Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Bericht der kursächsischen Gesandten an Kf. August vom 14. 12. 15562.

Beharren der CA-Stände im Religionsausschuss auf der Ablehnung eines Konzils als Weg zum Religionsvergleich. Plädoyer für ein Kolloquium.

/280/ Versammlung der CA-Stände. Vorberatung des künftigen Verhaltens im Religionsausschuss.

Kurpfalz (von der Tann) proponiert: Vereinbarung eines gemeinsamen Votums der CA-Stände im Religionsausschuss, wie das colloquium anzustellen und auf was wege und mittel man votieren soll.

Kursachsen: Beratung ist verfrüht, da das Kolloquium im Ausschuss zunächst gegen andere Wege der Religionsvergleichung, namentlich gegen General- und Nationalkonzil durchgesetzt werden muss.

Kurpfalz: /280 f./ Von der Tann verweist zur Ablehnung des Konzils auf seinen beim RT 1555 vorgelegten Ratschlag3 , den die f. Gesandten der CA gebilligt haben, während ihn die kfl. Räte /280’/ weder gelobet noch gescholten, sonder allein geachtet, das solche ding zuberatschlagen noch zeit genug sein solte. Der Ratschlag wird verlesen und nach der Sitzung den Gesandten übergeben.

Kursachsen: Bestätigen die im Gutachten genannten Argumente gegen das Konzil. Das weren alles rationes rationum, und die andern ubrigen angezogenen ding gehorten zu diser deliberation nicht. /280’–281’/ Votum Kursachsens gegen das Konzil: Man hat sich in der Vergangenheit nicht auf ein freies, christliches Konzil einigen können. Rekusationen und Proteste veranschaulichen, aus welchen Gründen die CA-Stände das Tridentinische Konzil abgelehnt haben. Diese Argumente, die teils auch im Gutachten von der Tanns enthalten sind, sprechen nach wie vor gegen die Bewilligung: Leitungs- und Entscheidungsanspruch des Papstes (Präsident und Richter); strittige Entscheidungsbefugnis der Bff.; Ablehnung des vollwertigen Stimmrechts für die CA-Teilnehmer. Deshalb Empfehlung, im Ausschuss auf dem Kolloquium zu beharren, auf dem man, selbst wenn keine Einigung zu erwarten ist, zumindest Rechenschaft über die eigene Konfession ablegen kann. Bevorzugung des Kolloquiums auch deshalb, weil /281’/ die concilia alle decisionem und submissionem in sich hetten, aber die colloquien weren allein freundtliche unterredung, die man fur keine decisiones achtet, derer sich auch die stende nicht also submittirten.

Kurbrandenburg: /281’ f./ Mit Argumenten wie Kursachsen ebenfalls für das Kolloquium, das zudem dem Konzil vorzuziehen ist, weil es /282/ allein unter der deutzschen nation gehalten, die eyner zungen und billich eins hertzen sein solten. Auch entfällt damit die problematische Debatte um die Veranstaltung eines Konzils innerhalb oder außerhalb des Reichs.

Brandenburg-Küstrin: Wie Kurbrandenburg.

Pommern: /282 f./ Ebenso. Fügt als weiteres Argument an, der Kg. selbst habe in den Propositionen des letzten und dieses RT auf eine schleunige Vergleichung der Religion gedrängt4 , während Einberufung und Verhandlungen eines Konzils bekanntlich sehr viel Zeit erfordern.

/282’/ Württemberg: Lehnen sowohl Konzil wie Kolloquium ab: Colloquia machten processus in infinitum, also das man sich nicht vergleichen konte und allein disputationes blieben. Und were an dem, solte man sich den colloquien submittiren, so were es so fehrlich als ein concilio. Solte man sich aber nicht submittiren, so blieben es disputationes. Deshalb befürwortet Hg. Christoph, das die augspurgische confession vorzulegen5. Wan dan das gegenteil mangel daran befunde, so solten es die unsern schriftlich oder mundtlich ableynen, dan solchs wurde etzliche bischofe lucrificiren6.

Erwiderung der Mehrheit an Württemberg: Das solchs in effectu auch nichts anders sein wurde dan ein colloquium.

Württemberg schließt sich daraufhin der Mehrheit an. Beschluss: Man will im Religionsausschuss auf dem Kolloquium beharren.

Anmerkungen

1
 Die Datierung dieser Sitzung konnte nicht geklärt werden. Die Textvorlage (vgl. Anm. 2) nennt kein Datum, sondern besagt lediglich (fol. 280), die CA-Stände seien dise tage erneut zusammengekommen. Folgt man der Abfolge der kursächsischen Berichterstattung, fand die Sitzung nach 6. 12. (im Bericht dieses Tages nicht erwähnt) und vor 11. 12. (nächste aufgezeichnete Sitzung, aber erst im Bericht vom 21. 12. mitgeteilt) statt. Auch andere Gesandtenberichte beinhalten keine Anhaltspunkte für eine genauere Datierung.
2
  HStA Dresden, Loc. 10192/5, fol. 280–283’. Or. Knappes Referat: Wolf, Geschichte, 45.
3
 Vgl. dazu ein Bedenken der hgl. sächsischen Gesandten insgesamt (März/April 1555:  Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 173 S. 1827–1829). Das angesprochene Gutachten konnte nicht aufgefunden werden.
4
 Vgl. Proposition des RT 1555:  Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 148, hier S. 1691–1695; aktuelle Proposition: Nr. 1, fol. 65 (1. HA).
5
 Vgl. auch das Württemberger Votum am 13. 11.: Kurpfalz C, fol. 161’ [Nr. 359].
6
 = lukrieren (gewinnen).