, denen in der Entwicklung der kaiserlichen Reunions- und Reichspolitik ein besonderer Stellenwert zukam bzw. die im Rahmen der Verhandlungen über Friede und Recht relevant wurden.

Diese späten Verhandlungen des Reichstages nahmen bekanntlich einen ganz anderen Verlauf, als in seiner Vorphase intendiert war, die das einleitende Kapitel über seine Ausschreibung, Vorbereitung und Organisation vom Herbst 1540 bis Ende März 1541 dokumentiert. Ergänzt wird dieser Überblick durch die in Kapitel II zusammengestellten Instruktionen, die die geplanten Verhandlungsgegenstände aus der Sicht einzelner Stände thematisieren, reichspolitische Konzeptionen formulieren bzw. die Bedeutung des Reichstages für die Lösung partikularer Probleme und die Wahrung territorialer Interessen erkennen lassen. Die Instruktionen wurden durchweg in extenso abgedruckt, um die hohe Variabilität ihrer inhaltlichen Ausgestaltung zu demonstrieren, deren Spektrum von wenigen Bemerkungen der Stadtverwaltung von Oberehnheim oder knappen, ganz pauschalen Weisungen über Exemplare, die partikulare und reichs politische Agenden ungefähr gleichgewichtig abhandeln, bis hin zu den sehr ausführlichen, religions-, reichs- und territorialpolitischen Vorschriften reichte, die der Kurfürst von Sachsen seinen Reichstagsgesandten einschärfte. Da in Regensburg relativ viele Fürsten persönlich anwesend waren und die Verhandlungen unmittelbar persönlich beeinflussen konnten und nicht alle Reichsstädte ihre Gesandten schriftlich instruierten, liegt für den Reichstag von 1541 nur eine beschränkte Anzahl von Instruktionen vor, so dass sich der editorische Aufwand in Grenzen hält. Ähnliches gilt für die protokollarischen Niederschriften, die den Gesamtverlauf des Reichstages bzw. einzelne Verhandlungsphasen dokumentieren und ebenfalls eine hohe formale Variabilität aufweisen. Das kurbrandenburgische Votenprotokoll zu den Verhandlungen im Kurfürstenrat ist allerdings nur bruchstückhaft überliefert. Die protokollarische Niederschrift der Mainzer Kanzlei kann dieses Defizit nicht ausgleichen. Dies gilt auch für die Verlaufsprotokolle, die die Gesandten Herzog Heinrichs von Sachsen, Herzog Ulrichs von Württemberg und der Stadt Esslingen zur rechtfertigenden Berichterstattung gegenüber ihren Auftraggebern anfertigten, und für die zur Information seines Bruders verfassten protokollarischen Berichte Christophs von Kreytzen über das äußere Reichstagsgeschehen. Als instruktiver erweist sich das ausführlichere Verlaufsprotokoll des Würzburger Sekretärs Ewald Kreutznacher, der neben den Angelegenheiten des Hochstifts auch die Verhandlungen über die allgemeinen Agenden des Reichstages kontinuierlich verfolgte.

Diese Beratungen wurden am 5. April durch die kaiserliche Proposition, zu der mehrere Entwürfe überliefert sind, eröffnet. In der darauf folgenden ersten Phase des Regensburger Reichstages standen von Anfang April 1541 bis Ende Mai 1541, bis zur Übergabe der Kolloquiumsakten an den Kaiser, die Organisation und die Steuerung des Religionsgespräches im Zentrum der Aktivitäten. Das dabei anfallende bzw. darauf bezogene Aktenmaterial wird im ersten Abschnitt von Kapitel IV zusammengefasst. Die im zweiten Teil dieses Kapitels abgedruckten Akten und das folgende Kapitel V belegen dann die nach dem Scheitern des Reunionsprojektes im Juni und Juli 1541 geführten Verhandlungen über Religion, Friede und Recht bzw. über die Türkenhilfe, die nach Bewilligung der eilenden mit Resolutionen zur beharrlichen Hilfe bzw. nach der Revision der ursprünglichen religionspolitischen Lösungskonzeption der kaiserlichen Regierung mit einer reduzierten Übereinkunft und der Bewilligung der Deklarationen Karls V. zum Reichsabschied enden. Neben der religionspolitischen Opposition der katholischen Aktionspartei verdienen dabei besonderes Interesse vor allem die Verhandlungen mit den protestantischen Ständen über die Konditionierung ihrer Hilfszusage und der verfassungspolitisch brisante Konflikt der Reichsstädte mit den beiden oberen Kurien über ihre Session und Stimmführung am Reichstag. In beiden Debatten aktualisierten sich bedeutsame Entwicklungslinien, die zum einen zum Religionsfrieden und zum anderen schließlich zum Stimmrecht der Städte auf Reichstagen führten.

Ein eigener Stellenwert kommt daneben den Verhandlungen über das Geldernproblem zu, das der Kaiser Anfang Juli 1541 zur Diskussion stellte und das sich nicht, wie von den Reichsständen intendiert, auf dem Wege der Supplikation neutralisieren ließ, mithin zukunftsoffen blieb und erst 1543 militärisch gelöst werden konnte. Es empfahl sich deshalb, die in diesem Kontext angefallenen Akten in einem eigenen kleinen Kapitel zusammenzufassen.

Davon und von dem im Kapitel VII zusammengestellten Material zu Sessionsstreitigkeiten grenzt sich die große Gruppe von Akten deutlich ab, die im offiziellen Supplikationsverfahren eingereicht und behandelt wurden und in Kapitel VIII wiedergegeben sind. Dabei handelt es sich neben Anträgen auf Steuerbefreiung, auf Verleihung bzw. Erweiterung von Privilegien, auf Bestätigung von Sessionsansprüchen und auf Begnadigungen in Strafsachen oder um die Vertretung besonderer Interessen wie in der Eingabe der Rappenmünzgenossen vor allem um rechts- und sicherheitspolitische Anliegen der schmalkaldischen Verbündeten, um die Verteidigung der Reichsstandschaft des Herzogs von Savoyen und der Bischöfe von Meißen und Merseburg, um deren Restitution im Fall der Stadt Mühlhausen in Thüringen, um die Bemühungen um Aufhebung bzw. Suspension der gegen Herzog Albrecht von Preußen verhängten Reichsacht und um Beschwerden und Vorwürfe gegen Herzog Heinrich von Braunschweig, den vor allem die schmalkaldischen Verbündeten, die Stadt Goslar und Valentin von Tetleben als Bischof von Hildesheim mit schwerwiegenden Klagen und Forderungen in Misskredit zu bringen suchten. In all diesen Fällen ist die unter den gegebenen Umständen latente politische Sprengkraft der genannten Konflikte unverkennbar. Daraus resultiert die Legitimation der Entscheidung, diese Auseinandersetzungen editorisch angemessen zu belegen.

Das anschließende kleine Kapitel ‚Varia‘ wird neben einigem divergentem Material die beiden reichspolitisch wichtigen und folgenreichen Verträge Karls V. mit Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Joachim von Brandenburg enthalten. Dieser Erfolg der kaiserlichen Politik war zwar nicht im Rahmen der eigentlichen Reichstagsverhandlungen erzielt worden, darf aber ihrem unmittelbaren Umfeld zugeordnet werden.

Das folgende umfangreichere Kapitel, das die Reichstagskorrespondenz zusammenstellt, setzt mit einzelnen Belegen bereits im Spätjahr 1540 ein, um die allmähliche Orientierung der politischen Kräfte auf den bevorstehenden Reichstag hin zu vergegenwärtigen, erreicht aber erst mit den Akten aus dem März und April 1541 größere Informationsdichte und Aussagekraft. Sein Schwerpunkt liegt allerdings erst im Briefwechsel der Reichstagsbeteiligten mit ihren Auftraggebern während des Juni und Juli 1541, als sich die Verhandlungen in Regensburg intensivierten. Aufgenommen werden darüber hinaus auch einige Stücke aus dem August und September 1541, weil sie in engerem Zusammenhang mit dem Reichstag zuzuordnenden Dispositionen und Konsequenzen stehen. Neben der sehr bedeutsamen kursächsischen Überlieferung in Weimar findet sich vor allem in den reichsstädtischen Beständen in Augsburg, Frank furt, Köln, Nürnberg, Nördlingen und Konstanz reiches, ergiebiges Material. Hinzu kommen einige fürstliche Überlieferungen aus den Archiven in Würzburg, Karlsruhe, Stuttgart, Marburg und Hannover. Dieses breite Spektrum der edierten Korrespondenz bietet die Möglichkeit, die Defizite und Mängel der verfügbaren protokollarischen Niederschriften zum Reichstagsgeschehen annähernd auszugleichen.

Die überlieferte Korrespondenz der habsburgischen Geschwister und ihrer Räte wurde nur berücksichtigt, soweit sie die Regensburger Verhandlungen und damit zusammenhängende kaiserliche Interessen betraf. Die Berichte des Legaten Contarini und des Nuntius Morone konnten nur in kommentierenden Hinweisen in den Fußnoten ihren Niederschlag finden6. Sonstige Korrespondenzen von am Kaiserhof akkreditierten Diplomaten ausländischer Mächte kamen für die Edition nicht in Betracht, weil ihr Informationsstand nicht hinreichend zuverlässig schien.

Den Abschluss des Bandes, der den Gesamtertrag des Reichstages in konzentrierter Redaktion zum Ausdruck bringen soll, bilden der Reichsabschied, der Abschied der Reichsstädte und die Abschiede der protestantischen Stände und der schmalkaldischen Verbündeten. Hierher gehören außer den Protestationen auch die beiden Deklarationen, die den offiziellen Konsens, den der Reichsabschied suggerierte, modifizierten.

Auf die Wiedergabe des Protokolls, das die Aktivitäten des unter der Leitung Pfalzgraf Friedrichs amtierenden deutschen Hofrates verzeichnet7, wird verzichtet. Es enthält lediglich zahlreiche, oft nur rudimentäre, im Übrigen an vielen Stellen nicht zuverlässig rekonstruierbare Notizen zur allgemeinen administrativen Geschäftsführung der kaiserlichen Regierung, die während des Reichstages mit diversen Gesuchen und privaten Supplikationen, Belehnungen, Verleihung bzw. Besserung von Wappen, Prozessangelegenheiten, Anträgen auf Geleit, Vergabe von Titeln und Privilegien, Gewährleistung der Rechte von Juden etc. befasst war.

Anmerkungen

1
 Vgl. Aulinger, Rosemarie (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., Bd. X: Der Reichstag zu Regensburg und die Verhandlungen über einen Friedstand mit den Protestanten in Schweinfurt und Nürnberg 1532, Göttingen 1992 (Deutsche Reichstagsakten Jüngere Reihe Bd. X), Einleitung S. 64–69 die Erläuterungen über Groß- und Kleinschreibung, Buchstabenbestand, Interpunktion, Siglen, Abkürzungen, Wiedergabe fremdsprachiger ungedruckter Texte etc.
2
 So sollte die Anzahl der zu berücksichtigenden Archive reduziert, die Materialsammlung beschränkt und die Aktenauswahl restriktiv gehandhabt werden. Die Akten sollten in der Edition in möglichst knapper Form präsentiert und nur sehr sparsam kommentiert werden.
3
 Vgl. Oestreich, Gerhard: Zur parlamentarischen Arbeitsweise der deutschen Reichstage unter Karl V. (1519–1556). Kuriensystem und Ausschußbildung, in: MÖSA 25 (1972), S. 217–243; Neuhaus, Helmut: Wandlungen der Reichstagsorganisation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Kunisch, Johannes (Hrsg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, Berlin 1987 (ZHF.B 3), S. 113–140; ders. : Reichstag und Supplikationsausschuß. Ein Beitrag zur Reichsverfassungsgeschichte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Berlin 1977 (Schriften zur Verfassungsgeschichte Bd. 24); Moraw, Peter: Versuch über die Entstehung des Reichstags, in: Weber, Hermann (Hrsg.): Politische Ordnung und soziale Kräfte im alten Reich, Wiesbaden 1980 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Abt. Universalgeschichte Beiheft 8, Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches Nr. 2), S. 1–36 und Luttenberger, Albrecht P.: Reichspolitik und Reichstag unter Karl V. Formen zentralen politischen Handelns, in: Kohler, Alfred/Lutz, Heinrich (Hrsg.): Aus der Arbeit an den Reichstagen unter Karl V. Sieben Beiträge zu Fragen der Forschung und Edition, Göttingen 1986 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Bd. 26), S. 18–68.
4
 Vgl. Ganzer, Klaus/Mühlen, Karl-Heinz zur (Hrsg.): Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jahrhundert, Bd. 3: Das Regensburger Religionsgespräch (1541), 2 Teilbde., Göttingen 2007 (Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jahrhundert Bd. 3).
5
 Vgl. Ganzer, Klaus/Mühlen, Karl-Heinz zur (Hrsg.): Akten der deutschen Religionsgespräche im 16. Jahrhundert, Bd. 2: Das Wormser Religionsgespräch (1540/41), 2 Teilbde., Göttingen 2002 (Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jahrhundert Bd. 2). Vgl. dazu auch Luttenberger, Albrecht P.: Zur Reunionspolitik Karls V. Zur Verhandlungsführung Granvelles auf dem Wormser Kolloquium 1540/41, in: Appl, Tobias/Köglmeier, Georg (Hrsg.): Regensburg, Bayern und das Reich. Festschrift für Peter Schmid zum 65. Geburtstag, Regensburg 2010, S. 309–344.
6
 Zu Contarini vgl. Luttenberger, Albrecht P.: Kaiser, Kurie und Reichstag: Kardinallegat Contarini in Regensburg 1541, in: Meuthen, Erich (Hrsg.): Reichstage und Kirche, Göttingen 1991 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Bd. 42), S. 89–136.
7
 Protocollum Dietae Ratisponensis anno 1541 a mense Martio usque Augustum, desideratur mensis Julius, Regensburg 1541 März–Juni 3, Wien HHStA, RK RTA 7 Konv. VII, unfol.