Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Weimar HStA, EGA, Reg. E 136, fol. 371r–377v (Ausf.); DV v. a. Hd. fol. 377v: Schreiben, wie die handlung der strittigen religion sey furgenomen und vor solcher ksl. Mt. den verordenten handelspersonen ein buch ubergeben lassen, auch heftig umb reformation der kirchen angehalten etc., das Pfgf. Friderich auß kayserlichem befehl ihnen deß Bf. zu Meissen schrift zugestalt, item, was der Bf. von Hildeßheim ihnen ubergeben etc., auch was der landgraff Philippo angezeigt etc.

Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,1, Nr. 81 , S. 133–135; Corp. Reform. IV, Nr. 2212, Sp. 253–256.

Nachdeme eur L., kfl. und fstl. Gn. wir jungst am datum Freitags nach Quasimodogenitij [1541 April 29] [Nr. 609] geschrieben und angetzeigt, daß die benannten sechs theologen sampt den andern dartzu verordenten a personnen die handlung der strittigen religion den Mitwoch [1541 April 27] zuvor furgenomen, weren wir wolh bedacht gewesen, eueren L., kfl. und fstl. Gn. vor deß bericht, wie es mit dem anfang solcher handlung, auch furder sich zugetragen und damit ein–a gelegenheit hett, furzuwenden, so haben wir doch biß doher solchs derhalben vertzogen, damit wir sehen und vermercken, wie sich die sachen anlassen, und eueren L., kfl. und fstl. Gn. desto aigentlicher antzaige und bericht thun möchten etc. b Und hat diese gelegenheit: Erstlich, wie berurte personnen zu der handlung griffen, hat die ksl. Mt. ein buch, welchs wie Mag. Philippus antzeigt Dr. Martino, ime und andern theologen zu Wittennberg zuvorn, eher wir anher verraiset, durch den marggraven churfursten uberschickt worden, uberantworten und daneben vermelden lassen, das solches umb zurichtung der sachen geschehe, mit angehaftem, gnedigstem begern, das die verordenten dasselbige besichtigen und, was der gotlichen geschrift und warheit ungemeß darinnen were, corrigirn und bessern und, waß cristlich, bleiben lassen, auch sich in dieser vorstehenden handlung, damit ein cristliche concordia gefordert, cristlichen und freuntlichen gegeneinander ertzaigen wolten etc.1 Als hat man solch buch vor die handt genohmen und die fordern artickel biß auf den artickel der justification gelesen, aber nicht darinnen geschlossen, dann Dr. Eck hat etzliche puncten angefochten. So haben es die unsern auch nicht allenthalben approbirt. Darumb es also hangend blieben und der artickel von der justification vorgenohmenc und, nachdeme beide tailh an demselbigen artickel, wie er im buch gestelt, mangel und beschwerung gehapt, haben die theologen jhennes tails einen artickel von der justification gestelt und dieses tails theologen ubergeben, welche aber denselben nicht apporbirn können, sondern dargegen einen andern gestelt und ubergeben, der dan dem andern tailh auch nicht gefallen und haben sich also die disputation hin und wider zugetragen, biß sie sich doch letzlich eines artickels verglichen, welcher von den theologen diß tails in der substantz mitnichten der confession und apologia zuwider oder ungemeß geachtet wirdet, auch an worten clar gnug, daß er zu keinem mißverstant moge gedeutet werden und, obwol solcher artickel etwas kurtz und weiter erclerung bedurftig, so ist doch derselbig in der confession und apologia gantz wol erclert, welchen man diß teils in alle weg vorzubehalten und darinnen nichts zu begeben bedacht und entschlossen. Und ist durch Gottes gnaden dohin komen, das hirauß scheinlich zu befinden, daß der artickel der justification, wie der bißanher von diesem tailh bekanntd, vor cristlich und recht, auch vom andern tailh, soferne der artickel von den stenden bewilligt, geachtet muß werden, wie euere L., kfl. und fstl. Gn. aus beiverwarten copeien deutsch und lateinisch zu vernehmen befinden werden2.

Nun schreittet man itzunder zu den andern artickeln fort und ist gleichwolh auch der artickel von der kirchen gewalt oder auttoritet, dieweil man sich des nicht vergleichen mogen, aufgeschoben3, dann sich die theologen diß tails standhaftig und wolh bißanher gehalten und in sonderheit hat sich Mag. Phillipus auch in gegenwertigkeit der verordenten theologen und der andern vernehmen lassen, das er eher sterben dann ichtes wider seine gewissen und warheit einreumen wolte, dan er muste doch darum des todes sein, konnte es in seinem gewissen nicht uberwinden etc.

Die ksl. Mt. helt fast heftig an, also daß es bei vilhen dafur gehalten, es sei irer Mt. ernst, ein reformation der kirchen furzunehmen4. So haben sich die verordenten theologen des andern tails selbst vernehmen lassen, es seint so vil und grosse mißbreuch in der kirchen eingerissen, das einer reformation hoch vonnöten–b. Wir wollen in kurtz innenwerden, wie es sich mit den uberigen artickeln ferner will zutragen. Und werden die theologen diß tails mit Gottes hulf nichts begeben, wie inen auch dasselbig mermals e angetzaigt, daß sie bei der confession und schmalkaldischenn ratschlag und beschluß bleiben sollen, dartzu sie dann selbst geneigt–e. Was sich weitter in berurter handlung und sonst alhie zutregt, daß wollen eueren L., kfl. und fstl. Gn. wir zum forderlichsten hernach berichten. [...]. Datum Regennspurg, Dornnstag nach Misericordia domini anno etc. 41.

[1. Zettel:] Eurn L., kfl. und fstl. Gn. wollen wir auch nicht verhalten, daß uns Pfgf. Fridrich auß bevelh der ksl. Mt. durch seiner L. und fstl. Gn. secretarien zwo schriften, damit der Bf. von Meissenn an die ksl. Mt. gelangt und sich uber euere L., kfl. und fstl. Gn. und derselben vetter, Hg. Heinrichenn zu Sachssenn etc., bei irer ksl. Mt. hart beschwern und beclagen thuet5, mit angehaftem begern, darauf bericht zu thun etc. Als haben wir uns mit bemelts Hg. Heinrichs zu Sachssen etc. rethen derwegen underreden wollen, so berichten sie, daß sie des bischoffs halben nit weiter, dann sovil die session anlanget, bevelh hetten. Sie wolten aber solchs an iren herrn gelangen, desgleichen wir uns hinwider vernehmen lassen. Und thun demnach eueren L., kfl. und fstl. Gn. die originalia berurts bischoffs schriften derhalben zuschicken, ob die mit der zeit eueren L., kfl. und fstl. Gn. dinstlich sein mochten. Haben allein copei davon behalten. Und seint bedacht, uns gegen Pfgf. Fridrichen vernehmen zu lassen, daß wir eueren L., kfl. und fstl. Gn. solche clagschrift durch die post ubersenden, sonder zweivel, euere L., kfl. und fstl. Gn. wurden sich darauf gegen der ksl. Mt. dermassen zu verantworten wissen, daß euerer L., kfl. und fstl. Gn. glimpf und des bischoffs unfug und unpilliche zunotigung vermerckt und befunden. Derhalben werden sich euere L., kfl. und fstl. Gn. solches berichts oder sonst ires gemuets gegen der ksl. Mt. oder uns, irer Mt. dasselbig forder zu vermelden, vernehmen lassen. Dann euere L., kfl. und fstl. Gn. haben auch leichtlich abtzunehmen, aus weß anstiftung derselbigen solche verunglimpfung gerne wolte zugeschoben werden, dan wir bedencken, daß der bischoff fur sich selbst nicht leichtlich so ein ungeschickte, beschwerliche clag uber euere L., kfl. und fstl. Gn. sampt derselbigen vetter gethann, wo er nicht von dem von Braunschwig dartzu verhetzt und angereitzet worden.

In der mortbrenner sach hat der verordente ausschus ein bedencken gestelt, welchs morgen frue umb acht uhr den stenden verlesen werden soll. Wie es verbleibt, wollen eueren L., kfl. und fstl. Gn. wir bei nechster post berichten.

So wollen wir auch zum forderlichsten in des Hg. von Wirttennbergs und der von Eßlingenn sach bericht thun. Eberhart von der Thann wilh auf euerer L., kfl. und fstl. Gn. schreiben morgen alhie abreißen. Item, der Bf. von Hildeßheim hat seiner sachen wider Hg. Heinrichenn an uns gelangt und daneben etzliche artickel, warauf der knecht Spitzhennsel, welcher in euerer L., kfl. und fstl. Gn. bestrickung ist, zu fragen, ubergeben und gebeten, euere L., kfl. und fstl. Gn. dieselbigen zu schicken, wie wir dan hiemit thun. Und habens eueren L., kfl. und fstl. Gn. auch nicht bergen. Datum ut supra.

[2. Zettel:] Eueren L., kfl. und fstl. Gn. geben wir auch zu vernemen, daß die ksl. Mt., wie man die religionhandlung alhie angefangen, den benenten theologen und dartzu f geordenten personnen antzaigen lassen, das sie solche sachen, sovil muglich, in geheim halten, auch iren herrn und obern, solchs zu thun, vermelden–f solten. Datum ut supra.

[3. Zettel:] Auch freuntlichen, lieben herrn, oheim, vetter, gnedigst und gnedige herrn wollen eueren L., g kfl. und fstl. Gn. wir nicht bergen, daß heut dato der artickel von dem sacrament des leibs und bluts unsers herrn Cristj gehandelt undt disputirt worden, und vermercken, daß sich dieser artickel fast gestossen, dann die theologen des andern tails haben darauf gedrungen, das recht und cristlich sey, das man daß sacrament in den ciborien oder sacramentheußlein setzen, umbtragen soll dergestalt, wie im bapstumb gehalten, item, das die transubstantiation zugleich nöttig, welchs aber die theologen diß tails nicht nachgeben können noch wollen, dann vermerckt wolh, daß solchs alles zu erhaltung der bepstischen, abgottischen messen gemeint wirdet6. Es werden aber mit Gottes hulf die theologen diß tails bestendig bleiben und wider Got und gewissen nichts einreumen–g. So hat auch der landgrave sich nochmals gestern undt heut vernehmen lassen und in sonderheit auch Mag. Phillipo angetzeigt, was man mit Got und gewissen nicht thun kann, in keinen weg zu weichen, sonder bei der warheit und also der confession, apologia und schmalkaldischenn ratschlag zu pleiben7. Datum ut supra.

Anmerkungen

a
–a Angestr. Dazu marg. Notiz v. 3. Hd.: Mitwochs nach Quasimodogeniti ist die handlung in religionssachen furgenommen und wirdt alhier berichtet, wie sichs angefangen.
b
–b Angestr.
1
 Zur Vorlage des Regensburger Buches und zur Diskussion darüber mit Johann Eck vgl. auch Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 April 28, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 55, S. 366–371, hier S. 368–371.
c
 Dazu marg. Notiz v.3. Hd.: Articul von der justification.
d
 Dazu marg. Notiz v. 3. Hd.: Ja, lieben herrn, es ist zimblich getroffen, das es wol beßer döchte wie hierbey aus der deutschen copey des artickels der justification zu sehen. [Vos] triumphum canitis ante victoriam.
2
 Zur Diskussion und Einigung über den Artikel der Justifikation vgl. auch Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 April 30, Dittrich, Regesten und Briefe, Nr. 695, S. 175; Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 3, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 63, S. 372–375, hier S. 372–373; Begleitschreiben Contarinis zur Formel über die Justifikation, Regensburg, 1541 Mai 3, Brieger, Aus italienischen Archiven, Nr. IV, S. 593–595; Morone an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 3, Dittrich, Die Nuntiaturberichte Morones 1541, Nr. 26, S. 453–455, hier S. 453–454; Contarini an den Kard. von Mantua, Ercole Gonzaga, Regensburg, 1541 Mai 3, Dittrich, Regesten und Briefe, Inedita Nr. 64, S. 324–325; Contarinis Abhandlung über die Justifikation, 1541 Mai 25, Quirini, Bd. III, S. CIC-CCXI; Ardinghelli an Contarini, Rom, 1541 Mai 29, Quirini, Bd. III, S. CCXXXI-CCXL, hier S. CCXXXI-CCXXXIII; Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 Juni 22, Dittrich, Regesten und Briefe Nr. 774, S. 201–202 und NB I,7, Nr. 3, S. 9–13; ders. an dens., Regensburg, 1541 Juli 10, Pastor, Correspondenz, T. II, Nr. 109, S. 490–495, hier S. 494–495; Contarini an Cervini, Regensburg, 1541 Juli 22, ebd. Nr. 820, S. 217–218 und ders. an einen Kardinal, Regensburg, 1541 Juli 22, Brieger, Zur Correspondenz, Nr. 13, S. 516–519.
3
 Vgl. dazu auch Contarini an Farnese, Regensburg, Mai 4, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 64, S. 375–376; ders. an dens., Regensburg, 1541 Mai 9, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 65, S. 376–379, hier S. 376. Zum Kirchenbegriff vgl. außerdem Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 9, ebd. Nr. 66, S. 379–381.
4
 Vgl. dazu die Forderung Granvelles gegenüber Contarini nach Reform der römischen Kirche, Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 13, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 70, S. 383–387, hier S. 386.
e
–e Angestr.
5
 Vgl. die Supplikation Bf. Johanns von Meißen an den Kaiser, Regensburg, o. Datum, Weimar HStA, EGA, Reg. E 136, fol. 219r–223v (Kop.), vgl. die mut. mut. gleichlautende Supplikation an die Reichsstände [Nr. 279].
f
–f Angestr.
g
–g Angestr. Dazu marg. Notiz v. 3. Hd.: Articel vom hochwurdigen abendtmahl.
6
 Vgl. dazu auch Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 9, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 65, S. 376–379; ders. an dens., Regensburg, 1541 Mai 11, ebd. Nr. 67, S. 381–383, hier S. 382–383; Morone an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 11, Dittrich, Die Nuntiaturberichte Morones 1541, Nr. 27, S. 455–460, hier S. 459; ders. an dens., Regensburg, 1541 Mai 12, ebd. Nr. 28, S. 460–462, hier S. 461–462 und ders. an dens., Regensburg, 1541 Mai 12, ebd. Nr. 29, S. 462–463; Contarini an Farnese, Regensburg, 1541 Mai 13, Pastor, Correspondenz, T. I, Nr. 70, S. 383–387, hier S. 383–386; ders. an dens., Regensburg Mai 15, ebd. Nr. 71, S. 387–390 und das an den Kaiser gerichtete Memoriale Contarinis über Eucharistie und Beichte, Regensburg, 1541 Mai 15, Dittrich, Regesten und Briefe, Nr. 65, S. 325–326.
7
 Vgl. außer der CA und der Apologie den Beschluss des Bundestages zu Schmalkalden im Frühjahr 1540 über Möglichkeiten und Grenzen protestantischer Konzessionen im Rahmen eines Religionskolloquiums, Mentz, Johann Friedrich, Bd. II, S. 219–221. Mit diesem Beschluss übernahmen die Verbündeten ohne Modifikation das Gutachten der Theologen vom 18. Januar 1540, vgl. Corp. Reform. IV, Nr. 1918, Sp. 926–945.