Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 103r–103v.

Uwer schriben, deß datum stat 9. May, ist uns uff 17. May uberantwort. Das habend wir sampt der ingeschlossnen latinischen schrift, wie die vertutschet worden, gelesen und nit wenig beswärd empfangen, das man mit so subtilen reden die ainfaltigkait unsers globens handelt und vorab das die warheit unserer grechtmachung, die so luter bekent, darnach im letsten puncten so gar vetuncklet oder, wie wol gsagt mag werden, widerumb umgestossen, a ouch unser verderpter will widerumb gefrygt, darzu unsern yrer natur nichzwertigen wercken widerumb etwas ere und belonung zugegeben wurt, wiewol wir unnutz knecht sind, so wir schon alles, das uns von Gott gepotten ist, verhandeltint–a.

Doch haben wir uwer zugeschickts schriben sampt darin geschloßnen schrift unsern vorsteern im wort Gottes ouch ze besichtigen und ze beratschlagen ubergeben1. Die hebent daruff ir mainung in schrift verfasset, ab deren wir gar gutes gfallen hebent und uberschickent uch dieselbigen hieby mit bevelh, das ir by b unser ainungsverwandten und, wo–b uch ymer moglich, anhalten, raten und verhelfen sollint, das der artickel der justification nit anderst dan fryg und unverfelscht, ouch mit kainen disputierlichen worten, dardurch der confession, zu Ougspurg ubergeben, hienach ainicher ingriff geschen moge, angenommen werde. Dan so uff dem artickel unserer grechtmachung, der der heuptpunct alles unsers handels ist, nit styff bestanden wert, was c bestendigkaiten mocht sich–c dan in den anderen versehen werden. d Und ob glichwol andere dise schrift annemint, sollent doch ir von wegen unser darin nit bewilligen, wir hebent aber hofnung zu–d Got, unsern barmherzigen vatter, er werde uch und die anderen christlichen stend und gsanten stercken und erhalten, das man wider sin warhait nichz hingeb. Schreiben Zwicks wegen der Erben Gerold Vogts 2. Datum, 23. May anno 41.

[Beilage:] Stellungnahme der Konstanzer Prediger zum Artikel über die Rechtfertigung – [Konstanz], 1541 Mai 18

A  Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 99r–102v (Kop.).

B  koll. Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 172r–174r (Kop.).

C  koll. Zürich ZB, Ms D 111, fol. 25r–28v (Kop.); ÜS fol. 25r: Antwurt des rhats und der gelerten der statt Costentz uff den artikel der justification, inen zugeschikt.

e Verzaichniß, weß sich die prediger zu Costantz in dem gestelten artickel der justification beschwärent–e.

Wievol sich dieser articul mit etlichen hellen, runden worten, wa allain uff dieselbigen gesehen wurde, gnugsam erlutert, ouch am end, da also gesetzt wirt, das Gott die werck belonet, nit von irer substantz, das ist von ir selbs wegen, ouch nit umb deßwillen, das sy von uns beschehen, sonder umb das sy uß globen fliessen und von dem hailigen geist, der in uns wonet, herkomend, welches alles uß grund bestendiger und in Gottes wort gegrundter warhait furgeben und christenlich gehalten wirt. Nichtsdestweniger werden solliche wort mit anhang etlich anderer wortle etwas dermassen verfinstert, das sy wol dergstalt, als ob ouch uns und unserm vermögen etwas hierin zugemessen und nit alles allain Gottes werck und siner fryen, vergebens geschenckten gnad zuzegeben sye, verstanden möchte werden. Es wirt ye hinzugesetzt, das unsere werck, sovil sy im glouben beschehend und von dem hailigen gaist, der in uns wonet, herkomend, doch vermittelt unsers fryen willens, der ouch zum thail mitwurck, belonet werdind.

f Diewil uns noch unvergessen–f, was von dem fryen willen vormals gehalten und gelert, was sinem vermögen zugemessen und was in allweg fur ain abgott uß im gemacht worden, ist g hie durch–g solchen zusatz disen irthumb (diewil die verderbt natur on das genaigt, ir selbs vil zuzemessen) gar lichtlich widerumb von nuwem ingerumpt. Ja, es were billich, das hie in diesem articul, der allain die unverdient, vergebens gebnen gnad Gottes umb Christi willen in unser justification und rechtmachung rumpt und preyßt, die meldung der belonung guter werck und mitloffenden wurckung des fryen willens nachbelyben und an sin örtle, namlich den 18. articul der sächsischen confession, so dann von dem fryen willen sonderlich und aigentlich handelt, gespart werden, wa nit der gegenthail fur und fur den verstand des alten surtaigs auch under das, so wol und recht furgeben und gesetzt wirt, gern mitinmengen wolt. Jedoch, wa man den fryen willen dermassen, wie er von den unsern in gemeldtem 18. articul gestelt worden, vorsten will, mag dis orts sollicher zusatz dest bast geduldt und nach sinem rechten verstand h gedut und usgelegt–h werden.

Es hat nie kain recht schriftverstendiger vernaint andersti, dann was der globig guts thut, das der dasselbig mit willen und mit fryem, das ist ungezwungnem willen thut und nit dermassen mit gwaltsame wie ain stain oder block on all ir begird und willen, deren sy kains haben, uber sich gezogen wurt. Aber disen guten, lustigen und fryen willen zu dem guten schenckt und wurckt Gott in uns uß luter unverdienter gnad, wie der hailig Paulus sagt zu den Phil[ippern] am andern: Gott ists der in uns wurckt baide, das wollen und das thun, wie ouch die alten, furnemsten lerer und sonderlich der hailig Augustinus wider die Pelagianer gar aigentlich und christenlich hievon geschriben haben.

Witer, so ist in diser schrift gemeldet, wie der gloub durch gute werck gemeret werde, welches unsers bedunckens ouch unaigentlich und nit nach art und bruch der schrift gerett wirt, dann, nachdem der gloub allain von Gott uß gnaden geben, wurt er ouch von im allain uß gnad und uff bitt der gloubigen, welchs der gaist Gottes uß inen thut, gemeret, wie die junger sagten und hie ouch gemeldet wurt: ‚Herr, mer uns den glouben‘. Wir halten und sagen ye ainfaltigklich und uß grund Gottes wort, das allain der gloub den menschen als den bomm [= Baum] gerecht und fromm mache, die guten werck aber syen frucht dis guten boms und usserliche zugknus innerlicher fromkait des hertzens durch waren glouben, wie es nun gar unaigentlich gerett were, das kuntschaft und zugknussen ainer sach die sach an ir selb mereten oder das die frucht den bomm mereten an im selbs und siner substantz, also lassen wir uns ouch duncken, das dis red, die werck merend den glouben, ain ungewonliche, unverstentliche red sye, können ouch nit gedencken, das solhe wiß zu reden zu besserm verstand und luterung des gloubens und der werck, sonder vilmer zu verwirrung dero baider dienlich sye, dann der ainfaltig hiedurch gar lichtlich uff dis mainung fallen möchte, als ob der gloub und volgends ouch die frumkait glich so wol uß den wercken als die werck uß dem glouben kommen, diewil oft und gemainlich ain ding ouch daher sin geburt und ursprung hat, dannen her es wechst und gemeret wirt, wie das kind glich von derselbigen mutter geboren ist, von dero milch und narung es wechst und teglich gemeret und gesterckt wirt. Das ye in summa in disem hochwichtigen, furnemsten articul der justification und rechtmachung durch den globen, der dann als gantz zart und gar leichtlich mit verklainerung Gottes gnad und erhebung menschlicher werck vertunckelt wirt, billich uff des ainfältigst, gredest, rundest und der schrift alleränlichest solte aller ding gerett und gehandlet werden.

Es ist ouch etwas beschwerlich und zu erhochung der werck nit wenig dienlich, das ouch am end dis articuls gemeldt wirt, namlich das, wiewol das erb des ewigen lebens umb der verhaissung willen dem globigen zugehöre, sobald sy ymmer wider geboren sind, jedoch so gebe Gott den guten wercken ouch belonung, also das welcher mer und grosser werck thut, der werde ouch grösser seligkait haben etc. Dann wir haltends darfur, diewil die werck allain umb des gloubens willen, uß dem sy beschehend, belont werden, das dann die belonung nach grösse oder klaine des gloubens und nit der werck jedem geben werd, also das allain der den vortail vor Gott haben werde, der mit grösserm globen begabt gewesen, obglich kaine usserliche, gute werck dem globen gefolgt hetten, wie dann söllichs beschicht, so Gott der herr ainen bösen, ruchlosen menschen mit grossem, starckem globen begabt am letsten und in glich daruff von hinnen berufft, eh er ainicherlay gut werck thain kan, dieser wirt ye von wegen sines gloubens und gutwilligen hertzens, das er yetzund uß glouben zu allem Gottes willen und guten wercken gefasset hat, ob er wol glich durch den tod hingezuckt wirt, nit ringer vor Gott, der allain hertz und willen ansicht, geachtet dann der ander, so dann glich grossen globen gehept und uß demselbigen von wegen, das er lang gelebt, vil guter werck geubt und gethon hat, die doch der ander mit hertz und willen ouch gethon und zudem ouch usserlich, so er gelebt, gethon hette.

Also zeigt ouch Christus an im evangelio, das diejhenigen, so spat an die arbait in dem wingarten gestanden und nit so vil und lang als die anderen gewercket hatten, nichtsdestweniger den ersten, die fru kommen waren, in der belonung vergleicht syen worden, welhs kainswegs beschehen, wa der hußvatter uff die werck gesehen hett. Diewil er aber sach uff die gutwilligen gehorsame deren, die er spat berufft hett, und das sy glich so wol als die andern vil und grosse arbait gethon hetten, wa sy von im so fru als die andern berufft weren worden, wolt er nit, das sy ihres spaten beruffs entgelten solten, sonder belonet ir gutwilligkait glich so wol on die langen, grossen arbait als der andern, die den last des tags und die hytz getragen hetten. Er sicht je uff die grösse des guten, glöbigen hertzens und willens und nitj grösse der werck. Sonst were die arm witfrou im evangelio nit mit iren zwayen spagnolin, die sy in den gotzkasten warf, von Christo furgezogen worden den grossen rychen, die vyl und treffenlich gaben hinzutrugen. Der herr aber sach allain uff ir gut, globig hertz, das, wa sy mer gehept, hette sy mer geben, das sy aber wenig hat, des solt sy vor Gott kain nachtail haben. Also wirt es ouch mit all andern usserlichen wercken ain gestalt haben, das sy nit angesehen und belont werden nach irer vile und grösse, sonder allain nach dem brunnen, dannen here sy quellen, das ist nach dem globigen hertzen. Es hettends ye sonst die glöbigen richen, starcken, gesunden etc. besser vor Gott dann die glöbigen armen, schwachen, krancken etc., diewil sy mer und grössere usserliche, gute werck thain, die hungrigen baß und rychlicher spysen, die durstigen trencken, die krancken besuchen und andere werck der barmhertzigkait üben mögen dann die anderen, welhe irer armut, schwachait oder kranckhait halber sollichs gar nit oder doch vil weniger, so man uff das usserlich, gut werck sehen will, thun mögen.

Des papstumbs gute werck sind also gestalt, das sy nach irer vile und grösse vil und grosse belonung haben, und, welcher mer gibt und thut, welcher mer klöster, kirchen, pfrunden, messen und derglichen stift, der hats am besten, erlangt mer applas, wirt eh uß dem fegfur erlößt und höcher in den himel gesetzt dann der ander, der armut halber, solhs ze thain, nit vermag. Die christenlichen, guten werck aber und frucht des globens werden allain nach hertzen und gaist von Gott angesehen und belonet, wie ouch der hailig Paulus 2 cor. spricht: ‚Wann ainer willig ist, so ist er Gott angenem, nach dem er hat, und nit, nach dem er nit hat‘. So dann solich gutwilligkait in der craft Gottes gaist uß globen in dem armen, ellenden, krancken nit weniger dann in dem rychen, gesunden etc. statthat, so volgt und schlußt sich och, das er nit weniger dann der ander dem herren Gott angenem ist und von im an jhener welt belonet wirt.

Summa summarum, es ist warlich unsers erachtens mißlich und farlich, zu sölcher handlung dermassen vom fryen willen, von den guten wercken und belonung derselbigen reden, dann ye so vil dise ding erhaben und uffgeblausen werden, so vil wirt die herlichait der luteren gnaden Gottes und rainikait des globens abgezogen und, obwol vorgende wort alle ding Gottes gnediger verhaissung und dem globen zugebend, so wirt doch durch diß hinzugeflickten furhang so vil des glantz rainer und luterer warhait dis articuls uffgehept, das die ainfaltigen, sonderlich des gegenthails zu voriger blinthait und irthumb lychtlich verstrickt beliben. Derhalben ernstlich zu wunschen und hertzlich von Gott zu bitten, das man in diser wichtigen, seelrurigen sach all ding so ainfaltig, richtig und verstentlich erörtere, damit die hell, klar warhait klar und hell verstanden und nit durch inmengung verschrencktk, schwer verstentlicher wort in zwyfel gezogen oder vertunckelt werde3. 18. May. anno 15414.

Anmerkungen

a
–a  Korr. aus: wurt.
1
 Vgl. die protokollarische Notiz, Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 85v: Am 17. Mai ist ein Schreiben von Konrad Zwick eingetroffen, wie nachfolgt mit Nr. 29. Die darin einliegende lat. Kopie, dorvon die verordneten uff dem richstag geredet habent, folgt mit Nr. 30. Diese Schrift hat der Rat übersetzen lassen, wie folgt mit Nr. 31. Nachdem diese Schrift im Rat verlesen war, hat man sie den Predigern zur Stellungnahme übergeben, dan der rat fur sich selbs ain groß mißfallen ghept, das in derselbigen schrift dem frygen willen, als ob ain fryger will were, etwas zugegeben werd, deßglichen den guten wercken und das man also die warhait, die in den ubren articklen so luter bekannt wirt, im letsten also durch dise subtilen wort widerumb vertuncklet. Doch hat man nichz sunders daruber beschlossen, sunder der glerten maiung vorhin vernemmen wellen. Ehe aber die Gelehrten mit ihrem Gutachten fertig waren, ist ein weiteres Schreiben Zwicks eingetroffen, wie unten folgt.
b
–b Nachgetr.
c
–c  Korr. aus: wolten wir uns.
d
–d  Korr. aus: Wir getruwen aber.
2
 Vgl. Konrad Zwick an Bgm. und Rat von Konstanz, Regensburg, 1541 Mai 11, Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 97r–98v (Ausf.): Verweist auf seinen Bericht vom 9. Mai. So ist gestert ain schrift und supplication verleßen, die mordtbrenner belangend, die wirt man wyter beratschlagen und ksl. Mt. uberantwurten. Ferrer habent die gelerten ain antwurt gestellt, dorin sy anzaigen, uß waß ursachen die zugemuteten puncten des sacraments nit kunden angenommen werdent. Also stadt die sach jetzo. Man hat biß in 10.000 knecht angenommen, die will man fur Offen furen. Vom Turgken wirt am hoff nit vil gesagt. Es kumment aber fur und fur schriben von Augspurg, das er in gewissem anzug sin solle. Gott geb uns sin gnad! Man achtet, das geschray werde darum verhalten, damit man uff unserm thail dester linder sye. Stellungnahme zum Prozess um das Erbe Gerold Vogts. Datum Regenspurg am 11. May 1541.
e
–e V. a. Hd. nachgetr.
f
–f In B: So uns doch.
g
–g In B: daher ubel zu besorgen, das durch.
h
–h In B: declariert.
i
 Fehlt in B.
j
 In B danach: uff.
k
 Fehlt in B.
3
 Zur Haltung der Stadt Konstanz und ihrer Prediger zur Kolloquiums- und Reunionspolitik vgl. auch Moeller, Johannes Zwick, S. 217–224.
4
 Vgl. die protokollarische Notiz, Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 96r: Am 18. Mai ist ein Schreiben von Konrad Zwick eingetroffen, wie nachfolgt mit Nr. 32. Darüber wurde nichts Besonderes verhandelt. In diesen Tagen haben die Prediger ihre Stellungnahme zum Rechtfertigungsartikel vorgelegt mit Nr. 33. Dieses Gutachten wurde am 21. Mai im Rat verlesen. Über dieses Gutachten wurde dann beratschlagt und beschlossen, Zwick zu schreiben, wie nachfolgt mit Nr. 34. Über dieses Schreiben wurde am 23. Mai im Rat abschließend befunden.