Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Erledigung verschiedener Aufträge gemäß der Instruktion; [2.] Entscheidung ihres Sessionsstreits mit den Gesandten Pfalzgf. Alexanders von Pfalz-Zweibrücken und Pfalzgf. Johanns von Pfalz-Simmern durch den Ks.; [3.] Klage über den schleppenden Gang der Verhandlungen; [4.] Noch kein Fortschritt in Sachen Kurkölner Schulden; [5.] Empfehlung zu vorläufiger Zurückhaltung in Sachen Leibgeding Sigmunds von Rorbach; [6.] Anwesende Ff. und Gesandtschaften; [7.] Wunsch eidgenössischer Gesandter nach einem Durchmarschrecht (durch Tirol) für die nach Italien ziehenden eidgenössischen Truppen, mögliche Folgen dieses Ersuchens; [8.] Feier für die verstorbene Ks.in Bianca und die Toten des Venezianerkriegs, Zeigung des wiederaufgefundenen Heiligen Rockes und anderer Heiltümer.

[Trier, 4. Mai 1512]1

München, HStA, Kasten schwarz 9400, fol. 21-22, Orig. Pap. m. S.

[1.] Gn. F., wir habend die erstreckung der reg[a]lie[n], auch erlaubnus, den pan uber des menschen plut mitler zeit zu geprauchen, erlangt [Nr. 1507], die wir eurn Gn. hiemit durch die post Philipsen Adlern zu Augspurg zugeschickt, mit pit, die eurn Gn. auf irn costen furderlichen zuzeschicken. So haben wir die furderung an die kgl. wurde von Unger und das regiment [zu Innsbruck] auch erlangt. Des Sannizellers handel ist auch ubergeben, wollend umb antwort anhalten. Desgleichen, den bechmisch handel berurend, schicken wir eur Gn. die brief an die kgl. wurden von Hungern und die landtafel2 mitsampt ainer copi. Waist sich eur Gn. ferer darin wol zu halten. So ist ksl. Mt. auf unser erpieten laut der instruction, den reichstag berurn [Nr. 1669 [1.]], benugig und gesagt, wolle sich versechen, wir werden dem erpieten volg tun. Das wollen wir auch, ob Got will, tun. Und ist erst uf mitwoch nechst [28.4.10] der tag angefangen. Was gehandelt, schicken wir eur Gn. [Hg. Wilhelm von Bayern] auch copien.

[2.] Der session halber, so Hg. Alexander [von Pfalz-Zweibrücken] und Hg. Hansen [von Pfalz-Simmern], der reinischen Ff., rät mit uns gern gestritten hetten, hat ksl. Mt. den von Zollern inen sagen lassen, wiewol eur Gn. jünger an jarn sey dann ire Hh., aber sy hab das Ft. in Obern- und Nidernbairn inn, sey regierender F. doselbst, darumb sollen eur Gn. potschaften pillichen vor in sytzen und geen. Auf das sind sy abgedreten, sytzt kainer, wo ich zugegen pin. Habend mich, Pleningern, Hg. Fridrich und der paider potschaften doch vor von der bairischen Ff. wegen geordnet.

[3.] Eylt ksl. Mt. fast [= sehr]. So ist der handel tapfer und ligt dem hl. Reich vil daran, wissent zu gedenken, wie pald das zu erhöbern [= erheben = erreichen] sey. Die groß not ist vor ougen, will man nit anderst handeln, dann pishere auf vergangen reichstagen geschechen, und sonderlich mit der volstreckung, ist zu besorgen, die teutsch nacion verliere nit allain ir alt ere, sonder irn pracht, und möchten etlich stende darnach verjagt werden. Nos sumus mundi, sed non omnes. Ich befunde den haufen von andern Ff. nicht ongeschickt. Was auf ksl. Mt. furhalten furohin geratschlagt wurdet, will ich durch die post auch zuschicken dem Adler gen Augspurg.

[4.] Die kölnisch schulden berurn hat sich bishere mit fuegen nit wollen handeln lassen, wollen aber dannocht zum furderlichsten den furnemen.

[5.] Item in der witwe von Rorpach handel bedeucht uns gut sein, wo man uns umb antwort nit tet anhalten, das wir yetzt verhielten, pis ander hendel und sonderlich mit irem bruder geendet. Möcht zur selben zeit was wermer werden, yetzt ist man rauch und streng. Doch was eur Gn. darinen geliebt, warten wir gn. beschaid bey nechster potschaft.

[6.] Hie ist bey ksl. Mt. der von Gurk, Serntiner, Zoller, sonst etlich gemain ksl. räte und babstliche potschaf[t], ain legat [Lorenzo Campeggi], des Kg. von Frankreich potschaft, item Hispania ir potschaft auch und potschaft von Portigali, Menz, Coln, Trier, Pfalz. Sachsen nympt sich schwachait an, Brandenburg, Kf., hat niemand hie. Die Hh. von Sachsen hand fier rat geschickt, haben mit mir umb den stand wollen kriegen, hab aber dannocht den noch behalten. Von weltlich Ff.: Österreich, Hg. Fridrich von Bairn, Mgf. Fridrich und seiner Gn. söne drey, Mgf. Casimirus, der hochmaister Mgf. Albrecht und Mgf. Hans, Hg. Ulrich von Wirttenperg mit vil volk, Hg. Hans von Bairn, Mgf. Cristof von Paden mitsampt zwey sönen, Mgf. Philipsen und Johannsen [wohl recte: Ernst]. Potschaften, so hie sind: Hessen, Gulch, Hennenberg, yeder einen rat, Bf. von Bamberg personlich, Bf. von Straßpurg personlich. Wirzburg, das wart man, aber H. Peter vom Aufsatz [= Aufseß], sein potschaft, ist hie, Speir und Worms durch ein tomhern, vil steet und Gff. Es ist fast teur.

[7.] Item die Schweizer habend ir potschaft auch hie und habend sich entschlossen, Babstlicher Hlkt. mit 14 000 mannen zuzeziechen, begern an ksl. Mt. ains durchzugs. Do wirt jamer und not aus ersteen. Versagt man es inen, so ist zu besorgen, die paurn werden mit gwalt wollen durchziechen, wirt es aber vergont, so ist in nit zu getrauen. Forcht man die verreterey, die dem Hg. von Meyland begegnet ist. Der Kg. von Frankreich richt sy mit gelt ab und hetze sy an die Österreichischen. Taylen die land mitainander, sonder, so Frankreich sagen möcht, der Ks. ließ wider in durchziechen. Es sind böse getailte mittel.

[8.] Auf gestern, crucis [4.5.12], hat ksl. Mt. unser allergnst. frauen, die Ks.in [Bianca Maria], herlich lassen im domstift besingen in gegenwurtigkait aller stende und darnach lassen eroffnen das hailtum. Ist auch auf dem altar zugegen, doch in capsen gestanden, wie unsers Hern Gottes rock, darzu ein wirfel und ein messer auf dem rock, in dem hochen altar 294 jare verporgen, gefunden, dobey auch vil ander groß hailtum, stuck vom hl. creuz. So hat ksl. Mt. gestern uf erichtag [3.5.12] der ksl. Mt. diener, so im welschland erschlagen, auch Dr. Doplern, der hie zu Trier gestorben, auch mit allen stenden besingen und begeen lassen. Nach dem ampt hat man zaigt unsers Hern Gots nagel ainen. Item wie denselben nagel hab ain Bf. von Menz wollen abtragen, den het lassen contrafactieren und den rechten in ermel gestoßen, sey der fan und die alb ganz schwaissig worden. Denselben schwaiß hat man noch. Item des himelprats [= Manna] ein stück, das Got herabgesandt hat; etlich glaich [= Glieder] von einer kettin, do St. Peter angepunden was, do er entran; item St. Helenen haupt; item St. Mathias apostoli haupt; item St. Peters stab, domit er Sanctum Martellum, der vil tag tod gelegen, auferkyckt; item vil stück vom hl. creitz. Ob man den rock sechen werde lassen, ist noch verporgen, er ligt aber in der kysten. Den hat ksl. Mt. und etlich mit seiner Mt. gesechen, soll fast plöd [= hier: schadhaft] sein, mag den nit wol aus der capsen nemen. St. Helena, Ks. Constantinus mutter, hat das alles herpracht, ist hie gestorben etc. Datum freytag vor jubilate.3

Anmerkungen

1
 Das am Schluß des Schreibens angegebene Datum freytag vor jubilate [30.4.12] ist offenkundig unzutreffend, denn der zu Beginn erwähnte, an Hg. Wilhelm übersandte ksl. Lehnsindult sowie das Schreiben Ks. Maximilians an Kg. Wladislaw von Böhmen-Ungarn (siehe Anm. 2) stammen erst vom 4. Mai. Auch die angeblich „gestern“ gefeierte Gedenkmesse für die verstorbene Gemahlin des Ks. fand erst am 3. Mai statt. Vgl. Nr. 1834 [2.].
2
 Mit Schreiben aus Trier vom 4. Mai 1512 teilte Ks. Maximilian Kg. Wladislaw von Böhmen-Ungarn, der böhmischen Landtafel und den Ständen der Krone Böhmen mit, Hg. Wilhelm von Bayern habe vorbringen lassen, wie sich etlich Hh. der cron zu Behaim, so mit iren Hftt. gegen seiner lieb Ftt. und landen grenizen, derselben grenizen halben, dorumbe sy dann in irrung steen, zu rüstung und emperung schicken. Deshalben eer teglichen uberflus besorgen müge, al[le]s über sein manigfaltig guetlich und rechtmessig erpieten und den stillstand, so euer lieb und die der cron zu Behaim inen zugeschriben haben. Weil dies dem Hg. zu großem Schaden und Nachteil gereiche, habe er um Hilfe gebeten. Da ihm (dem Ks.) eine derartige Beschwerung des Hg. unbillig erscheine, er zudem gewillt sei, Krieg und Aufruhr im Reich zu verhindern, ersuche er darum, außerhalb des Rechts und mit der Tat nichts gegen Hg. Wilhelm zu unternehmen und dies auch niemandem sonst zu gestatten. Er sei bereit, gemeinsam mit Kg. Wladislaw und den Ständen der Krone Böhmen alles zu tun, um die Sache gütlich beizulegen. München, HStA, KÄA 3138, fol. 133a u. b, Kop.
3
 Zum Datum vgl. Anm. 1. – Mit Begleitschreiben aus München vom 15. Mai 1512 (sambstag vor sontags vocem jocunditatis) übersandten die hgl. Statthalter und Räte Hg. Wilhelm zwei an ihn persönlich adressierte, durch Philipp Adler von Augsburg bzw. einen Postboten überbrachte Briefe Dr. Dietrichs von Plieningen und Peters von Altenhaus (wohl Nr. 1670 sowie ein nicht vorliegendes Schreiben). München, HStA, KÄA 3138, fol. 132, Orig. Pap. m. S. – Daß die beiden Reichstagsgesandten noch weitere Berichte verfaßten, die allerdings nicht vorliegen, geht aus folgendem Schreiben Johanns von der Leiter und Jörgs von Gumppenberg an Hg. Wilhelm aus Landshut vom 16. Mai 1512 (sontag vor der auffart) hervor: Haben spät in der Nacht von den hgl. Statthaltern und Räten zu München das beiliegende Bündel Briefe der hgl. Gesandten auf dem Reichstag in Trier erhalten, die sie, obwohl für Hg. Wilhelm persönlich bestimmt, aufgebrochen haben, dann wir an hut, dato [16.5.12], in eur Gn. namen ainen eylenden boten zu Pfalzgf. Ludwigen, der ytz auch zu Trier ist, in dem behamischen handl wegzeschicken verordent haben, wie dann eur Gn., so sy wider anheyms kommen, bericht werden. Ob ichts den verordenten räten auf dem reichstag auf ir missif in eil zuzeschreiben not getan, wollten wir solhs bey angeregtem poten mitgeschickt haben. Da die Schreiben über die Reichstagsverhandlungen nichts Besonderes enthalten, worauf man den Gesandten Bescheid geben muß, haben sie den Boten zu Kf. Ludwig abgefertigt und den Gesandten mitgeteilt, sie hätten ihre beiden Schreiben Hg. Wilhelm, der nicht zuhause sei, unverzüglich und ungeöffnet zugeschickt mit der Bemerkung, daß ihnen ihr Vorschlag in der Rorbach-Sache gefalle. München, HStA, KÄA 3138, fol. 134, Orig. Pap. m. S.