Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
Als Textvorlage für die Verhandlungen des KR dient das Kurmainzer Protokoll1 [Kurmainz]. Das vom Mainzer Sekretär Simon Bagen eigenhändig verfasste2 Votenprotokoll3 zeichnet den Beratungsgang für den gesamten Zeitraum des RT vom 10. 6. 15564 bis zur Verlesung des RAb am 16. 3. 1557 ausführlich, weitgehend lückenlos5 und zuverlässig auf. Es protokolliert neben den eigentlichen Sitzungen der kfl. Gesandten auch die Relationen und Korrelationen mit FR und SR, die Übergabe der Verhandlungsakten an den Kg. und teilweise die Verlesung von Supplikationen, obwohl es sich für deren Beratung ansonsten auf eine eigene Mitschrift bezieht6 . Die thematische Trennung der Supplikationen von den Hauptberatungen in der Protokollierung wird jedoch vor allem in der Schlussphase des RT nicht konsequent gehandhabt. Daneben verweist das Mainzer Hauptprotokoll auf getrennte Mitschriften für die Religionsverhandlungen [Kurmainz A], die Sitzungen des Ausschusses zur Prüfung des RAb [Kurmainz B] und für die Beratungen zur RKG-Visitation7. Die Kurmainzer Protokollierung insgesamt dokumentiert damit als Kernpunkt der Edition8 Inhalt und Verlauf des RT umfassend.
Ergänzt wird die Wiedergabe der Sitzungen des KR von den Mitschriften Kursachsens und der Kurpfalz, die im Variantenapparat berücksichtigt werden, falls sie Zusätze oder Abweichungen enthalten. Für Kurbrandenburg, Kurköln und Kurtrier konnten keine Protokolle aufgefunden werden. Das kursächsische Votenprotokoll9 [Kursachsen], verfasst von Sekretär Lorenz Ulmann, erfasst nur den Zeitraum vom 18. 8. 1556 bis 27. 2. 1557, bricht also vorzeitig ab, es bietet für die dokumentierte Zeitspanne aber in etwa die Qualität wie Kurmainz. Dies gilt auch für das Kurpfälzer Protokoll10 [Kurpfalz], das ebenfalls die Einzelvoten aufzeichnet und gegenüber Kursachsen den gesamten Tagungszeitraum vom 10. 6. 1556 bis 16. 3. 1557 abdeckt. Daneben protokolliert es die abschließenden Verhandlungen im Ausschuss zur Prüfung des RAb, während die Beratungen zur livländischen Problematik in einem Sonderprotokoll aufgezeichnet werden11 [Kurpfalz A].
Die gute Überlieferung für die Sitzungen des KR wird komplettiert von den Berichten und Weisungen, also der Gesandtschaftskorrespondenz. Diese nimmt für den RT 1556/57 im Vergleich mit anderen Reichsversammlungen grundsätzlich, also auch für die Mitglieder von FR und SR, hinsichtlich ihres Umfangs, aber ebenso als wichtige Ergänzung der Protokollierung einen besonderen Stellenwert ein: Den außergewöhnlichen Umfang bedingt zum einen der lange Berichtszeitraum, der für einige Stände vom 1. 3. 1556 bis zum Abschluss des RT am 16. 3. 1557 reicht und damit mehr als ein Jahr beträgt, eine im Vergleich mit anderen RTT ungewöhnlich lange Zeitspanne. Zum anderen waren in Regensburg keine Kff. und nur sehr wenige Ff. persönlich anwesend, weshalb wesentlich mehr Berichte von Gesandten an ihre Herrschaften anfielen als bei RTT mit einer höheren persönlichen Repräsentanz der Reichsstände. Der außergewöhnliche Stellenwert der Berichte resultiert aus ihrer Funktion, die abwesenden Kff. und Ff. möglichst zeitnah über den aktuellen Verhandlungsgang zu informieren. Deshalb geht die Berichterstattung für mehrere Stände sehr inhaltsreich und fundiert teilweise mit der Wiedergabe von Einzelvoten und dem Referat von Resolutionen auf die Beratungen ein, während sich dem gegenüber manche Protokolle einiger Mitglieder des FR lediglich als Privataufzeichnungen der Gesandten erweisen, auf deren Grundlage sie die detaillierten Berichte verfassten, um damit ihre Herren zu unterrichten und die eigene Tätigkeit zu rechtfertigen. Für diese Stände stellen demnach die Berichte und nicht die Protokolle das zentrale Informations- und Dokumentationsmedium dar.
Da die Verhandlungen des KR allerdings bereits anhand der Protokollierung eingehend nachzuvollziehen sind, werden die Berichte der kfl. Gesandten und die Weisungen ihrer Herren nur dann im Kommentar berücksichtigt, falls sie zusätzliche Aussagen oder Informationen zu informellen Gesprächen oder vertraulichen Belangen beinhalten.
Die umfangreiche, zweifach überlieferte Kurmainzer Reichstagskorrespondenz12 umfasst den Zeitraum vom 2. 3. 1556 bis 6. 3./14. 3. 155713 . Die Berichte seit Anfang März 1556 konzentrieren sich auf den markgräflichen Vergleichstag, wobei stets aber auch Nachrichten zur organisatorischen Vorbereitung des RT, zu dessen erwartetem und wiederholt aufgeschobenem Beginn sowie zur sukzessiven Ankunft der Gesandten anderer Stände einfließen. Die sehr dichte14 , betont sachlich formulierte Korrespondenz informiert neben dem Mainzer Protokoll sehr gut (teils mit Einzelvoten) über die Verhandlungen, sie enthält jedoch kaum Kommentierungen oder Aussagen über informelle Gespräche.
Noch detaillierter und umfassender schilderten die kursächsischen Gesandten die Beratungen des RT 15 : Für den KR, die Versammlungen der CA-Stände und den Religionsausschuss ähneln ihre Berichte vielfach regelrechten Votenprotokollen; Korrelationen von KR und FR werden als genaue Verhandlungsreferate annähernd im Wortlaut dokumentiert. Werden die Beratungen in den Berichten der Gesandten insgesamt (ohne Nennung der einzelnen Räte) mit eher offiziösem Charakter weitgehend neutral dargestellt, so übernahm es F. Kram in den davon getrennten, allein von ihm unterzeichneten Schreiben an Kf. August, Kommentare und Einschätzungen zur Sachlage und zum Verhalten einzelner Stände abzugeben sowie über Nebenthemen, Gerüchte und Zeitungen etc. zu informieren. Dazu kommt die Korrespondenz des erst später nach Regensburg abgeordneten Sondergesandten Ulrich Mordeisen16.
An der ebenfalls sehr umfassenden Kurpfälzer Reichstagskorrespondenz17 ist zunächst die dichte Abfolge der Weisungen Kf. Ottheinrichs mit exakten Vorgaben für seine Gesandten bemerkenswert: Für November 1556 sind sieben, für Januar 1557 acht und für Februar zehn Weisungen überliefert. Dem steht beispielsweise für Februar 1557 mit 19 Schreiben der Gesandten eine nicht minder intensive Berichterstattung gegenüber. In einigen Verhandlungsphasen wurden die Berichterstattung und die Unterweisung thematisch aufgeteilt. So liegen unter dem Datum 9. 2. drei Berichte vor, die sich getrennt mit den Beratungen zur Türkenhilfe, zur Freistellung und zum Religionsvergleich befassen. Der Kf. übernahm diese Aufteilung in den drei Weisungen mit dem Datum 22. 2.
Die Berichte der Kurbrandenburger Gesandten18 decken den Zeitraum vom 3. 7. 1556 bis 27. 2. 1557 ab. Meist abgeschickt in größeren zeitlichen Abständen, schildern sie rückblickend den Verlauf der Beratungen als Verhandlungsreferate mit nur gelegentlichen Kommentaren. Die wenigen Weisungen19 Kf. Joachims II. sind überwiegend nur als undatierte Konzepte überliefert. Sie kamen wegen der weiten Entfernung nach Regensburg meist zu spät an, um in den aktuellen Verhandlungen berücksichtigt werden zu können.
Die Überlieferung der Kurkölner Gesandtenkorrespondenz20 beschränkt sich auf den Zeitraum vom 9. 3. bis 1. 9. 1556. Die Berichte enden mit dem Tod Kf. Adolfs III. am 20. 9. 1556 und damit noch vor dem Beginn der Hauptverhandlungen. Daneben sind nur zwei Weisungen des Kf. überliefert, während der Schriftwechsel mit dem Nachfolger, Kf. Anton, gänzlich fehlt. Nicht erhalten ist die Reichstagskorrespondenz für Kurtrier.
Insgesamt gewährleisten die kfl. Berichte und Weisungen neben und in Verbindung mit den Protokollen sehr gute Einblicke in das Reichstagsgeschehen aus reichsständischer, vorrangig kfl. Perspektive.