Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Durchführung der Visitation durch Kurmainzer und bayerische Gesandte trotz des Ausbleibens der ksl. Vertreter; [2.] Verlängerung der ersten Sitzungsperiode des Gerichts bis zum 1. Dezember 1508; Bemessung des Solds nach der jeweiligen tatsächlichen Dienstzeit; [3.] Verlängerung der Dienstzeit des Kammerrichters Bf. Wiguläus von Passau oder Vertretung durch einen Beisitzer bis zum Eintreffen eines neuen Kammerrichters; [4.] vorläufiger Verbleib des Kammergerichts in Regensburg; [5.] Verlängerung der Dienstzeit des Kammerprokuratorfiskals Hieronymus von Croaria; [6.] Beschluß über einen neuen Kammerzieler; [7.] Festlegung zusätzlicher Legstätten für den Kammerzieler; [8.] Beauftragung eines Beisitzers mit der Aufsicht über die Kammergerichtskanzlei; [9.] Vorgehen des Fiskals gegen das Räuberunwesen im Reich; [10.] Gesandtschaft zu Ks. Maximilian wegen des Vollzugs des Visitationsabschieds.

s.l., s.d., jedoch Regensburg, 30. August 1508.

München, HStA, KÄA 3136, fol. 315–320 (Kop.).

[1.] /315/ Als sich inhalt des abschids, jungst zu Costenz ausgangen [Nr. 268, § 23], geburt hat, das vor ausgang des ersten jars mein gn. H., der camerrichter, unserm allergnst. H., dem röm. Ks., ire rete zu schicken, auch meinem gnst. H. von Menz und meinem gn. H., Hg. Wilhalm in Obern- und Nidernbayrn, oder seiner Gn. vormundern ainen tag gen Regenspurg anzusetzen, durch ir Gnn. aigner personen oder ire rete bey gemeltem meinem gn. H., dem camerrichter, und seinen zuverordenten beisitzern und fiscale rechnung ires einnemens und ausgebens zu nemen und die in allen gebrechen des camergerichts, wo die erfunden, domit das camergericht unzerruttet belibe, einsehung zu tun und die zu endern, zu erscheinen. Welhe tagsatzung auf Bartholomei [24.8.] negst verschinen also bestimbt. Sind also auf obgemelte tagsatzung in heut dato von wegen meins gnst. H. von Menz der edel und hochgelert Dr. Johann Kuchenmaister und von wegen meins gn. H., Hg. Wolfgangs in Obern- und Nidernbayrn als vormunder /315’/ gemelts meins gn. H., Hg. Wilhalms in Obern- und Nidernbairn der edel und hochgelert H. Dietrich von Pleningen, ritter und Dr., gen Regenspurg komen. Aber von wegen ksl. Mt. nymands erschinen. Dieweil aber mit ksl. Mt. sich des Hl. Reichs stende zu Costenz entlichen geaint und vertragen haben, sechs jare die negsten nacheinander volgend das camergericht onzerrutt zu unterhalten [Nr. 268, § 14] und aber on furderliche handlung und ratsleg, angesehen die merklichen gebrechen, die vor augen gewesen und erfunden sind, das camergericht lenger nit het mogen besteen, so haben aus solher notturft mein gn. H. camerrichter und die obgemelten zwo verordent potschaft mitsambt den zugeordenten beisitzern und fiscale, domit irenthalb in abwesen der ksl. Mt. rete nichts unterlassen wurde, doch auf irer Mt. selbs besserung, guter maynung nachvolgeender mass gehandelt.

[2.] Erstlichen, nachdem mein gn. H., der camerrichter, mit etlichen beisitzern auf Michaelis negstvergangen [29.9.1507] gen /316/ Regenspurg, ladung zu erkennen, inhalt des gemelten abschids zu Costenz außgangen, khomen, sind aber prima Decembris dann die andern beisitzer langsam erschin, auch die camergerichts acta spat herbracht, das erst camergericht angefangen und besessen worden, ist durch bemelten mein gn. H., den camerrichter, und durch der obbestimpten Ff. potschaft, auch durch die zuverordenten beisitzer und fiscal geratslagt, das das erst jare, im Costenzer abschid ernent, sich erst auch enden sol auf schirist den ersten tag Decembris, damit der maynung desselben abschids [Nr. 268, § 24], nemblichen, das solh gericht ein jare durch mein gn. H. von Passau, camerrichter, zu Regenspurg gehalten solt werden, gelebt und volzogen werde.

Doch domit der gepurliche[n] belonung nach anzal der zeit, darauf der camerrichter oder ander gerichtspersonen frue oder spat erschinen sind, unabpruchlichen.

[3.] Zum andern, dieweil mein gn. H. von Passau, ksl. camerrichter, nit lenger dann ain jare von ksl. Mt. im abschid zu Costenz zu camerrichter /316’/ verordent, auch zu besorgen, das ain anderer camerrichter vor ausgang des jars nit erscheinen kunde, dardurch dann stillstand oder zerruttung des camergerichts ersteen musste, ist geratslagt, bey ksl. Mt. furderlichen zu erlangen, das sein Mt. meinem genanten gn. H. von Passau bevelh tue, zu Regenspurg bey dem camergericht zu beleiben, biß solang ir Mt. ainen andern camerrichter an sein stat verordnet hab; oder ob es meinem gn. H. von Passau, so lang bey dem camergericht zu verharren, nit gelegen sein wolt, das alsdann dem gemelten meinem gn. H. von Passau macht gegeben werde, ainen andern, inhalt der ordnung, aus den beisitzern den gerichtsstab zu bevelhen, so lang biß ain neuer camerrichter durch ir Mt. verordnet und bey dem camergericht erschinen ist.

[4.] Zum dritten, nachdem und der ksl. camerrichter, auch die beisitzer aus mangel des eingebrachten anslags, zu Costenz geschehen [Nr. 272], ires verdienten solds nit volliglich bezalt worden sind, dodurch den camergerichtspersonen, /317/ vor dem winter zu verrucken, ganz ungeschikt erfunden, auch ir etlich mit heusern und provianden sich versehen haben, zudem auch im winter sorglich ist, die acta, ire pucher und ander notdurft uber veld zu furen, ist auf verpesserung der ksl. Mt. geratslagt, das zu Regenspurg das ksl. camergericht bis auf St. Jorgen tag [23.4.1509] schirist verharren und gehalten werden solle und doselbst unverruckt bleibe. Dornach, wo burgermeister und rate zu Worms in mittler zeit mit dem Bf. und seiner pfaffheit doselbst veraint und vertragen wurde, solle alsdann das ksl. camergericht gen Worms, wo nit gen Nordlingen, inhalt des abschids, zu Costenz außgangen [Nr. 268, § 24], verrukht und transferirt werden. Doch ob in mittler zeit die ksl. Mt. mitsambt den stenden des Hl. Reichs ain andere malstat furnemen wurden, doselbsthin sol es transferirt und gelegt werden.

[5.] Zum vierten, nachdem die ksl. Mt. Dr. Jeronimum von Croaria auf des Hl. Reichs stenden begern zu Costenz zu gevallen angenomen, dorauf /317’/ dem ksl. camerrichter und den beysitzern zu Regenspurg zugeschriben ist, mit gemeltem Dr. Jeronimus seins solds und der bezalung halber zu uberkommen [Nr. 940], das auch in craft desselben bevelhs geschehen, mit im uberkommen in sonderhait und abgeret, ob ksl. Mt. Dr. Jeronimum lenger dann ain jare zu fiscal nit haben oder Dr. Jeronimus nit lenger beleiben wolt, das alsdann yeder tail ain halb jar dem andern zuvor abkunden solt, alles inhalt der berurten bestallung, und aber in mittler zeit kain tail dem andern abkunt hat, ist geratslagt, das derselb fiscal sein ambt furohin versehen sol, so lang bis kgl. Mt. Dr. Jeronimum Croarien nach laut solher bestallung abkundet und ainen andern fiscal verordnet, den auch an das ksl. camergericht geschikt und am ksl. camergericht persondlichen erschinen ist und das ambt zu vertreten angenommen hat.

[6.] Zum funften, dieweil sich auch auf heut dato aus der empfangen rechnung1 erfunden hat, das bisher /318/ die fiscalischen hendel gar nichts eintragen haben und der canzleyfal mitsambt dem anslag, zu Costenz den stenden auferlegt, nit uber funftausent fl.rh. pars gelts ertragen haben, also bei weitem dem camerrichter und andern verwonten personen die ytzigen jare besoldung und ander costung nit ausgericht mogen werden, vestiglichen zu vermuten ist, das kunftigs jar sich dergeleichen fall auch begeben werde, zudem, so sind die alten beisitzer zu Frankfurt und zu Worms, so von stenden des Hl. Reichs bestellt, ires ausstendigen solds lang zeit unbezalt gestanden, die man jungst zu Costenz aus disen obgemelten fallen zu bezalen auch vertrost, aber noch unbezalt. Aus den und andern ursachen ist geratslagt und nach vermog des abschids zu Costenz [Nr. 268, § 23] furgenomen, das auf das kunftig jare ein geleichformiger anslage dem Costenzischen anslage geschehen solle. Derselb anslage solle auch durch den camerrichter furderlichen außgeschriben und zu bezalen auf schirist trium regum [6.1.1509] gepoten werden2, /318’/ auch durch den fiscal, wie dann der abschid zu Costenz vermag, auch einbracht werden, davon man alsdann mitsambt den canzleischen und fiscalischen hendeln das kunftig jare das ksl. camergericht underhalten, auch die alten schulden bezalen sol und, ob was uberteurung erfunden, in der fiscalischen zukunftigen unterhaltung des camergerichts bewart werden solle.

[7.] Zum sechsten, dieweil die stat Nurmberg, dohin die stende des Reichs den negsten anslag zu antworten beschiden [Nr. 268, § 22], nit ainem yeden gelegen ist, dann manicher mer zerung oder botenlon auf die schikhung legen muesse, dann der anslag in im selber sich trifft, auch unsicherhait halb den stenden verr zu schiken verhinderlich, ist geratslagt, das noch mer stete zusambt Nurmberg furgenomen sollen werden, nemblichen Uberlingen, Augspurg, Colen, Frankfort und Northausen, dohin ksl. camerrichter, die bezalung zu tun, nach aines yeden gelegenhait gebieten solle.

[8.] /319/ Zum sibenden, so ist aus ursachen verlassen, demnach und es dieselb maynung im abschid zu Costenz3 auch hat, das ainem aus den beysitzern die canzlei aufsehen zu haben bevolhen werde, damit die hendel, im camergericht beslossen, nach rechter ordnung dem ksl. camerrichter ubergegeben werden, kain vortail dorin gesucht den procuratoribus, auch die parteyen reich und arm gleich abgefertigt, auch die gefell durch die verordenten aufgeschriben werden, und domit kunftiglichen dergeleichen klag verhutt werden.

[9.] Item, nachdem befunden wirdet, das vil rauberei und gewaltsam teglichen geubt werden und bisher durch den fiscal gegen denselben nichts furgenommen, das dann zu grossem nachtail dem ganzen Reich dint, ist verlassen, das ksl. camerrichter, auch die verordenten beysitzer bei dem fiscal darob seyent, das er vleissige kuntschaft allenthalb in den reichsteten bestelle, die auf solh fiscalisch hendel aufsehung /319’/ habend und im die anzaigen und furbringen, und sonderlichen die rauber, auch die furschieber. Was im also angezaigt und sunst im durch ander personen geoffenbart wirdet, sol er nach laut des kgl. landfrids4 die sich zu purgiren citiren und vordern lassen, dorin desselben rechten oder ains vertrags inhalt des Reichs ordnung zu gewarten.

Item es sollen auch camerrichter und die verordenten beisitzer mitsambt dem fiscal macht haben, solhen kuntschaftern nach irem verdienen und vleis ein zimliche belonung tun.

[10.] Item es ist auch geratslagt, das mein gn. H., der camerrichter, und die beisitzer ein treffenliche potschaft zu ksl. Mt. furderlichen schiken und mitsambt meins gnst. H. von Menz, auch meins gn. H., Hg. Wolfgangs, und ander furmunder /320/ Hg. Wilhalms in Obern- und Nidernbairen furschriften, dise relation zu tun und die notturft zu erlangen, geschikt werden, ksl. Mt. unterteniglichen zu bitten, was irer Mt. dorin zu tun geburen well, genediglichen zu verfugen und furderlichen die potschaften, wie oben angezaigt, von camergerichts wegen abgefertigt, mit genaden abzufertigen.

Geschehen zu Regenspurg, auf den dreissigisten tag Augusti Ao. etc. octavo.

Anmerkungen

1
 Bei der den Visitatoren vorgelegten Abrechnung dürfte es sich um Nr. 946 (B) handeln.
2
 In einem kammergerichtlichen Mandat vom 7.12.1508 wurde auf den Beschluß der Visitationskommission zur Verlängerung des Kammerzielers und die Ratifizierung des Visitationsabschieds durch Ks. Maximilian hingewiesen. Den Adressaten wurde unter Androhung einer Strafe zwischen – je nach Höhe des Anschlags – 4 und 10 Mark lötigen Goldes die Bezahlung des Kammerzielers binnen vier Wochen befohlen. Für den Fall weiterer Säumigkeit wurden sie zugleich vor das Kammergericht zitiert (Or., gedr. Formular, Regensburg, Verm. amdip., Gegenz. A. Dietrich oder U. Varnbüler; HStA Dresden, Geheimer Rat, Loc. 10077/2, fol. 12–12’ (Adressaten: Hgg. Georg und Heinrich von Sachsen); ebd., Loc. 8184/10, fol. 1–1’ (Adressaten: Gff. und Hh. in Friesland); StdA Konstanz, L, Fasz. 1, unfol.; StA Marburg, A/230/2, fol. 16–16’ (Adressat: Gf. Reinhard von Hanau); StA Meiningen, GHA I, Nr. 1574, unfol. (Adressat: Gf. Wilhelm von Henneberg); HStA München, K.blau 270/2, fol. 2–2’ (Adressat: Pfgf. Friedrich); HStA München, Hst. Freising K.blau 220/13, unfol. (Adressat: Administrator Pfgf. Philipp); HStA München, KÄA 3136, fol. 360 (Adressat: Hg. Wilhelm von Bayern); HStA Stuttgart, A 41, Bü. 132, unfol. (Adressat: Hg. Ulrich von Württemberg); HStA Stuttgart, B 486, Bü. 895 (Adressat: Abt Konrad von Rot). Druck: Harpprecht, Staatsarchiv II, S. 219–221, Nr. CLXXII (Adressat: Schwäbisch Hall). Regest: Baks, Inventaris, S. 384, Nr. 1895 (Adressat: Gf. Edzard von Emden); Hasselblatt/Kaestner, Urkunden, Nr. 50, S. 41 (Adressat: Göttingen)). Vgl. zu dem Ausschreiben auch Mencke, Visitationen, S. 13f.
3
 Im Konstanzer RAb fehlt ein entsprechender Artikel.
4
 Ewiger Landfriede vom 7.8.1495 (Angermeier, RTA-MR V/1, Nr. 334/III, hier S. 365f., § 4).