Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

2. HA (Türkenhilfe): Septuplik des Kgs. Koadjutorfehde in Livland: Keine Teilnahme Braunschweigs an der sofortigen Vermittlungsgesandtschaft. Resignation des Kaisertums durch Karl V.: Keine Verhandlungen beim RT. Ansetzung eines Kurfürstentags nach Eger.

/761/ (Nachmittag, 6 Uhr) Kgl. Herberge. Versammlung der Reichsstände vor dem Kg., der von Vizekanzler Jonas vortragen lässt: Kg. hat die Sextuplik der Reichsstände zum 2. HA (Türkenhilfe) beraten und lässt seine Erwiderung übergeben. Vorlage der Septuplik des Kgs. 1 , verbunden mit der Bitte, die stende wollten sich daruff endtlich enndschliessen, damit die sachen einmals zu glucklichem ende gepracht. Daran beweisen sie Gott dem almechtigen ein wolgefelligs werk, das inen selbs zu nutzlicher wolfart gereichen werde.

/761 f./ Daneben lässt der Kg. mitteilen, dass Hg. Heinrich von Braunschweig, der von den Reichsständen als Mitglied der sofortigen Vermittlungsgesandtschaft nach Livland benannt worden ist2 , seine Teilnahme in einem Schreiben an den Kg. entschuldigt3 . Kg. bittet um Gutachten zum weiteren Vorgehen, da er seine beiden Vermittlungskommissare bereits zu den Hgg. von Pommern geschickt hat4  in der Annahme, die reichsständischen Verordneten würden sich ebenfalls dort einfinden.

[Sondersitzung des Kgs. nur mit den Gesandten der Kff. 5 : /373/ Kg. lässt vortragen: Hat erwartet, die Deputierten aller Kff. würden über eine Weisung für die Bewilligung von acht doppelten Römermonaten verfügen. Da dem nicht so ist, hette konig nit underlassen sollen, rethe deßhalb anzusprechen, das die, so gewalt empfangen, sich erclerten, die andern befelch erlangten, damit sie sich in diesser sachen nit absonderten, sondern die unabdingbare Bewilligung mittragen. Antwort der kfl. Verordneten: Werden sich gesondert dazu erklären6.]

/762/ Sondersitzung des Kgs. nur mit den Gesandten der vier rheinischen Kff. Kg. lässt vortragen: Sie kennen die Bemühungen des Kgs. bei den Kff., den RT nicht nur gemeiner Reichs sachen halber, sonder auch sunst zu anhorung, wes der ksl. und irer kgl. Mt. hochst nottwendig angelegen etc., persönlich zu besuchen. Zwar haben daraufhin einige Kff. ihr Kommen zugesagt, nachdem aber Kursachsen und Kurbrandenburg letztlich ihr Erscheinen ausgeschlossen haben7 , die Zusammenkunft der Kff. aber unabdingbar ist und der Kg. unmittelbar nach dem RT nach Böhmen zum Landtag reisen muss, so hielten es ir kgl. Mt. darfur, das der platz der zusamenkunfft in mittelst und vor dem sich /763/ ir Mt. in Beheim zu der landtagen begeben hetten, unter wegs bestimpt und angesetzt werden oder aber, wo solchs vor halltung irer Mt. landtäg nit, doch gleich hernach oder aber in noch werenden landtegen in Beheim bescheen mochte. Und obwoll irer kgl. Mt. gantz beschwerlich, das sie also dardurch uffgehallten und dem kriegs wesen gleich alspaldt nit beisein mochten, so wolten doch ir Mt. mittler weill, wo von noten, dasselbig durch ire sön versehen lassen und sich daneben den sachen nach moglicheit nehern. Hetten derhalben fur gut angesehen und bedacht, das die churfursten zu Eger bei irer Mt. erscheinen sollten; welcher platz Sachsen und Brandenburg nit zuwider sein konte. So were derselbig Pfaltz auch nit so gar ungelegen. Wiewoll nun ir Mt. wol gemeint, sich den andern geistlichen churfursten ettwas mehr zu neheren, so versehen sich doch ir Mt., es werden dieselb auch unbeschwerdt sein, sich dahin zubegeben, in ansehung, sie nit vill weiter ghen Eger als gehn Regenspurg zureisen hetten.

Kg. hat die rheinischen Kff. bereits davon unterrichten lassen, dass sie jetzt nicht nach Regensburg, sondern im Anschluss an den RT nach Eger reisen mögen8 . Als Termin ist der 1. Mai vorgesehen, um dem Kf. von der Pfalz die Anreise bei milderem Wetter zu erleichtern. Kg. beabsichtigt, den Kff. die Einzelheiten von seinem Rat Georg Spät vorbringen zu lassen9 . Den Kff. von Mainz und Trier hat er angeboten, ihnen in Eger ihre Regalien zu verleihen. /763 f./ Auch der Kf. von Köln könnte dort seine Regalien empfangen, falls er bis dahin die päpstliche Konfirmation erhalten hat.

Anmerkungen

1
 Nr. 441.
2
 Benennung Hg. Heinrichs von Braunschweig zusammen mit Lgf. Philipp von Hessen am 9. 1. 1557 anstelle Kf. Augusts von Sachsen, der die Teilnahme abgelehnt hatte: Kurmainz, pag. 580–584 [Nr. 66].
3
  Hg. Heinrich entschuldigte sich im Schreiben vom 6. 2. 1557 an Kg. Ferdinand mit dem Argument, seine Teilnahme würde die Vermittlung /118/ viel mehr hindern oder stutzig machen dann furdern, da der Hg. von Preußen und dessen Bruder, der Ebf. von Riga, beide aus dem Haus Brandenburg stammend, im Markgrafenkrieg Mgf. Albrecht Alkibiades gegen ihn, Hg. Heinrich, und die Fränkische Einung unterstützt hätten und ihn deshalb als Mediator ablehnen würden (DOZA Wien, Liv 7, fol. 68 f. Kop. StA Wolfenbüttel, 1 Alt 1A Fb. 1 Nr. 20/II, fol. 118 f. Konz.). Hg. Heinrich schickte das Schreiben zur Vorlage beim Kg. zusammen mit der Weisung vom 6. 2. (Wolfenbüttel) an seinen RT-Gesandten V. Krummer (ebd., fol. 120–121’. Or.).
4
 Als Kommissare des Kgs. wurden zunächst Wenzel Wrzesowicz von Neuschloss, Kämmerer Ehg. Ferdinands, und Dr. Adolf Grueb, kgl. Rat, benannt. Für Grueb nahm jedoch Valentin Sauermann an der Gesandtschaft teil (vgl. Anm.5 bei Nr. 519). Der pommerische RT-Deputierte Wolde ging im Bericht vom 24. 2. 1557 an Hg. Philipp davon aus, der kgl. Verordnete V. Sauermann werde inzwischen beim Hg. angekommen sein, da er Regensburg vor 14 Tagen Richtung Prag verlassen habe, um von dort mit seinem Mitkommissar [Wenzel Wrzesowicz] nach Pommern zu reisen (AP Stettin, AKS I/162, pag. 7–30, hier 21. Konzeptkop.).
5
 Diese Besprechung ist in Kurmainz nicht enthalten. Sie wird anhand der Aufzeichnung in einem separaten Mainzer Protokollauszug dokumentiert: HHStA Wien, MEA RTA 44a/I, fol. 373–374’, hier 373 (Überschr.: Privatim aller churfursten rethe.). Es folgt die Aufzeichnung der anschließenden Besprechung des Kgs. mit den Deputierten nur der rheinischen Kff., die auch in Kurmainz protokolliert ist.
6
 Die Kurmainzer Gesandten beantworteten die Anmahnung in einer Audienz vor dem Kg. am 18. 2.: Sind beauftragt, aufgrund der bekannten Schädigung des Erzstifts nicht mehr als 8 einfache Römermonate zu bewilligen. Haben die Verhandlungen zur Türkenhilfe nicht behindert und bis zu diesem Zeitpunkt /366/ nit hochnottig geacht, wes sie bewilligt oder nit, sonderlich anzupringen. Verhoffen, ir genedigister her und sie endtschuldigt zusein. Kf. plant ohnehin, persönlich zum RT zu kommen. Sie hoffen, falls er der beschwerden, darin sie [kfl. Gn.] gesetzt, enndtladen oder enntleichtert [!] werden konnten, das sein kfl. Gn., sovil immer zuerschwingen und zuleisten moglich, als /366’/ ein gehorsamer ungern verwaigern wurden etc. Antwort des Kgs.: Kann die Bewilligung von nur 8 einfachen Römermonaten nicht akzeptieren und verweist darauf, dass der Vorgänger, Kf. Sebastian, gut gewirtschaftet und dem Erzstift ein stattliche barschafft hinterlassen habe. Abgesehen davon erfordert die akute Türkennot, dass alle Stände sich dagegen engagieren, sonderlich aber die geistlichen fur andern schuldig, das irig darzustrecken und in solchen fellen der kirchen guter nit zuverschonen. Die Gesandten sollen den Kf. deshalb veranlassen, sich weder selbst von der Mehrheit abzusondern noch andere dazu zu veranlassen. Dafür Angebot des Kgs., in andere wege, wo moglich, sein kfl. Gn. uncostens zu enndtheben, und wo sie zu Eger erschienen, wie sich ir Mt. versicht, und angezogner beschwerden halb anzeig thun oder sonst anzeigen lassen /367/ werden, was ire Mt. zu erleichterung und endthebung befurdern konten, wolten sie seinen kfl. Gn. zu freundtschafft und gnaden nit underlassen (HHStA Wien, MEA RTA 44a/I, fol. 366–367’. Kop.). Der Vortrag der Mainzer beruhte auf der Weisung des Kf. vom 7. 2. 1557 (Aschaffenburg), die Ursachen für die Bewilligung von nur 8 Römermonaten dem Kg. privat vorzubringen und ihn auf seine persönliche Ankunft zu verweisen (ebd., fol. 350–353’. Or.; präs. 15. 2.). Zuvor hatten die Gesandten im Bericht vom 29. 1. betont, sie seien unter allen Ständen singulares, da diese 8 oder zumindest 6 doppelte Römermonate bewilligten. Da ihr Sondervotum nicht in die Ständeresolution aufgenommen werden könne, müssten sie ihr Abweichen dem Kg. ad partem anzeigen, da er andernfalls davon ausginge, sie würden die allgemeine Bewilligung mittragen (ebd., MEA RTA 43/II, fol. 304–306’. Or.; präs. Aschaffenburg, 6. 2.).
7
 Vgl. zu den Bemühungen des Kgs. um die Anreise der Kff. wegen der Resignation des Kaisertums: Einleitung, Kap. 4.1.2.
8
 Bezugnahme auf das Schreiben an die Kff. von Mainz, Trier und Köln vom 13. 2. 1557 (Regensburg), mit dem der Kg. sie im Hinblick auf ihre kurz zuvor erfolgten Zusagen, persönlich zum RT anzureisen, davon unterrichtete, dass /463/ unversehenlich dermassen sachen vorgefallen seien (die Absage durch Kursachsen und -brandenburg), aufgrund deren die Anreise nun nicht mehr erforderlich sei. Die Kff. sollten zunächst seine weitere Gesandtschaft [= Georg Spät] abwarten (HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 463. Konz. an die 3 Kff. von Hd. Kirchschlager mit Korrekturen von Hd. Jonas. HHStA Wien, MEA RTA 36 Konv. 4, fol. 106–107’. Or. an Kurmainz; präs. Aschaffenburg, 17. 2. 1557).
9
 Werbung Späts bei den rheinischen Kff. Ende Februar/Anfang März 1557. Vgl. Einleitung, Kap. 4.1.2.