Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Kurpfalz C, fol. 180–182.

Formulierung des eigenen Bedenkens in der geteilten Duplik der Reichsstände zum 1. HA (Religionsvergleich) durch die CA-Stände. Anmahnung der Resolution des Kgs. zur Freistellung. Verzögerung der Salzburger Supplikation durch den Kg. Fürsprache für einen in Venedig inhaftierten Glaubensverwandten.

/180/ (Nachmittag) Versammlung der CA-Stände (Kurpfalz, Kursachsen, Brandenburg-Ansbach mit Kurbrandenburg, Pfalz-Zweibrücken, Sachsen, Württemberg, Baden-Durlach, Hessen, Städte Straßburg und Regensburg).

Kurpfalz proponiert: /180 f./ Da im Religionsausschuss keine Einigung zu den Bedingungen der geistlichen Stände für das Kolloquium, insbesondere zum Konzilsvorbehalt, erzielt werden konnte, hat man beschlossen, Kg. eine geteilte Resolution zu übergeben. Dabei blieb offen, ob beide Religionsparteien ihre Argumente selbst formulieren und der Mainzer Kanzlei übergeben oder ob diese das Konzept für die Resolution insgesamt formulieren und anschließend zur Debatte stellen soll1 . Deshalb Beratung, /180’/ ob die motiven selbst zu stellen oder Maintz zu bevelhen.

Umfrage. Kursachsen: Man hat zuvor beschlossen, in wichtigen und strittigen Angelegenheiten die Ausführungen für die eigene Seite selbst zu formulieren. Dan solt mans Maintz bevelhen, were er2 nit dieser parthei, sonder des andern teils. Derowegen ir guterachten, die bedencken zusamen zutragen und also gestelt, damit zuspueren, an den augspurgischen confessions verwandten der mangel nit erwunde; volgents in ein schriefft gezogen und ubergeben wurden. Und wollen in dem indifferentes sein, es beschee abgesondert oder bevelhe es Maintz.

Brandenburg-Ansbach mit Votum auch für Kurbrandenburg: Jeder tail seine motiva underschidlich und statlich ausfueren, volgents Maintz zugestelt werden soll, in ein schrifft zuverfassen. So were niemandt furgegrieffen.

/181/ Pfalz-Zweibrücken: Dergleichen wie Brandenburg.

Sachsen3: Similiter, dan Maintz dieser religion gar zuwider.

Württemberg: Hetten nit bedenckens gehabt, wo Maintz die schriefft gestelt, dan er, cantzler, nie vermerckt, er so gar affect, sonder alwegen getreulich sein ambt verricht und referirt. Jedoch inen nit zuwider were, das dieses theils argumenten abgesondert durch Pfaltz und Sachssen deducirt und nachmals Maintz in die schriefft zuinserirn zugestelt wurde.

Baden-Durlach: Wie Brandenburg.

Hessen: Wie Würtenberg. Doch das dardurch der religion frid nit zerrut, dem passauischen vertrag zuwider nichts furgenomen und der unglimpff diesem tail nit zugemessen werde.

Stadt Straßburg: Wie Würtenberg.

Stadt Regensburg: Wie Brandenburg.

Kurpfalz: Similiter4.

/181’/ Kurpfalz proponiert: Soll die ausstehende Erklärung des Kgs. zur Eingabe der CA-Stände um Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts5  in knapper Form angemahnt werden?

Umfrage. Einhelliger Beschluss: Anmahnung der Erklärung zur Freistellung6 , verbunden mit einem Hinweis auf den Verhandlungsvorbehalt der CA-Stände vom 24. 11. 15567.

/182/ Kurpfalz proponiert: Die Supplikation der aus dem Erzstift Salzburg vertriebenen Glaubensverwandten an Kg. und Reichsstände8  ist bishero vom konig verzogen und im Gegensatz zu den übrigen Supplikationen vom Vizekanzler [Jonas] dem Mainzer Kanzler nicht übergeben worden. Kurpfalz votiert für die Empfehlung der CA-Stände an die Salzburger Supplikanten, die den Verzug heftig beklagen, eine getrennte, nur an die Reichsstände gerichtete Supplikation der Mainzer Kanzlei zu übergeben, damit sie auf diesem Weg in den Kurien zur Beratung kommt.

Umfrage. Beschluss: Einhellige Billigung.

Kurpfalz proponiert: In Venedig ist ein Manna  der Religion wegen inhaftiert worden9 . Empfehlen getrennte Fürsprachen der kfl. und der f. Gesandten für den Gefangenen beim Orator Venedigs10  hier am RT.

Umfrage. Beschluss: Einhellige Billigung.

Anmerkungen

1
 Vgl. die Beratung im Religionsausschuss am 21. 1. 1557: Kurmainz A, fol. 127’–133 [Nr. 329].
2
 = der Mainzer Kanzler.
3
 Nach der Ankunft der neuen sächsischen Gesandten Brück und Tangel am 17. 1. nahmen an dieser Sitzung der CA-Stände erstmals gleichzeitig Vertreter Sachsens und Pfalz-Zweibrückens teil (Zweibrücken war in der Anfangsphase des RT nicht präsent). Da der im FR geführte Sessionsstreit beider Häuser (vgl. Anm.12 bei Nr. 189 sowie Nr. 572) die Verhandlungen der CA-Stände nicht beeinträchtigen sollte, kam man überein, die Rangordnung in diesem /243’/ sonnderbarenn rathe ohne Präjudizierung zu handhaben unnd one einige ordenntliche session unnd umbfrag zu votieren (Bericht Brück und Tangel an die Hgg. von Sachsen vom 30. 1. 1557: HStA Weimar, Reg. E Nr. 180, fol. 243–249’, hier 243 f. Or.).
4
 Vgl. die nachfolgende Billigung des Konz. für das Bedenken der CA-Stände in der geteilten Duplik am 25. 1.: Kurpfalz C, fol. 184’ [Nr. 373].
5
 Nr. 503.
6
 Vgl. den mündlichen Vortrag der Anmahnung bereits am 23. 1. [Nr. 372].
7
 Bezugnahme auf die in der Duplik der Reichsstände zur Verhandlungsaufnahme und zum Verhandlungsmodus beim 1. HA (Religionsvergleich) [Nr. 426] enthaltene Erklärung der CA-Stände: Konditionierte Aufnahme der Hauptberatungen nur unter Vorbehalt und keine Beschlussfassung ohne Erledigung der Freistellung.
8
 Nr. 573.
a
 ein Mann] Württemberg (unfol.) deutlicher: ein Vetter von [Pietro Paolo] Vergerio. [1498–1565. 1536 Bf., ab ca. 1544 Konversion zunächst zum reformierten, dann zum lutherischen Bekenntnis; seit 1553 im Dienst Hg. Christophs von Württemberg ( ADB XXXIX, 617–621; BBKL  XII, 1242–1256).]
9
 Eine entsprechende Supplikation an die CA-Stände konnte nicht aufgefunden werden. Vergerio [vgl. Anm. a] hatte am 20. 5. 1556 Hg. Christoph von Württemberg um Fürsprache für seinen von den Venezianern inhaftierten Vetter gebeten ( Ernst IV, Nr. 84 S. 94, Anm. 3).
10
 = Paolo Tiepolo.