Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Befremden der Eidgenossen über das Ausbleiben der ksl. Gesandten, daraus resultierende Gefahr für ihr Verhältnis zum Ks.; [2.] Drängen auf einen Entschluß des Ks. in Sachen Bündnis mit den Eidgenossen; [3.] Chance auf eine eidgenössische Eroberung der Gft. Burgund; [4.] Distanzierte Haltung verschiedener Personen; [5.] Bitte um Ablösung durch eine finanzkundige Person; [6.] Möglichkeit des Abzugs der eidgenössischen Truppen aus Italien; [7.] Indirekte Kritik eines Züricher Priesters am Verhalten des Ks.

Zürich, 14. Juli 1512

Innsbruck, TLA, Maximiliana XIII 256/VIII, fol. 45-46, Orig. Pap. m. S.

[1.] Edler, gn., günstiger, gebietender H., nach gebürender dinstlicher erbietung füg ich euch zu vernemen, das ich auf das schreiben, euch aus Trier getan [liegt nicht vor], mich eylends auf den weg naher Zürich zu gefügt. Und als ich daselbst hinkomen, hab ich befunden, das die Aidgnossen drey tag gewartet und von ksl. Mt. wegen nyemants erschinen und wir die sau haimgefurt, ich auch weiter gehandelt, wie ir aus meinem schreiben, ksl. Mt. hiemit getan [liegt nicht vor], volliger zu vernemen hapt. Ist warlich bey unser partey, auch dem gemaynem manne vil unlusts und seltzamer rede erschollen aus dem aussenpleiben, auch anderer unfruntlicher handelung, mir furbracht und in meiner schrift angezaigt. Besorg genzlich, wo ksl. Mt. sich nit anders in handel schicken, das der undertaynig, getreuer, genaigter wille, den sie bisher zu ksl. Mt. getragen, erlescht und ir Mt. oder iren loblichen heusern Osterreich und Burgundi nit vil guts davon entsteen werde, dann sie nit leichtlich zu bochen sein und allweg, wann sie wollen, ein zwickmülen haben. Es wil auch mit den leuten nit geschertzt, sonder mit ja und neyn und nit opinative gehandelt sein.

[2.] Darumb verhelfent und seit darob, das sich ksl. Mt. entlichen einer meynung entschlies, was ir Mt. in disen hendeln zu tun oder zu lassen, zu geben oder zu nemen sey und nit lang in dem armbrust lig, dann es wil nit lenger gefeyrt oder gebitten sein, und wo ir ksl. Mt. sich seumbt, werden sy nit verziehen, als dann ir notorft erfortert, dann es lauft ine teglichs gros volk zu. So haben sy den syg in der hand und gut naygung und begiert, ksl. Mt. nutz und guts zu schaffen, soferr das bey irer Mt. angenomen oder erkant werden wil.

[3.] Ich verstehe auch so vil, wo sy mit irer ksl. Mt. in Ytalien entschaft machen, das sy irer Mt., so sy des begert und gevallen tregt, Hochburgundi auch erobern und einantworten werden.

[4.] Mich bedunkt genzlichen, das ich itzo hie etliche, mit den ich mich vormals vil beholfen gehabt, etwas scheulichen erzaigens und ansehens, dann ich sy in meynem abscheid verlassen, befunden. Das sich aus den artikeln, in ksl. Mt. brief gemeldet, ursachen mag, auch besser vermiten were und dies volk bey gutem willen zu behalten und diser zeit seiner furderung und hilf zu gebrauchen, sovil die notorft erfordert.

[5.] Ich besorg, das ich die harr kein ander lob dan wie H. Hans von Künigsegk oder Dr. Schad in diser landsart erlangen [kann] und mit unglauben abscheyden [muß], dweil nit anders gehandelt werden wil. Ist darumb mein hochste bitt, ir wollent getreuer fürderer und anschicker sein, damit ein ander, der in fynanz- und flihenden hendeln hof[fentlich] gescheyder und geschickter sey wann ich, an mein stat here verordent und ich gnediglich abgefordert werde, dann ich solichs unzher nit erlernet oder geübt, auch, ob Got wil, des hinfur müssig steen. Wil auch darauf bis auf eur nehistkunftig schreiben hie verharren und darnach von hynnen abscheiden, dann ich merk, das wenig gnad oder danks hie zu erlangen ist und yderman den kopf aus der schlingen zeugt. So erkenn ich mich den grossen, dapfern hendeln ganz zu doricht und unverstendig, und solt etwas durch mein einfalt verwarlost werden, gebet mir ein ewig nachsag, des ich mich selbs zu verheben schuldig bin.

[6.] Ich versiche mich genzlichen, dweil ksl. Mt. dieses wesen und eroberung der flecken so ganz veracht und nichts darzu tut, als meins bedunkens billich beschehe, das die Aidgnossen mit rat und hilf Babsts, Hispani und Venedig die eroberten flecken besetzen und das uberych volk heimziehen lassen werden, dann sy von disem tag ire botschaft hienein zu den hauptleuten gefertigt und denselben, davon zu handeln, villeicht bevelch geben haben. Euer verfenglich widerantwort, mich darnach haben zu richten. Geben Zürich am 14. tag July Ao. etc. duodecimo.

[7.] Nachschrift: Es seint vil seltzamer rede geschehen, das ksl. Mt. bisher so gar gefeyert und nichts in der sachen gehandelt. Deshalb hat ein priester uf nestvergangen sontag [11.7.12] hie im münster gepredigt und, als mir durch glaubwirdig personen gesagt ist, nach der predig[t] für unsern Hl. Vater, den Babst, gebeten, darauf geret: „Ich solt für unsern H. Ks. bitten. So schleft er, ich wais nit, wo er ist.“ [...]