Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Österreich B, fol. 374’–381.

Reihenfolge der Beratungspunkte: Beharren der Mehrheit des FR auf der sofortigen Vorlage des 2. HA (Türkenhilfe) in den Kurien und der parallelen Beratung des 1. HA (Religionsvergleich) im Ausschuss. Ablehnung durch die CA-Stände.

/374’/ (Vormittaga ) fürstenrat. [Salzburg1  proponiert:] Verhandlungen zur Geschäftsordnung, Reihenfolge der Beratungspunkte.

Umfrage2 . Salzburg: Vorrangige Beratung des 2. HA (Türkenhilfe) von weegen wissenntlicher, offennbarer notth3.

Bayern: Parallele Beratung des 1. HA (Religionsvergleich) und des 2. HA 4.

Österreich (Zasius): Vortrag des Votums gemäß vorausgehender Absprache mit Gf. Georg [von Helfenstein] und entsprechend dem Bericht vom 21. 9. an den Kg. 5 , gleichwol mitt ettwas mehreren /375/ ausfüerung unnd dem beschluß, wo müglich die beede puncten nebenainannder fürzunemen, also das der ain vermüg passauischen vertrags inn gemeinem ausschuß tractiert unnd der ander durch die übrigen pottschafften unnd gesandten in pleno consilio erledigt. Unnd im vahl aber ain solliches manngell halb der personen im churfürsten rath jetzo nicht beschehen möcht, daß doch der türggennhilff artickhel, alls jetziger gelegennheit unnd offenbaren gefärlicheitt nach der genöttigist, für den ersten für hannd genomben, doch der religion punnct khains weegs bei seits gesetzt, sonnder so bald man neben der jetzbemelltten völligen Reichs hanndlung allennthalb inn verfassunng gelanngte, daß man zu dem gemeinen ausschuß unnd also dem religion tractat füegkhlich khommen möchte; alß dann derselb khains weegs einzustellen, sonnder alles vleiß gehanndltt unnd nach göttlichem gefallen erörttert werden solltt etc.

Dem Votum Österreichs schließen sich alle Stände auf der geistlichen Bank an6.

/375’/ Straßburg fügt hinzu: b– Erfahrungsgemäß erfordern die Religionsverhandlungen viel Zeit. So sind Kg. und Reichsstände biß inn die achte wochen anno 40 zu Hagenau geleegen, volgents daß colloquium zu Wormbs, so dannenheer geflossen, sich inn die zwölffte wochen erstreckht, unnd doch an beeden ortthen nichts annders alß allain de modo et forma etc. gehanndltt worden7, unnd nach gelegenheitt aller seitther zugetragnen verennderung nitt wol müglich sein wurd, jetzo kürtzer unnd schleiniger zu vergleichung zu khommen–b. Solte dann hiezwischen solcher langwürigen hanndlung der türggenhilff articl ersitzen unnd ungehanndelt bleiben, so wurd hiezwischen nit allain euer Mt. unnd deren christenliche khunigreich unnd lande unzimblicher [weißc] /376/ verlassen, sonnder auch eben d–der unrath unnd weitterung verursacht, davon Zasius inn seinem votieren stattliche ausfüerunng und erinnerung gethan hette–d. Dies wäre gegen Gott nicht zu verantworten, auch sind die Reichsstände Kg. Ferdinand nicht nur als römischem Kg., ihrem von Gott gesetzten Haupt, und als Kg. von Ungarn, sonnder auch alß ainem mittglid unnd stand deß Hailligen Reichs die begerten hilff zu laisten schuldig.

/376’/ Sachsen und im Anschluss daran alle CA-Stände haben uno ore und ganntz ainmüettiglich geschlossen, der religion puncten solltte inn allweeg der erste sein unnd enttzwischen nichts anders gehanndltt noch tractiert werden, wie daß dem passauischen vertrag, augspurgischen abschied8 unnd der ordnunng inn der proposition gemeß. Unnd sonnst pillich wer, das reich Gottes am ersten zu suechene, so wurde alßdann im übrigen dest mehr glückhlich säligkhait volgen. Dann ainmal wer khain nott so groß auff erden, welche der religion handel nitt überträff, anngesehen das so viler 1000, ja vil hunndert 1000 seelen haill unnd ewig säligkheit oder verdamnuß darauff stuende, dann derselben ain gar unzalbare grosse menig inn ieren gewissen zweyfelttig unnd dermassen betrüebbt unnd bedranngt weren, daß sy auch zu Gott khain rechtes, volkhommens vertrauen habenn, unnd die jhenigen, so darzwischen auß diser zeitt verschiden, inn halber, ja wol inn gantzer verzweifflung ir leben beschliessen müessen, alles auß mangell der unverglichnen [Religion] unnd bezwanngnuß der conscientzen unnd gewissen etc. /377/ Zudem daß auch die österreichische erblennder, so jetzo durch denn erbvheinndt zum höchsten angefochten wurden, selbst flehennlich gebetten hetten, disen religion tractat und damitt die raine leer unnd wortt Gottes befürdert, khains weegs zuruckh zu stellen9. Wie dann nitt allain dieselben, sonder auch noch vil anndere christlich eiferigef gemüetter unnd gefangne, betriebte gewüssen viler treffenlichen volckher der loblichen theüttschen nation mitt seüffzennden hertzen auff die alhieig erledigung sehen unnd umb dieselbe one underlaß schreien unnd seüfftzen. Darumb wer khain sach so schwer nichtt, deren diser hanndel nicht vorzuziehen. Wie es sich dann gegen Gott unnd den gewüsseng nitt wurde veranttwurtten lassen, da man disen tractat nitt solltte lassen denn ersten sein. Es gäbe die erfahrung an ir selbst zuerkhennen, waß bißheer für glückh unnd sig bei der sachen gewesen, so offt daß nottwenndigiste werckh Gottes der heilligen religion hinnder die thür gesätzt unnd die mennschlich mittel zu widerstand deß erbvheinndts etc. an die hand genomben worden. /377’/ Wie dann auff gar vilen Reichs tägen beschehen, unnder wellichen zu allen malln daß negotium religionis auff die paan khommen, aber von ainer zeitt auff die anndere verschoben unnd allain von mennschlicher hilfflaistung geredt unnd gehandlt. Was aber darmitt fruchtpars außgerichtt worden, dessen weren nur zuvil exempel vor augen. Also unnd gleicher gestalltt dörffte man sich noch besserer unnd mehrerer aussrichtunng nicht vertrösten, da nicht zuvorderst die weeg bedacht, dardurch Gottes zorn versönnet unnd abgewenndt, sein glori unnd ehr zuvorderst betrachtet, gefürdert unnd den beschwerdten unnd seüfftzennden gewissen unnd christlichen seelen inn dem hochsten anligen ieres haills und seligkheitt geholffen wurd. An dem man sich auch die angezogne verlenngerung der zeitt nicht dörfft irren lassen. Dann wo daß reich Gottes inn disem hanndel mitt gerechtem ernnst gesuecht unnd die erlanngung aines christlichen concordi unnd vergleichung inn der religion mitt eifrigen gemüettern gemaint, so wurde on allen zweifel sich der liebe Gott mitt seiner göttlichen gnad unnd segen der sachen dermassen nähern, daß bei derselben richtigkhlich und /378/ inn ainer kürtz alle guette erledigunng zuverhoffen unnd alßdann dem erbvheinndt mitt göttlichem beystanndt unnd getrösten gewissen unnd hertzen dest außrichtlicher und sighaffter unnder augen gegangen werden möchte10. Wie dann iere gnedige herrn, von denen sy abgesanndtt, nach erledigunng solchen religion punctens sich der gesuechten hilfflaistunng halben dermassen unnd inn solcher gehorsam zuerzaigen gesinnett, daß solches zweifels on der kgl. Mt. zu gnedigstem benüegenh gefallen geraichen wurd11.

Obwohl diesem Votum die vertretenen CA-Stände, nämlich neben Sachsen12  auch Brandenburg-Küstrin, Württemberg, Pommern, Hessen und Henneberg13 , beipflichten, erhält Österreich mit 17 weiteren Stimmen14  die Mehrheit.

Vor dem folgenden Vortrag vor KR fordern die Gesandten der CA-Stände im FR vom Salzburger Referenten, dieweill dise hanndlung die religion /378’/ sach belanngte, daß neben dem mereren auch ir ainhellige mainung referiert werden solltt. Deß dann vermüg deß passauischen vertrags nicht gewaigert werden khünde.

Kurfürstenrat und fürstenrat 15 . [Entsprechend Protokoll des KR, 84–86.]

fürstenrat. /378’ f./ Umfrage zur Resolution des KR. Beide Seiten beharren auf ihren Voten.

/379/ Die [katholische] Mehrheiti  besteht für den Vortrag vor KR darauf, dass neben dem 1. HA (Religionsvergleich) auch der hochnottwenndig türggenhilff artickhell inn khainen lenngern verzug gestelltt, sonnder alßgleich mitt unnd neben dem religion puncten fürgenomben, gehanndeltt, zu schließlicher erledigung gebrachtt unnd, was beschlossen, inn die volnziehung gestelltt werden solltt; angesehen daß diser punct ain sollich werckh unnd die gefärlicheit, so er auff im hatt, inn gemein unnd sonnderlich der sovil 1000 unnd ja 100 000 bedranngter christlicher seelen halb sollicher massen geschaffen, daß im mehreren fur ganntz pillich unnd nottwendig geachtet, desselben schleinige unnd richttige /379’/ erledigung nach aller muglicheit zufürderen unnd inn khainen ferneren verzug erwachsen zulassen, auß denn stattlichen und erhebblichen, tringennden ursachen, die zum thaill bey gethaner relation fürkhomen.

Österreich (Zasius): Als weiteres Argument ist KR das alltt heerkhomben unnd gebrauch der Reichs consultation wol für die oren zu pleuen unnd außzufieren, wellicher massen es biß daheer im Heilligen Reich und auff allen gepflegnen reichstägen, wann ain punct oder articl auß der proposition ainem gemainen ausschuß zu consultieren bevolhen, mitt berattschlagung der übrigen, nichtt allain inn der proposition begriffen, sonnder auch andern zufälligen articln unnd sachen gehaltten, unnd nemlich daß mitt denselben khainnß weegs still gestannden, sonnder durch denn ubrigen rest der stennd unnd pottschafften zu allen thailln inn denn völligen rätthen16 immer fortt gehanndltt werden. /379’ f./ Auch wäre es ganz ungewöhnlich und unerhört, wenn bis zum Abschluss der Ausschussberatungen die übrigen Stände keinerlei Verhandlungen zu den anderen HAA in den Kurien führen und somit Zeit und Geld verschwenden würden. Deshalb soll dem Herkommen gemäß neben dem Religionsvergleich im Ausschuss in den Kurien die Türkenhilfe unverzüglich und parallel beraten werden.

/380 f./ Straßburgj  verweist in der Umfrage darauf, da /380’/ man gleich jetzo solcher hilff ainig, daß dannoch noch vil zeitt unnd hanndlung darzu gehörtte, wie die innß werckh zurichten unnd inn fürderlichen fürganng zupringen sein solltt etc.

/380’ f./ Die CA-Stände des FR haben sich /381/ mitt dem churfürstlichen bedenckhen pure, gestrackhs und dermassen verglichen, auff das der religion punnct vor allem zu hanndlen unnd vor erledigung desselben weder von türggenhilff noch ichten anderen zu tractieren.

Sowohl die CA- wie die katholischen Stände fordern Zasius als Referent des FR am kommenden Tag auf, ihre Argumente, die der Salzburger Referent beim vorherigen Vortrag vor KR teils vergessen hat, vorzubringen.

Anmerkungen

a
 Vormittag] Speyer (fol. 110’) differenzierter: 7 Uhr.
1
 Vorsitz Salzburgs an diesem Tag gemäß Randvermerk in der Textvorlage: Saltzburg praesidiert.
2
 Die Umfrage wird in der Textvorlage nur unvollständig aufgezeichnet. Zur Einordnung folgenden Streits im FR um die Abfolge der HAA als „eine zutiefst politische Frage“ vgl. Schulze, Reich, 114–116 (Zitat 116).
3
 Vgl. differenzierter im protokollartigen Bericht des sächsischen Gesandten Schneidewein an die Hgg. vom 24. 9. 1556: Dringlichkeit der Türkengefahr duldet keinen Aufschub. Religionsverhandlungen beanspruchen sehr viel Zeit, während die Türkenhilfe rascher zu erledigen ist. Türkenhilfe betrifft das Heil vieler Christen. Längerer Aufschub könnte die Kriegsvorbereitungen des Kgs. behindern. Rasche Bewilligung der Hilfe lässt Erfolg versprechenden Einsatz erhoffen (HStA Weimar, Reg. E Nr. 180, fol. 150–168a’, hier 158 f. Or.).
4
 Vgl. differenzierter im Bericht Schneideweins vom 24. 9. (wie Anm. 3, hier fol. 158’): Parallele Beratung der Religionsfrage im Ausschuss und der Türkenhilfe in den Kurien, da Letztere wegen der akuten Bedrohung keinen Aufschub duldet, während die Voranstellung Ersterer der Passauer Vertrag und der RAb 1555 vorgeben.
5
 Der Bericht vom 21. 9. 1556 führt eingangs die taktische Verzögerung der Religionsverhandlungen durch die Geschäftsordnungsdebatte (vgl. Anm.2 bei Nr. 116) aus und gibt dann, falls die kgl. Erklärung zur Instruktion noch länger ausbleiben würde, als weiteres Votum vor, um die Prorogation der Religionsfrage nicht erwähnen zu müssen und die Türkenhilfe zu befördern: Letztere ist aufgrund der akuten Bedrohung der kgl. Erblande bevorzugt ohne jeden Aufschub zu beraten, wolle man nicht das Leben vieler Christen gefährden. Die Religionsfrage werde sehr viel Zeit beanspruchen und sich allein für die Klärung der Wege zur Vergleichung bis tief in den Winter hinziehen. Ein so langer Aufschub der Türkenhilfe sei keinesfalls tragbar (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 112–118’, hier 114–116’. Kop.). Vgl. Laubach, Ferdinand I., 161.
6
 Vgl. die Einzelvoten der nachfolgenden katholischen Stände insgesamt im Bericht Schneideweins vom 24. 9. (wie Anm. 3, hier fol. 162–164’): Straßburg wie Zusatz (fol. 375’) oben. Würzburg und Konstanz votieren für die Parallelberatung beider HAA, ebenso Jülich mit dem Zusatz: /162’/ Also konnte der religion unnd proposition folge geschehenn unnd auch der kgl. Mt. gewillfartt werden. Speyer: Je nach Mehrheitsentscheidung Voranstellung der Religionsfrage oder Parallelberatung beider HAA. Gibt bekannt, auch den Bf. von Worms zu vertreten, und wiederholt das Votum für diesen. Regensburg: Votiert, dass zunächst die Türkenhilfe inn kurtze expediert unnd dann vonn der religion dest stattlicher tractiret konnte werdenn. Stellt fest, dass in der Religionsfrage theologi vom proceß muestenn redenn unnd nicht juristenn. Passau, Meißen, Merseburg, Naumburg, Fulda, Hersfeld, St. Emmeram, [schwäbische] Gff.: Wie Österreich und Salzburg.
b–
 Erfahrungsgemäß ... khommen] Würzburg (fol. 48’ f.) deutlicher als Votum der Mehrheit insgesamt: Die Erörterung der Religionsfrage wird sehr viel Zeit beanspruchen. Man weiß, /49/ wie lang leyder die irrungen in glaubenß sachen gewert und wie offtmals in gehaltenen colloquiis auch de modo et via vil monaten wer disputirt worden und doch daß wenigist nicht ausgericht. Man bringt dies nicht vor, um die Religionsfrage zurückzustellen oder zu vernachlässigen, sondern wegen der Befürchtung, es mogte die sachen wie vormals dardurch in große verlengerung sich ziegen, in furderlicher betrachtung, daß noch zur zaytt die stend alhie auch mit khainen personen und theologis gefaßt, die solches werck in die handt zunemmen hetten.
7
 Beim Hagenauer Religionsgespräch 1540 Beratungen vom 12. 6.–28. 7. um die Verhandlungsgrundlage; im Abschied vom 28. 7. Einberufung eines neuerlichen Gesprächs nach Worms ( Ganzer/zur Mühlen, ADRG I passim, bes. Nrr. 24–140 S. 95–312. Vgl. Hollerbach, Religionsgespräch, 134–138; zur Mühlen, Reformation, 34–36; Ortmann, Reformation, 117–126). Beim Wormser Kolloquium 1540/41 Verfahrensdebatte vom 25. 11. 1540–13. 1. 1541 wegen des Abstimmungsstreits: Strittige Gesamtabstimmung mit 22 Einzelstimmen oder Vortrag jeweils eines Votums für katholische und protestantische Seite. Da von den 11 katholischen Delegationen 3 (Kurpfalz, Kurbrandenburg, Jülich-Kleve) inhaltlich zur reformatorischen Position tendierten und dieser bei der Einzelabstimmung eine Mehrheit von 14:8 verschafft hätten, bestanden N. P. de Granvelle als Vertreter des Ks. und das katholisch besetzte Präsidium auf dem Vortrag einer gemeinsamen Stellungnahme für jede Seite, um die konfessionsinternen Minderheitsvoten zu unterdrücken. Dies lehnten die protestantischen Delegationen und die 3 abweichenden neutralen katholischen Stände ab. Letztlich setzte Granvelle ein auf je einen Vertreter jeder Religion beschränktes Gespräch durch, das vom 14.–18. 1. 1541 Johannes Eck und Melanchthon führten. Vgl. zum Verfahrensstreit: Hollerbach, Religionsgespräch, 146–151; Ortmann, Reformation, 155–161; Rössner, Braun, 76–81; Luttenberger, Reunionspolitik, 319–344. Akten: Ganzer/zur Mühlen, ADRG II passim. Protokoll: Pfeilschifter, Acta III, Nr. 99 S. 196–291 passim.
c
 weiß] Fehlt in der Textvorlage irrtümlich. Ergänzt nach Österreich A (fol. 307’).
d–
 der ... hette] Speyer (fol. 111 f.) differenzierter als Mehrheitsvotum unter Bezugnahme auf das Vorbringen von Zasius: Türkenhilfe betrifft nicht nur die kgl. Erblande, sondern es ist /111’/ der gantzenn teutschen nation unnd gemeiner christenheit sehr viel unnd hoch [daran] gelegenn, da sie [!] viel hundert tausennt seelen verfurt unnd zu abgöttischem glaubenn gezwungen unnd gepracht wurdenn. Item das die kgl. Mt., dero königreich, landt unnd leuth ir eusserst vermögenn, gut unnd plut dargestreckt, irnn geliebten son, ertzhertzogenn Ferdinand etc., selbs aigner person mit einer statlichen anzal der berümbstenn, dapfern unnd erfarnesten kriegs leuth zu Unngern dem feindt under augen geschickt. Darumben ir Mt., dero königreich unnd landen notturfft erfordert, ein zeitlich wissens zuhabenn, wes sie sich der begertenn hilff, es were an volck oder an gelt etc., zugetröstenn, sie sich mit notwendiger vorbereittung desto statlicher geschickt machen unnd versehen möchtenn. Dan wo sie hilfloß gelassenn, würde gewißlich darauß ervolgenn, das ire f. Dlt. aintweders widerumben auß dem veldt schwerlich abziehenn oder aber höchste /112/ unnd eusserste gefhar gerattenn unnd ubersteenn muesten. Was nuhn der turck als dann fur ein hertz darauß schepffenn, auch in was desperation entgegen die unsern fallenn unnd wie [die] eher Gots hierdurch gefurdert wurde, das kündte ein yeder verstendiger vernunfftiglich wol ermessen. [...] Unnd nachdem daß feuer allenthalb prenne, solte man billich an den ortenn anfahenn zuleßenn [!], da es die notturfft am höchstenn erfordert.
8
 Passauer Vertrag, § 7: Vorbereitung der Religionsvergleichung „baldt anfangs“ auf dem künftigen RT in einem interkurialen Ausschuss ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 3 S. 127). RAb 1555, § 140: Prorogation des Religionsvergleichs an den künftigen RT, dort Verhandlungen nach Maßgabe des Passauer Vertrags (ebd., Nr. 390 S. 3148).
e
 zu suechen] Speyer (fol. 112’) zusätzlich: Feststellung, dass die Religion nit das zeitlich, sonder das ewig betreffe. Wie nuhnn das ewig dem zeitlichenn, also were auch das negotium religionis der turcken hilf furzusetzenn.
9
 Bezugnahme auf die Werbung der niederösterreichischen Gesandten um eine beharrliche Türkenhilfe und um Beförderung des Religionsvergleichs in den Erblanden [Nr. 483, hier fol. 397] sowie auf die Forderung beim Wiener Ausschusslandtag 1556 (vgl. Anm.17 bei Nr. 483).
f
 eiferige] In Österreich A (fol. 308’): gepeinigte.
g
 gewüssen] In Österreich A (fol. 308’): negsten.
10
 Vgl. weiteres Argument dezidiert als Votum Sachsens im Bericht Schneideweins vom 24. 9. (wie Anm. 3, hier fol. 161 f.): Gegen die parallele Beratung beider HAA im Religionsausschuss und in den Kurien spricht, dass viele Stände nur mit einem Gesandten vertreten sind, /161/ unnd erforderte ein artickell so wol als der annder seiner hochwichtigkeitt halben /161’/ nicht alleine eines jetzlichenn theils eine, sonndern wol mehr personenn, darmit ein jeder stattlich tractirt werdenn konnte.
h
 benüegen] In Österreich A (fol. 308’): benuegigen.
11
 Die Württemberger Gesandten Massenbach und Eislinger betonten im Bericht vom 26. 9. 1556 an Hg. Christoph, Sachsen und Hessen hätten über dieses Erbieten hinaus vorgebracht, dass ihre Hh. sich bezüglich der Türkenhilfe aller gehorsam befleissen wurden ( Ernst IV, Nr. 148 S. 166–174, hier 169).
12
 Dagegen befürworteten die Hgg. von Sachsen in der Weisung vom 4. 9. 1556 (Weimar) an Schneidewein zwar die Voranstellung des Religionsartikels, wollten aber die Vorziehung der Türkenhilfe billigen, falls der Kg. darauf bestünde, da an dieser Formalie /320’/ nicht gros gelegenn sei (HStA Weimar, Reg. E Nr. 179, fol. 320–324’, hier 320’. Or.). Erst im Zusammenhang mit der Freistellung änderten sie in der Weisung vom 25. 9. 1556 (Heldburg) ihre Position: Da sich die Türkengefahr relativiere und man für den Winter keine größeren Aktionen erwarte, /289’/ unnd dann itziger zeit die occasion unnd gelegenheit ann die handt leuffet, das uff die freystellung der religion gedrungt werden magk, sollte Schneidewein nunmehr auf der Voranstellung der Religionsfrage beharren (ebd., fol. 288–291a’, hier 289 f. Or.).
13
 Voten im Bericht Schneideweins vom 24. 9. (wie Anm. 3): /162/ Brandenburg-Küstrin: Die Türkengefahr ist groß, aber der sehlenn gefahre noch grosser. Unnd werenn sonnderlich die osterreichische, die der zeittlichenn hulff bedurfftenn unnd begertenn, auch inn der sehlenn gefahre. Welche darinnenn so wenig als inn der leiblichenn nott zulassenn, weil sie unnd anndere, so uff disenn reichstage vertzogen unnd vertrostet, mit hertzlichem verlanngen darnacher seufftzetenn, das die religion vorglichenn wurde. Wird die Religionsfrage vorgezogen, so were Gottes gnade zuverhoffenn. Da auch dieselbige mit mehrerm christlichem eiffer, dann bis anher beschehen, geförderet unnd nicht verfolget wordenn oder nachmals geförderet wurde, weil jetzt noch zeitt dartzu, so were es allenthalbenn besser gegangenn unnd wurde noch besser gehenn. Da aber Gottes wortt verfolget unnd wieder dasselbige, auch Gott, gekrieget wurde, so wurde auch mehr unfugs unnd /162’/ straff volgenn. /163’/ Württemberg: Voranstellung der Religionsfrage. Pommern: Auch in der Vergangenheit ist die Religion wegen der Maßnahmen im Türkenkrieg und gegen Kriege im Reich zurückgestellt worden. Was aber der ausganng gewesenn, wuste mann auch, unnd das ungluck nuhr grosser wordenn. Unnd were alle nott inn Teutzschlanndt aus hindansetzung der religion kommenn, unnd were die nott nie hoher dann jetzt gewesenn, die religion billich vortzutziehenn. Dann so Gottes zorn gestillet, wurde gnad unnd gluck darbei sein. /164/ Hessen: Kritisieren, dass andere Gesandte unzureichend bevollmächtigt sind und sie deshalb bereits die 16. Woche untätig am RT aufgehalten werden. Voranstellung der Religionsfrage gemäß Passauer Vertrag und RAb 1555. /164’/ Schneidewein für Henneberg. Erwidert das Votum Straßburgs und fordert zumindest präparative Beratungen zum Modus des Religionsvergleichs, die rascher als die langwierigen Hauptverhandlungen und ohne die Anwesenheit von Theologen zu erledigen sind. Es ist nicht nur zu bedenken, dass der Türke weiter vorstoßen, /165/ sonndern auch der jungst tage unnd der herr Christus mit seinem ewigenn gerichte herein brechenn mochte.
14
 Gemäß Bericht der kgl. Kommissare von Helfenstein und Zasius an Ferdinand I. vom 24. 9. 1556 schlossen sich Österreich neben allen Ständen der geistlichen Bank auch Bayern, Jülich und die schwäbischen Gff. an (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 127–130’, hier 127. Kop.). Vgl. auch oben, Anm. 6.
15
 Die österreichische Protokollierung (Österreich B und A) zeichnet nur das Referat für KR auf, hingegen beinhalten Würzburg (fol. 51 f.) und Speyer (fol. 113’) auch den Vortrag der geteilten Resolution des FR gemäß vorheriger Beschlussfassung.
i
 [katholische] Mehrheit] Hessen (fol. 52’) differenzierter: Österreich, Salzburg, Bayern, Straßburg und die anderen katholischen Stände.
16
 = im Plenum der Kurien.
j
 Straßburg] In Österreich A (fol. 312) abweichend [und falsch]: Salzburg.