Textvorlage: Österreich B, fol. 374’–381.
Reihenfolge der Beratungspunkte: Beharren der Mehrheit des FR auf der sofortigen Vorlage des 2. HA (Türkenhilfe) in den Kurien und der parallelen Beratung des 1. HA (Religionsvergleich) im Ausschuss. Ablehnung durch die CA-Stände.
/374’/ (Vormittaga
) fürstenrat. [Salzburg1
proponiert:] Verhandlungen zur Geschäftsordnung, Reihenfolge der Beratungspunkte.
Umfrage2
. Salzburg: Vorrangige Beratung des 2. HA (Türkenhilfe) von weegen wissenntlicher, offennbarer notth3.
Bayern: Parallele Beratung des 1. HA (Religionsvergleich) und des 2. HA
4.
Österreich (Zasius): Vortrag des Votums gemäß vorausgehender Absprache mit Gf. Georg [von Helfenstein] und entsprechend dem Bericht vom 21. 9. an den Kg.
5
, gleichwol mitt ettwas mehreren /375/ ausfüerung unnd dem beschluß, wo müglich die beede puncten nebenainannder fürzunemen, also das der ain vermüg passauischen vertrags inn gemeinem ausschuß tractiert unnd der ander durch die übrigen pottschafften unnd gesandten in pleno consilio erledigt. Unnd im vahl aber ain solliches manngell halb der personen im churfürsten rath jetzo nicht beschehen möcht, daß doch der türggennhilff artickhel, alls jetziger gelegennheit unnd offenbaren gefärlicheitt nach der genöttigist, für den ersten für hannd genomben, doch der religion punnct khains weegs bei seits gesetzt, sonnder so bald man neben der jetzbemelltten völligen Reichs hanndlung allennthalb inn verfassunng gelanngte, daß man zu dem gemeinen ausschuß unnd also dem religion tractat füegkhlich khommen möchte; alß dann derselb khains weegs einzustellen, sonnder alles vleiß gehanndltt unnd nach göttlichem gefallen erörttert werden solltt etc.
Dem Votum Österreichs schließen sich alle Stände auf der geistlichen Bank an6.
/375’/ Straßburg fügt hinzu: b–
Erfahrungsgemäß erfordern die Religionsverhandlungen viel Zeit. So sind Kg. und Reichsstände biß inn die achte wochen anno 40 zu Hagenau geleegen, volgents daß colloquium zu Wormbs, so dannenheer geflossen, sich inn die zwölffte wochen erstreckht, unnd doch an beeden ortthen nichts annders alß allain de modo et forma etc. gehanndltt worden7, unnd nach gelegenheitt aller seitther zugetragnen verennderung nitt wol müglich sein wurd, jetzo kürtzer unnd schleiniger zu vergleichung zu khommen–b. Solte dann hiezwischen solcher langwürigen hanndlung der türggenhilff articl ersitzen unnd ungehanndelt bleiben, so wurd hiezwischen nit allain euer Mt. unnd deren christenliche khunigreich unnd lande unzimblicher [weißc] /376/ verlassen, sonnder auch eben d–der unrath unnd weitterung verursacht, davon Zasius inn seinem votieren stattliche ausfüerunng und erinnerung gethan hette–d. Dies wäre gegen Gott nicht zu verantworten, auch sind die Reichsstände Kg. Ferdinand nicht nur als römischem Kg., ihrem von Gott gesetzten Haupt, und als Kg. von Ungarn, sonnder auch alß ainem mittglid unnd stand deß Hailligen Reichs die begerten hilff zu laisten schuldig.
/376’/ Sachsen und im Anschluss daran alle CA-Stände haben uno ore und ganntz ainmüettiglich geschlossen, der religion puncten solltte inn allweeg der erste sein unnd enttzwischen nichts anders gehanndltt noch tractiert werden, wie daß dem passauischen vertrag, augspurgischen abschied8 unnd der ordnunng inn der proposition gemeß. Unnd sonnst pillich wer, das reich Gottes am ersten zu suechene, so wurde alßdann im übrigen dest mehr glückhlich säligkhait volgen. Dann ainmal wer khain nott so groß auff erden, welche der religion handel nitt überträff, anngesehen das so viler 1000, ja vil hunndert 1000 seelen haill unnd ewig säligkheit oder verdamnuß darauff stuende, dann derselben ain gar unzalbare grosse menig inn ieren gewissen zweyfelttig unnd dermassen betrüebbt unnd bedranngt weren, daß sy auch zu Gott khain rechtes, volkhommens vertrauen habenn, unnd die jhenigen, so darzwischen auß diser zeitt verschiden, inn halber, ja wol inn gantzer verzweifflung ir leben beschliessen müessen, alles auß mangell der unverglichnen [Religion] unnd bezwanngnuß der conscientzen unnd gewissen etc. /377/ Zudem daß auch die österreichische erblennder, so jetzo durch denn erbvheinndt zum höchsten angefochten wurden, selbst flehennlich gebetten hetten, disen religion tractat und damitt die raine leer unnd wortt Gottes befürdert, khains weegs zuruckh zu stellen9. Wie dann nitt allain dieselben, sonder auch noch vil anndere christlich eiferigef gemüetter unnd gefangne, betriebte gewüssen viler treffenlichen volckher der loblichen theüttschen nation mitt seüffzennden hertzen auff die alhieig erledigung sehen unnd umb dieselbe one underlaß schreien unnd seüfftzen. Darumb wer khain sach so schwer nichtt, deren diser hanndel nicht vorzuziehen. Wie es sich dann gegen Gott unnd den gewüsseng nitt wurde veranttwurtten lassen, da man disen tractat nitt solltte lassen denn ersten sein. Es gäbe die erfahrung an ir selbst zuerkhennen, waß bißheer für glückh unnd sig bei der sachen gewesen, so offt daß nottwenndigiste werckh Gottes der heilligen religion hinnder die thür gesätzt unnd die mennschlich mittel zu widerstand deß erbvheinndts etc. an die hand genomben worden. /377’/ Wie dann auff gar vilen Reichs tägen beschehen, unnder wellichen zu allen malln daß negotium religionis auff die paan khommen, aber von ainer zeitt auff die anndere verschoben unnd allain von mennschlicher hilfflaistung geredt unnd gehandlt. Was aber darmitt fruchtpars außgerichtt worden, dessen weren nur zuvil exempel vor augen. Also unnd gleicher gestalltt dörffte man sich noch besserer unnd mehrerer aussrichtunng nicht vertrösten, da nicht zuvorderst die weeg bedacht, dardurch Gottes zorn versönnet unnd abgewenndt, sein glori unnd ehr zuvorderst betrachtet, gefürdert unnd den beschwerdten unnd seüfftzennden gewissen unnd christlichen seelen inn dem hochsten anligen ieres haills und seligkheitt geholffen wurd. An dem man sich auch die angezogne verlenngerung der zeitt nicht dörfft irren lassen. Dann wo daß reich Gottes inn disem hanndel mitt gerechtem ernnst gesuecht unnd die erlanngung aines christlichen concordi unnd vergleichung inn der religion mitt eifrigen gemüettern gemaint, so wurde on allen zweifel sich der liebe Gott mitt seiner göttlichen gnad unnd segen der sachen dermassen nähern, daß bei derselben richtigkhlich und /378/ inn ainer kürtz alle guette erledigunng zuverhoffen unnd alßdann dem erbvheinndt mitt göttlichem beystanndt unnd getrösten gewissen unnd hertzen dest außrichtlicher und sighaffter unnder augen gegangen werden möchte10. Wie dann iere gnedige herrn, von denen sy abgesanndtt, nach erledigunng solchen religion punctens sich der gesuechten hilfflaistunng halben dermassen unnd inn solcher gehorsam zuerzaigen gesinnett, daß solches zweifels on der kgl. Mt. zu gnedigstem benüegenh gefallen geraichen wurd11.
Obwohl diesem Votum die vertretenen CA-Stände, nämlich neben Sachsen12
auch Brandenburg-Küstrin, Württemberg, Pommern, Hessen und Henneberg13
, beipflichten, erhält Österreich mit 17 weiteren Stimmen14
die Mehrheit.
Vor dem folgenden Vortrag vor KR fordern die Gesandten der CA-Stände im FR vom Salzburger Referenten, dieweill dise hanndlung die religion /378’/ sach belanngte, daß neben dem mereren auch ir ainhellige mainung referiert werden solltt. Deß dann vermüg deß passauischen vertrags nicht gewaigert werden khünde.
Kurfürstenrat und fürstenrat
15
. [Entsprechend Protokoll des KR, 84–86.]
fürstenrat. /378’ f./ Umfrage zur Resolution des KR. Beide Seiten beharren auf ihren Voten.
/379/ Die [katholische] Mehrheiti
besteht für den Vortrag vor KR darauf, dass neben dem 1. HA (Religionsvergleich) auch der hochnottwenndig türggenhilff artickhell inn khainen lenngern verzug gestelltt, sonnder alßgleich mitt unnd neben dem religion puncten fürgenomben, gehanndeltt, zu schließlicher erledigung gebrachtt unnd, was beschlossen, inn die volnziehung gestelltt werden solltt; angesehen daß diser punct ain sollich werckh unnd die gefärlicheit, so er auff im hatt, inn gemein unnd sonnderlich der sovil 1000 unnd ja 100 000 bedranngter christlicher seelen halb sollicher massen geschaffen, daß im mehreren fur ganntz pillich unnd nottwendig geachtet, desselben schleinige unnd richttige /379’/ erledigung nach aller muglicheit zufürderen unnd inn khainen ferneren verzug erwachsen zulassen, auß denn stattlichen und erhebblichen, tringennden ursachen, die zum thaill bey gethaner relation fürkhomen.
Österreich (Zasius): Als weiteres Argument ist KR das alltt heerkhomben unnd gebrauch der Reichs consultation wol für die oren zu pleuen unnd außzufieren, wellicher massen es biß daheer im Heilligen Reich und auff allen gepflegnen reichstägen, wann ain punct oder articl auß der proposition ainem gemainen ausschuß zu consultieren bevolhen, mitt berattschlagung der übrigen, nichtt allain inn der proposition begriffen, sonnder auch andern zufälligen articln unnd sachen gehaltten, unnd nemlich daß mitt denselben khainnß weegs still gestannden, sonnder durch denn ubrigen rest der stennd unnd pottschafften zu allen thailln inn denn völligen rätthen16 immer fortt gehanndltt werden.
/379’ f./ Auch wäre es ganz ungewöhnlich und unerhört, wenn bis zum Abschluss der Ausschussberatungen die übrigen Stände keinerlei Verhandlungen zu den anderen HAA in den Kurien führen und somit Zeit und Geld verschwenden würden. Deshalb soll dem Herkommen gemäß neben dem Religionsvergleich im Ausschuss in den Kurien die Türkenhilfe unverzüglich und parallel beraten werden.
/380 f./ Straßburgj
verweist in der Umfrage darauf, da
/380’/ man gleich jetzo solcher hilff ainig, daß dannoch noch vil zeitt unnd hanndlung darzu gehörtte, wie die innß werckh zurichten unnd inn fürderlichen fürganng zupringen sein solltt etc.
/380’ f./ Die CA-Stände des FR haben sich
/381/ mitt dem churfürstlichen bedenckhen pure, gestrackhs und dermassen verglichen, auff das der religion punnct vor allem zu hanndlen unnd vor erledigung desselben weder von türggenhilff noch ichten anderen zu tractieren.
Sowohl die CA- wie die katholischen Stände fordern Zasius als Referent des FR am kommenden Tag auf, ihre Argumente, die der Salzburger Referent beim vorherigen Vortrag vor KR teils vergessen hat, vorzubringen.