Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Wiederholung der auf Frankreich und den Romzug bezüglichen Punkte des RT-Ausschreibens; Unterwerfung Genuas durch Kg. Ludwig von Frankreich; Absichten Frankreichs gegen Bologna und Lucca, Pläne für einen Romzug Kg. Ludwigs; Maßnahmen Kg. Ludwigs gegen den geplanten Romzug Kg. Maximilians; [2.] Beschluß des Konstanzer RT zur Durchführung des Romzugs und Bewilligung einer Reichshilfe; [3.] Wiedereröffnung des kgl. Kammergerichts und Beschlüsse des RT zur Landfriedens- und Exekutionsordnung; [4.] Beitrag der Eidgenossen zum Romzug Kg. Maximilians; geplante Besetzung der Alpenpässe; [5.] Aufforderung zur termingerechten Leistung der Romzughilfe; [6.] Folgen bei Verweigerung der zugesagten Reichshilfe; [7.] Erflehen göttlichen Beistands für den Romzug.
Konstanz, 3. August 1507.1
I. (Adressaten: Reichsfürsten, Prälaten, Gff. und Hh., Or. Druck, Verm. amdrp., Gegenz. Serntein, Adressat, Grußformel und Angabe über die Höhe der geforderten Reichshilfe handschriftlich inseriert): München, HStA, KÄA 3136, [nach fol. 264] (Adressat: Hg. Albrecht von Bayern) = Textvorlage A. Berlin, GStA, I. HA, Repos. 10, Nr. 2 M, fol. 4–4’ (Adressat: Kf. Joachim von Brandenburg). Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 9133/1, fol. 2 (Adressat: Hg. Georg von Sachsen). Magdeburg, LHA, A 1, Nr. 266, fol. 9–9’ (Adressat: Ebf. Ernst von Magdeburg). München, HStA, Hst. Freising, K.blau 220/1, unfol. (Adressat: Administrator Philipp von Freising). Paris, BNF, Collection de Lorraine 192, Stück-Nr. 42 (Adressat: Hh. von Blâmont; Angabe über die Höhe der geforderten Reichshilfe fehlt). Wien, HHStA, AUR 1507 VIII 3 (Adressat: Ebf. Leonhard von Salzburg)2. Wiesbaden, HStA, Abt. 131, IVa, Nr. 13, unfol. (Adressat Gf. Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken).
II. (Adressaten: Reichsstädte; sonst wie I.):Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 181, Nr. 8, unfol. (m. S.; Registraturverm.: Feria quarta post Bartholomei [25.8.]1507; am 28.8. durch den kgl. Boten Jörg Gentner an BM Leonhard Grundherr (Grunther) übergeben)3 = B4. Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, Mü. Best. Lit. 28, unfol.Esslingen, StdA, F 280, unfol. (m. S.)5. Hagenau, AM, EE 65, Nr. 10 (m. S.). Karlsruhe, GLA, D 1113 (Adressat: Bürgermeister und Rat der Stadt Gengenbach). Ludwigsburg, StA, B 177S, Bü. 43, unfol. (Adressat: Bürgermeister und Rat der Stadt Schwäbisch Gmünd). Memmingen, StdA, A 1/1, unfol. (m. S.)6. Metz, AM, AA 4/28 (stark beschädigt, m. S.). Mühlhausen, StdA, G 1, Nr. 2, fol. 5–5’. München, HStA, Gemeiners Nachlaß 27, unfol. (präs. Regensburg, 13.9.1507). Nordhausen, StdA, 1 D, Nr. 18 (m. S.; präs. Nordhausen, kurz vor dem 20.9.7). Straßburg, AV, AA 328, fol. 9–9’ (m. S.).8
III. (sonstige Exemplare): Basel, StA, Deutschland B 2,III, fol. 124 (Druck, Kanzleivermerke, Gegenzeichnung, Adressat und Angabe über die Höhe der geforderten Reichshilfe fehlen). Wien, HHStA, Reichsakten i.g. 1, fol. 23’-27’ (Kop.). Straßburg, AV, AA 328, fol. 20–20’, 23 (auszugsweise Kop.). Metz, AM, AA 4/29 (frz. Übersetzung, Exemplar verletzt).
Druck: Datt, De pace publica, S. 577 (auszugsweise).
[1.] [Intitulatio, Inscriptio, Salutatio]. Dir ist vngezweifelt in frischer gedächtnuß, das wir dir vnnd andern ständen des heiligen Reichs Jn vnnserm außschreiben des yetzgehalten Reichs tag zu Costentz [Nr. 5] vnder anderm die vrsachen, auß den wir bewegt worden seyn, den Hungrischen krieg zu verlassen vnd von dannen vnsern Romzug zuͤtuͤn, vnd wie vns durch des künigs von franckreichs uͤbung vnd Practica von den Venedigern vnd dem Marggrauen von Mantua der durchzug gewaigert vnd abgeschlagen ist, Auch was der selb künig von Franckreich gegen vnns vnd dem heiligen Reich in Ytalien vnd Geldern wider den Tractat, zu Hagnaw beschlossen, vnd sein Eer vnd pflicht geuͤbt vnd gehanndelt, vnd sonderlich, das vnns der selb künig Ytalien entpfrembdet vnd an sich gezogen hat vnd sich understeet, vnns an empfahung der kaiserlichen Cron zuͤ verhindern vnd sich selbs Erblichen Roͤmischen kayser zemachen, auß ansprach, herrürendt von dem grossen kayser Karel, der ain Frantzoß, als er sagt, gewest solt sein, das doch nicht, sonder er ist ain geborner Teütscher auß Brabannt, mit vil andern vmbstenten klaͤrlichen angezaigt. Hat sich darauff der selb künig von Franckreich in solchem seinem vnloblichen vnd vnzimlichen fürnemen wider vns vnd das heilig Reych nit settigen lassen, sonder zwischen der handlung des nechstgehalten Reichstag das groß Commun Genua, so on mittel dem heiligen Reych zu gehort und das sich, als uns die Genueser berichten, in Namen des heiligen Reichs auff vnsers heiligen Vatters, des Bapsts, hilff vnd trost verlassen, das Jnen aber der selb künig abgewendet, in sein gewaltsam getrungen, Jnen all ir freyhait, damit sy von uns, do wir personlich da selbs als in vnser vnd des heiligen Reichs Statt vnd Commun gewest sein, vnd weyter von vnsern vorfaren, Roͤmischen kaisern vnd künigen, fürsehen gewest, vnd sonderlich die freyheit der Müntz, die inen weilend vnser vorfar kayser Conrad gegeben9, abgenomen vnd sein Müntz an der selben stat getan vnd die bemelten freyhaiten mit ym in Franckreich zuͤ ainem Ruͦm also gefurt, Alles vns vnd dem heiligen Reich zu verklainung vnd verachtung. Er hat auch zuͤ der selben zeit Johann Pentenoia [= Bentivoglio] vnd ander sein Lampartisch haubtleüt mit Acht Tausent Mannen für Bononia geschickt, in maynung, die selb Stat auch einzuͤnemen wider sein selbs Eer, Brieff vnnd Sigel, damit er dem beruͤrten vnserm heiligen vatter, dem Babst, dem er die daruor hat helffen erobern, verbunden gewesen; und ist daneben sein gemut vnd maynung gestanden, die Stat Lüca, so auch dem Reich zuͤsteet vnd die er ainem Frantzosen zuͦm halben tail geben vnd in ewig zeit zuͤ Regieren zuͤgesagt, auch zuͤ erobern vnd von dannen gen Bisa, die ym vnder augen gen Genua zogen sein vnd sich ym vnderworffen, vnd also gen Rom zuͤ ziehen; dabey aigendlichen abgenomen wirdet, das sein grund dahin gesetzt ist, die Teütsch Nation in ewig zeyt auß Ytalien zuͤuertilgen vnd sich selbs erblichen kayser zuͤ machen. Sobald er aber die loblich handlung vnd ainigkait vnser vnd des heyligen Reichs Stend der versamlung alhie zuͤ Costentz, Auch das er bey den Eydgnossen in sollichem seinem fürnemen kain hilff erlangen mügen vnd die selben durch unser zuͤtuͤn von ym abgezogen sein, Jm auch sein verräterey mit der Statt Bonony zuͤrugk gangen ist, gesehen, hat er das selb sein fürnemen angestelt vnd vndersteet sich yetzo widerumb auff das hochst, mit volck vnd in ander weg zuͤbewerben, vns die Bass zuͤ vnserm Romzug vorzuͤhalten, Auch deßhalben den Künig von Arragon durch sein selbs person, deßgleichen die Venediger vmb hilff vnd beystand ersuͤcht, darauff ym der selb von Arragon noch kain endtliche antwurt gegeben, sonder das auff seine künigreich gewaigert. Aber die Venediger soͤllen ym hilff zuͤgesagt haben, dem wir gentzlichen glauben geben, dieweil sy den iren verbotten, mit vnser bottschafft, die wir nechst bey inen gehabt, on ir sonder erlaubnuß nichts zuͦreten. Sy haben auch all ir Bass wider vns besetzen lassen vnd allem irem kriegsvolck auffgebotten vnd die Stradioten auß Dalmatien über Meer erfordert.
[2.] Sollich vnauffhoͤrlich des künigs von franckreichs uͤbung wir als Roͤmischer künig, der dem heiligen Reich fürgesetzt ist, billichen zuͤhertzen vnd gemuͤt gefast vnd mit vnsern vnd des heiligen Reichs Churfürsten, Fürsten vnd Stenden, die in mercklicher anzal personlich vnnd durch ir volmächtig Anwalt auff disem Reichstag auff vnnser erfordern alhie zuͤ Costentz bey vnns gehorsamlich erschinen sein, auß dem vnd anderm obligen vnd bewegungen des heiligen Reichs beschlossen, vnsern Romzug, den wir gemayner Cristenhait, dem heiligen Reich vnd Teütscher Nation zuͤ Eere vnd guͤtem zuͤtuͤn beuor haben, dest stattlicher zuͦuolbringen, die kaiserlich Cron zuͦerholen und zuͦerlangen, Auch die yhenen, so vns des verhindrung zuͤtuͤn understuͤnden, tapffern widerstand zuͤtuͤn vnd zuͤbegegnen vnd das, so das heilig Reich nit bekennen wil, zuͦ Reformieren vnd also dem heiligen Reich widerumb anhengig zuͤ machen, darinn vns durch die gemelten Churfürsten, Fürsten vnd stennd ain treffenliche hilff zuͤ Ross vnd fuͤß bewilligt vnd zuͦgesagt, des auch ainen gemaynen anschlag [Nr. 271] vnder die Stennd des heiligen Reichs gemacht vnd gesetzt Vnd darauff auch vnserm gnädigen ansynnen vnnd begeren nach ferrer bewilligt vnd zuͤgesagt, ain nämliche summa, Hunderdtausent vnd zwayntzig tausent guldin, Doch in abschlag des volcks vorberuͤrt, zuͤ vnderhaltung vnsers bestelten kriegßvolcks zuͤ fuͦß zuͦm vorzug vnser geschütz über gebürg zuͤ bringen, vor vnd Ee die verschneyen. [Annähernd wörtliche Wiedergabe des Reichsabschieds; Nr. 268, §§ 2–7, 11–12].
[3.] Zuͤ dem haben wir auch nach Rat der obgemelten Churfürsten, Fürsten vnd Stend geordent zuͤ vnderhaltung fridens vnd Rechtens, Auch vnsers auffgerichten Landfriden, vnser küngklich Camergericht, das etlich zeit her nit in ubung gewesen, widerumb auffzuͦrichten, das auff sant Gallen tag [16.10.] schierist künfftig angeen vnd dann für vnd für die angesehen zeit gehalten werden sol mit guͤter ordnung, das den vrtailen, so daselbs ergeen, notdürfftig Execution beschehen, auch dem berürten Landtfriden handthabung vnd volstreckung getan werden müg, alles nach besag derselben ordnung vnd abschids solhs gehalten tags.
[4.] Vnd haben auch demnach dye Eydgnossen, bey den der gemelt kunig von Franckreich grosse Practica vnd fürkeren gehabt, die in sein hilff zuͤbringen, zuͤ verwilligung bracht, vnns in solhem vnserm fürnemen zuͤzeziehen vnd zehelffen; vnd wellen, damit durch den Franzosen, der in seinem geschwinten fürnemen nit auffhoͤret, sonder durch gelt ettlich lauffend knecht vnd kriegßfolck auß der Eydgnoßschafft vnd andern enten zuͤ ime zuͤ bringen vndersteet, Jn dem selben vnns zuͦ nachtail nit weyter fürgefaren werdt, mit vnnserm Kriegßfolck von den gemelten Eydgnoßen vnnd andern yetzo unverczogennlichen mit vnnserm Geschütz den vorczuͤg an zweyen Enden thun vnnd versuͤchen, dye Pass des gebirgs Eynzuͤnemmen.10 Der ungezweyfelten zuͦuersicht, du vnnd ander vnnser vnnd des heyligen Reich Churfürsten, Fürsten vnnd Stennd werden vnns mit der berürten irer zuͤgesagten hilff, darauff wir vns dann hierinn verlassen, auff das furderlichest nachfolgen vnd ainer auff den andern in kainen weg warten. Dann wir muͤsten widerum zuͤ rugk ziehen, wer dann all müe vnd kost vnd die kaiserlich Cron in ewig zeit verloren.
[5.] Befiehlt ihm unter Geltendmachung seiner Ehre und seiner Pflichten gegen Kg. und Reich und unter Androhung des Verlustes seiner Reichsregalien und Privilegien, der kgl. Ungnade sowie einer Geldstrafe von 50 Mark lötigen Goldes, sein Kontingent – 60 Reiter und 69 Fußsoldaten – zum 16. Oktober (sant Gallen tag) nach Konstanz zu entsenden. Sein Anteil an der Geldhilfe ist ebenfalls unverzüglich nach Konstanz zu überweisen oder – falls er die Summe so rasch nicht aufbringen kann – zu Händen Jakob Fuggers bzw. seines Bevollmächtigten als Vertreters des kgl. Schatzmeisters Hans von Landau gegen Quittung11 zur Herbstmesse nach Frankfurt zu erlegen.12 Falls auch dieser Termin nicht eingehalten werden kann, ist das Geld gemäß Reichsabschied gegen Quittung an den Überlinger Magistrat zu überweisen. Er soll auch mitteilen, ob er Schwierigkeiten bei der Aufbringung seines vollzähligen Truppenkontingents hat und beabsichtigt, die Truppen in der Umgebung von Konstanz anzuwerben, damit er, der Kg., ihm dabei helfen kann. Er soll auch dafür Sorge tragen, daß seine Soldaten die auf dem Augsburger RT verabschiedeten Bestimmungen gegen überflüssigen Kleiderluxus13 einhalten.
[6.] Dann wir vnns darauff versehen vnnd mit vnnser macht, wie obsteet, vnns in die handlung yetzo begeben. Vnd wo wir hierinn verlassen werden solten, des wir vns ye nit versehen, vnd uns schaten, schimpff vnd nachtail hierauß entsteen, magstu vnd menigklich gedencken, was ewigen schmach, nachred vnnd laster dir vnd andern Stenden vnd verwandten des heiligen Reichs, das sy iren künig vnd herren, der auff ir trostlich zuͤsagen vnd bewilligen sich in die sachen begeben, in solchem verfuͤrt hetten, auch sunst grundtlich verdrück, abfal vnd nachtail des heiligen Reichs solchs brecht vnd darauß entstund. Woͤlten auch nichts destminder vnserm künigklichen Camer procurator Fiscal gestatten, mit den obbestimbten penen, straffen vnd puͤssen darumb gegen dir on auffhalten für zuͦnemen vnd zuͤgefaren; darnach wisse sich dein lieb zuͤrichten.
[7.] Er soll auch in seinem Territorium dafür Sorge tragen, daß Geistliche und Laien in den Gotteshäusern den göttlichen Beistand für sein Unternehmen erflehen. [Datum].
Anmerkungen
Nürnberg hatte Weißenburg und Windsheim auf deren Anfrage am 2.9. mitgeteilt, daß man der kgl. Bitte willfahren werde. Windsheim wurde außerdem Hilfe bei der Zahlung angeboten (Kop., donerstag nach Egidii;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher 60, fol. 12–12’). Zwei Tage später erklärte sich der Nürnberger Magistrat bereit, den Anteil Windsheims an der Bargeldhilfe nach Augsburg zu schicken (Kop., sabatho post Egidii [4.9.]1507; ebd., fol. 17). Hieronymus Imhof wurde informiert, daß das Geld, 270 fl., über seinen Bruder Hans aufgebracht würde, und gebeten, es beim Augsburger Magistrat zu hinterlegen (Kop., vigilia nativitatis virginis benedicte [7.9.]1507; ebd., fol. 19).
Gf. Reinhard von Hanau ersuchte den Kg. mit Schreiben vom 29.1.1508, nachdem sein erstes Schreiben vom 25.9.1507 (Or. , sampstag nach St. Matheus tag apostoli; TLA Innsbruck, Maximiliana VI/19, fol. 92–92’) ignoriert worden war, noch einmal, Gelnhausen die Romzughilfe zu erlassen, und machte dabei die Pfandverschreibung [von 1435] an sein Haus [und Kurpfalz] geltend (Or., s.l., sampstag nach Pauli conversionis; HHStA Wien, Maximiliana 18, Konv. 3, fol. 77). Kf. Philipp von der Pfalz war von Gelnhausen unter Hinweis auf die Pfandverschreibung ebenfalls um Unterstützung bei der Abwehr der Reichshilfeforderung gebeten worden (Kop., dinstag nach des hl. crucs tag exaltationis [21.9.]1507, Registraturverm. G[abriel Kramer]; TLA Innsbruck, Maximiliana VI/19, fol. 89–89’; 90).