Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Kurmainz C, fol. 244–248.

1. HA (Religionsvergleich): Bewilligung eines Kolloquiums durch die geistlichen Stände als Entgegenkommen an den Kg. mit Bedingungen. Kein grundsätzlicher Verzicht auf das Generalkonzil.

/244’/ (Vormittag) Sonderverhandlung der geistlichen Reichsstände (nur Gesandte)1 . Fortsetzung der Beratung vom 29. 12.

Umfrage. Kurtrier: Vernehmen, man wolle ein Kolloquium bewilligen, doch das es nit determinativum, sonder consultativum unvergriffenlich, und das es mit bapstlicher Hlt. bewilligung anzustellen2. Solchs wolten sie inen auf resolution auch gefallen lassen. Mochte zu fernerer beratschlagung ein ausschuß verordnet werden.

Kurköln: Entsprechend Kurtrier.

Kurmainz: /244’ f./ Hätten zwar das Konzil vorgezogen, vernehmen aber /245/ vast alle stimmen dahingehend, dass man der Forderung des Kgs. entsprechen und das Kolloquium bewilligen soll. Wen man dan durchauß der meinung were, wolten sie sich mit inen vergleichen. Wie man nun das colloquium conditionieren welle und solche conditiones der kgl. Mt. fürpringen, da mochte ein ausschuß zu solchem verordnet werden.

Salzburg: Bewilligen das Kolloquium ebenfalls. Doch das der kgl. Mt. heimbzugeben, das ins werck zurichten, und das es nit von den stenden oder bischofen herraiche, domit es desto unverwißlicher; doch das es sein kgl. Mt. anstelten, das es verantwurtlich. Item wen ire Mt. wurde finden, das man articulos principaliores darin tractieren wolte, so wurde auß unmoglicheit das /245’/ colloquium sich selbst resolvieren.

Deutschmeister: Wie Salzburg.

Bamberg: Wie Salzburg.

Würzburg: Bewilligung des Kolloquiums nur, falls es unverwißlich und den bischofen unnachteilig, auch der religion unappruchig. Darzu mochte ein ausschuß verordnet werden, wie solchs geschehen mochte. Wofer konig zuvermogen, die sachen auf sich zu nemen, were ime nit zuwider.

Eichstätt: Wie vorhin3: Weren etlich zu verordnen, die ursachen zusamen zugen, warumb es den gaistlichen beschwerlich, vom concilio abzustehen, yedoch das man colloquium bewillig der und der gestalt etc. Tragt fursorg, konig werde nit zuvermogen sein, die sachen auf sich zunemen.

/246/ Speyer mit Worms: Hat nur Vollmacht für das Konzil, erwartet aber Weisung zur Replik des Kgs. Anschluss an die Mehrheit unter Vorbehalt. Für Worms: Wie die Mehrheit.

Straßburg: Formulierung einer Antwort an den Kg. durch einen Ausschuss: Bewilligung des Kolloquiums mit der Bedingung, dass es bischofen an iren juramenten, eheren und pflichten unabbrüchig, item das es unvergrifflich, item der catholischen religion unappruchig. Forma der schrifft: Man hett resolution4 angehort und etliche gute, vernufftige ursachen, dabeneben aussgefurt5 etc., bewogen, domit dan ire Mt. segen, das diße stendt kein scheues trugen, irer religion rechnung zugeben und rationes zugeben. Aber weren hievor weitleufftige colloquia gehalten unnd nit genutzet. /246’/ Dennochst weren sie urpietig: Da es yr kgl. [Mt.] fur ratsam achten, so wolten sie inen nit zuwider sein lassen, wo man solchen weg fürschluge und treffen mochte, der den bischofen unverwißlich und unnachtheilig, und bevorabe, da es dermassen anzustellen, das es rats weiß angestelt, wie konig sich resolviert. 2) Item das es unverletzlich seye der ordenlichen oberkait. 3) Dweil mit gegenthail beschwerlich zu handlen und man sicht, das passauischer vertrag furschlegt 4 weg, dardurch die religion zu vergleichen6, darunther dan die drei weg yetz hingehen, so würden sie7 daruf fallen, das eben [durch das Kolloquium] religion solte verglichen werden, das derhalb konig mit anzuzeigen, das bischofen von dem wege des concilii hierdurch nit wolten geschritten noch abgestanden sein uff den /247/ fall, die vergleichung nit getroffen. In solcher generalitet mochte man die kgl. Mt. beantwurten.

Augsburg: Widerwillige Billigung des Kolloquiums. Aber der catholischen religion halben, domit die nit gar erloschen, were vonnoten, das man ein ordentlich concilium hielte via ordinaria, unangesehen, ob gleich adversa pars decisionem nit anneme. Doch vergleicht sich mit Straßburg, bevorabe des letzten vorbehalts halben. Erinnert nochmals an die Notwendigkeit der innerkatholischen Kirchenreform zur Abstellung der Missbräuche8.

Freising9: Hielte, das nit so liderlich von dem concilio zu fallen, sonder ire Mt. abermals darumb zupitten und dessen ursachen furzuwenden, /247’/ dem conditionaliter anzuhangken: Da konig ye vermeinte, das zu dem concilio nit zu komen, das sich alßdan hern colloquium nit wolten lassen entgegen sein. Modus et forma colloquii, wie man darin willigen konte: Weren darzu etlich wenig zudeputieren, solchs zu beratschlagen, et quod per theologos tractetur negotium. Item quod conservetur ordinaria potestas. Item wen man colloquieren solte, zubedencken mit wem, dan die hereses nit alle der augspurgischen confession. Uff solchs vonnoten, das adversarii sich einer einhelligen confession vergleichen solten.

Regensburg: Quod deputent aliqui ad ulteriorem consultationem.

Passau: Wie Saltzburg.

Merseburg, Fulda, Hersfeld, Prälaten: /247’ f./ Formulierung einer Stellungnahme an den Kg. in einem Ausschuss.

/248/ Beschlussa : Besetzung dieses Ausschusses mit Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Salzburg, Straßburg und Augsburg.

Anmerkungen

1
 Referat des Protokolls dieser Sitzung bei Bundschuh, Religionsgespräch, 204 f.
2
 Vgl. dazu die später von Zasius kolportierten Vorbehalte an der Kurie gegen das ohne päpstliche Bewilligung beschlossene Kolloquium: Gleichwol wirdt von ettlichen cardinälen und sonnderlich dem Morano auß Rom hieher geschriben, daß man daselbs ob unserm beschluß deß colloquii, weil derselb ausser authoritet deß römischen stuels wenig gefallen hatt unnd sonnderlich uber unsere gaistlichen ubl zufriden ist, daß sie sich allso ohn vorwissen unnd bewilligung deß babsts schließlich eingelassen (Bericht Zasius an Kg. Maximilian von Böhmen vom 27. 2. 1557: HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 540–546’, hier 545. Or.; präs. o. O., 7. 3. Auch zit. bei Laubach, Ferdinand I., 186, Anm. 272).
3
 Bezugnahme auf das Votum am 29. 12.: Kurmainz A, fol. 242’ [Nr. 394].
4
 = die Replik des Kgs. [Nr. 428].
5
 Bezugnahme auf die mündliche Anmahnung des Kgs. (Kurmainz A, fol. 100–103 [Nr. 393]).
6
 Passauer Vertrag, § 6: Festlegung des Forums für die Religionsvergleichung auf dem künftigen RT: General- oder Nationalkonzil, Kolloquium, RV ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 3 S. 126 f.).
7
 = die Gegner.
8
 Vgl. das Votum am 29. 12. (Kurmainz A, fol. 240 f. [Nr. 394] mit Anm. 9).
9
 Freising nahm hier erstmals an der Beratung der geistlichen Stände teil, obwohl Kanzler Tatius schon seit 16. 10. in Regensburg anwesend war (vgl. Anm.9 bei Nr. 131).
a
 Beschluss] Würzburg (fol. 157’) differenzierter als Zusammenfassung der Umfrage: Wie in der letzten Beratung ergeben sich erneut zwei Meinungen. Ein Teil votiert dafür, das strittige Kolloquium der kgl. Mt. widerumb haimzugeben, das ir Mt. ex propria auctoritate dasselbig inns werck richten und instituieren, mit welchem die geistlichen churfursten, fursten und stende nichts zuthun haben solten etc. /157’ f./ Der andere Teil lehnt dies ab als Verstoß gegen den Passauer Vertrag, auf den Kg. sich nicht einlassen werde. Demnach, um dem Kg. entgegenzukommen, Mehrheitsbeschluss, einen Ausschuss einzurichten, der die Bedingungen und Vorbehalte, /158/ welcher gestalt salva religione et conscientia, salvo etiam iuramento catholicorum ein colloquium zuwilligen, beraten soll.