Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 372 Nr. 142, fol. 111r–111v und fol. 116r–116v (Kop.); DV v. a. Hd. fol. 116v: Der von Goslar gesanten supplication irer herrn und obern beschwerungen halben der erkannten und ergangen acht, 1541 zu Regennspurg ubergeben.

Der Kf. von Sachsen, der Lgf. von Hessen und die schmalkaldischen Verbündeten haben mit der Stadt Goslar ihrer vielfaltigen hochsten clagen und beschwerungn halben alle zeit bißher barmherziges, christliches Mitleid gehabt. Danken im Namen Goslars dafür. Aber dennoch den gemelten unsern herren von Goslar bisanhero nie gedeien wollen, das ire sachen vor religionsachen erkant und angenohmen hetten mogen werden, sondern sie sein alle zeit mit guthen worten woll getrost und von einer zusamenkunft zue der andern darmit uffgezogen worden, mit demselbigen sie dan geduldiglichn gelitten. Nuhn wollen sie sich dennoch nit abschrecken lassen und umb anehemung irer sachen vor religionsachen bei eueren fstl. Gn., Gn. und G. undertheniglich, dienstlich, auch hochsten fleiß abermals angesucht und gebethen haben, in trostlicher und hoffenlicher zuversicht, euere fstl. Gn., Gn. und G. werden den handel in itzigen beschwerlichen, geferlichen und gantz besorglichen zeithen und leuften noch tieffer und mehr, alß zubevohr beschehen, gnediglich und gunstiglichen erwegen und die anehemung ferner nit aufschurtzen, sondern die einmahl alhie uff diesem reichstage zur Regenspurgk furgengich sein lassen und also auß ursachen, so hie beneben schrieftlichen ubergeben werden, der von Goslar vor religionsachen anehemen und erkennen. Die Stadt Goslar und sie, die Gesandten, wollen dies alle Zeit mit allen ihren Kräften verdienen, alß sie und wir unß aus verwantnuß, auch dinstparkeit halben dorzue mehr dan schuldig erkennen.

[Beilage:] Gründe für die Anerkennung des Goslarer Konflikts als Religionssache

Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 372 Nr. 142, fol. 112r–115r (Kop.); ÜS fol. 112r: Ursachen, warumb der stadt Goslar beschwerung und sachen vor religionsachen zu erkennen sein, auch davohr pillich gehalten, geacht und angenohmen werden sollen.

Als Goslar noch nicht protestantisch und Mitglied des Schmalkaldischen Bundes war, hatte es wohlgesinnte Richter am Kammergericht, hat auch mehrere günstige Urteile und Mandate erlangt, so dass Hg. Heinrich sich über das Kammergericht beklagt hat. Nach dem Konfessionswechsel Goslars und seinem Beitritt zum Schmalkaldischen Bund waren Kammerrichter und Beisitzer der Stadt stets feindlich gesinnt und haben Hg. Heinrichs Interessen gefördert.

Religiöse Gründe erklären auch, dass Hg. Heinrich auf dem Augsburger Reichstag 1530 ein Sequester erlangen konnte und damit die Exekution zugunsten Goslars ergangener Urteile zum Nachteil der Stadt aufgeschoben wurde. Auch wird in den anhängigen Purgationssachen gegen Hg. Heinrich und in Sachen Landfriedensbruch die Prozessführung vom Kammergericht aus religiösen Gründen zum Nachteil der Stadt und zum Vorteil Hg. Heinrichs gestaltet. Aus religiösen Gründen wurde Goslar auch in die Acht erklärt, damit die Stadt die noch anhängenden Prozesse gegen Hg. Heinrich in Purgationssachen und in puncto fractae pacisnicht weiter verfolgen kann.

Goslar ist vom Kammergericht verurteilt, den Konvent des Klosters Georgenberg zu restituieren. Dies bedeutet Wiedereinführung der altkirchlichen Zeremonien, die dem Bekenntnis zum wahren Glauben zuwiderliefe. Wenn Goslar gegen die Acht Widerstand leistet und Hg. Heinrich die Stadt in die Hand bekommt, wäre dies verhängnisvoll, nicht nur für Leib, Leben, Hab und Gut der Bürger, sondern auch für ihr Seelenheil. Goslar müsste dann von der göttlichen Wahrheit abfallen, auch das teuflische Papsttum wiedereinführen. Goslar könnte zudem für Hg. Heinrich eine gute Plattform für Übergriffe gegen andere protestantische Stände abgeben. Der Verlust Goslars würde allen Evangelischen zum Nachteil gereichen. Dass Goslar wegen der Religion verfolgt wird, belegt im Übrigen auch die am Ketzerrecht orientierte Argumentation Hg. Heinrichs von Braunschweig am Kammergericht in der Purgationssache.

Die Verfassung des Schmalkaldischen Bundes definiert die Bündnispflicht auch für die Fälle, in denen Stände zum Schein wegen profaner Dinge, in Wahrheit aber wegen der Religion beschwert werden. Dieser Artikel muß auf die goslarische Angelegenheit angewandt werden. Wenn man die Exekution der Acht gegen Goslar tatenlos zulässt, wird dies die Gegenseite ermutigen, Gleiches mit Kammergerichtsverfahren auch gegen andere Stände zu versuchen, welches dan viel stende, wo nit zum abfall von dem wort Gottes und der gotthlichen warheit bewegen, doch in allerhochst beschwernuß und gefarlicheit fhuren wurde, das dan pillich beizeithen zu vorkhomen. Außerdem hat der Kaiser durch seine Suspension der Kammergerichtsprozesse und der ergangenen Achturteile die goslarische Angelegenheit bereits als Religionssache anerkannt.

Aus all den genanten Gründen ist die goslarische Angelegenheit als Religionssache anzuerkennen und darf man Goslar nicht im Stich lassen 1.

Anmerkungen

1
 Die hier vorgetragene Argumentation entspricht über weite Strecken der Beweisführung der kursächsischen Gesandten auf dem Naumburger Bundestag der Schmalkaldener für die Anerkennung der Goslarer Angelegenheit als Religionssache. Vgl. die Schlussrelation der herzoglich-sächsischen Gesandten über ihre Verhandlungen auf dem Naumburger Bundestag Ende Dezember 1540/Anfang Januar 1541, Dresden HStA, 10024 GA, Loc. 10183/04, Regenspurgischen Reichstags, Religion und andere Händel vermöge einer hierbey [...] Anno 1539–1547, fol. 397r–402r, hier fol. 397v–399v; hier auch fol. 399v–401v ausführlich die Gegenargumentation der herzoglich-sächsischen Gesandten.