Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Würzburg, fol. 32–33.

Nochmaliger Aufschub der Verhandlungsaufnahme. Session.

/32/ (Vormittag) Reichsrat. [Entsprechend Protokoll des KR, 50 f.]

Fürstenrat. Beratunga  und einhellige Beschlussfassung1 , daß numher zeytt wer, zur handlung zuschreytten, auch yder sich einzulaßen derwegen bevelch hette.

/32 f./ Dazu vergebliche Vergleichsverhandlungen zwischen KR und FR. [Entsprechend Protokoll des KR, 51 f.]

[Nachtrag] /32’/ Im FR beteiligt der Reichserbmarschall den Gesandten des Abts von Hersfeld nicht an der Umfrage2 . Der Deputierte protestiert dagegen mit dem Argument, Hersfeld habe alle zeytt session und sunderliche stimm im Reich gehapt und noch, hette auch ain kayserliche restitution aufzulegen, darin sein gn. her und daß gantz hauß Hirsfeldt zu allen rechten und gerechtigkhaitten were restituirt3. /32’ f./ Fordert Zulassung zu Session und Stimme unter Protest. Will das Restitutionsdekret FR vorlegen, wird damit aber an die Mainzer Kanzlei gewiesen4.

Anmerkungen

a
 Beratung] Württemberg (unfol.) differenzierter: Einleitend Proposition durch Österreich: Verweisen auf ihre zuletzt im FR vorgebrachten Argumente für die Verhandlungsaufnahme [Nr. 112, Anm.1]. Dieweil nun lanndkundig unnd meniglich bewist, wie teglichs, je lenger, je mehr, die kriegs sachen mit dem turckhen sich gantz verderblichen unnd beschwerlichen heuffen, und daß ir kgl. Mt. ir eusserst vermugen dermassen darstreckhen, das auch ir kgl. Mt. ann irer person unnd derselben sonen nicht erwinden laßen; zudem nit allein irer Mt. oder dero konigreich unnd erblanndten, sonder denn stennden allennthalben daran treffennlich vill unnd hoch gelegen unnd deshalben mit beratschlagung diser notwendigen sach kein stund zuverseumen. Wie sie für ir person nicht ermanglen woltten lassenn. Umfrage. Beschluss: Allgemeine Bereitschaft zur Aufnahme der Verhandlungen. Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Württemberg, Pommern, Hessen, Henneberg [und Wetterauer Gff.: Vgl. Bericht Perbinger an Hg. Albrecht von Bayern vom 25. 8.: HStA München, KÄA 3177, fol. 464–467’, hier 464’. Or.] erklären: Sind ebenfalls dazu bereit, falls man die HAA gemäß der Proposition, unnd sonnderlich denn ersten religions puncten fürnemen wölte unnd eß sonsten in dem chur- unnd fursten rath kein mangel hette.
1
 Der Bericht der kgl. Kommissare von Helfenstein, von Waldburg und Zasius an Ferdinand I. vom 25. 8. 1556 referiert ausführlich ihr einleitendes Votum (fol. 491–492) und stellt zur folgenden Umfrage fest: Bayern, Jülich und die Gesandten der Stände auf der geistlichen Bank haben sich ihnen angeschlossen, wobei Bamberg und Augsburg /492/ sich cathegorice erclärt, das sy die würckliche volnstreckung nottwendiger türggenhilff zubefürderen bevelch hetten. Votum der CA-Stände (vgl. auch Anm. a): Sind grundsätzlich verhandlungsbereit, lehnen aber bevorzugte Beratung der Türkenhilfe ab und beharren auf der Reihenfolge gemäß der Prorogation durch den RAb 1555 sowie der Proposition mit Voranstellung des Religionsvergleichs. Pommern und Hessen votieren gemäßigt, indem sie die parallele Beratung von Türkenhilfe und Religionsfrage empfehlen (HHStA Wien, RK RTA 36, fol. 491–499’, hier 491–492’. Or.). Im selben Bericht (hier fol. 494–498’; Auszug zur Mehrheitsfrage bei Meusser, Kaiser, 162, Anm. 441; vgl. Westphal, Kampf, 41 f.; Bundschuh, Religionsgespräch, 139–141; Heil, Reichspolitik, 144 mit Anm. 22) beurteilten die kgl. Kommissare aufgrund dieser Voten die Erfolgsaussichten auf dem RT sehr pessimistisch: Sind der Überzeugung, dass die geforderte Voranstellung der Religionsfrage /494/ zu dem ende gemaint sey, euer kgl. Mt. dises malls die türggenhilff dardurch höflich unnd per indirectum wo nitt gar zusperren, /494’/ doch also lang auffzuhalten, biß sy [CA-Stände] ettwa ir gelegenheit, darauff sy sechen, auch erlangen. Gehen davon aus, die in ihrer Instruktion enthaltene Mitteilung an den Kg., die CA-Stände würden einen Verzicht auf Verhandlungen zur Religionsfrage befürworten, sei ausser waaren grundts geschehen, da die heutige Beratung das Gegenteil bewiesen habe. Auch habe es den Anschein, Kurbrandenburg und Brandenburg-Küstrin würden ihre anfangs zugesagte Beförderung der Türkenhilfe nitt mehr so rund befolgen, wie das heutige Votum zeige. Württemberg habe sich dem angeschlossen, trotz anders lautender Zusagen Hg. Christophs ihm, Zasius, gegenüber. Die Haltung von Kurpfalz ist Kg. bekannt: Dass /495/ er alles das werde befürdern helffen, deß zu verhinnderung euer kgl. Mt. gelegennheit unnd willen gedienen mag. Erwarten dagegen mehr von den kursächsischen Gesandten, falls man sich auf deren Zusagen verlassen kann, da die Erfahrung zeige, wie bald unnd leichtsam sich ain confessionist [von] den annderen von seinem proposito abfüeren unnd wendig machen laßet. Sollten die CA-Stände die Voranstellung der Religionsfrage durchsetzen, ist langer Aufschub der Türkenhilfe zu befürchten, da der Religionspunkt /495’/ one verhassung unnd verbitterung [...] nicht khan oder mag tractiert, vil weniger absolviert werden. Führen die Abwehrhaltung mancher CA-Stände auf den beim RT geäußerten Verdacht gegen den Kg. zurück, er werde nach der Bewilligung der Türkensteuer mit dem Sultan Frieden schließen und das Geld inn annder weeg unnd ettwa zu vertruckhung irer ettlichen etc. gebrauchen. Kg. weiß, dass in Religionsfragen das Mehrheitsprinzip nicht gilt, wobei KR /496’/ dises vahls inn zween gleiche thail zerspalten werden mueß, die confessionistischenn im fürsten rath auch bey der engen anzaal der erscheinenden gaistlichen pottschafften sich allweegen inn wenig thagenn also sterckhen mügen, das sy der gaistlichen panckh auch mit dem mehreren überlägen [vgl. auch Anm.7 bei Nr. 114]. Befürchten, dass in der Türkenhilfe nichts erreicht wird und die Debatte der Religionsfrage nicht nur eine Steuer verhindern, sondern Schlimmeres verursachen könnte, so lange Kg. nicht persönlich anwesend ist. Andererseits ist es bedenklich, wenn Kg. trotz seiner dringenden Obliegen /497/ zu disem klainen haufflin mehrtaills junger doctorn und schreiber herauff ziechen sollen; wie wir dann derselben inn beeden räthen ain gutten taill befinden, die nitt allain zuvor bey khainen reichshendlen gesechen worden, /497’/ sonnder auch ann irer herrenn höfen nitt vörderstenn seind. Empfehlung an Kg.: Beauftragung Kg. Maximilians, auf seiner Rückreise aus den Niederlanden Hg. Christoph von Württemberg aufgrund seines guten Kontakts zu bitten, er möge die Vorziehung der Türkenhilfe zulassen, dies auch bei anderen CA-Ständen befördern und den Verdacht gegen den Kg. ausräumen. Ferdinand antwortete am 1. 9. (Wien), seine Anreise zum RT sei aufgrund des anhaltenden Kriegs in Ungarn noch nicht möglich, auch könne Maximilian bei Hg. Christoph nicht vorsprechen, da er Württemberg bereits passiert habe (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 8–9. Konz. Hd. Kirchschlager). Indessen hatten sich die Kommissare am 31. 8. selbst an Kg. Maximilian mit der Bitte gewandt, bei Hg. Christoph zu intervenieren (ebd., RK RTA 36, fol. 521–523’. Or.; präs. o. O., 3. 9.). In einem weiteren Schreiben ebenfalls vom 31. 8. baten sie Maximilian, im Hinblick auf die Türkenhilfe den RT-Besuch der Stadt Ulm anzumahnen, da viele andere oberländische Städte /311’/ vast an Ulm dependieren unnd hangen (ebd., RK RA i. g. 33b, fol. 311–312’, hier 311 f. Or.).
2
 Vgl. dazu die Einwände der geistlichen Stände im FR gegen dessen Stimmrecht am 18. 8.: Würzburg, fol. 31’ [Nr. 389].
3
 Die Abtei Hersfeld geriet auf dem Hintergrund der seit dem Mittelalter bestehenden Schutzverträge mit der Lgft. Hessen unter Abt Krato [Kraft Myle] (1516–1556) in den unmittelbaren hessischen Einfluss, mit dem erhebliche territoriale Verluste verbunden waren. Gegen den Anspruch des Lgf. auf die Eximierung der Abtei reichte der Abt beim RT 1544 eine Supplikation ein, um die Reichsstandschaft zu sichern (vgl. Eltz, RTA JR XV, Nr. 478, hier S. 2074). Den RAb 1548 unterzeichnete Hersfeld unbeanstandet in der Session nach Fulda ( Machoczek, RTA JR XVIII, Nr. 372 b, hier S. 2688). Nach dem Tod Abt Kratos am 10. 3. 1556 erhielt Abt Michael Landgraf als Nachfolger ohne Probleme die päpstliche Konfirmation und die Bestätigung durch Ks. Karl V., mit der die oben angesprochene Restitution wohl verbunden war ( Piderit, Denkwürdigkeiten, 139–158, bes. 157 f. Zum Verhältnis zu Hessen:  Ziegler, Territorium, 34–36).
4
 Die Württemberger Gesandten mutmaßten im Bericht vom 25. 8. 1556 an Hg. Christoph, die geistlichen Stände würden den Hersfelder nicht dulden, weil sein herr der religion unnd deß landtgraven halber inn verdacht (HStA Stuttgart, A 262 Bü. 51, fol. 105–108’, hier 107. Or.; präs. Stuttgart, 30. 8.).