Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Nürnberg, fol. 176–180’.

2. HA (Türkenhilfe): Höhe der Bewilligung: Verwendung des Reichsvorrats 1548 und dessen Ergänzung 1551. Fragliches Beharren des SR gegenüber KR und FR auf der Erlegung des Vorrats durch alle Stände zur Sicherstellung der Steuergerechtigkeit. Abschrift der Resolutionen des SR durch kfl. und f. Stände.

/176/ (Vormittag, 8 Uhr) Städterat. [Regensburg] proponiert: Mündliche Replik und Anmahnung des Kgs. zum 2. HA (Türkenhilfe)1 . Soll die Hilfe mit Geld oder mit Truppen erbracht werden? SR hat zwar bereits mehrheitlich für die Geldhilfe votiert, da Straßburg sich dem aber widersetzt hat2 , soll auch dies in die Beratung einbezogen werden.

/176’/ Umfrage zum Beratungsverfahren. Beschluss: Beratung des 2. HA getrennt nach Einzelpunkten, damit man desto paß ein merers machen unnd dz concept auch desto formlicher stellen mochte.

Umfrage zur Höhe der Bewilligung. Dabei wird der Einwand erhoben, dieweil hievor etliche chur- unnd fursten, auch anndere stende di hilff gemeins Reichs vorrats unnd ergentzung desselben3 noch nitt gar erlegt, ob bei inen angehallten werden sollt, ir angepurnus /177/ volligklich zu erlegen unnd zu betzalen. Dann one das den gehorsamen stenden, so allweg ir geburnus erlegt, beschwerlich sein wurd, yetzt mit den andern gleich antzusteen. Damit aber nun nitt allein in yetzigen, sonndern auch hievorigen anlagen die gleichheit gehallten, wurde in alweg die notturfft erfordern, erstlich von disem artickel der gleichheit zu reden.

Beschluss: Zunächst Klärung dieser Frage. Dabei werden zwei Meinungen vorgetragen: Einigea  votieren, dieweil hievor zu ettlichmalen hilff bewilligt worden, die aber hernach durch etliche gar nitt oder kaum zum halben theil geleist unnd erlegt worden, do nun yetzt di hilf gleich bewilligt werden sollt, wurde es anndere mer verursachen, mit der hilff gleichsfalls zuhinderhallten unnd dieselben, wie sich /177’/ gepurt, nitt zuleisten; dz dan ein ungleichheit geperen wurde. Unnd dz sie derwegen fur ein hohe notturfft achteten, die sachen dahin zurichten, das dem fiscal am ksl. cammergericht derwegen geschriben wurd, damit die hilffen gemeins vorrats von anndern auch ergentzt wurden. Do dz geschehe unnd solcher vorrath yetzt wider den turcken mocht gepraucht werden, so wurde auch die hilff desto geringer zustellen unnd zubewilligen sein. Welches den erbarn steten zu sonderlichem vortheil, dieweil dieselben one dz zum theil erseygert unnd mit hochbeschwerlichen außgaben ein zeit hero beladen gewesen, geraiche. Do aber dasselb bei den hohern stennden nitt stat finden oder zuerlangen sein, wurde es den erbarn steten sovil desto mer, weil sy yetzt mit den andern gleiche purden tragen mussten, zu verderben geraichen. Unnd do ye die hohern stennde in dem sich mit den erbarn steten nitt vergleichen wurden, achtet man darfur, dz solches von derselben wegen an di röm. kgl. Mt. zu gelanngen sein solte.

/178/ Gegenvotum des anderen Teils des SR: Befürworten zwar, bei den höheren Ständen die Steuergerechtigkeit anzumahnen, haben aber die beisorg, wo die erbarn stet hierauff so hart tringen, dz sie doch damit gar nichts außrichten, sonndern inen dardurch allerlei ungnad unnd unwillen bei etlichern hohern stennden, die ir angepurnus des vorrats noch nitt erlegt, auff den halß legen wurden. Und wurd sonderlich vermeldet, das man glaublich in erfarung kommen, als solchs in nechstem der stett furpringen4 vor den hohern stenden auch geandet worden, das etliche derselben darob nicht wenig mißfallen getragen hetten. Unnd derwegen dahin geschlossen, dz man allein in genere, wie auch in jungstem der stet verleßnem concept beschehen5, anregen thun unnd nitt so hart darauff tringen unnd sich enntlich mit den hohern stenden, wo ye nichts zuerhallten, vergleichen und weiter nichts an di röm.kgl.Mt. gelanngen lassen sollt, /178’/ dann ir Mt. sonders zweiffels bei gemeinen Reichs stenden, dieweil ir Mt. hievor guten bericht desshalben eingenommen, wer erlegt oder nitt erlegt, selbst anregung thun wurden.

Dagegen beharren die anderen Städte auf ihrem Votum, dann do sich die stet dahin begeben sollten, dz man den hohern stennden etwas zu gefallen unnd zu verderbung der stet thun, dz es sich nitt gepurn wollte, sonndern in alweg der stet notturfft erforderte, wo ye di hohern stende darauff beharren, solches an di kgl. Mt. gelangen zelassen. Unnd dieweil der angeregt vorrath ein vorrath des Reichs, so wurde ir kgl. Mt. denselben nitt ereffern, sondern allein uff ein statliche hilff tringen. Unnd do ir Mt. des vorrats nit geniessen, mussten gemeine stende desto grossere hilff leisten. Damit nun der ungehorsam nitt weiter einprech und sich ein theil des andern nitt /179/ zubehelffen unnd solches den erbarn steten nit zu schaden unnd nachteil geraichte, achteten sy, die sachen obberurtter massen zehandlen sein. Unnd do ye nichts zuerhalten, hetten dannocht di erbarn stet dz irig gethan. Konnten auch nitt anderst gedencken, dann solches wurde kgl. Mt. zu keinen ungnaden, sonndern derselben unnd andern chur- und fursten, die den vorrath genntzlich erlegt, zu allerlei gnaden unnd gutem geraichen.

Dennoch besteht die andere Gruppe auf ihrem Votum, dass dies allein mit bescheidenheit angeregt unnd darauff nitt behart wurde. Dann do man darauff beharren, wurde die hilff in solchem der kgl. Mt. verzogen und auffgehallten werden.

/179–180/ Da keine Einigung möglich ist, wollen beide Seiten die Entscheidung bis 3 Uhr nachmittags aufschieben. Dagegen wenden die Regensburger Deputierten ein, am Nachmittag werde die Supplikation der CA-Stände um Freistellung6  dem Kg. übergeben. Da sie, Straßburg und Rothenburg an der Übergabe mitwirken, wird obige Frage bis morgen, 8 Uhr, vertagt7.

/180 f./ Regensburg teilt mit, ihr Sekretär sei von kfl. und f. Sekretären im Anschluss an den Vortrag von Resolutionen des SR im RR wiederholt um deren Abschrift gebeten worden. Haben bisher die Erlaubnis ohne Rücksprache mit SR nicht erteilt. Soll die Abschrift künftig generell zugelassen werden?

/180’/ Einhelliger Beschluss: Da die Abschrift der Resolutionen von KR und FR gestattet ist, wird sie auch für jene des SR erlaubt, allerdings erst nach deren Vortrag im RR.

Anmerkungen

1
 Vgl. Kurmainz, pag. 436–441 [Nr. 51].
2
 Vgl. Nürnberg, fol. 125 [Nr. 251].
3
 Vgl. Anm.5 bei Nr. 474.
a
 Einige] Augsburg (fol. 76) differenzierter: Augsburg und andere.
4
 Bezugnahme auf die erste Resolution der Reichsstädte zum 2. HA (Türkenhilfe) [Nr. 474].
5
 Erneut Bezugnahme auf Nr. 474.
6
 Nr. 503.
7
 Dazu in Augsburg (fol. 77) als Anmerkung: Bis dahin haben die Augsburger Gesandten ein Konz. für die entsprechende Resolution des SR formuliert, damit man iren habenden bevelch desto aigenntlicher vernemen möcht.