Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Bericht der kursächsischen Gesandten an Kf. August vom 15. 2. 15571.

Beschluss einer Erwiderung an den Kg. zur Freistellung. Zunächst Übersendung an die Obrigkeiten um Stellungnahme.

/240/ Versammlung der CA-Stände (Gesandte: Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Pfalz-Zweibrücken, Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Pommern, Hessen, Verordnete der protestantischen Reichsstädte [Straßburg und Regensburg]).

Kurpfalz (von der Tann) proponiert: Die Antwort des Kgs. zur Freistellung2  ist gantz unverhoffentlich und beschwerlich. /240 f./ Deshalb Anregung, dass die anwesenden Gesandten, die mehrheitlich an den Verhandlungen des RT 1555 zur Freistellung beteiligt waren, eine Erwiderung an den Kg. beschließen und diese ihren Obrigkeiten zur Korrektur und Billigung schicken. In der Erwiderung sollen die Freistellungsverhandlungen des RT 1555 wiederholt und der Kg. unter Berufung darauf gebeten werden, /240’/ wo je die kgl. Mt. die freystellung auf die vorige gebettene wege nit richten wolt, das doch ir Mt. zum wenigsten disen punct als eyn praeiuditial puncten einstellen und zu der tractation der religion also setzen wolt, domit derselbige in eynem concilio oder colloquio erledigt werden mocht. Dan solche suspension ein sonderliche relevation der conscientien wehre. Und solchs solt man also anfangs unsern gnst. und gn. herren rathen, doch mit dem anhang, wan abermals durch solche bitt bey der röm. kgl. Mt. nichts zuerhalten wehre, das man dan auf ein stadtliche, ansehenliche protestation gedencken solte, dieselbige also von [!] der kgl. Mt. und sonst furtzubringen, domit dises puncts halben unserer gnst. und gn. herren gewissen allenthalben gefreyet sein mochten.

Kursachsen: Beklagen ebenfalls, dass mit der Eingabe der CA-Stände3  (wie wir auch offt verwarnet) nichts ausgericht, sondern auch, das domit sovil erregt, das man den chur- /241/ und fursten auflegen will, als hetten sie disen punct ihrer kfl. und f. Gnn. gewissen zuwider gewilligt. Nun wusten wir darinnen euer kfl. Gn. 4 gemuet woll. Dan wie euer kfl. Gn. disen punct also anfangs nicht zutreiben und zuerwegen gemeinet, das dardurch der religion friden zerruttet oder die turckenhulff verhindert werden solt, so wurde auch numehr euer kfl. Gn. uf derselbigen gewissen nicht ligen wollen lassen, das euer kfl. Gn. etwas derselben gewissen widerlichs solte gewilligt haben. Unnd derwegen wehre keins wegs thunlich, dise resolution unverantwortet zu lassen. /241 f./ Schließen sich zum diesbezüglichen Vorgehen Kurpfalz an: Von den Obrigkeiten zu billigende Erwiderung der Antwort des Kgs. mit Wiederholung der Verhandlungen auf dem RT 1555. /241’–242’/ Schildern dafür den Verlauf der Verhandlungen 1555 aus ihrer Erinnerung5 . Weiterhin ist auszuführen, dass die Konfirmationsklausel des RAb nicht auf den Geistlichen Vorbehalt bezogen werden kann6 , da dem Religionsfrieden eine eigene, besondere Konfirmationsklausel angefügt ist, welche die Einschränkung beinhaltet: /242’/ „was ein jeden betrift oder betreffen mag.“7 Nun betreffe diser furbehalt als ein furbehalt die augspurgischen confession verwandten nicht, hetten es auch nicht, wie obstehet, bewilligt. Raten gegen das Votum von Kurpfalz davon ab, die Suspension der Freistellungsfrage bis zur Klärung auf einem Kolloquium oder Konzil zu erbitten, denn dort konte darvon nicht beratschlagt werden, nach deme /243/ darinnen von hauptvergleichung der religion zu tractiren. Und wan diselbige gescheen, diser punct ex consequentia fiele. Aber uf ein andere suspension dise dinge zu richten, wan es gescheen mocht, hette seinen bescheidt. Wir wolten aber nicht raten, das man diselbige auf dise bose resolution so baldt bitten solt, dan es ihre kgl. Mt. dohin verstehen wurde, das man mit solcher freystellung gar fiele, und ihre Mt. wurden es desto weniger thun. Deshalb Wiederholung der vorherigen Bitte, den Geistlichen Vorbehalt aus dem Religionsfrieden zu streichen, und dies jetzt umso mehr, als Kg. unterstellt, die CA-Stände hätten den Artikel 1555 gebilligt. Zudem Versicherung, den Religionsfrieden nicht infrage zu stellen. Wird die Bitte erneut abgelehnt, votiert auch Kursachsen für die Übergabe eines Protests.

/243’/ Kurbrandenburg: Entsprechend Kursachsen, doch das der religion fride nicht zerruttet und die turckenhulff nicht gehindert wurde8. Und lies ime die meynung nicht misfallen.

Pfalz-Zweibrücken: Zur Bitte an den Kg. wie Kursachsen.

Sachsen (Tangel): War an den Verhandlungen des RT 1555 beteiligt und bestätigt deren Schilderung durch die kursächsischen Gesandten9 . Kg. bezieht sich in seiner Antwort nicht nur auf den RAb 1555, sondern auch auf den Passauer Vertrag, also das solcher furbehalt auch demselbigen gemes. Nun gleubtet er, das darinnen mit keinem wort meldung gethan. Solchs muste man gleichwol auch verantworten.

Brandenburg-Küstrin (Mandesloe): /244/ Er wuste sich der zu Augspurg ergangenen handlung zuerinnern, und geschee den gesandten mit diser resolution unrecht, dan diselbigen nie gewilligt, sondern der dissens fur der kgl. Mt. mer dan zwantzigk mal angetzogen. Und do man mit den furgeschlagenen wortten zur anzeigung der nicht bewilligung nicht zufriden sein wollen, hette ihre Mt. selbst mit ihrem munde gesagt, es wehre gnug, ihre Mt. wolte es uns fur aller welt gestendig sein, das wir niemals gewilligt; es solte auf ihr Mt. liegen. Item die dancksagung were allein des religion fridens halben gescheen10, und wie er gewis wuste, darinnen der geistlichen furbehalt mit keynem wort meldung gescheen. Deshalb zur Rechtfertigung und zum etwaigen Protest wie Kursachsen.

Brandenburg-Ansbach (Eisen): War ebenfalls an den Verhandlungen 1555 beteiligt und bestätigt, das niemals gewilligt und der dissens fur der kgl. Mt. fast ad taedium angetzogen. /244 f./ Der Dissens wurde auch im Religionsfrieden ausgedrückt11 . Demnach /244’/ gebs der context und der buchstabe anders, dan der kgl. Mt. resolution in sich hette, beyde, in dem artickel und dan auch in den obligationen. Zur Bitte und zum Protest wie Kursachsen.

Württemberg, Pommern, Hessen und die Verordneten der protestantischen Reichsstädte schließen sich ebenfalls an.

Bitte an die kursächsischen Gesandten, eine Erwiderung an den Kg. zu konzipieren, die zunächst den Obrigkeiten zur Stellungnahme geschickt werden soll12.

Daneben Beschluss, in den Kurien nochmals auf die Erklärung der CA-Stände in der Resolution vom 24. 11. 1556 zu verweisen13 , wonach die Beschlussfassung zu den HAA unter Vorbehalt einer Klärung der Freistellungsfrage steht, zu der man nunmehr Weisungen der Obrigkeiten angefordert hat.

Anmerkungen

1
  HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 240–249’, hier 240–244’. Or.; präs. o. O., 20. 2. Verwendung des Berichts als Textvorlage, da die Protokollierung der Sitzung in Kurpfalz C (fol. 192 f.) nur den Beschluss zusammenfasst.
2
 Nr. 504.
3
 Nr. 503.
4
 = Kf. August von Sachsen. Eine Weisung des Kf., die noch vor obigem Bericht datiert (o. O., 11. 2. 1557), entspricht dem Votum, da auch er eine derartige Erklärung des Kgs. in Anbetracht der Reichsverhandlungen und /231/ wegen des wergks an im selbst keins wegs erwartet hatte, insbesondere nicht die Unterstellung, die CA-Stände hätten 1555 den Geistlichen Vorbehalt bewilligt. Deshalb Auftrag, dies nochmals zu verdeutlichen und zu versuchen, eine Streichung, Suspendierung oder Abmilderung des Vorbehalts zu erreichen sowie, falls ohne Infragestellung des Religionsfriedens möglich, dagegen zu protestieren (HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 230–235’, hier 231–232. Konz.). Nach dem Erhalt obigen Berichts bestätigte der Kf. in der Weisung vom 20. 2. 1557 (Dresden) dieses Vorgehen: Protest bei der Verlesung des RAb, falls der Geistliche Vorbehalt darin nicht revidiert wird (ebd., fol. 294–296. Konz.). August war über die Antwort des Kgs. bereits am 8. 2. vom Sondergesandten U. Mordeisen unterrichtet worden (ebd., fol. 227–229’. Eigenhd. Or.; präs. Dresden, 10. 2.) und ließ seine Enttäuschung darüber von diesem dem Kg. persönlich vortragen (vgl. Anm.4 bei Nr. 507).
5
 Vgl. die Darlegung in der Replik der CA-Stände [Nr. 505], fol. 465’–467’ [Unnd ist an ... meldung nit gethan.].
6
 Bezugnahme auf die Erklärung des Kgs. [Nr. 504], fol. 388’ f. [Unnd zu dem allem ... sonnder geverde.]. Vgl. zur Erläuterung die Replik mit Nachweisen [Nr. 505], fol. 469 f. [So mag gleicher gestalt ... gesatzt ist.].
7
 Konfirmationsklausel des Religionsfriedens (Art. 16) im RAb 1555, § 30: Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390, hier S. 3113.
8
 Die Gesandten von der Strass und Witterstadt schickten Kf. Joachim mit Bericht vom 10. 2. die Erwiderung an den Kg. [Nr. 506] zur Ratifizierung mit der Bemerkung, die Angelegenheit sei /117’/ nit wenig bekömmerlich, denn obwohl die Mehrheit der CA-Stände erkläre, dass die Freistellung die Türkenhilfe und andere HAA nicht behindern soll, so dränge E. von der Tann /118/ dermassen, dz wir schier alle durcheinander irre gemacht. Mit dem sich Sachssen, ob sie wol gleichen bevelch irem anzeigen nach mith unß haben, nemblichen dz sie dieß artickels halben nichts ufziehen sollen, mher teils vergleicht. Unnd haben in summa zusammen soviel und mancherley sonderliche rathschlege, dz wir schier untereinander keine libera vota oder freie stimmen antzutzeigen haben (GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. Y Fasz. G, fol. 116–119’, hier 117’ f. Or.). Kf. Joachim billigte die Erwiderung in der folgenden Weisung (o. D., nach 24. 2.) und kritisierte, dass der Kg. mit einer so schimpfflichen resolution antworte. Er bewilligte auch den etwaigen Protest der CA-Stände, doch sollten die Gesandten dessen ungeachtet die Türkenhilfe und andere HAA, /42’/ wie die gewilliget, vollendts schließen (ebd., Nr. Y Fasz. H, fol. 40–44’, hier 42 f. Konzeptkop.). Damit kehrte der Kf. zur gemäßigten Position vom Beginn des RT zurück (vgl. Anm.13 bei Nr. 355), während er zwischenzeitlich die Schlussbewilligung der Türkenhilfe infrage gestellt hatte: /25/ Wir hetten auch am liebsten gesehen, daß ir mit der bewilligung der turckenhulff ein wenig gemach gethan, bis derselbe artickel der freistellung uf christliche mittel und wege erledigt, oder daß doch die protestation were wider erholdt worden, daß die bewilligung der turckenhulff nicht solde vorbintlich sein, es wurde dan der freistellung, wie obgemelt, abgeholffen (ebd., fol. 24–26, hier 25. Undatiertes Konz.; anhand des folgenden Berichts: Lochau, 15. 1. 1557). Weisung vom 13. 2. (Cölln/Spree): [...] erholet die protestation, das der artickel der turckenhulff nicht sol vorbindlich sein, es werde dan die freistellung auch christlich erledigt (ebd., fol. 16–23’, hier 19. Or.).
9
 Vgl. Bericht der Deputierten Brück und Tangel an die Hgg. von Sachsen vom 8. 2. 1557: Die Unterstellung des Kgs. hat besonders die am RT 1555 beteiligten Gesandten /251’/ eins theils zu grosser ungedult, die anndern aber zu grosser kleinmuetigkeitt, auch verwunderunge unnd allerlei seltzamen nachdenckenn nach gelegennheit der kgl. Mt. jetzo vorstehenndenn unnd zum hefftigstenn angetzogenenn turckenn nott, unnd das gleichwol dasselbig vonn irer Mt. dißmals zum wengistenn nicht betrachtet noch angesehenn wordenn, bewogenn unnd verursachtt (HStA Weimar, Reg. E Nr. 180, fol. 250–258’, hier 251’–252’. Or.). Tangel beteuerte im Bericht vom 17. 2. den Widerspruch aller CA-Gesandten beim RT 1555 und schickte den Hgg. die Erwiderung zur Billigung (ebd., fol. 266–268a’. Or.). Dies taten die Hgg. am 26. 2. (Weimar: Ebd., Reg. E Nr. 179, fol. 383–386a’, hier 383 f. Or.), nachdem sie bereits in der Weisung vom 16. 2. (Weimar) ausgedrückt hatten, aufgrund des klaren Widerspruchs der CA-Stände gegen den Geistlichen Vorbehalt, der auch im RAb 1555 ausgedrückt werde, sei /374’/ sich warlich unnd nicht unbillich zuverwundern, das kgl. Mt. sich zu einer solchen resolution hat beredenn unnd bewegen lassen (ebd., fol. 372–379’, hier 374–375. Or.).
10
 Vgl. Nr. 504, fol. 388’, mit Anm. 8.
11
 Religionsfrieden (Art. 6) im RAb 1555, § 18: „welchs sich aber beeder religion stende nit haben vergleichen khönnden“ ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390, hier S. 3109).
12
 Vgl. die Ausfertigung: Nr. 506. Bericht des pommerischen Gesandten Wolde vom 24. 2. 1557 (wie Anm.12 bei Nr. 375, hier pag. 15): Da man die Stellungnahme der Regensburg weit entlegenen Stände wie Pommern nicht abwarten kann, wird beschlossen, nur die Billigung der näher gesessenen Stände zu berücksichtigen. Lgf. Philipp von Hessen billigte die Erwiderung mit der Vorgabe, dass der Kf. von Sachsen /262/ kein bedencken dagegen hat (StA Marburg, Best. 3 Nr. 1248, fol. 258–265’, hier 261’ f. Or.; präs. 4. 3.). Die Wetterauer Gff. billigten sie beim Grafentag in Wetzlar (Abschied vom 28. 2. 1557: HStA Wiesbaden, Abt. 171 G 374, fol. 25–30’, hier 25’. StA Darmstadt, E 1 G 3 Nr. 2, fol. 211–215. Kopp.).
13
 Nr. 426.