Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

A  München BSB, Cod. germ. man. 1313, fol. 7r–10r (Kop.).

B  koll. Marburg StA, PA 1467, fol. 10r–12v (Kop.).

Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,1, Nr. 3, S. 11–13; D. Martin Luthers Werke, Briefwechsel, Bd. 9, Nr. 3573 , S. 322–327; Corp. Reform. IV, Nr. 2140, Sp. 92–96; Neudecker, Merkwürdige Aktenstücke, Nr. LI, S. 255–260.

Wir zweiffeln nicht, ir wisset, wes in jezt gehaltnem colloquio zu Wormbs anher sich zugetragen, wie weit es bracht und welchermassen es durch ksl. Mt. abschaffen ist aufgehaben worden1. Wiewol aber wir fur unser person, auch andere mher friedliebend gern gesehen, das des orts etwas mher ausgerichtet und die andern artickel, soviel man immer gemocht, auch in vergleichung gebracht und mehra zum ziel geruckt weren, hat die ksl. Mt. villeicht aus ursach und bedenken des langwierigen verzugs und, das anhero so wenig außgericht, den handel eigner person mitsampt den andern reichsstenden richtiger zu furdern, gelegner geacht, des orts abgefordert und eilet damit zum außtrage. Gott der allmechtige wöll weitter gnad darzu verleihen.

Dieweil aber zu besorgen, das etliche unruhige, verplente und verstockte leuth, deß satans diener und wergkzeug, indes vor angehenden reichstags nit feiern und bei den röm. ksl. und kgl. Mtt., auch andern, wo sie wissen und mögen, allerley practicirn und regen werden, die handlung entweder gar zu hindern oder je in lengern, schedlichen verzug zu fuhren, wie man denn lange zeit her vielfaltig vermergkt, das die reformation inen unleidlich und ein schwere purde sein will. Damit man solchen leuthen und ihren anschlegen begegnen, dieselben ableinen und zurucklegen konth, wie denn sonder zweiffel uff dem teil, der noch bepstlich geachtet wurdet, viel sein, auch unter und bei grossen heuptern, deren gewissen Gott lengst getroffen, das sie gern zur reformation der kirchen und christenlicher leer hulfen, auch uff mittel und weg gedacht, wie man doch einmal zu fruchtbarer handlung von vergleichung christlicher religion kommen möcht, wollen wir euch vertreulicher weiß nicht verhalten, das von etlichen gutherzigen, gottfurchtigen und gelerten leuthen jhens teils ein schrift gestellet, die in den artickeln der lehre von des menschen fall und widerbringung, von der natur und eigner kreften unvermugen, von gottlicher gnaden und dem verdinst Christj, vom glauben und guten wergken, von sacramenten, von der buß und von christlicher zucht dermassen stehet, das sie verhoffen, sie solten der warheit nit ungemes und derhalb unserm theil zum anfang christenlicher vergleichung leidlich sein, ob sie wol nicht allenthalben dieser weise zuwider gebraucht und uff schwacheit der gutherzigen des gegentheils hernidergelassen sey. Doch sind viel gutherziger leuth der hoffnung, das inb stucken allen ferner und gnugsam erklerung wol wurde zu erhalten sein, wo man nur die leuthe zu recht vertrauter handlung bewege.

Darzu sein auch etliche nebenartickel eingefuret als von gedechtnis der abgestorbenen, vom gebrauch des hochwirdigen sacraments, von der messe und etlichen andern ceremonien, item, vom celibat der geistlichen, welche artickel einer weittern verbesserung bedurfen, darumb deren etliche zweiffelhaftig gesetzt sein. Solcher zusatz ist aberc vielleicht beschehen, das man gern verhuten wolte, das die schwachen jhenes theils nit aller handlung abgeschreckt oder den boßhaftigen anlas gegeben wurde, alle handlung zu underschlagen, wie oftmals geschehen ist.

Und nachdem von der erbsunde und unvermögen menschlicher kreften und der gnaden der justification und widerpringung derselben in Christo, item, wie die heiligen sacrament zu gebrauchen sein, zu gleichem verstand kommen, ist gut hoffnung, es solten sich eins teils diese nebenpuncta auch bald lassen zu gleichem verstand und reformation bringen und die andern ohne verletzung gemeiner concordi und der bessern ordnung lassen und ferner handlung aufschieben.

Dieselben artickel sein uns in hochster geheim zugeschickt und vertrauet worden, mit vertröstung, das etliche chur- und fursten, geistlich und weltlich, uff solch artickel sich in recht, grundlich handlung der vergleichung einzulassen gewillet sein. So stehe man auch in wol vertröster arbeit, solchs gleichsfals bei ksl. Mt. zu erlangen.

Nun sind die sachen gros und wichtig und wolten doch fur unser person zu christlicher vergleichung der religion gar gern helfen, soviel mit Gott immer sein mocht, wie denn alle unsere sinne und gemuet je und allwege dahin gericht gewesen, weil wir alle sehen und befinden, wie jemmerlich alle religion und christliche zucht bei diesem zwispalt und aus mangel rechter, heilsamer leer und getreuen uspendern derselben furfellet, was auch wir aus solchen schweren verachtungen Gottes worts giftiger, verderblicher secten, auch eusserlicher zwispalt und zerstörung zu befarhen haben.

Derhalben, weil Gott der allmechtig euch vor allen andern, den armen, gefangnen gewissen den trost des heiligen evangelii widerzubringen, erweckt und mit verstand begabt hat, begern wir gantz gnediglich, auch umb christlicher liebe willen, ir wollet solche schrift, sobald euch muglich, vleissig und getreulich besichtigen, dieselbig auch bei euch in ganzer geheimbd, wie sie uns zugetraut, halten und, was in derselben artickeln zu bessern und wie man sich umb weitter erklerung und repurgation gestelter artickel in ein gesprech mit recht gotsfurchtigen leuthen des andern teils einlassen mocht, auch im fall, das man dieser zeit gnugsam vergleichung der lehr und sacramenten, auch kirchenzucht und bestellung der kirchen mit tauglichen dienern mit den andern Kff., Ff. und stenden deß hl. reichs treffen kont, was der nebenartickeln halben bei ihnen uff weitter unterhandlung ein zeit lang zu gedulden sein mocht, euers gemuets [gein] d uns resolviren und in dem allem euch dermassen erzeigen, als wir sondere zuversicht zu euch tragen, auch der sachen hohe, unvermeidliche notturft ohne lengern uffzug erfordert, damit, wo solch artickel von euch und andern einmuetig verglichen, man dester friedlicher und sicherer darauf handeln und dringen könt, auch die sach weniger anfechtung und mehren bestandt hett. Und weil der reichstag vor der thur, auch die ksl. Mt., als wir hörn, im anzug ist, und vielleicht zum außtrag der sachen eilet, wolten wir gern und begern gnediglich, das ihr furderlich darzu thetet und euer bedencken und raht uns eröffnet und zuschicket, auch diß unser ansuchen nit anders denn wolmeinlich und, das wir die ehr Gottes und seines heiligen worts gern gefurdert sehen und gemeiner christenheit dienen wolten, vorstehene und annemen. Daran thut ihr sonder zweiffel Gott ein gefelligs und allen christen ein nutzlichs wergk. Solchs wurdt Gott euch reichlich vergelten, zudem, das ihr auch bei allen gutherzigen lob, preis und dancksagung erlangen. Nochmals als vor begeren wir, ir wollet diese sach in geheim halten, denn sie uns von gutherzigen leuthen zugetrauet ist.

Noch eins, lieber herr doctor, ist an uns gelangen, das ihr des edictsf halben, so in Brabant in röm. ksl. Mt. namen ausgangen, hoch beschwert sein etc. Wiewol es an dem, das etlich schwach darab schrecken und die halstarrigen, gottlosen dardurch gesterckt werden, und were besser, bevorab jetziger zeit, da die sachen in guter hoffnung zum vertrag sich anlassen, es were verplieben, ist doch uns furkommen, das solch edict villeicht ohn ksl. Mt. wissen oder je uff ungestimbs anhalten g und unrechtem bericht und eignem getrieb etlicher unruigen leut–g ußbracht sey, welchs wir wol glauben, werden auch bericht, das man nicht strack daruber halte. Darumb wollet euch des so hart nit kummern oder anfechten lassen und mehr auf gemeine besserung sehen helfen. Wir werden auch bericht, das ihr willens, dasselbig mandat zu glosiren oder dawider zu schreiben, darfur wollen wir vleissig bitten, das solchs noch zur zeit verbleibe und in ruhe gestelt werde, auf das man kein verbitterung errege. Solt es aber nicht anders werden, kan noch wol kommen, was darauf gehort2. Datum Coln an der Sprew, Freitags nach Purificationis Mariae anno etc. 41.

Anmerkungen

1
 Vgl. Martin Bucer an [Kf. Joachim von Brandenburg], Worms, 1541 Januar 10 [Nr. 441].
a
 In B: neher.
b
 In B danach: solchen.
c
 In B danach: darumb.
d
 Nach B korr. aus: gern.
e
 Nach B korr. aus: versehen.
f
 Ergänzt nach B.
g
–g Ergänzt nach B.
2
 Vgl. Dr. Martin Luther an Kf. Joachim von Brandenburg, [Wittenberg], 1541 Februar 13, D. Martin Luthers Werke, Briefwechsel, Bd. 9, Nr. 3576, S. 329–330: Ich wil die entpfangene schrift in geheim uberlesen gar bald und E. kurf. g. mein bedencken anzeigen. Von dem kaiserlichen Edikt habe ich keine anfechtung, denn es vil zu unfletig, das ich mich damit bekummern oder dar ein glosiren furnemen wolte. Ankündigung seiner Schrift gegen Hg. Heinrich von Braunschweig. Vgl. dazu den Zettel zu dem Schreiben Kf. Joachims von Brandenburg an Lgf. Philipp von Hessen, Cölln an der Spree, 1541 Februar 19, Marburg StA, PA 1467, fol. 6r–9r, hier fol. 9r: Wir haben uf Martin Butzers schreiben und bit di ubersandten articul in geheim und als vor uns selbs Dr. Martin Luthern alsbaldt zugefertigt, daruf uns gestern vor dato antwort einkomen, wie inliegend abschrift lautet. Was nun ferrer sein gemut sein wirdet, sobald wir des verstendigt, sol weiter dem Butzer unverhalten pleiben. Mochten wir euerer L. auch unangezeigt nicht lassen. Datum ut supra.