Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Einwände von Kurpfalz gegen Georg Witzel als Adjunkt der katholischen Stände beim Religionskolloquium. Beschluss und Billigung der Sextuplik der Reichsstände beim 1. HA (Religionsvergleich).

/216/ (Vormittag) Religionsausschuss. [Kurmainz] proponiert: Zuletzt vertagte Beratung.

Umfrage. Kurtrier: Man hat zuvor beschlossen, das kein thail dem andern maß zu geben. Also wusten sie den confessionisten nit maß zu geben. Versehen sich gleicheit vom andern thail.

Kurköln: Similiter.

Kurpfalza: Es were hievor fur gut angesehen, das kein /216’/ thail dem andern maß zugeben. Aber dabeneben were beschlossen, das die personen solten von beden religion genomen werden friedliebendt und schiedlich1. Geben darumb unsern2 colloquenten kein maß, aber inter adiunctos were Wicelius3: Bederseits ein apostata und schwermer, dessen er4 bericht thun kan, den er under seinem vatter geporen5. Were erstlich ein priester worden, folgents zu Wittenberg studiert und minister verbi worden. Wie er sich in der paurischen aufrur gehalten, were bewust: Hette sich an einen gehenckt, Melchior Rinck, so ein widerteuffer gewesen6, darob er gefengklich eingezogen. Aber nachmals erpetten, doch das er nit schreiben solte. Aber wie er zu Wittemberg proficiert, were er per Martinum /217/ commendiert und im ein pfar eingeben. Aber nachmals hette er sich an ein schwermer, Campanum7, gehenckt8, also das er [selbst] ein schwermer were, von beden thailen apostitiert. Welchs sie nit wolten zu beschwerung geret haben, sonder allein berichts weiß. Aber wolten den hern des andern thails kein maß geben, wen man den Wicelium ye haben wolte.

Kursachsen: Wolten kein maß den hern geben.

Kurbrandenburg: Stellen es des Wicelii halben zu der hern gelegenhait.

Kurmainz: Wie Trier und Coln.

Salzburg: Hetten sich der exception nit versehen, sonst wolten sie wol ein andern weg bedacht haben. Aber dweil Wicelius benempt, liessen sie es dabei pleiben.

/217’/ Im Folgenden votieren Bayern und Österreich wie Salzburg, Augsburg wie die geistlichen Kff., Pfalz-Zweibrücken und Brandenburg-Ansbach wie Kurpfalz. Württemberg verweist darauf, dass der Einwand von Kurpfalz zu Witzel nur berichts weiß beschehen. Dweil dan der ander thail in9 gedenck zu geprauchen, liessen sie es dabei pleiben. Hessen schließt sich Württemberg an. Die Prälaten belassen es ebenso wie die Wetterauer Gff. sowie die Städte Straßburg und Schwäbisch Gmünd bei den benannten Personen.

/218/ Beschluss: Abschluss der Beratung und Formulierung des Konzepts für die entsprechende Resolution des Ausschussesb.

(Nachmittag). Vorlage der Resolution des Religionsausschusses [als Konzept für die Sextuplik der Reichsstände] vor FR und SR. Jeweils Billigung10.

Anmerkungen

a
 Kurpfalz] Hessen (fol. 121) differenzierter: Votum vorgebracht von Eberhard von der Tann.
1
 Vgl. Quadruplik zum 1. HA (Religionsvergleich) [Nr. 431], fol. 487 [unnd dann... fridtliebendt personen].
2
 = den katholischen.
3
 Vgl. zum Einwand gegen Witzel die Weisung Ottheinrichs vom 7. 1. 1557 (Heidelberg): Kf. betonte nochmals (vgl. Anm.6 bei Nr. 468, Anm.11 bei Nr. 431), er sehe keine Möglichkeit, dass ein Religionsvergleich /245/ müge getroffen werden, sintenmal gewißlich aller ir [Kg., katholische Stände] richten und rathen, wie gut sie es auch furgeben, dahien gheet und /245’/ gemaint ist, unsere religions verwandten oder je die furnembsten unter inen zum abfall zubewegen, ire irthumb unnd greuwel domit zubeschönnen und zuschmuckhen, unnd hienwiderumb unserer warhafftigen, gottseligen lehre dise mackel und verdacht ufzudringen, als were vil unsaubers und falsches darinnen, wöliches geandert werden muste etc. Dies zeige neben der Erfahrung auf Kolloquien, dass jetzt so verruchte, gottlose leute als Braun, Witzel und ires gleichen zu disser wichtigen sachen eingeschoben und beschrieben werden. Die Gesandten sollten deren Benennung nach Möglichkeit verhindern (HStA München, K. blau 106/3, fol. 245–249’, hier 245 f. Or.; präs. 15. 1.).
4
 = Eberhard von der Tann, der Kurpfälzer Votant. Daneben sprach sich von der Tann auf anderer Ebene auch gegen den Löwener Professor Rythovius als Ausländer und gegen Canisius als des Bf. von Augsburg hetzhund aus (Bericht der Württemberger Gesandten Massenbach und Eislinger an den Hg. vom 7. 3. 1557: HStA Stuttgart, A 262 Bü. 51, fol. 409–416’, hier 412’; Or.; präs. Stuttgart, 13. 3.). Vgl. Decot, Stände, 366.
5
 Witzel wuchs ebenso wie Eberhard von der Tann in Vacha an der Werra auf, wo der Vater des Letzteren, Melchior d. J. von der Tann, seit 1508 als hessischer Amtmann wirkte ( Körner, Tann, 123).
6
 Melchior Rinck (Ring; ca. 1493 – ca. 1545), Theologe, Humanist („der Greck“). Teilnahme am Bauernkrieg und Führer der Täuferbewegung um Eisenach. Vgl. TRE  XXIX, 215–218 (Lit.).
7
 Johannes Campanus (ca. 1500 – ca. 1575), aus dem Bst. Lüttich stammender Theologe und Wiedertäufer, seit 1528 an der Universität Wittenberg; 1529 im engen Kontakt mit Witzel ( TRE  VII, 601–604;  NDB  III, 109 f.).
8
 Witzel wurde 1501 in Vacha geboren. Studium der Theologie in Erfurt und Wittenberg. Im Anschluss an die Priesterweihe Vikar und Stadtschreiber in Vacha. 1523 Verheiratung. Anfang 1525 Verwicklung in den Bauernkrieg um Eisenach (Rinck); trotz mäßigender Einwirkung auf die Aufständischen vom Gutsherrn seiner Pfarrstelle entlassen. Erhielt dann auf Empfehlung Luthers hin die Pfarrstelle in Niemegk bei Wittenberg. 1530 als vermeintlicher Gesinnungsgenosse des Campanus verhaftet, 1531 entlassen. Beginnende Hinwendung zum Katholizismus und Konversion ( Trusen, Reform, 8–17; Henze, Liebe, 15–21). Vgl. auch Anm.18 bei Nr. 433.
9
 = ihn (Witzel).
b
 Ausschusses] Kurpfalz B (fol. 116 f.) zusätzlich: Anschließend Verlesung des Konz. für die Resolution des Ausschusses zur Sextuplik beim 1. HA (Religionsvergleich). Beschluss: Billigung. [Ausfertigung: Nr. 433.]
10
 Vgl. zur Vorlage im FR auch Würzburg, fol. 243’ [Nr. 207]; im SR: Nürnberg, fol. 379’ [Nr. 309]. Billigung des Konz. im Religionsausschuss: Vgl. Anm. b. Ausfertigung: Nr. 433.