Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Ladung der Stände auf einen Reichstag nach Augsburg bzw. Trier, Dank für ihr Erscheinen; [2.] Rekapitulation des ksl. Ersuchens an die 1510 in Augsburg versammelten Stände um Aufstellung eines 50 000-Mann-Heeres zum Schutz des Reiches; [3.] Forderung nach einer Reichshilfe gegen Venedig; [4.] Geplante Weiterberatung über das 50 000-Mann-Heer auf einem projektierten Reichstag in Augsburg oder Worms (1511); [5.] Unzufriedenheit des Ks. mit der bewilligten Reichshilfe, Inaussichtstellung zusätzlicher Unterstützung durch die Stände; [6.] Hoffen auf Gespräche der Stände mit ihren Untertanen in Sachen 50 000-Mann-Heer; [7.] Einberufung eines weiteren Reichstags zum 16. Oktober 1511 nach Augsburg, fortgesetzte hohe finanzielle Belastungen des Ks. durch den Konflikt mit Venedig und die Auseinandersetzung um Geldern; [8.] Einigung auf Friedensverhandlungen mit Venedig; [9.] Falsches Spiel der Venezianer während der laufenden Schiedsgespräche; [10.] Verlegung des ausgeschriebenen Reichstags von Augsburg nach Trier aufgrund der Dringlichkeit der Beratungsthemen; [11.] Ersuchen an die Stände um einen Beschluß in Sachen 50 000-Mann-Heer und um Bewilligung einer Hilfe für den Krieg gegen Venedig.

Trier, 16. April 1512

Kop.: A) Nürnberg, StA, Ft. Brandenburg-Ansbach, RTA Nr. 9, fol. 98a-105b (Überschrift: Ksl. Mt. furtragen und begeren an die stende, bescheen am tag und jare, wie hernach steet); B) Bamberg, StA, Hst. Bamberg, Geheime Kanzlei Nr. 8, fol. 1a-5a; C) Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 29a-32a (auf dem Deckblatt fol. 28a: Erst intragen von wegen des Ks. zu Trier, an di stend beschen, und antwort dorauf); Nürnberg, StA, Ft. Brandenburg-Ansbach, RTA Nr. 9, fol. 229a-233a (auf dem Deckblatt fol. 227a: Reichshandlung zu Drier im XII. jare etc.); Ebd., RTA Nr. ad 9 Sonderfasz., o. Fol. (Überschrift: Handlung ufm rei[chstag] zu Trier, am freytag [nach] dem hl. ostertage etc. duodecimo [16.4.12] angefang[en]; darunter: Ksl. Mt. furtragen und begern an [die] stende des hl. Reichs, on obge[meltem] tage bescheen); Frankfurt, IfStG, RTA Bd. 31, fol. 2a-8b (auf dem Deckblatt fol. 1a: Des Reichs abscheid auf dem jungsten reichstag, zu Trier vurgegieben und angeschlagen und nit geendet, und darna solcher richstag zu Coln gelacht und geschlossen Ao. etc. duodecimo, darunter: Frankfort); Karlsruhe, GLA, Abt. 50 Fasz. 12, o. Fol. (auf dem Deckblatt: Handlung des reychstags, im funfzehenhundersten und zwolften jar zu Trier gehalten; Überschrift: Ksl. Mt. erst antragen und begere uf dem richstage zu Trier, an Kff., Ff. und stende des Reichs beschehen); Köln, Historisches A., Köln und das Reich Nr. 39, fol. 4a-9b; Ebd., Köln und das Reich Nr. 40, fol. 3a-6a; Stuttgart, HStA, A 262 Bd. 8, fol. 137a-142b; Würzburg, StA, Würzburger RTA 6, fol. 1a-5b.

Druck: Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 1072.

[1.] Die röm. ksl. Mt., unser allergnst. H., hat die Kff., Ff. und andere stende des hl. Reychs verschyner zeit uf einen reychstag zu St. Gallentag negstverschynen [16.10.11] gein Augsburg und von dannen hiehere ermant und erfordert [vgl. Nr. 771, 940]. Dorauf die Kff., Ff. sampt andern stenden ksl. Mt. zu gehorsam erschynen sein. Des tregt ir ksl. Mt. sonder gn. gefallen, sagt inen auch dorumb freuntlichen und gn. dank.

[2.] Nachvolgend erinnert sie ksl. Mt. der handlung des negstgehalten reichstags zu Augsburg, die sich dan, mit kurz zu melden, uf zwue meynung gelendet hat: Nemlich fur eins, das ir ksl. Mt. desselbenmals waregenomen und bedacht, was gestalt nahent alle reych, Hftt. und communa teutscher nacion umsasser und anstosser lange zeit zu aufnemen, reychtumb und macht und dogegen ir Mt., das hl. Reych und teutsch nacion durch vilerlei anfechtung und gebrechen zu abnemen und notdurften gewachsen und komen. Doraus irer ksl. Mt., dem Reyche und teutscher nacion und iren umbsassen und anstossern nuhe und in künftig zeit merklich anfechtung und beswerung vor augen, zu besorgen und zu gewarten weren. Deshalben ir ksl. Mt. di Kff., Ff. und stende freuntlich und gnediglich ermant und beworben hat, ein ordinanz und rüstung im hl. Reych von 50 000 mannen furzunemen, aufzurichten und zu halten ad defensionem, damit alzeyt gewarnet, fursehen und gerüst zu sein, frembd anfechtung, einfale und beswerung, so sich zutragen mochten, abzustellen und demselben gegenwere zu tun [vgl. Nr. 108 [7.]].

[3.] Fur das andere, dasb die ksl. Mt. nach irer Mt. und des Reychs abschyede zu Costenz1 uf mutwillig und geferlich verhynderung und irrung der Venediger an dem romzuge zu erholung der ksl. cron mit der Bebstlichen Hlkt., auch den Kgg. zu Frankreyche und Aragon zu Camereck in ein confederacion und ein buntnus wider die Venediger komen was,2 begert ir ksl. Mt. uf berürtem reychstag zu Augsburg zu ausfürung solcher furnemen wider die Venediger der Kff., Ff. und stende des Reychs hielf und rate, die sie auch irer Mt. uf ein bestymbte zeyt bewilligt und zum teyl gereycht und gehalten haben.

[4.] Uf dieselben handlung und sachen des reychstags zu Augsburg abschyede gemacht worden ist [Nr. 125 [14.]], ungeverlich solcher meynung, woe der krieg gegen den Venedigern nach ausgang der gedachten bewilligten zeyt nit gericht oder in friede und ruhe gestellt oder auch nit in einen anstand bracht und deshalben die notdurft erfordern würde, weiter hielf zu suchen, das alsdan Kff., Ff. und stende ksl. Mt. zu unterteynigem gefallen und zu furderung der sachen uf einen reychstag gein Augsburg oder Worms komen wolten, aldo die notdurft uf ksl. Mt. anzeygen ermessen und sich nach gestalt der sachen ires vermogens in antwort gegen ksl. Mt. vernemen lassen. Mitler zeit sich auch ein yeder der obberürten ordinanz der 50 000 mann halben bei seinen untertanen bewerben und uf denselben künftigen reychstage auch antwort geben und sliessen solten etc.

[5.] Und wiewol sich die ksl. Mt. solcher meynung etwas beschwerd, sich deshalben im abschyede personlich zu den Kff., Ff. und stenden füget und inen furhielt die sorge, so ir Mt. an berürter hielf trüge, mit erzelung, wue ir Mt. in den noten nit weiter hielf gedeyhen sollt, das ir Mt. obberürter bewilligung nit zufrieden sein moge, dan ir Mt. in sorgen were, ir Mt., das hl. Reyche und teutsch nacion müssten dodurch nachteyl gegen den Venedigern als iren natürlichen veynden leyden. Darum ir ksl. Mt. desselbenmals umb weiteren grund und verstand irer hyelf anhyelt. Wart ir ksl. Mt. uf dieselbe stund von allen stenden offenlich getrost, das es zu dem künftigen reychstage ein weiter und merer hyelf nit mangel haben würde. Des sich ir Mt. benügen lassen und also abscheyden musst.

[6.] Solchem abschyede nach, sonderlich des ersten artikels der 50 000 manne halben, versicht sich die ksl. Mt. gnediglich, die Kff., Ff. und stende haben ire untertanen und verwanten der merklichen ursachen und notdurften berürter ordinanz und rüstung der 50 000 manne, wie zu Augsburg davon gehandelt ist, erinnert und sich mit ine besprochen und entslossen.

[7.] Dan berürend di notdurft weiterer hielf und rate zu ausfürung des kriegs wider die Venediger, were hiebei wol und lang zu erzelen, wie sich die kriegsubung nach dem reychstag zu Augsburg zugetragen und verloffen hat. Das bedünkt aber die ksl. Mt. on not, dan sovil, das irer Mt. di sachen nit alleyn des kriegs, sonder auch in ander mer wege dermassen swerlich begeget, zugestanden und eingefallen sein, das ir Mt. merklich bewegt worden ist, die Kff., Ff. und stende des Reychs hievor uf den negstverschynen St. Gallentag in craft und nach vermogen des abschieds vorigs reychstags gein Augsburg zu beschryeben. Desselben ursach zu melden ir Mt. hiemit auch unterlesst, in ansehung, das die in irer Mt. reychstagsausschreyben [Nr. 771] clerlich angezogen sein. Aber irer ksl. Mt. notdurft erfordert, den Kff., Ff. und stenden dannocht in summa weiter zu erkennen zu geben die langwerend, strenge kriegsubung, so ir Mt. nach dem reychstage zu Augsburg bis uf heutigen tag besteen müssen und gelitten. Dorin nit alleyn ir Mt. leyb und leben, vil mühe und geferligkeit aufgelegt, sonder auch zusampt des Reychs hielf, so irer Mt. von dem jüngsten reychstag zu Augsburg erfollt ist, irer ksl. Mt. camergute und erblich land sere und hart verkomert und erschopft, und sonderlich die stat Beren [= Verona], auch andere bevestigungen und flecken an dem confyn und grenyzen gegen den veynden uf Terfiss [= Tarvisio], auch gegen dem land Fryaul warts allenthalben mit merklichem costen underhalten, und dannocht doneben uf behaltung und errettung des lands Geldern, als des hl. Reychs eygentumb und ksl. Mt. lehen, unseglich muhe, costen und darlegen getan hat. Welche darlegung und costung gegen den Venedigern sampt dem land Geldern sich uf vil 100 000 fl. laufen, alles der gn., getreuen und guten meynung, die sachen, sonderlich gegen den Venedigern, dohyn zu bringen, das ir Mt. iren willen inhalt des Camerekischen tractats und di land, stet, Hftt. und flecken, so dem hl. Reyche, auch dem loblichen haus Osterreych von alter here zugehort haben, oder doch ein erlich, nützlich richtigung erlangen mogen het.

[8.] Als aber ir ksl. Mt. gemerkt und gesehen, das ir Mt., solchen iren willen zu erlangen, on weiter und dapfer hielf und zutun des hl. Reychs nit müglich sein wollen, hat sich ir ksl. Mt. uf hoch ansynnen und vertrosten der Bebstlichen Hlkt. und des Kg. zu Aragon und in dieselben zwen ein compromiss gütlicher handlung zu einem frieden gegen den Venedigern begeben, desgleychen auch die Venediger gern und urbutig getan, und also zu beden teylen volkomen procurey und gewalt gein Rome ubergeben, und sonderlich die ksl. Mt. sich ires teils zu dem frieden vil und mere, dan sich wol gebürt, geneygt und geflissen, alles alleyn umb des willen, das ir Mt. die Kff., Ff., und stende des Reychs weiter ansuchen, mühe und costen uberhaben und vertragen und ir hyelf und rate zu noch genotigern des hl. Reychs und gemeyner cristenheyt obligen di haben und gebrauchen mocht.

[9.] Dorauf haben die Bebstlich Hlkt. in dem frieden lang und vil gehandelt, die Venediger auch solchen friede stets und oft zugesagt, aber den besluss desselben friedens irer gewonheyt nach stets boslichtig und geverlich angehengt, verzogen und gesperret, und doch die ksl. Mt. sich dem compromiss nach solch friedes lange und stet here gewyss versehen, dan die handlung so weyt komen ist, das di Bebstlich Hlkt. und Kg. von Aragon ein tractat und frieden begriffen und verfasst hetten. Aber zwüschen dem allen haben die Venediger ir geheym practicam und anschlege uf di stet Press [= Brescia], Perchamo [= Bergamo] und andere mere und weiter gehapt, wie sie auch dieselbe stet Press und Perchamo erobert und alsbald dorauf in solchem irem sieg di handlung des fridens und ir procurey und gewalt an sich gezogen und den frieden gare und stets abgeschlagen, in meynung, als ob sie keins friedens mere gegen ksl. Mt. bedorften, auch dorauf uber di ksl. Mt. und den Kg. zu Frankreyche in Venedig solch schympfliche und schmeliche triumpfspyel, die nit alleyn ksl. Mt., sonder von ir Mt. wegen Kff., Ff. und stenden und allen Teutschen zu schmahe und verachtung reychenc und pillich zu herzen geen sollen, zu halten gestat und sich in irem sieg also erhepten, das ungezweyfelt der Almechtig misfallen dorob getragen und sye mit dem jüngsten ungefell und unsyege zu Press, das inen ir heuptleut und best kriegsvolk in grosser anzale nydergelegt und umbkomen sein, gestraft hat.

[10.] Wiewol uns nuhe gemeynt gewesen were, den reychstage inhalt des obangezeygten negsten abschieds und unser ausgegangen reychstagsausschreyben zu Augsburg zu besuchen, so haben wir doch bedacht, das die sachen, wie die oberzelt bishere verlaufen und nuhe gegenwertiglich gestalt sei, grosser eyl und fürderung bedorfen, das auch di stat Augsburg den mereren stenden ferr und ungelegen ist, und deshalben di mühe genomen, uns furderlich in dise art gefügt und den reychstage von Augsburg hiehere gewent, in hoffnung, di Kff., Ff. und stende dester fürderlicher zu erlangen.

[11.] Dem allen nach begert die röm. ksl. Mt. an di Kff., Ff. und stende des Reychs in craft des abschyeds und beschluss, uf dem negsten reychstage zu Augsburg gescheen, sie wollen irer ksl. Mt. von erst der ordinanz und rüstung halbe der 50 000 manne zu behuet, bewarung und behaltung des hl. Reychs und teutscher nacion, als nach gestalt aller leuf diser zeyt mer dan vor ye not ist, trostlich und gute antwort geben und mit irer Mt. dorin sliessen, zum anderen irer ksl. Mt. zu erlicher ausfürung des kriegs wider die Venediger, dieweyl ye ir Mt. uber ir Mt. geneygten willen und vleys kein friede finden mogen hat, die land, stet, Hftt. und flecken, so irer Mt. inhalt des camereckischen tractats zuparteyt sein, zu dem hl. Reyche und teutscher nacion zu erobern, weiter trostlich, treffelich und austreglich hielf und rate beweysen. Das erbeut sich die ksl. Mt., in freuntschaft, gnaden und gutem gegen Kff., Ff. und stenden des Reychs samet- und sonderlich zu bedenken und zu erkennen. Datum Trier am 16. tag Aprilis Ao. etc. 12.d

Anmerkungen

a
 B, C folgt: ir Mt., des hl. Reichs und.
b
 B, C als.
1
 Abschied des Reichstags 1507. Druck: Heil, Reichstagsakten 9, Nr. 268..
2
 Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508.
c
 C reizet.
d
 C folgt Vermerk von anderer Hand: Das ist des Ks. erst intragen gewest, so von iren wegen an die stend beschen. Ist di antwort [Nr. 982] dorauf gefallen, wi [ihr] sehet. Folgt gestrichen: Di hernoch vorzeichent, understrichen antwort ist nicht an Ks. gelangt.