Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld

Textvorlage: Kurpfalz, fol. 93'–96.

Vormittag: Sitzung der kfl. Räte mit den ksl. Kommissaren. Vortrag der Gesandten des Prinzen von Condé. Beratungen zur Instruktion und zur Finanzierung der Gesandtschaft nach Moskau. Nachmittag: Sitzung der kfl. Räte. Beratung der Supplikation der Stadt Lübeck. Übergabe eines Revers der Stadt Aachen und der Supplikation des Domkapitels zu Münster. Termin des künftigen RT.

/93'/ (Vormittag) Rathaus. Kfl. Räte und ksl. Kommissare. Wurden erstlich die condischen gesanten1 angehort, ihres muntlichen anpringens, welches sie auch schrifftlich ubergeben2, deß summarischen inhaltz unnd begerens, dz dem hertzogen von Alançon und Condé alß confoederirten3 an ihrem vorhaben, welches zur erlangung der frantzosen freyheit, auch der cron Franckrich heil unnd wolfahrt gemeindt, kein hinderung geschehe.

Daruff die gesanten abgetretten unnd moscowitische sach4 proponirt worden. In deß kam Dr. Viheuser von wegen der ksl.Mt., H. Georg Hansenn pfaltzgraven sach halben. Wurde fur gut angesehen, selbige biß zum nachmittag /94/ inzustellen unnd izmaln von dem moscowitischen geschefft zutractiren, daruff auch umbgefragt wurde.

1. Umfrage. Trier: Dieweil die keiserischen5 bey der handt, solt man sie umb beßeren berichts willen von sachen horen.

Idem placuit reliquis. Fiel zweyfel für, ob in gegenwertigkeit der keiserischen votirt werden solt, und wurdt geschloßen, dz zuvorderst die keiserischen umb bericht zuhoren; welches geschah.

Unnd zeigt daruff der her Ilsung ahn von wegen der ksl.Mt., dz die Kff. anno 70 zu Speyr sich albereid eins bedenckens unnd instruction verglichen6, stunde zu bedencken, ob man selbige abhoren wolt. Verlas Lic. Erstenberger etliches auß einem concept. Dabey vor gut angesehen, dz ubrige auß der instruction zuhorn unnd wz zu änderen geändert würde, welches den keiserischen vermeldet worden. Die vertrauten die verfaßung der instruction der meintzischen cantzley unnd begerten, dz von dem kosten solcher legation deliberirt würde, mit anzeig, dz ihr Mt. albereit gesanten7 beym moscowiter hetten; die würden schirist wieder kommen, nach deren relation unnd bericht die instruction alßdan wohl gericht werden konte. Zuforderst aber wehre von dem zehrungs kosten zugedenckenn.

/94’/ Hieruff seind der Kff. rhät abermals abgetretten (wie wohl sich die keiserischen inen zuentweichen erpotten, aber von wegen deß hern Ilsungs leibs unvermoglichkeit, so in einem seßell sich ufs hauß tragen laßen, nicht beschehen) unnd verners votirt.

[2. Umfrage.] Trier: Dz der handel uff vorstehenden reichstag zuvorschieben unnd deß kostens halben mit der stätt, denen daran gelegen, alhie seyenden gesanten8 zuhandlen.

Köln: Dz deß moscowitischen gesanten wiederkunfft zuerwarten unnd der kosten den stetten, denen damit gedient, uffzuladen.

Pfalz: Man solte nach ankunfft deß moscowitischen gesanten die instruction verfertigen unnd den Kff. zu ersehen uberschicken, selbige nachmalß samptlich habenndt zubedencken. In mittelst solt bey der meinzischen cantzley der instruction begriff verfaßt werden. Den kosten solte man von denen stetten, den diese legation zum besten gereicht, erforderen.

Sachsen: Dz die schickung jungstem beschlus nach zubefürderen, auch die instruction alßbaldt zu concipiren unnd zuvergleichen.

Brandenburg: Leßt es bey jungstem decret, dz nemlich die legation befurdert, die zehrung unnd unkosten derselben den stetten zu gemutet unnd die capita instructionis bey der meintzischen cantzley begriffen werden.

/95/ Mainz: Leßts bey jüngstem beschlus; wehr aber zuschicken, dz stehe bey ihrer Mt. Instruction sey auß deß legati, so kommen soll, relation zuverfaßen; kostens halben solt mit den stetten, wie jungst beschloßen, gehandelt werden.

Diß ist den keiserischen referirt worden, dz man nemlich vor gut angesehen, die legation zubefurderen und langer nit inzustellen. Solte ein gefurste person geschickt werden unnd mit namen H. Parnim zu Pommern9, deßen f.Gn. ihre Mt. jhemand weyters zuordnen mochte. Die instruction wehre in der ksl. canzley zufertigen, deßen ungeferlichen inhaltz: 1) dz gewonlich zuentpieten, 2) dz der handel erholet würde, 3) dz man begerte, der moscowiter ufs wenigste hinfüro sich weytern intrags enthielte, 4) dz die gesanten von dem moscowiter vernemen, welcher gestaldt er sich mit dem Reich in correspondentz einlaßen wolt, unnd solches uffm reichstag referirten, daruff ferner zudeliberiren. Den kosten solten die städt dargeben eintweder für voll, zum halben oder dritten theil. Im fall aber deren keins zuerhalten, dz alßdan zum wenigsten die vorleyhung von ihnen beschehe.

(Nachmittag) Rathaus. Kfl. Räte. Wurde von der lubeckischen sachen contra Schweden10 votirt.

/95'/ [Umfrage.] Trier: Dz die furschrifft ahn Schweden biß uf den Reichs tag zuverschieben.

Köln: Idem.

Pfalz: Ihr Mt. kont zum wenigsten so weid intercediren, damit beide theil ahn eim sicheren ort umb ferner handlung willen zusammen kommen oder schicken mochten.

Sachsen: Fürschrifft an Schweden mit zutheilen, mit benenung eines orts hie zwischen dem Reichs tag.

Brandenburg, Mainz: Dergleichen.

Eodem wurde H. Georg Hansen pfaltzgraven sach11, dergleichen wz uff condische werbung12 zuthun proponirt unnd anzeigt, dz die Kff. sich selbiger beider sachen halben in der person underredt unnd verglichen. Die von Ach ubergaben einen revers der alhero gehn Regenspurg gelegter crönung halben, mit begeren, solchen13 inen zuverfertigen. Ist inen bewilligt. Thumdechant unnd capitul zu Monster14, auch etliche vom adel ubergeben schreyben wieder dz thumcapitul zu Meintz [!]. Reichs tag den 8. oder 12. Februarii anno 76 zu Augspurg zu halten etc. erklert. /96/ Licentiat Erstemberger begert nomine caesaris, de sumptibus moscowiticae legationis zu deliberiren; würde bey ihrer Mt. die instruction uff heutige capita verfertigen zu laßen kein mangel sein.

Anmerkungen

1
François d'Amours, sieur de La Galaizière, und François Bouchard; vgl. Anm.2 bei Nr. 60.
2
Nr. 60.
3
Hg. Franz(-Herkules) von Alençon und Prinz Henri I. von Bourbon-Condé; vgl. Anm.5 bei Nr. 60.
4
Vgl. Nr. 55.
5
Laut Sayn-Wittgenstein (nach Schneidt, Geschichte, 521 f., 536–538) war neben dem ksl. Rat Johann Achilles Ilsung und dem Hofsekretär Andreas Erstenberger auch Christoph von Carlowitz anwesend. Letzterer hatte 1570 an den Friedensverhandlungen in Stettin teilgenommen (Lavery, Challenge, 127 f.). Lazarus von Schwendi war nicht zugegen.
6
Zu den Beschlüssen auf dem RT in Speyer 1570 vgl. Anm.4 und Anm.10 bei Nr. 14. Der Inhalt der Instruktion von 1570 ist referiert bei Sayn-Wittgenstein (nach Schneidt, Geschichte, 537).
7
Gemeint sind die ksl. Gesandten Johann Kobenzl von Prossegg und Daniel Prinz von Buchau; vgl. Anm.6 bei Nr. 14. Kobenzl kehrte Mitte März 1576 nach Wien zurück.
8
Dr. Calixtus Schein und Dr. Heinrich Husanus; vgl. Anm.9 bei Nr. 52.
9
Hg. Barnim X. von Pommern (1549–1603), jüngerer Bruder Hg. Johann Friedrichs (1542–1600), der bei den Verhandlungen in Stettin 1570 der ksl. Kommission vorgestanden hatte, die neben anderen den Frieden zwischen Dänemark-Norwegen und Schweden vermittelte (Turek-Kwiatkowska, Stettiner Kongreß), und der als Leiter der geplanten Gesandtschaft nach Moskau vorgesehen war (Uebersberger, Österreich, 367). Laut des Bedenkens der kfl. Räte (Nr. 55) hatte sich Hg. Johann Friedrich entschuldigt. Sein Bruder Barnim war bereits auf dem Kurfürstentag in Mühlhausen 1572 als Hauptgesandter der Delegation nach Moskau im Gespräch gewesen (Luttenberger, Kurfürsten, 231).
10
Vgl. Nr. 66.
11
Vgl. Nr. 69.
12
Vgl. Nr. 60.
13
Bezug auf den kfl. Revers für Stiftskapitel und Rat der Stadt Aachen vom 3.11.1575 (Druck: Lünig, Reichs-Archiv, [Bd. 18:] Spicilegium ecclesiasticum, 3. Teil, 881 f.), in dem die Kff. erklären, dass sie sich in Absprache mit dem Ks. dazu entschlossen hätten, die Krönung Kg. Rudolfs II. in Regensburg durchzuführen, da sonderliche bewegende Ursachen eingefallen, dadurch die Tractation von obgedachter Wahl und des Wahl-Tags sich uber unser versehen verweilet, und wir uns länger dan wir allerseits verhofft allhie aufhalten muessen. Immittels dan die schwehre Winter-Zeit eingefallen, darinnen Ihro königliche Mayestät auch uns nach Gelegenheit der Land-Art ein solche ferne Reiß von hinnen zu thun, gantz beschwehrlich und ohnthunlich fürgefallen, zu dem dan unser des erwöhlten Ertz-Bischoffen zu Cöllen halben, dem die Coronation zu Aachen zu thun gepuert, daß wir unsere Ertz-Bischoffliche Consecration noch nicht erlangt, und die Coronation selbst alspalt zu thun ohngefast, und darumb auch auß anderen mehr beweglichen Ursachen. Stadt und Stiftskapitel wird zugesagt und versprochen, daß solche allhie vorgenohmene und beschehene Königliche Crönung gar nitt dahien gemeint, daß sie ihnen von Ach, oder dem Löblichen Königlichen Stuel auch Stifft-Kirchen zu Aachen, an dem alten löblichen Gebrauch und Herkommen noch auch hergebrachten Recht und Gerechtigkeiten jetzo oder künfftig praejudiciren oder abbruchig sein, auch ihnen sambt und sonder alle Recht und Gerechtigkeiten nit weniger als ob die Crönung dießmahls zu Aach geschehen wehre, volgen und gereicht werden sollen. Entsprechende Reverse für das Aachener Marienstift wurden auch ausgestellt von Ks. Maximilian II. (Regensburg, 3.11.1575; HHStA Wien, RK, WuKA 4, fol. 262–263. Kop., zusätzlich mit der Begründung unser scheinbarn und laider mehr dann guett bewusten leibsbloedigkait [...], auch von weegen des vorweesenden türkhischen vheindtlichen überfalls, und dann auch allerhanndt sorgclicher kriegsgewerb und durchzueg, so yetzo vorhanden. Druck: Schneidt, Geschichte, 567–569) und Kg. Rudolf II. (Regensburg, 3.11.1575; HHStA Wien, RK, WuKA 4, fol. 272'–273'; RK, WuKA 6-1, fol. 3–4 und fol. 6–7. Kopp., zusätzlich mit der Begründung [RK, WuKA 4, fol. 273], das ire Liebden [= die Kff.] lenger dann dieselben verhofft sich alhie aufhalten muessen und ihrer Lieb antzaigen nach, anderer irer besondern aigen hohen geschefft halben, ire hohe unvermeidliche notturfft erfordert, sich widerumb unverzuglich zu iren lannden und leüthen zubegeben. Teildruck: Schneidt, Geschichte, 586. Das am selben Tag von Kg. Rudolf II. für Bürgermeister und Rat der Stadt Aachen ausgestellte Exemplar: HHStA Wien, RK, WuKA 4, fol. 274–275; RK, WuKA 6-1, fol. 4'–5' und fol. 7'–8'. Kopp.; HHStA Wien, MEA, WuKA 25, fol. 545 f. Kopp. Druck: Schneidt, Geschichte, 587 f.). – Zur Problematik des 1562 nach Frankfurt und 1575 nach Regensburg verlagerten Krönungsorts vgl. Rudolph, Kontinuität, 385–391.
14
Entsprechende Dokumente konnten in den konsultierten Akten zum Kurfürstentag 1575 nicht aufgefunden werden. Gemeint sein könnte die Bittschrift des Domkapitels Münster betreffend die Konfirmation seiner Privilegien; vgl. Anm. 5 der Vorbemerkung zu Abschnitt F (Supplikationen).