Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld
C Augsburg StA, Reichsstadt Nördlingen, Münchner Bestand, Lit. 49, unfol. (Reinkonz., Fragm.); AV: An ain erbern rhat zu Nördlingen geschriben, 27. Junij anno 15411; 2. AV: Titula AA. Der kayserlichen geordenten colloquenten und anderer theologen relation deß colloquii, uff dem reichstag zu Regenspurg gehalten, summari vertzaichnus.
Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,2, Nr. 192 , S. 547–552.
Weß sich nach deß alten herrn Hannsen Werlins wegfart und die zeit, ich alhie gewest, in handlung zugetragen, hab euerer Ft. ich uff a –Freitags, den 23.– Junij2, mit aignem botten, Steffan Baumans pruder, mit leng zugeschrieben und uff etliche sachen ferrern bericht und bevelch gepetten. Wiewol ich nun nit in zweivel sez, euere Ft. werden mich mit demselben ferrernb bericht bey gedachtem botten nit uffziehen, so ereugen sich aber die sachenc dermassen, das ich habender instruction nach, die ferrere handlungen an euere Ft. mit aigner bottschaft ze schreiben, fur nothwendig geacht hab. Dann alß desselben Frei tags d –die protestierenden stend zu einnemung deß gehaltnen tractats relation morgens frue zu 7 horn ansagen lassen, hat alsbald desselben abends auch– deß reichs marschalck allen stenden widerum zu rhat gesagt.
Also ist erstlich desselben Sambstags, 25. Junij, die relation in beysein aller religionverwanten stend, auch derselben prediger und der drey theologen, so von ksl. Mt. zum colloquio verordent gewest sein, furgenomen und durch Philippum Melanchthonem angefangen. Der hat durch ain ganze sermon, domit alle stend der gehalten disputation, wie es zu Hagnaw, nach[maln] zu Wormbs und izt zu Regennspurg von aim zum andern gehandelt, e –informirt sein möchten–, summarien bericht gethon, das alles nach lengs zu beschreiben, überflussig. Aber sovil alhie gehalten colloquium belangt, zaigt er under anderm an, die ksl. Mt. het inen ain buch (das er ain judenthalmuth nennet) zugestellt, mit anzaigen, das sollte seiner ksl. Mt. von gottseligenf leuten, die der heiligeng religion gewegen und die strittige religion gern verglichen und im röm. reich theutscher nation gern frid und ainigkait sehen wollten, h –im besten ubergeben worden sein–, allergnedigst gesinnende, das sy, die 6 colloquenten, dasselbe buch fur hand nemen, erwegen, darzu und von thun, wie sie dem wort Gottes nach fur gleichmessigst ansehen wurden, und nachmaln, weß sy sich also mitainander verglichen, ir ksl. Mt. fur- und anpringen sollten. Wiewol nun dasselbe buch ain schein hette ainer evangelischen schrift und alle articul wol anfiengen, so hetten sy aber solliche betruglichei anheng und einfuerungen, das, so man dieselben articul also eingeen sollt, nichts gewissers volgen wurd, dann das mittlerzeit vil ergere papisterei daraus ervolgen wurd, dann bißher geschehen ist, darum er dasselbe buch fur insidioß und plenum cathenarum, fur neidig, haimlich, hessig und voller geferlicher ketten achten und halten muß, j –das sy auch vil mehr nutz geschafft haben wollten, wan sy die augspurgischen confession erstlichen furgenommen und disputirt hetten etc.–. Gleichwol aber, dieweil ksl. Mt. begern gestanden, das sy irer Mt. darinnen ir gemuth und verstand zu erkennen geben sollten, und sy dann ainem iden begerenden k –als die diner deß worts– underricht ze thun schuldig weren, so hetten si’s auch der ksl. Mt. nit waigern sollen, darum sy das buch furgenomen. Und dieweil es sich ungezweivelt aus Gottesl fursehung gefuegt, das nit allein sy, die drei theologen diser parthei, sonder auch die 2, so vons gegenthails wegen zum colloquio verordent gewest, dem evangelio gutermassenm gewegen und allain Eckius widersacher [sic!] gewest [sic!], der gleichwol seiner kranckhait halb den wenigern thail bey der handlung sein mögen, widersacher gewest wer. So hett es sich gefuegt, das sy sich etlicher derselben articul verglichen, etliche aber n –in ferner bedencken gestellt– und etliche gar verworfen hetten, dorum er auch das ganz buch o –umb besser erclerung willen– in drey thail, nemlich in reconciliatos, preteritos und reiectos, in verglichene, angestellte und verworfene articul verthailt hett, p –mit vermelden, das er von den verworfnen articuln mit nymand mehr wöllt reden, auch nymand mehr davon horen reden. Die angestellten möcht man itzt wider fur die hand nemen, aber die reconciliirten weren also unverbuntlich verglichen, das man noch davon oder darzu komen mocht, sie mindern oder mehren, wie die religionverwanten stend vermittelst göttlicher gnaden im rhat finden werden. Dann, ob sy sich schon itzt etwas beschlussen und entlich verglichen, so wollten sy doch drum daran nit gepunden sein, so in kunftig zeit ain bessers gefunden wurd, wie sy dann bekennten, das sy bißher vil geschrieben und uberlang darnach gepessert und geendert hetten. Das wöllten sy inen und ainem iden bey diser handlung auch vorbehalten haben–. Und erzelet doruff dieselben underschidlicher weiß, inmassen euere Ft. die auß den schriften, die euerer Ft. ich mit nechstem meinem schreiben, mit A, B und C gemerckt, eingeschlossen uberschickt, etlichermassen zu vernemen haben.
Nachmaln ist auch Martinus Bucerus furgestanden und dergleichen anzaig gethon mit erzelung der ursachen, so ine q –und die andern colloquenten bey aim iden articul– darzu bewegt hetten, und hat warlich die sach und ganzen handel mit sollichem grund und versteentlichen, guten fundamenten weit anderst dann Philippus herfurgepracht. Und wiewol sy beed anzaigten, das sy allwegen der verglichen articul ainhellig, so kunth man doch dasselb nit allerding auß der relation abnemen. Dann Buzer hett in viln articul mittel oder milterung zu vergleichung derselben gesucht, darab aber Philippusr wenig gefallens hett, und bezeuget Buzer mit Gott, weß im gantzen negotio nachgeben oder gemiltert, hett er gar nit umb zeitlichs fridens, s –denselben dardurch anzerichten–, sonder mit gutem gewissen zu vergleichung und becreftigung der schrift mit gutem gewissen gethon etc. Und dieweil dann, wie obsteet, das übergeben buch oder talmuth lang und darzu insidioß und verfuerlich, ich auch, dasselb abzeschreiben, nit statt oder weil gehaben mögen, mir auch, dasselbe ze schreiben, – ich hette dann von euerer Ft. ain versigelten gwalt – nit vergönnt worden wer, so laß ichs bey dem uberschickten außzug pleiben. Dieweil auch der gehalten actus deß colloquii aller in latein beschrieben und darzu mehr dann 100 pletter lauft, hab ich, denselben außzeschreiben und euerer Ft. in latein zu uberschicken, fur unnotig geacht. Sollt ichs dann ins theutsch transferirt haben, das hette noch mehr zeit und ruhe ervordert, welchs aber, weil man alle tag rhat helt, nit sein mögen, zudem, das ich gedenck, es werd in wenig kunftigen tagen in truck komen. Und ist diß also der anfang gethoner relation, die auch dismals umb der furgenommen reichshandlungen willen dabey gelassen, daneben aber fur gut angesehen, das dise stend, so oft man gemainer reichssachen halb darzu komen möcht, alle tag mit angefangner relation und nachmaln mit vergleichung der strittigen articul furschreiten sollten, damit also ain sach mit der andern geen und die handlung gefurdert werden möcht.
[...] 3.
Nachmittags[1541 Juni 28] ist von disen stenden die relation der strittigen religion an orten und enden die verpliben wider fur hand genommen worden. Erstlich Philippus Melanchthon sein nechst, t –vergangen Sambstags–, gethonen furtrag repetirt und der ksl. Mt. ubergeben buch fur ain hessig, arg und geverliche schrift dargeben, die disen stenden kainswegs anzenemmen, und hat daruff und uff alle puncten desselben buchs, nemlich uff die hieoben underschaidnen partes sein widerlegung in schrift bey 12 pletter lang übergeben4, die alsbald in aller religionverwanten chur- und fursten, stend und stett, auch aller derselben theologen beysein offenlich verlesen ward. Nachmals erofert auch Martinus Buzer, straßburgischer predicant, sein jungsten Sambstags vor diesen stenden gethanen sermon und ubergab doruff sein wolmainen, was er von disem buch u –und allen desselben thailn und capitteln– hielt, in schrift, ungeverlich 10 pletter lang, v –inmassen dieselb schrift alsbald auch verlesen ward–. Dessen maynung und gmuth stund allain ad concordiam, zu vergleichung und veraynigung aller irrungen, entschuldigt sich erstlich, das ime w –durch etlich– ungutlich zugemessen wurd, alß sollt er diß buch gemacht und der ksl. Mt. ubergeben haben. Ließ sich doch zuletst etlichermassen vernemen, es möchts villeicht ain legat gemacht haben und zaigt sein juditium an, das er ganz darfur hielt, das sollich buch auß gutem fursaz gemacht wer und hett allain den mangel, das zuvil uff der alten doctor opinion und maynung gegangen wurd und darzu menschen sein und die articul etwas zu milt außlegten, und sagt, wann man gleich ain reformation machte nach laut desselben buchs, so wöllt er nit gar dagegen fechten und wöllte dennoch diejhenigen, die es annemen, fur christliche pruder achten und haben, biß inen Gott weiter gnad geb, wie in primitiva ecclesia auch geschehen wer. Und bat daruff umb Gottes willen, man wöllte nichts verwerfen oder verdammen, das nit gestracks wider die schrift wer. Item, das man auch ließ pleyben, was neben der schrift auch die vernunft geb, recht sein, und das mit der gottlichen, hayligen schrift nit repungnierte, und vermainte, das alle die puncten, so durch die 6 collocutorn verglichen weren, sollten angenomen und gewilligt werden, doch nit anderst dann uff aller religionverwanten stend gantze annemung und verwilligung und iderzeit allain biß uff ferrere erclerung durch die schrift. Und vermaint zu gentzlicher verainigung der sachen, das diß ain gar creftig und gut mittel sein kunth, wann man die izigen oder alten bischoff weltliche bischoff sein und pleyben ließ, inmassen man dann auch etwa protbischoff hat, die das prot schauen mussen, also musst man sy auch weltlich hern sein lassen, also das sy mit dem gaistlichen ampt nichts zu schaffen hetten. Sonst aber musst mans dahin richten und pringen, das ain ide statt irn aigen bischoff hätt und wölen mocht, wie die apostolische schrift weist, die das ampt der rechten bischoff tragen und verrichten kunten.
Dergleichen ubergab auch der dritt colloquent, Pistorius genannt, so ain landgrevischer prediger zu Nida ist, sein juditium vom buch und den verglichen, angestellten und verworfnen articul5, x –die gleichfalls verlesen ward–. Der hielt auch vom buch nit seer vil, aber die verglichen articul, inmassen man die gepessert, auch hin und wider erwegen und mit der schrift ponderirt, ließ er ime wol gefallen, vermaint, das uff dißmal gnug außgericht wer und das der herr uff ain ander zeit sein hailigen gaist und ferrer gnad auch geben wurd.
Nachmaln höret man die andern praedicanten alle nachainander. Erstlichy Nicolaum von Ambßdorff, der rechte licentiaten, ist ain edelman und ordinarius theologie zu Wittemberg, der strich erstlich z –durch ain sondere predig– das buch muntlich heraus und ubergabs nachmaln in schrift6, wie dann auch verlesen ward. Der hielt in summa vom buch ain wenig minder dann gar nichts. Wollt sich auch zu annemung der verglichen articul seins thails nit gern bereden lassen und vermaint, die schrift wurd sich nit dermassen mitteln lassen, dann Gott hett verbotten, kain buchstaben darzu oder davon zu thun, sonder gesagt: ‚Qui non est mecum, contra me est. Wer mit mir nit ist, der ist wider mich‘.
Nachvolgends hört man die zwen marggrefischen prediger, die zaigten an, sy hetten gleichwol das buch erst bey zwaien tagen das erst mal gesehen. Darum so hetten sy sych, wiewol sy dasselb auch gelesen hetten, mit irm bedencken noch nit gefasst machen kunden. Sy wollten aber dasselbe auch in schrift pringen und in die churfurstliche oder sechsische canzley antworten7.
Daruff ward Joannes Cellarius auch angehört. Der thett sein relation allain muntlich durch ain zimlich lange sermon und schloß dahin, das sollich buch kainswegs anzenemen8.
Nachmaln Dr. Trach thett sein relation muntlich und durch ain schrift, uff diß beschließlich maynung, das er das libell nit loben vil weniger annemen kunth9, dann Christus sagte: ‚Vorschend die schrift, die sagt von mir, was ir halten sollend etc.‘.
Deß Hg. von Pommern predicant hielt mehr vom buch dann die andern predicanten, strich es etlichermassen herfur, doch allain muntlich, hielt fur unnotig, das alles in ain schrift ze pringen, sonderlich, dieweil die andern so vil langer schriften davon ubergeben hetten. Gleichwol schloß er zuletst dohin, das allain die verglichen articul sollten angenomen werden10. Und redet ganz schimpflich wider die, so das buch gar wollten verwerfen und sich so vilfeltig rhumbten, leib und leben beim lautern wort zu lassen, und gar kain friden suchen noch haben wollten. Vermaint, man könnte wol cristlich leren und dannoch friden begern und suchen. Sagt, er wer noch schwach, kunte sich nit seer rhumen, sein plut zu vergiessen, dann es wurde bey ains andern und nit seinem gwalt steen, bestendig zu beharren, alß wol auch mit Petro geschach. In summa, er vermaint, das wol ain aa –frid und– concordi in der religion zu machen, mit den schwachgleubigen gedult getragen und umb pruderlicher liebe willen zu verschonen wer.
Dr. Baltassar von Tubingen11, wirtembergischer prediger, thett ain ganz schöne predig und zaigt an, wie hoch und grosser nutz auß disem colloquio komen und wie weit man die sachen deß evangelii durch dises buch und die disputation gepracht hett, nemlich, das die ksl. Mt. selbs und vil fursten und stend, die hievor davon nit hören sagen wöllen, itzt dahin komen, das sy die sach selbs fur hand nemen, sehen, hören und lesen, dasselb nit wie bißher vervolgen oder mit dem schwert dagegen handeln, sonder die predigen offenlich gestatten und die bucher fail haben lassen und gar nymand mehr dasselb wehren. So hette man sich dannoch auch etlicher und viler articul verglichen und sollicher articul, doran die ganz hauptsach beruete und sonderlich deß articuls der justification, das allain der glaub selig mach etc. Durch denselben articul fallen beynach alle deß ganzen babstumbs eingefuerte aberglauben, mißpreuch und superstitiones etc., mit langer und notturftiger außfuerung desselben.
Zuletst ward Dr. Erhardus Schnepff, auch wirtembergischer hofprediger, gefragt. Der zaigt erstlich an, er hett von zwaien predigern, die diser zeit hetten verrucken mussen, bevelch, nemlich von Dr. Ambsterdam und von dem doctor von Premen, die hetten ime ire juditia in schrift ubergeben12, die fieng er an ze lesen. Aber dieweil sy in lateinischer sprach gestellt und es aber eben spat uff dem tag war, ließ man dieselben schriften unverlesen ansteen. Also fieng er, Schneppf, sein wolmaynung, so er in ain schrift gestellt, an ze lesen, ungeverlich bey 12 oder mehr pletter lang13. Der vernichtet in summa das gantz buch dermassen, das es in rerum natura oder in ainer christenlichen gemain nit zu leiden sein sollt.
Und alß solliche predigen siben gantzer stund anainander gewehrt hetten und es gar abend, auch die fursten und stend seer mued warn, liessen die churfurstlichen rhet von Sachsen reden, das man ire fstl. Gn., Gn. und G. so lang uffgehalten, were drum geschehen, das man der ksl. Mt. uff ir gesinnen willfarn und die handlung furdern möcht. Doruff möcht man abgeen und, so man der theologen hierzu weiter bedörfe, wurd man sy wider ervordern. Also erboten sy sich nochmaln aller schuldigen gutwilligkait.
Desselben tags und nachvolgende zwen tag haben auch die bäpstischen chur- und fursten personlich und der abwesenden rhat und andere stend derselben religion das vilangezogen buch und die verglichen articuln mit irn theologen und den drey colloquenten ab –in gesonderten rhäten– auch furgenomen, gantz ernstlich darob gesessen. Weß sy aber dordurch geschlossen oder außgericht, ist noch verborgen.
[...] 14.