Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Städtische Klagen gegen den aktuellen Zustand des Reichskammergerichts; [2.] Überbelastung der Städte durch den Anschlag zum Unterhalt des Reichskammergerichts aufgrund der Zahlungsunwilligkeit etlicher Stände; [3.] Forderung nach Sanktionsmöglichkeiten für die Städte zum Schutz vor Gerichtsklagen fragwürdiger Personen; [4.] Beschwerden gegen den ksl. Fiskal; [5.] Wunsch nach Stellung von zwei städtischen Beisitzern; [6.] Hoffen auf Berücksichtigung dieser Klagen im Interesse der Städte.

Köln, [ca. 20. Juli 1512]1

Frankfurt, IfStG, RTA Bd. 30, fol. 11a-12b, Kop.

[1.] Hochwirdigsten, hochwirdigen, durchleuchtigisten, durchleuchtigen, hochgebornen Kff. und Ff., erwirdigen, wolgebornen, edel, strengen, vesten und hochgelerten, gnst., gn. und günstigen Hh., gemain Frey- und Rstt., von der wegen wir hie auf disem reichstag zu Collen sein, haben des ksl. camergerichts halb, in massen das von dem reichstag zu Costniz bisher underhalten und gebraucht worden ist, etwan vil beschwerden und mangel, wie hernach volgt:

[2.] Namlich zum ersten, das allain etliche Ff. und prelaten und gemainlich all Frey- und Rstt. ir anzal des anschlags, zu underhaltung des camergerichts gemacht2, bezalt, aber sonst aetwievil der andern stend–a ir anzal bisher nie entricht haben. Deshalben der anschlag nit allain auf gemainen freien Rstt. beliben, sonder auf etlichen gemeret und erhocht worden. Das nit anders zu achten ist, dan das die stett als die gehorsamen fur die ungehorsamen, die ir anzal nit geraicht, bezalen müsten haben. Das gemainen stetten furohin zu tun ganz untreglich und onleidenlich, als bey euern kftl. und ftl. Gn. gnaden und gunsten, uns ungezweivelt, selbs zu bedenken, sonder ganz zimlich und billich ist, das ain yeder sein aufgelegt anzal selbs entricht, auch die von allen stenden gleichmassig und ongesundert eingebracht und kain gehorsamer von ains ungehorsamen wegen, verrer dan im zu seiner anzal gebürt, zu bezalen gedrungen oder beschwert werd.

[3.] Zum andern ist bisher in etlichen handeln gesehen worden, das arm, verdorben und geringschetzigen personen die stett am camergericht mutwilliclich beclagt, umbgetriben und zu vil unbilichem schaden gebracht haben. Solichs zu furkomen, ist unsers bedunkens zimlich und billich, den stetten zuzelassen, so solich gering personen im rechten verlustig werden, das die stett nach irem hab und gut und, so sy nichtz hetten, zu irem leib greifen mogen, damit solich mutwillig furnemen dester er bey inen vermiten bleib.

[4.] Zum dritten begibt sich zum oftermalen, das der ksl. fiscal die stett des Reichs an das camergericht zitirt und doselbs rechtfertiget, und so im die sach nit gefellig ist, so lest er nachvolgend soliche sach onentschaiden ruen. Dardurch muesten die stett stetigs anhengig und im costen sein. Und wiewol solichs beschwerlich, so ist doch noch vil untreglicher, das alle viscalische gefel on mitel den assessoren und urtailsprechern des camergerichts zu irer underhaldung und besoldung gegeben [werden], und wurdet also durch dieselben urtailsprecher in angezaigten fiscalischen sachen in iren aigen seckel geurtailt. Damit sind sy richter, urtailer und parteien und wirt der viscal durch sy zu procedirn angeregt, auch leichticlich mit execution gegen den stetten gehandelt, darin doch der mereren stend des Reichs etlichermaß verschont wirt. Der fiscal gebraucht auch fur seine advocaten gemelt beisitzer, die der sach obgemeltermaß genieß [= Nutzen] tragen. Das nit allain unbillich, sonder wider alle recht. Deshalben unsers bedunkens die ordnung, so camerrichter und beisitzer nuelicher zeit furgenomen haben, das in den penalmandaten und processen, so vom camergericht ausgeen, die pene allain auf den viscal gesetzt werden soll, nicht fruchtper ist aus vil und manicherlay ursachen, und sonderlich angesehen, das ye und alwegen in allen ksl. freihaiten, brieven und mandaten recht und gewonhait gewest und hergebracht, das der ain halb tail der pen auf die ksl. camer und der ander halb tail auf die gegenpartei gestelt worden ist. Zudem so wirdet gar oft und leichticlich mit penalmandaten gegen den stetten und den iren zu handeln understanden, dardurch sy zu vil unnotturftigen costen gebracht werden, das doch gegen andern stenden des Reichs unsers bedunkens dermaß nit beschicht. Deshalben achten wir billich und zimlich sein, vor und ee die penalmandat gegen den stetten oder den iren ausgeen, das dieselben beschriben sich der sachen aigentlich erkundiget und verrer nach der gebur und gestalt der sach darin gehandelt, das auch in sonderhait mit ernst furkomen werd, das der fiscal gegen niemants on guten grund und wissen ainicherlay furnem oder handel und wo er das tet, das er dan darumb gestraft und denselbigen costen und schaden abzulegen schuldig sey, dardurch niemants unbillicherweis beschwert werd.

[5.] Zum vierden, nachdem gemain Frei- und Rstt. iren anschlag, der nit der minst ist, zu underhaltung des camergerichts fur ander stend des Reichs geben und bezalen, achten sy nit unzimlich, sonder ganz billich und etlicher merklicher ursach halber ir groß notturftig sein, das inen auch zugelassen und bewilligt werd, zwen beisitzer zu dem camergericht zu ordnen und die von dem gemainen anschlag wie ander beisitzer zu besolden.

[6.] Auf solichs alles ist an eur kftl. und ftl. Gn. gnad und gunst unser undertanig und vleisig bitt, sy wollen gestalt und gelegenhait der sachen ansehen und gemain Frey- und Rstt. und die iren obberurter beschwerden und gebrechen halber mit gnaden und gunsten bedenken, damit die vorgemeltermaß gemainer stett halb auf leidenlich, zimlich weg gebracht und gestelt werden, und sich hierin so gnediclich und gutwilliclich beweisen, als gemain stett und wir vertrauen haben. Das sollen und wollen sy und wir umb eur kftl. und ftl. Gn. gnaden und gunsten undertaniglich und williglich zu verdienen alzeit berait sein.

Anmerkungen

1
 Laut Bericht des Frankfurter Gesandten Jakob Heller vom 29. Juli 1512 (Nr. 1719 [2.]) wurde die Supplikation acht oder zehn Tage zuvor der Reichsversammlung übergeben. – Zu den städtischen Klagen gegen das Reichskammergericht vgl. auch Smend, Reichskammergericht, S. 111.
2
 Druck: Heil, Reichstagsakten 9, Nr. 272.
a
–a Korrigiert aus: etlich Ff. und der merertail von Gff. und Hh. und der merer teyl der hohern stend.